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 Betreff des Beitrags: Re: Ein gewöhnlicher Diener der Viere
BeitragVerfasst: 29.06.17, 00:26 
Edelbürger
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Die Angst verflüchtigte sich als ihn Erkenntnis ereilte. Doch die Gedanken nebelten ihn ein, machten ihn nicht zugänglich für Gespräche und Eindrücke von außen. Immer wieder sagte er sich die Worte im Geiste vor. Er konnte sie nicht nachlesen, konnte nicht ständig jemand anderes bitten sie ihm vorzulesen.

Sharok. Maichellis. Die gesamten Minios'. Alles zweitrangig. Nicht gleichgültig. Aber nicht die Priorität, dass er sich erlauben ließ sich von den Worten ablenken zu lassen. Es war egal wie er es drehte und wendete, es war stets etwas arkanes was er daran sehen mochte. Eine Anleitung etwas zu suchen. Ein Ritualplan. Es ließ ihn nicht los. Die Worte sprachen zu ihm und sagten ihm viel, doch er stolperte von einem Gedanken zum anderen. Hier und da wollte er eine Referenz auf sich gelesen haben. Doch sogleich schien sein innerstes vollständig abzulehnen, dass es mit ihm zu tun haben könnte.

Er wollte nicht wahrhaben, dass die Worte explizit mit ihm zu tun haben könnten, weil es bedeuten würde, dass wegen ihm Arin und Ravenne leiden mussten. Ein Umstand den er nicht ertragen könnte.

Wissensdrang. Seine größte Stärke, seine größte Schwäche. Er wollte Wissen. Haben, erschaffen, teilen. Schon ehe er Vitama diente, waren Bücher sein innigster Freund. Sie waren stumm, hatten keine Ansprüche. Ob sie gelesen wurden oder nicht, interessierte sie nicht. Der Leser war es, der einem Buch, nachdem es gefertigt wurde, wieder Leben schenkte, indem er das Wissen daraus entnahm und ihm einen Zweck verlieh. Er musste erst über Vitama zu Astrael finden. Nur ihr Einfluss ermöglichte ihm, an das Wissen zu gelangen, das er benötigte um zu erkennen, wo sein Weg zu finden ist. Er hatte immer ein Ziel, aber er lief auf einer Parallelstraße, die ihn nicht direkt dorthin brachte. Und so verblieb er auf Vitamas Weg, mit der bitteren Erkenntnis, nicht dort zu sein, wo er hingehört. Nicht auf der Straße zu gehen, die er begehen wollte. Es war der Weg der fast zum Ziel führte. Aber es führte eben nicht zum eigentlichen Ziel. Er war eingeschränkt in seinem Tun, in dem was er anstrebte. Mit seinem Schreiben von Büchern, dem Lernen und Lehren an der Magierakademie versuchte er die Einschränkungen in seinem Dienst an Vitama etwas aufzuweichen. Etwas mehr dorthin zu finden, wo er hingehörte. Aber es war nicht genug. Der falsche Weg ließ ihn immer mehr an sich selbst zweifeln.

Quell neuen Wissens. Tendarion dachte daran, wie er Guntrams Lehren annahm. Wie Tendarion sich einem gänzlich anderem Leben widmete, wie Vitama ihn gehen ließ und Astraels strenge Hand unnachgiebig, mahnend, strafend, niemals ablassend, über ihn richtete. Vitama ließ Tendarions Selbstbewusstsein neue Höhenflüge machen. Doch Astrael drängte ihn mit eiserner Hand auf den Boden der Tatsachen. Demut und das Ausführen von seinem Dienst. Nichts anderes war gefordert. Nichts anderes war nötig in seinem Antlitz. Der Nebel den seine Emotionen stets über seinen Verstand legten lichtete sich in Astraels Dienst. Gutmütigkeit wurde zu Besonnenheit. Sanftheit wurde zu mahnender Strenge. Platter Humor wurde zu Zynismus und Sarkasmus. Einzig allein in den emotionsbefreiten Momenten der Wissensaufnahme und der Wissensweitergabe war Ruhe und Zufriedenheit zu finden.

Nachdenklich lauschte er den Klängen als Maichellis und Sharok einen Übungskampf auf dem Burginnenhof ausführten.

Das alles ergab keinen Sinn in Tendarions Geiste. Er hatte alle Prüfungen Astraels angenommen. Keine Strafe hat er als unangemessen erachtet. Er hatte über alles nachgedacht, was Astrael von ihm verlangte. War es wieder eine weitere Mahnung, dass sein Leben noch immer dazu führte, dass er andere in Gefahr brachte? Dass es sein Wesen ist, was Arin und Ravenne verletzte?

Tendarion verfluchte sich dafür Maichellis zugesagt zu haben Caieta beizustehen diese Nacht. Doch ein Versprechen ist ein Versprechen. Und was aus Eidbruch entstand..

..er starrte in die Dunkelheit unwissend ob es hell war oder dunkel. Und immer wieder schwirrten die Worte der Säule in seinem Geiste umher.


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 Betreff des Beitrags: Re: Ein gewöhnlicher Diener der Viere
BeitragVerfasst: 30.06.17, 20:03 
Edelbürger
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Tendarion verzog das Gesicht, als er den Becher mit dem kalten Kaffee an seine Lippen führte um daran zu nippen. Bitter.

..Bitterer Schierling vollkommener Erkenntnis..


Die ganze Nacht über lag er wieder wach. Wälzte sich von einer Seite auf die andere. Vor seinem geistigen Auge manifestierten sich die erfühlten Worte. Keinen Moment stellte sich Gewissheit ein. Keinen Moment war er mit seinen Gedanken und Interpretationen zufrieden. Die Kampfübung in den frühen Zyklen war eine Tortur für seinen übermüdeten Körper. Aber gleichsam konnte er die aufgestaute Anspannung damit loswerden, die diese Schrift in ihm hervorrief.

Er befühlte die zwei kreisrunden Saphire, die er sich für seine letzten Dukaten, die er noch entbehren konnte, kaufte. Es war ein Impuls. Etwas was ihm richtig erschien. Warum er sie kreisrund schleifen ließ, kam ihm erst hinterher in den Sinn. Zwei Sphairen. Zwei Saphire. Es war logisch in Tendarions Kopf. Er hatte nichts, was er sehen konnte um sich abzulenken. Er musste etwas von Substanz tun, sonst würden ihn diese Worte noch mehr in den Wahnsinn treiben, als sie es schon taten. Die beiden Edelsteine waren bereits warm von seinen Händen. Es hatte etwas beruhigendes sie in seinen Händen kreisen zu lassen. Doch keine Erkenntnis überkam ihn, seit er sie in seinem Besitz weiß.

Schwingen. Argionemes geflügelter Stab. Lafays Stab. Ist die Antwort nicht auf dieser Insel zu finden? Ein Höhenflug schloss die Distanz nicht aus. War ein Ort gemeint?

Fremde Quellen. Bücher die noch nicht bekannt waren. Gespräche mit Personen, die noch nicht geführt wurden.

Frustriert wanderten seine Hände durch sein Haar und er seufzte gedehnt auf. War es überhaupt ein Rätsel? Oder interpretierte er zuviel hinein? Vielleicht war es gar nicht lösbar. Doch der Gedanke löste in Tendarion Angst aus. Was würde Astrael von ihm denken, wenn er schlicht den leichten Weg suchte? Noch ein Tadel, noch eine Mahnung. Er würde es nicht ertragen. Astrael war bisher noch nie zufrieden gewesen mit ihm. Ignoranz und Stillschweigen kann man möglicherweise als eine Tatsache werten, dass er nicht explizit etwas zu mäkeln hatte, doch die Strafen überwogen. Er hatte nicht Angst vor Astrael. Tendarion hatte Angst vollkommen zu versagen. Doch die Zeichen sprachen dafür. Nichts mochte ihm seit seinem Dienst beim Herrn Astrael gelingen. All seine großen Entscheidungen führten dazu, dass er nichts mehr von Gehalt für die Insel leisten konnte.

Er drehte die kreisrunden Saphire in seiner Hand, als der Anwärter ihn aus seinen Gedanken riss. Er suchte nach Wissen. Eine Frage, die Tendarion beantworten konnte. Und so löste sich der Elf für einen Zyklus von dem Rätsel oder dem Nicht-Rätsel.


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 Betreff des Beitrags: Re: Ein gewöhnlicher Diener der Viere
BeitragVerfasst: 30.06.17, 23:21 
Edelbürger
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Dicht gedrängt an den Erzgeweihten Astraels toste der Sturm um sie. Tendarion hatte das Gefühl, dass ihm entweder sämtliches Fleisch von der Haut gerissen wird, oder aber über kurz oder lang ein Eiszapfen von der Nase hängen würde. Die Gugel zog er sich tief in das Gesicht und eingehüllt in seinen eigenen Fellumhang und zusätzlich den wärmenden Arm und Umhang des anderen, harrte er mit ihm auf der Bank aus.

Tion sagte ihm, dass nichts auffälliges zu sehen sei an dem Schrein, doch genug um einen Teil des Rätsels dort bestätigt zu wissen. Ein Anhaltspunkt.

Tendarion schlug vor auf den Dunkelzyklus zu warten um Astreyons Licht offenbaren zu lassen, was sich im Hellen und dem bloßen Auge womöglich verborgen hielt. Und er harrte aus, ob er einer Erkenntnis, oder einer Enttäuschung unterlag. Doch war Khaleb Astrael am nächsten. Derjenige der den Atem schenkte, auf dass er mit Astraels Hilfe zur Sprache geformt wurde. Der unstete, ruhelose Geist, der nach Wissen strebte und nicht eher zu ruhen gewillt ist, wenn dieser Wissensdurst gestillt war.

Die fremden Quellen würden ihn zum Schrein führen, den Nithavela ihm einst zeigte. Der Pilz und die Schwerkraft zum Schrein Tevras, wo er einst sein Geschenk hinterließ und hoffte, dass es dort nach wie vor seinen Platz hatte. Und letztendlich fehlte Ignis. Geschmiedet. Sein einziger Hinweis darauf. Wenn es der Ort war, an dem einst Halgrim von Gabha empfangen wurde..

..irgendwie erschien ihm der Weg dorthin unmöglich mit seinen unsehenden Augen. Doch wenn Astrael es so wollte, würde er das Wagnis auf sich nehmen.


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 Betreff des Beitrags: Re: Ein gewöhnlicher Diener der Viere
BeitragVerfasst: 18.07.17, 07:01 
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"Meister?!", gellte die krächzende Stimme durch die Stille des Turms und der geflügelte Kobold wankte mit einem Stapel Bücher zum Tisch an dem Tendarion saß. Es wäre einfacher in der Schreibstube zu lesen und zu notieren, aber Tendarion hatte kein Interesse daran mit Guntram über die zyklenlange elfische Belagerung seines Schreibtisches zu debattieren. Nicht dass es überhaupt eine Debatte würde. Tendarion würde vor sich hinmeckern, auch wenn er schon beim ersten Wort des anderen angefangen hätte das Feld zu räumen.

Und so sehr Tendarion es liebte Guntram aus der Reserve zu locken, ihm gar ein Zugeständnis abspenstig machen konnte oder mit Logik über den anderen triumphierte, war er heute zu sehr eingenommen von dem Thema, dass sich ihm wie ein wenig gewollter Geistesblitz offenbarte. Wieder war er in den Fokus einer Person gerückt die nicht abstoßender und interessanter zugleich sein konnte. Und wieder konnte er seine Selbstbeherrschung loben und seine Neugier tadeln. Was diese Person sich leistete, war eine reine Provokation an allem was seinen Glauben betraf. Ein Handwerker der mit einem Vorschlaghammer versucht den höchsten Tempel in Draconis einzureißen, und dabei die wenigen Splitter die er aus dem Fundament schlägt, als Triumph verbucht.

Die Splitter warf Tendarion in geübter Manier entgegen. Und sie wurden eingesammelt als wären sie pure Diamanten. Wie sehr verehrte der Fey diese mittlerweile erlangte tiefe Apathie und Besonnenheit gegenüber so offensichtlichen Bekehrungsversuchen. Wie die Diener des Einen sich einzureden suchten, dass sie keine wären, indem sie ihre Mitstreiter als wahnsinnig oder blutrünstig darstellten. Indem sie ihre eigenen Lehren auf ein Podest erhoben, das sie über die Götter stellte.

Tendarion hatte einen Gedanken dazu. Eine Schrift von "C.M." - die Initialen Cordovan Marnions? - zu dem Thema, war ihm einige Zeit seiner Zeit hier auf der Insel ein philosophischer Begleiter. Auch hier waren die, oberflächlich betrachtet, schlüssigen und logischen Thesen, dass der Mensch als solches sich über alles andere erheben konnte, in jedem Absatz klar herauszulesen.

"Transsphärische Entitäten..", ein amüsiertes Schnauben wurde ihm entlockt, als er aus seinen Gedanken von einem weiteren Krächzen gerissen wurde. Wortlos und beiläufig nahm er die Bücher von Galwir an und das erwartete selbstgefällige Gurren ertönte. "Immer brav, immer fleißig."
Magnifizienz Nhergas hatte in der Tat einen seltsamen Humor. Tendarion wollte nicht daran glauben, dass die Worte zufällig gebildet wurden. Aber nun sieht sich Tendarion mit der höchst philosophischen Frage - Warum Menschen denn eigentlich immer essen - alle paar Zyklen konfrontiert. Aber er wollte nicht undankbar sein. Galwir war letztendlich immer brav, immer fleißig. Kopfschüttelnd schmunzelte Tendarion vor sich hin und blätterte in den Büchern die Galwir aus Guntrams Büchersammlung hervorgrub.

Die Bücher waren wenig gehaltvoll. Wie es leider zu erwarten war. Er suchte alles über Untote. Unsterblichkeit. Das Binden der Seele an diese Sphäre. Aber alles was Tendarion dazu fand waren direkte oder indirekte Hinweise auf Pakte. Dieses zwanghafte Gleichsetzen von Seele und Geist war der Fehl dem die Menschen oft auferlagen. Sie dachten mit dem göttlichen Funken in sich zu verfahren wie mit einem Gedankenspiel. Dass sie selbst darüber entscheiden könnten wo die Seele verharrte. Doch würde sie niemals in der Sphäre verbleiben. Sie ist nicht dazu gedacht, hier zu weilen, losgelöst von Geist und Körper.

Viel mehr dachte Tendarion dass die bewusste Entscheidung die widernatürliche Unsterblichkeit zu wählen, die Seele in den Limbus oder direkt zu irgendeinem gierig wartenden Dämon brachte. Ein ritueller Suizid, der Körper und Geist mehr oder minder intakt hielt war es. Nicht mehr und nicht weniger. Doch in ihrer Vermessenheit dachte diese Person, dass sie selbst es wäre, die bestimmen konnte, dass die Seele in diesem Prozess vorhersehbar bewahrt wurde.

Tendarion musste die Gunst dieser Person erlangen. Wenn er die Person nicht von diesem Unterfangen abbringen konnte, so musste er wenigstens eine Erkenntnis für Tare gewinnen.

Mele Morthêre. Ein Sterblicher der ihn genau dorthin führt. Wissen um jeden Preis.

Doch Tendarion wollte bewahren. Und wenn er dieses Mal wieder versagte, wie bei Sarana, dann hatte er zumindest diesesmal die Aussicht Dinge zu erhalten, die ihn und sein Umfeld auf solche Umstände besser vorbereiteten.

"Ajasendall, du weißt nicht, wie dankbar ich dir bin, dass mein Verstand über meine Gefühle obsiegt hat. Mein Herz es schreit nach Widerstand. Es schreit danach diese Person in Gewahrsam zu nehmen und vor sich selbst und ihrem Umfeld zu schützen. Doch du bist es der mir die Erkenntnis schenkt, dass man nur von einem fliegenden Vogel das Fliegen lernen kann. Selbst dann wenn man weiß, dass man trotz allen Wissens niemals in der Lage sein wird selbst zu fliegen."

Tendarion legte Galwir die Bücher, die er für seine Forschungen nicht benötigte wieder auf den Arm. Der Kobold würde sie haargenau dort einsortieren wo sie waren. Und der Fey widmete sich dem Buch, das ihm vermacht wurde und konnte nicht fassen, wieso er dies erlangen konnte. Täuschung? Eine letzte Tat im Sinne Astraels? Oder ein stiller Hilferuf?

Tendarion würde nicht aufgeben es herauszufinden.


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 Betreff des Beitrags: Re: Ein gewöhnlicher Diener der Viere
BeitragVerfasst: 26.08.17, 08:21 
Edelbürger
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"Irolan ist wieder da."

Tendarion pausierte in seiner Mahlzeit nicht. Es überraschte ihn nicht. Doch war die Information überraschend gleichmütig bei ihm angekommen. War das der Grund warum sein Umfeld ihn von Wochenlauf zu Wochenlauf weniger leiden konnte? Diese Apathie auf Dinge, die ihn eigentlich berühren sollten? Das Unverständnis, wie man mit so viel kopfloser Leidenschaft sich seinem gesamten Umfeld zur Ausnutzung und Vernichtung feilbot? Er fühlte nicht mehr viel. Das war sein Wunsch als Vitama ihm das Gegenteil aufbürdete. Und Astrael hatte ihn genau so erfüllt. Keine Kompromisse. Kein ins Blaue interpretieren. Tendarion musste ob seiner Gedanken schmunzeln. Custodias bedachte ihn mit seinem gewohnten Blick. Fragend, vorwurfsvoll und mit schlecht verborgener Neugier versehen. Natürlich die gehobene Braue. Tendarion musste noch mehr Schmunzeln.

"Gut."

Custodias' Braue sank herab. Der abwartende Blick blieb. Der Vorwurf wurde von aufrichtigem Interesse ersetzt. Tendarion mochte diese Momente. Im Sanktum des Herrn Astrael zu sitzen, alleine zu sein mit Custodias und nicht mehr reden zu müssen, als nötig. Kein ständiges jammern. Kein ständiges betteln um Bestätigung und Aufmerksamkeit. Schlicht zwei Personen, die sprachen, wenn ihnen danach war und schwiegen, wenn ihnen danach war. Sie beide waren extrovertiert, kannten keine Schüchternheit. Tendarion blickte Custodias einen Moment forschend an. Zumindest war er aber disziplinierter als noch vor zwei Götterläufen. Sie haben sich beide hier erzogen. Sie hatten jeweils Grenzen gesetzt, die unverrückbar waren. Diese wurden mit Klauen und Zähnen verteidigt. Man hatte stets Abstand gelassen, wollte vermeiden, dass der andere zu viel Macht über ihn hatte.

Doch mittlerweile haben sie beide mit diesem Kampf aufgehört. Die letzte Grenze wurde eingerissen. Die Fronten waren klar. Alle Waffen beiseite gelegt. Sie beide schützten ihren Rücken. Sie waren zusammen ein undurchdringlicher Wall geworden. Keiner von beiden hatte vor dem anderen etwas zu befürchten. Und zusammen hatten sie auch vor dem Rest nicht viel zu befürchten.

Custodias hob nach der langen Schweigepause nun doch wieder die Braue. Er wurde ungeduldig. Tendarion schnaubte amüsiert aus und dachte einen kurzen Moment darüber nach, es weiter herauszuzögern, als Custodias sich als der Verlierer in diesem Spiel offenbarte.

"Wieso ist das gut?"

"Weil er, trotz dessen dass er sich mit allem, was er hat dagegen auflehnt, Astrael näher ist, als der Rest dieser verrückten Insel. Wir benötigen in dieser Situation berechenbare, gewissenhafte und vor allem verlässliche Leute. Und ich komme nicht umhin es als eine glückliche Fügung zu sehen, dass er nun da ist. Seit Tagesläufen finde ich hier nicht heraus. Suche nach bestem Gewissen nach einer Antwort, doch die einzigen Antworten, die ich finde, sind meine eigenen Gedanken und Interpretationen. Es ist gut, dass er da ist. Denn er sieht die Viere nicht so verträumt wie wir. Ohne Gegenspieler, der nicht nur Gift spuckt, kommen wir in dieser Angelegenheit nicht weiter."

"Was sind deine Gedanken dazu?"

"Der Herr möge mir verzeihen, wenn ich Dinge ausspreche, die aus weltlicher Sicht nicht ketzerischer sein könnten, aber er kennt meine Gedanken, und du selbst weißt mit solchen Worten umzugehen." Kurz hielt er inne und nippte von seinem kaltgewordenen Tee.

"Ich vermute, dass das Konzept der Viereinigkeit ein Konstrukt der Sterblichen ist. Dass es nie die "Vier" gegen den "Einen" gab. Dass es stets nur eins war und die Sterblichen sich etwas daraus erschufen, dass sie besser verstehen. Wie konnten die ersten Völkergruppen bestehen? Indem sie sich trotz aller charakterlichen Unterschiede zusammenschlossen und etwas großes und gemeinsames schufen. Jeder der destruktiv wirkte und die Gemeinschaft störte, wurde ausgeschlossen. Vielleicht ist der Eine schlichtweg der Ausgestoßene destruktive, der überhaupt die Einigkeit in den Vieren möglich macht. Bellum wollte ihn nun endgültig vernichten und die anderen drei wussten, dass es dann keine Viereinigkeit mehr gäbe. Wenn es nichts gibt, wogegen man sich vereinigen müsste, gäbe es auch keinen Grund weiter gemeinschaftlich zu agieren.

Bellum zeigte uns sehr deutlich wie erschreckend die Viere als einzelne Entitäten sein können. Vitama zeigte mir sehr deutlich wie zermürbend sie in ihrer launischen, naiven Natur ist. Morsan würde uns mit seiner Apathie alle schlichtweg sterben lassen, schließlich sind unsere Seelen bei ihm sicher. Was interessiert es Morsan ob wir unsere Hülle gut behandeln? Einzig Astrael, der sich nicht heraushält, aber gleichsam nicht interveniert, in einer destruktiven Art und Weise wie Bellum, Vitama und der Eine es tun, scheint der Gott zu sein, der tatsächlich noch etwas für Tare übrig hat. Oder viel mehr: Der einzige, der erkennt, dass er ohne Tare keine Macht meht hat. Astrael hat diesen Götterkrieg zugelassen um uns allen etwas zu lehren: Wir können nicht nur allein von Vitama und Bellum profitieren. Wir können nicht alleine vom Einen profitieren. Wir müssen schlichtweg einsehen, dass alle fünf Götter sind. Und ein jeder von uns ist ein Resultat des Einflusses aller fünf Götter."

Tendarion trank seinen Tee leer. Ein angedeuteter Kuss wurde auf die Stirn des anderen gedrückt und der Elf richtete sich auf um sich weiter den Regalen zu widmen.

Custodias beobachtete ihn schweigend.


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 Betreff des Beitrags: Re: Ein gewöhnlicher Diener der Viere
BeitragVerfasst: 26.09.17, 11:10 
Edelbürger
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Mit ernüchterndem Blick stand Tendarion vor dem Regal mit der Aufschrift "Naturkunde". Bücher über Chimären. Kreaturen. Botanik.

Nichts bedeutendes über Meereswesen. Schon gar nicht über Riesenkrabben. Seine Mundwinkel wanderten ein kleines Stück empor. Oder Aale. Vielleicht beim Handwerk? Ein Rezept für das rechte Räuchern eines Aals? Tendarion musste etwas auflachen.

"MEISTER?!"

Glücklicherweise hatte er es sich abgewöhnt jedesmal zusammenzuzucken, wenn das gellende Kreischen des arkanen Konstrukts seine Gedankenspiele zerfetzte wie Gaisgeach es für gewöhnlich mit Maichellis' Umhang versuchte. Wortlos starrte er zu Galwir, der mit einem gefährlich hohen Bücherstapel auf ihn zuwankte und Tendarion mit den kristallenen Knopfaugen bewundernd anstarrte. "Meister...", gurrte der Bücherkobold und er hob die Bücher abwartend vor sich.

Einige Anweisungen folgten und der Kobold sortierte die Bücher exakt dort ein, wo es ihm aufgetragen wurde. Tendarion fiel auf, dass er Nithavela und Magnifizienz Nhergas keinen angemessenen Dank zukommen ließ. Eine Partie Schach mit Nithavela wäre ein guter Gedanke. Doch Magnifizienz?

Tendarion wandte sich dem Naturkunderegal zu und notierte den Mangel an verfügbarem Wissen. Vielleicht sollte er die Ecclesia um solcherlei bemühen? Lazalantin war sehr bereitwillig seine Schriften und sein Wissen zu teilen. Letztendlich war es seine Pflicht das Wissen in der Bibliothek zu bewahren und zu mehren.

Pflicht.

Seine Gedanken wanderten wieder zu gestern. Tendarion war sehr erfreut als er die Gäste bei Magister Schleifer sah. Allesamt angenehme Menschen und natürlich ein angenehmer Fey. Das Essen war schmackhaft, auch wenn Tendarion es womöglich anders zubereitet hätte, der Wein war hochwertig. Tendarion hatte gute Laune und war erfreut ein Stück Normalität zu erleben, was ihn gedanklich in seine Zeit nach Draconis versetzte.

Doch kam er nicht umhin immer wieder den Seitenblick gen Custodias zu richten. Er sah, dass der andere nicht den Geist der Gesellschaft bereichern oder daran teilnehmen wollte. Es war nicht ungewöhnlich, dachte der Fey, letztendlich verbrachte Custodias die meiste Zeit alleine und selbst die gemeinsame Zeit war eher von ruhigen oder gar keinen Gesprächen geprägt. Tendarion sprach viel und er war auch davon überzeugt, dass Custodias wohl nur einen Bruchteil von dem aufnahm, was Tendarion von sich gab. Tendarion bewahrte seine eigene Gedankenwelt und seine wahren Gefühle hinter einer Front von ewigen Gesprächen. Custodias bewahrte seine eigene Gedankenwelt und seine wahren Gefühle indem er schlichtweg das Schweigen bevorzugte.

Es war für Tendarion einfach Maichellis Gedanken zu erraten, seine Stimmung einzuschätzen. Kein stetiger Dialog war nötig um den anderen Fey zu verstehen. Möglicherweise war es tatsächlich einfacher für einen Fey andere Fey zu verstehen. Oder war es schlichtweg die Zeit die man hatte um solche Gespräche und Gedanken auf einen anderen Zeitpunkt zu schieben? Menschen hatten dieses Privileg nicht. Entweder sie handelten nun, oder sie bereuten es später, dass sie keine Zeit mehr dazu hatten es zu tun. Und so war Tendarion erleichtert, als Custodias bei dem Essen endlich einen Wunsch äußerte, der erfüllbar war. Oder so dachte Tendarion zumindest.

Und dann kam der Aal.

Tendarions Trübsal über die Teilnahmslosigkeit Custodias' wandelte sich in Amusement. Er hatte, den Moment, wo er den Aal roch, daran gedacht, dass er Custodias' noch nie als passionierten Fischesser erlebte. Und Recht sollte er behalten, als er das Hin- und hergschiebe des Fisches aus dem Augenwinkel beobachtete und strategisch drumherum gegessen wurde. Die Gespräche waren ruhig und angenehm. Wie immer war ein Teil des Tischgesprächs Arbeit und die Probleme der Insel. Doch wurde sachlich und ruhig darüber gesprochen. Informationen ausgetauscht. Das weitere Vorgehen geplant. Vereinbarungen für Untersuchungen getroffen. Schließlich wurde Tendarions Sturheit Thema und der Elf musste feststellen, dass die Wörterbücher Tares offenbar um ein Wort erweitert werden mussten, da man sich tischweit einig darüber war dass Tendarion ein Synonym für Sturheit sein sollte. Oder sogar der Superlativ. Es war definitiv keine unangenehme Runde. Es lag in der Natur der Dinge, dass Tendarion wohl der lebhafteste unter ihnen allen war, aber er konnte erahnen, warum Leirik diese Runde einberief. Weil er genau wusste, dass dort keinerlei Konfliktpotenzial herrschte. Tendarion kam nicht umhin die Weitsicht Leiriks diesbezüglich anzuerkennen und war froh, dass er diese Einladung annahm.

Als die Aufbruchstimmung aufkam, nahm Tendarion die Gelegenheit wahr, als Leirik von Custodias abgelenkt war, den Aal ganz heimtückisch in ein Tuch zu schlagen und zur späteren Fütterung seines Luchses zweckzuentfremden. Im weininduzierten Gedanken eingenommen, dachte Tendarion daran, dass er nicht damit gerechnet hätte, mit einem Aal jemals eine Emotion in Verbindung zu bringen, doch er konnte das etwas infantile Schmunzeln nicht von seinen Lippen bannen als er wieder daran dachte.

Als er sich in dem Archiv der Bibliothek setzte kam er nicht umhin ein wenig die Lippen zusammenzupressen. Er ließ die Gespräche die nach Leiriks Abendessen in kleinerer Runde folgten Revue passieren.

Pflicht.

Tendarion spürte wieder dieses nagende Gefühl vom schlechten Gewissen. Vielleicht, weil es teilweise stimmte. Oder zumindest eine längere Zeit zutraf. An Custodias' Seite zu sein war lange Zeit für Tendarion Pflicht. Eine selbstauferlegte Aufgabe, die damit einherging viele Dinge zuzulassen, die der Fey aus freien Stücken nicht getan oder gesagt hätte. Aber er war nicht darauf vorbereitet, dass es so offensichtlich für Custodias' war. Und schon gar nicht darauf vorbereitet, es in einem so lockeren Gespräch als beiläufigen Einwurf zu hören. Kurz drohte Tendarions Stimmung zu kippen. Doch er war nicht alleine und die Situation verlangte gewiss nicht nach einem in sich gekehrten Fey, der sich zum Nachdenken zurückziehen wollte.

War er ein Egoist, dass er wollte, dass sein Umfeld zufrieden war, damit es ihm gut ging? Er wusste nicht, was das passende Wort war. Aber er dachte daran, wie das Umfeld ihn bezeichnete: Arrogant, stur, egoistisch. Als er dazu überging, diese Attribute tatsächlich als die seinen anzunehmen und es zu verbalisieren, ertönte in vielen Fällen ein Einwand dazu. Wer hatte recht? Oder gab es schlichtweg niemanden der recht hatte und sie alle waren Egoisten, die schilchtweg nur diejenigen um sich herumwählten, die die eigenen egoistischen Bedürfnisse zufälligerweise erfüllten? Tendarion traf eine Entscheidung. Er sprach offen - etwas was er konnte, sich selbst und andere damit zu konfrontieren, was er selbst wahrnahm und hoffen, dass er bei anderen neue Gedankengänge damit erschließen konnte.

Es war Pflicht. Eine Pflicht, die er bei Maichellis, Diana und all den anderen nie fühlte. Die anderen waren ihm an das Herz gewachsen, ohne dass er jemals das Gefühl hatte, sich dafür selbst zu geißeln. Ohne das Gefühl zu haben, dass er es tun muss. Es fühlte sich gut an. Mit Custodias war es nicht immer der Fall. Aber es fühlte sich stets richtig an, selbst wenn Tendarion darunter litt, konnte er dem anderen niemals den Rücken weisen. Vielleicht war es nötig, dass Tendarion erst Vitama nahe sein musste, damit er über Custodias Auftreten hinwegsehen konnte und zu Astrael fand. Dass es zunächst eine Pflicht sein musste, ehe Tendarions Custodias' wahres Wesen erkannte und es eine Erfüllung wurde an seiner Seite zu dienen. Es war schlichtweg eine logische Entscheidung mit ungewissem Ausgang. Und die Entwicklung machte dem Fey deutlich, dass er nichts von all dem bereute.

Der Wein führte den Fey allerdings auch dazu Dinge auszusprechen, die ihm selbst unangenehm waren. Er war lange nicht mehr von dieser Scham erfüllt, die ihn in diesem Moment ereilte, als er herumdruckste, dem Thema auszuweichen versuchte. Aber der Bann war gebrochen. Es ging nicht mehr um Pflicht. Nicht mehr darum voreinanderherzutänzeln und schwierige Themen zu vermeiden. Wenn es sich entwickeln sollte, musste man auch über sich hinauswachsen. Maichellis wirkte nicht im geringsten überrascht über Tendarions Offenbarung - was wiederum Tendarion überraschte.

Auch wenn Tendarion in dem Moment bereute, als er es offen aussprach, dass er es offen aussprach, war er sich sicher, dass es der richtige Schritt war. Weg von der Pflicht. Das Zugeben, dass auch er nicht die Selbstsicherheit hatte, die er oftmals vorgaukelte. Das Zugeben, dass auch er Gedanken hatte, die nichts mit Obektivität, Sachlichkeit oder Realität zu tun haben müssen. Dass auch er eine Seite hatte, die er vor anderen so vehement verbarg, dass es ihm teilweise zum Vorwurf gereicht wurde, dass er diese Seite offenbar nicht besaß. Und gleichzeitig war es ein Vertrauensbeweis an Custodias und Maichellis, die damit noch ein Stück mehr von Tendarion fest in den Händen hielten. Etwas was man letztlich gegen ihn verwenden könnte - so man es denn wollte. Und gleichzeitig etwas was man schamlos ausnutzen konnte, bis an den Punkt, dass Tendarion seine Offenheit bereuen würde.

Die Erkenntnis, dass Vorstellung und Tatsache nicht immer sehr nah beeinanderlagen, erfüllte Tendarion einerseits mit einer gewissen Ernüchterung, aber gleichsam auch mit dem Drang danach die Realität so zu verändern, dass sie mehr der Vorstellung entsprach. Tatsächlich schaffte er es auch mit einigen Abstrichen. Reue war nichts, was er mit seiner Offenheit verband.

Seine Gedanken drängten sich an den Morgen. Tendarion wollte wirklich einiges an Schreibarbeit erledigen. Er stand auf. Womöglich wäre es sinnvoller heute nicht den ganzen Tag sitzend in der Schreibstube zu verbringen. Vielleicht sollte er die öffentlich zugänglichen Schriften der anderen Bibliotheken und Privatbestände an Büchern heute durchsehen. Vielleicht fand er etwas über Riesenkrabben. Oder Aale.

Schmunzelnd begab der Elf sich aus der Bibliothek. Nur ein gellendes Kreischen ertönte, weil Tendarion es wagte ein Buch auf dem Schreibtisch zu hinterlassen und keinen Befehl dazu zu geben. Galwir würde die nächsten Zyklen in Agonie und Überforderung darüber wachen.


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 Betreff des Beitrags: Re: Ein gewöhnlicher Diener der Viere
BeitragVerfasst: 23.10.17, 08:24 
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Es war still im Turm.

Ein aufgewühltes Gemüt beruhigt und in einen erschöpften Schlaf geführt. Das andere konnte, oder wollte, nicht ruhen. Hier und da hörte man Schritte über die Dielen. Der Schreibtisch wurde für eine Notiz beansprucht. Ein prüfender Blick auf den einsamen blonden Elfen vor dem Kamin geworfen. Doch Tendarion schüttelte nur angedeutet den Kopf wenn er den Blick des anderen bemerkte. Abtuend. Beschwichtigend.

Er würde zu Vitama und wieder zurück reisen, nur um sich in den Schlaf betrinken zu können. Er könnte es auch. Wer war da um ihn daran zu hindern? Ein Blick auf den unscheinbaren roten Fleck auf seinem linken Handrücken war jedoch Erinnerung genug. Seine rechte Hand war von Astrael selbst gezeichnet. Aber der Herr kannte seine Gedanken und seine Unzulänglichkeiten. Er kannte keine Schande oder Scham vor Astrael. Astrael kannte seine schlimmsten und seine besten Gedanken. Dennoch erwählte er den Elfen zu seinem Diener. Und wie er vor Astrael keine Geheimnisse hatte, erschien es ihm umso witzloser vor Guntram Geheimnisse zu haben. Guntram hatte sein Herz, seinen Geist und seinen Körper fest im Griff. Nicht aus absurder romantischer Loyalität heraus. Nein, schlichtweg weil Tendarion anerkennen musste, dass Astrael nicht fordert, sondern erwartet. Entweder man würde seinen Erwartungen gerecht, oder er wendet sich anderen zu. Guntram war für Tendarion die Leibgewordene Erfüllung von Astraels Erwartungen. Nicht weil er unfehlbar war oder einem Avatar seines Herrn glich. Nein, weil er Erwartungen hatte, nie sein Umfeld formte, aber sich selbst auch nie verbog, selbst wenn es sein Leben und seinen Dienst einschränkte. Im Gegensatz zu Astrael hatte er jedoch auch Forderungen. Ein Blick auf den roten Fleck an seiner linken Hand entlockte ihm ein Seufzen.

Guntram und Akelas waren sich zu gleich. Nur ihre Methoden bedeutend anders. Also kein Wein mehr für Tendarion. Und auch keine anderen geistesberauschende Mittel. Ein unwillkürliches Schmunzeln glitt über Tendarions Lippen. Vater Custodias und Mutter Akelas. Tendarions Schmunzeln wich einem melancholischen Lächeln. Er merkte nicht wie seine Sicht verschwamm, bis ein Tropfen auf seinen Handrücken fiel.

Ein weiterer Tropfen. Und schließlich kam er nicht umhin sich vollends der plötzlich herausbrechenden Trauer hinzugeben und er verbarg sein Gesicht in seinen Armen.

Seine Familie möglicherweise verendet im zerstörten Draconis. Jegliche Überzeugung über das Wesen der Götter zerstört, die sein Volk tausende Götterläufe pflegten. Warum waren Fey also vom Einfluss Angamons so negativ beeinflusst? War es eine Fehlinterpretation? Waren Fey wirklich so sehr anders als andere Völker? Nicht besser. Nicht geliebt. Nein, isoliert, speziell. Sie hatten etwas auf Tare zu erledigen, was sie gar nicht zu den anderen Völkern führen sollte. Sie waren dazu auserkoren die jungen Völker an diesen Wandel heranzuführen und dann zu vergehen, weil Angamons erstarkender Einfluss sie zerfetzen würde.

Die Fey waren einst ein ungetrübtes Licht in der Dunkelheit. Ihr Vergehen in den letzten fünftausend Götterläufen hingegen die ersten Anzeichen davon, dass so eine Art des Lichtes nicht mehr benötigt wurde. Er sah in Maichellis' Augen die selbe Sorge. So gerne würde Tendarion ihm seine eigene Angst und seine eigenen Sorgen darüber zeigen. Doch Tendarion war kein Fey mehr. Er war einzig und allein Diener Astraels. Wissen akquirieren und auswerten war seine Mission. Dafür musste er stark sein. Unnahbar und nicht von persönlichen Gefühlen angetrieben und verwirrt sein.

Seine Gedanken gingen zu Adhemar. Einst die Person auf der Insel, vor der er kein Blatt vor den Mund nehmen musste. Er erinnerte sich, wie er ein Buch bei ihm kaufte. Es schien Ewigkeiten her. Niemals hatte er die Gelegenheit ihm mitzuteilen, dass er das Buch nutzte um eine Abschrift des Codex Belli darin zu verewigen. Doch als die Worte "Spalter der Kirche" wie ein Dolch auf ihn einstachen, aus dem Mund der für ihn einst nur beruhigende Worte übrig hatte, erschien es ihm witzlos darüber zu erzählen. Tendarion erduldete wie Dolchstoß um Dolchstoß von Adhemar verbal ausgeführt wurde. Als er sich so still und heimlich in der Nacht den Tränen ergab konnte er es nicht verleugnen, dass Adhemars Worte weit mehr in Tendarions Herzen zerrissen, als er es jemals offen aussprechen würde.

Wenn Tendarion der Spalter der Kirche sein sollte, so wandelte jemand auf der Insel der die Sterblichen in ihrer Gänze spaltete. Nicht rasiermesserscharf, mit Hinblick darauf, dass die Wundränder glatt verbleiben. Nein. Ein rachsüchtiger Henker mit einer schartigen Axt, der seine Opfer leiden sehen will. Tendarion schlang seine Arme hilflos um seinen Kopf. Es ging nicht mehr um persönliche Vorlieben. Es ging um das blanke Überleben.

Es ging darum herzlos zu dienen, denn ansonsten würde der Henker noch mehr Herzen zerfetzen. Und Tendarion wusste, dass sein Geist dies nicht überstehen würde.


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 Betreff des Beitrags: Re: Ein gewöhnlicher Diener der Viere
BeitragVerfasst: 28.10.17, 20:42 
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War es ungerecht von Tendarion Edelmut und Tion zu zürnen, da sie über ihn verfügten, weil sie eine Macht über ihn erkannt haben, die Tendarion selbst bis dahin nicht kannte? Oder war der Zorn nur der Mantel für die eigentliche Sorge und Angst die er empfand?

Er war mit einer unscheinbaren Kleinigkeit außer Gefecht zu setzen. Wenige Worte, die nur in eine bestimmte Richtung gelenkt wurden und eine Gedächtnislücke lähmte seinen Geist und machte ihn handlungsunfähig. Eigentlich hatte Tendarion erhofft, dass die Zeit der angsteinflößenden und vernichtenden Prüfungen von seinem Herrn vorbei sei. Doch weder hatte er seine Magie wiedererlangt, trotz aller geübter Demut vor Astrael und der Magie selbst, und nun offenbarte sich ein lückenhafter und dementer Geist. Er weiß woran er sich erinnerte, doch wenn er es in seinen Einzelheiten erforschen wollte, oder aber gar laut aussprechen wollte, versagte sein Gedächtnis.

Wie oft hatten sie es gegen ihn benutzt? Vor allem wer hatte es gegen ihn benutzt? Und dann Galwir..

Was war mit der Kreatur nur los? Eine Fehlfunktion? Warum schaffte er es soviele Dinge von sich zu geben, die ihm nie beigebracht wurden? Hatte sich ihm einer bemächtigt? War es wieder eine Prüfung des Herrn?

Galwir.

Kobold und Fee. Die Fey unterschieden den Begriff nicht. Sie waren beides hochmagische Wesen aus der selben Sphäre. Tendarion differenzierte den Ausdruck nur wenn er Galad sprach. War es ein Fehler seinen Helfer so zu nennen? Hat er damit sich selbst immer wieder in seine Gedächtnisaussetzer gebracht und erfuhr nie davon? Hatte Galwir anderen davon erzählt?

Frustriert strich der Elf durch sein Haar, als er im Schrein des Herrn Astrael saß. Er ließ die Schultern hängen und sah frustriert voran. Die Türe öffnete sich, doch Tendarion regte sich nicht. Er wusste anhand der Schritte wer es war..


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 Betreff des Beitrags: Re: Ein gewöhnlicher Diener der Viere
BeitragVerfasst: 28.10.17, 21:01 
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Der diesige Morgennebel hatte sich gelichtet, als sie das Heiligtum Maquiras am Wall erreicht hatten. Es war nicht einfach gewesen, Sternfall dazu zu bringen, das gewünschte, sehr gemächliche Tempo bei zu behalten, dass sie an den Tag legen wollten; den halben Weg über Seeberg und an Kesselklamm vorbei war der Schimmel mit der schwarzen Mähne unruhig gewesen und hatte schließlich sogar frustriert Bocksprünge eingelegt, um seinem Partner zu zeigen, wie blöd er das fand. Natürlich, er war anderes gewohnt und begriff nicht, warum es sein Reiter heute mal alles andere als eilig hatte.
Er selbst ertappte sich auch beständig dabei, wie er dem Schlachtross andere Anweisungen erteilen wollte - der Takt, den sein Leben seit seinem Beitritt zum Militär angenommen hatte, war nur schwer wieder aus Leib und Geist zu verbannen, oder wenigstens zu unterdrücken. Womöglich spürte Sternfall diese Widersprüchlichkeit und zeigte sich deshalb so störrisch?
Schlussendlich hatten sie die Pferde vor dem Wall frei laufen lassen und waren in die diesige, frisch duftende Kaverne eingetaucht, in der Maquiras Lebensblut von den Feuern der Berge erhitzt in seichten Becken lockte. Nicht nur hatten sie der Göttin, die eine der Schutzpatrone ihres Volkes war, gedacht, sondern ihr auch ein kleines Opfer dargebracht - eine prächtig schillernde Muschel, ein Strang frisch geschnittenen und geflochtenen Haares, ein Stück Stoff, mit dem eine Wunde versorgt und ein Leben gerettet worden war.
Belangloses, wie das Wasser dahinplätscherndes Geplauder, ein leichtes Mahl aus Früchten und Käse samt Wein, eine Weile stilles Entspannen Arm in Arm in einem der Becken - unspannender und schöner hätte es kaum werden können.
Der erste freie Tag seit unzähligen Monden, und er hatte ständig das Gefühl, gleich, gleich kommt jemand hereingelaufen und ruft Alarm oder braucht einen Wechsel seiner Schichtpläne wegen seiner schwangeren Gefährtin, oder fragte trottelig, wo er sein Ross abgestellt habe, oder ein Mord war geschehen oder ein Diebstahl oder...
Tendarion riss ihn aus seinen Gedanken, ein wenig belustigt tadelnd, als hätte er seine Gedanken gelesen, und schlug vor, zu gehen. Manchmal hatte er wirklich das Gefühl, sein Gefährte durchschaue ihn leichter noch als sauberes Glas.
"Lass uns gehen. Ich glaube, ich löse mich sonst noch auf.."

Eine knappe Stunde später saßen sie in der Wohnkammer auf dem Boden vor dem Kamin, hatten ein Schachbrett vor sich liegen und Tendarion erklärte ihm die Regeln. Gerade stellte er die Bauern seiner Seite - natürlich weiß - in der zweiten Reihe auf.
"...können ein Feld rücken."
"Kann man sie bewaffnen?"
"Bitte?"
"Die Bauern. Kann man sie bewaffnen?"
Maik durchstöberte die Figuren, fand aber nichts, was als Markierung dafür diente, dass man etwas aufrüsten könnte.
Tendarion hob amüsiert die Mundwinkel. "Nein. Aber wenn sie das andere Spielfeld erreichen, kann man sie in eine Dame verwandeln."
"Was?"
"Geduld. Das hier ist der König. Er kann nur jeweils ein Feld ziehen. Wird er geschlagen, ist das Spiel vorbei."
"Warum? Verliert der Rest dann die Moral?"
"Das sind die Regeln dieses Spiels."
"Oh. Aber...warum setzt jemand den König auf das Schlachtfeld? Das ist doch unsinnig."
"Ein Spiel."
"Schon gut. Weiter."
"Die Dame hier kann in jede Richtung beliebig weit ziehen. Sie ist die flexibelste aller Figuren."
Der Krieger dachte an Königin Bryn, die das Königreich zusammenhielt und musste seinem Gefährten im Stillen recht geben: eine ehemalige Lehrerin, die ein Land im Bürgerkrieg in Abwesenheit des göttlich erwählten Königs regierte... er wollte nicht wissen, wie schwer ihre Last wog.
"Das hier ist ein Läufer. Er kann diagonal entlang der Farben seines Feldes ziehen, so weit du möchtest. Der Läufer, der auf dem weißen Feld steht, kann nur auf Weiß ziehen, und der auf dem schwarzen Feld nur auf..."
"..Schwarz. Verstanden."
Wieder stellte der blonde Elf die Figuren auf dem Spielfeld ab.
"Das hier ist der Turm. Er kann nur gerade ziehen, aber genau soweit wie der Läufer. Wobei natürlich eine gegnerische oder eigene Figur den Zug begrenzt."
"Warte. Wieso kann der Turm sich überhaupt bewegen? Und noch dazu so weit wie ein Läufer? Das ergibt keinen Sinn. Hat er wenigstens Belagerungsbrecher...?"
Tendarion blickte den anderen Elfen mit einer gehobenen Braue an.
"Verzeih. Weiter."
"Dies hier sind die Springer. Sie können nur in beliebiger L - Form vorrücken, dafür dürfen sie als einzige Figur alle anderen überspringen." Tendarion hielt die hübschen Rösser, die auf ihren Hinterläufen standen, hoch und platzierte sie dann auf ihren Feldern. "Ich traue mich kaum zu fragen... richten sie mit ihren Hufen hinter sich auch Schaden a.."
Ein weiterer Blick des Geweihten ließ ihn verstummen. Das hieß wohl nein. Wer sich diese Regeln ausgedacht haben mochte?
"Soviel zu den Regeln. Wir können beginnen."
"Wie, das war es?"
"Das sind die Regeln für jede Figur. Jeder macht einen Zug, wobei weiß anfängt, und das Ziel ist, den gegnerischen König zu bezwingen." "Das ist alles?"
"Ja. Man muss vorausplanen, erahnen, was der Gegner tun könnte und jenes kontern."
"Aber... das ist doch total unsinnig. Wo sind die Bogenschützen, die Belagerungswaffen, Festungen, Ritter, Magier? Geweihte, Priester, Dämonen... das ist nicht realistisch. Kein bisschen."
Tendarion ersparte sich eine Entgegnung und starrte den schwarzhaarigen Elfen nur nichtssagend an.
"..schon gut. Es ist ein Spiel. Verstanden." Maik kam nicht umhin, ein wenig zu schmollen. Was sollte er mit diesem Unsinn? War das nicht ein billiger Abklatsch der Realität?
"Maichellis." Tendarion sah ihn weiterhin ernst an, schien ihn, einmal mehr, mühelos zu durchschauen.
"Es ist ein Spiel, dessen Regeln die Schwierigkeit darstellen, nicht dessen Mangel an Realitätsnähe. Du musst mit den Regeln das Beste erreichen. Um mehr geht es nicht."
"Aus... nichts viel machen?"
Der andere Elf nickte.
"Gut... das müsste doch möglich sein. Lass uns spielen!"

_________________
Inaktiv.


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 Betreff des Beitrags: Re: Ein gewöhnlicher Diener der Viere
BeitragVerfasst: 11.01.18, 08:04 
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Als er im Bad saß, beobachtete er die konzentrischen Kreise die sich im Wasser bewegten. Es war obskur, wie das Wasser verdrängt wurde, die Quelle der Verdrängung jedoch nicht erkennbar war.

Gier. Die Sucht nach mehr. Seinen eigenen Herrn und Gott indirekt immerzu anzuflehen ihm doch wieder sein, einst selbstlos gegebenes, Geschenk wieder zurückzugeben. Astrael hatte ihn vor etwa einen Götterlauf in seinen Dienst aufgenommen. Hat ihm geschenkt wonach er sich so sehnte. Weg von der Bürde, die die Herrin Vitama dem Elfen aufgab. Es gab keinen Grund für Astrael so einen schwachen Diener in seine Reihen aufzunehmen. Aber er tat es - und er forderte dafür seine Gabe wieder ein. Tendarion hatte diesen Tausch in der Zeit nie überwunden.

Neid. Selbstsucht. Seinen eigenen Herrn und Gott in Frage stellend, warum Tendarion, der die Magie vorrangig nutzte um anderen das Leben zu erleichtern, etwas aufgeben musste, was soviele andere Magier Tag um Tag missbrauchten. Astrael hatte jedes Recht so einen undankbaren Diener und Teil seines von ihm ausgewählten Volkes mit Strafen zu versehen. Tendarion hatte das Gesicht vor Astrael verloren. Ironischerweise wortwörtlich.

Anstatt sich nützlich zu machen, als die Geschwister seines Volkes so verzweifelt ihrer Aufgabe nachkommen wollten, stand er abseits und war hilflos dem Gedanken unterworfen dass er trotz aller Magie die eingesetzt wurde und fehlging, nichts davon spürte. Er fühlte sich in der Gruppe von Fey, die er kannte und liebte, von seinem Volk mehr abgeschottet, als wenn er sich unter Hunderten von Menschen befand. Er war kein Fey. Nur ein Diener Astraels. Tendarion hatte keine Indentität mehr, keine Zugehörigkeit. Selbst Custodias schien ihm näher als jeder einzelne Fey den er tagein, tagaus sah.

Doch wiedereinmal hatte Astrael Mitleid mit Tendarion und schenkte ihm seine Magie wieder. Doch die Strafe war nun für alle erkennbar. Der Gesichtsverlust wurde nach Tare für jeden zur Schau gestellt und Tendarion fühlte sich unwürdig so einem selbstlosen Gott weiterhin zu dienen. Astrael tat alles was der Fey sich wünschte und erst als Tendarion sich der Konsequenzen bewusst wurde für seine endlose Gier nach mehr und immer noch mehr, erkannte er, was für ein schlechter Mann er im Grunde war.

Er hatte keine Maske mehr, die andere davon überzeugen konnten, dass er nichts böses im Schilde führte. Vielmehr musste er sich nun eingestehen, dass er sich von jeglicher Weltlichkeit immer mehr distanzieren musste, um vor seinem Herrn nicht noch mehr in Ungnade zu fallen.

Als er sich abtrocknete und kleidete, seine nicht vorhandenen Hände verdeckte, hob er die schwarz-weiße Maske an sein Gesicht und verbarg das was er schon lange Zeit mit sich trug. Seinen Gesichtsverlust vor den Vieren.

Seine einstige Maske wurde durch eine wahre Maske verdeckt. Und er ahnte, dass keine weltliche Buße ihm sein Gesicht jemals wieder geben konnte.


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 Betreff des Beitrags: Re: Ein gewöhnlicher Diener der Viere
BeitragVerfasst: 1.02.18, 09:27 
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"Und wenn dir dein Spiegelbild nicht gefällt, zerschlägst du es, wendest dich deiner Mutter zu und betrachtest lieber das Bild, das sie von dir malte, um dich davon zu überzeugen, dass du keine Verantwortung für deine Fehler und Unzulänglichkeiten hast. Der Eine ist schuld an deiner Misere. Der Eine ist schuld warum du dich ungerecht behandelt fühlst, denn der Eine beeinflusst deine Kritiker und Widersacher."

Es war lange her als Tendarion in der Art über seinen Vater nachdachte. Und heute hatte er zum ersten Mal in seinem gesamten Leben das Gefühl, zu erkennen, was sein Vater stets fühlte, wenn er seinen einzigen Sohn maßregeln musste. Tendarion war nicht kritikfähig. Zu sensibel. Zu behütet von der eigenen Mutter, die ganz in Vitamas Sinne die Kinder über alles andere stellte. Zu arrogant und selbstgefällig. Tendarion war höflich, hilfsbereit und nett. Aber im Grunde nur, weil ihm das am wenigsten Ärger einhandelte. Wer unterschätzt und gemocht wurde, wurde selten kritisiert. Außer sein Vater. Ein Mann Bellums durch und durch, der nicht akzeptierte dass sich eines seiner Kinder wie eine Schlange durch das Leben wand und krümmte, sondern stolz und aufrecht, mit Feind und Freund stets im Visier, durch das Leben schritt. Er wollte in Tendarion jemanden sehen, der nur dann einen Schutzpanzer benötigte, wenn er einem tatsächlichen Kampf ausgesetzt war. Doch er hatte keinerlei Erfolg.

Auf Siebenwind hielt sich Tendarion einen externen Schutzpanzer aus vielen Personen, die ihn ungefragt schützten und verteidigten. Doch innerhalb diesen geschützten Bereichs ließ er einen teil seines eigenen Schutzpanzers nach und nach fallen, was ihn immer mehr von Vitama wegführte und stattdessen in die nüchterne Welt von Recht, Gesetzmäßigkeiten und Wissen drängte. Eine Welt die keinerlei Schutzpanzer benötigte. Dort wo keine Emotionalität herrschte, sondern nur nachvollziehbare Vorgänge, musste keinerlei Güte und Sanftmut herrschen. Diese Welt war kalt und berechenbar. Jeder Schlag und jedes schneidende Wort war von vornherein einkalkuliert. Das was man erwartete, verletzte nicht. Das was man kommen sah, nun.., vielem konnte man sogar ausweichen.

Außer am gestrigen Abend. Als Tendarion Gefühle über Vernunft setzte. Nicht weil er sich etwas erhoffte. Nicht weil er eine Erwartung hatte. Sondern er hatte schlichtweg nicht damit gerechnet, dass der Mann dem er absolutes Vertrauen schenken wollte, bewies, dass Tendarion ihm nicht in der Absolutheit vertrauen konnte, wie er es nur wenige Zyklen zuvor nicht ansatzweise in Frage stellen wollte.

Und kaum hatte Tendarion seinen Unmut geäußert, wurde ihm direkt der Mund verboten. Tendarion war von ohnmächtigen Zorn beseelt. Doch anstatt sich wieder auf Kompromisse einzulassen und der Beschwichtiger zu sein, griff er zum letzten Mittel um deutlich zu machen, dass diese Situation für Tendarion nicht tragbar war.

Und so ging er. Doch diesmal würde er nicht aus eigenen Stücken zurückkehren.


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 Betreff des Beitrags: Re: Ein gewöhnlicher Diener der Viere
BeitragVerfasst: 7.06.18, 06:52 
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Zorn.

Das war das einzige was ihn noch anzutreiben schien. Um ihn herum ein Haufen selbstdeklarierte Schüler, die von ihm lernen wollten, aber nur stets zu ihren Konditionen. Sie verstanden alle nicht das Konzept eines guten Lehrmeisters. Das nicht dafür da war Wissen in die Köpfe anderer zu pressen, sondern nur um die Basis zu schaffen, damit sie selbst ein Leben von Erkenntnis und Entwicklung durchleben konnten. Doch den meisten lechzte es nach dem Wissen und Tendarion stellte fest, dass sie nur nach dem Weiterkommen strebten. Weiterkommen ohne ihm vollständig zu lauschen was er geben konnte.


Stattdessen beschwerten sie sich über ungerechte Behandlung, sogar Unterforderung war die Kritik und wunderten sich warum Tendarion daraufhin eröffnete, dass er seine Unterstützung entzog. Wer selbstständig sein wollte und nur zu eigenen Bedingungen Wissen erfahren wollte, der musste den harten Weg der Selbstdisziplin und dem Erkennen der eigenen Fehlbarkeit gehen. Tendarion amüsierte es mittlerweile wenn man ihm vorwarf, dass er ein schlechter Diener Astraels wäre, weil er die Weitergabe von Wissen verweigerte, doch missverstanden sie, dass das Lernen keinen Lehrmeister benötigte. Dass man kein Buch und die Worte anderer benötigte um sich selbst zu verwirklichen. Dass der Lehrmeister den man benötigte ein wacher Verstand und der Wille ihn solange auf Tare zu halten wie möglich, war.

Tendarion wusste wann Astrael wirklich unzufrieden mit ihm war. Und er merkte, dass Astraels Anforderung an seine Diener vom höchsten Maße war, denn er war ein grausamer und erziehender Lehrmeister, der Fehler nicht duldete und direkt ahndete. Angst trieb ihn nicht an, aber er konnte nicht von sich weisen, dass diese Erkenntnis, dass Astrael Strafen und Entzug seiner Gaben als Lehrmethode wählte, eindeutig motivierend waren aus seinem Umfeld das beste herauszuholen, oder es ganz zu lassen. Astrael war kompromisslos. Tendarion musste seinem Herrn gerecht werden.

Es war ein Weg der Opfer. Und Tendarion musste Freundschaften, Emotionalität und Kompromissbereitschaft opfern um sein Umfeld ohne jede Konsequenz auf die wahre Gefahr vorzubereiten. Er war der Dämon der es gut meinte. Der Dämon der Gift und Funken sprühte; der Hass und Galle spie; der Disziplin und Gehorsam forderte; nur damit am Ende seine Schützlinge vor einem wahren Dämon stehen und gestählt im Geiste vor ihm bestehen konnten.

Er hatte nach wie vor keine eigenen Ziele. Seine persönlichen Errungenschaften waren nur etwas, was ihm Astrael jeden Moment wieder nehmen konnte. (Tendarion kam nicht umhin zu denken, dass Astrael ihm diese auch mit Gewissheit nehmen würde..)

Tendarion wusste, dass er einen Weg ging, der dazu führte, dass sich sein Umfeld immer mehr distanzieren würde. Doch hätte er dann sein Ziel erreicht. Emotionale Distanz, um sich auf das Wesentliche und Unvergängliche zu konzentrieren:

Wissen.


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 Betreff des Beitrags: Re: Ein gewöhnlicher Diener der Viere
BeitragVerfasst: 25.08.18, 11:20 
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Tendarion räusperte sich und richtete den Sitz des Tuches vor Nase und Mund. Das tränende Augen konnte er nicht verhindern und ein Beobachter, der seine Arbeit nicht einzuschätzen vermochte, würde zurecht behaupten, dass er aufgrund emotionaler Dinge diesen Anblick bot. Es brannte. Die Luft brannte. Seine Atemwege brannten. Es bereitete ihm körperlich Schmerzen zu daran zu arbeiten.

Und das nicht aufgrund des Feuers, das den Sud zum Köcheln brachte sondern aufgrund der horrenden Zutaten die er benutzte.

~~~


Das Ziel war es einen potenten Heiltrank mit einem äußerst wärmenden Effekt herzustellen. Wenn nicht sogar brennend. Doch durfte auch kein Schaden für die internen Organe beim Konsum entstehen. Tendarion zweifelte allerdings beim Blick auf die Schwefelasche, ob dies eine sinnvolle Komponente wäre. Vulkanasche hatte einen basischen Effekt um die Säure im Magen zu reduzieren. Doch Schwefelasche war nur als Zündmittel bekannt, hatte einen sehr hohen Säureanteil und konnte bei falscher Bearbeitung, oder einer zu hohen Dosis, Verätzungen auf der Haut verursachen. Schwefelasche eignete sich somit nur als Katalysator um eine Reaktion eines Trankes zu beschleunigen oder zu verstärken. Jedenfalls nicht als eigenständiges, konsumierbares Erwärmungsmittel.

Als Tendarion die alchemistischen Vorräte in den Regalen so betrachtete ging er im Geiste sämtliche Möglichkeiten durch. Was brannte, was erwärmte, was unterstütze das Schwitzen? Wassertreibende Reagenzien kannte er einige. Doch sie hatten keine wärmenden Effekte im eigentlichen Sinn, sondern nutzten andere Effekte um Schweiß zu erzeugen. Er dachte an die Reagenzien im alchemistischen Feuer und kam zum Conclusio, dass diese schlichtweg zu gefährlich in dieser Konstellation wären. Seine Gedanken schwenkten zur herkömmlichen Nahrungsaufnahme - weg von Arzneien.

Hatte Tion nicht einst eine Abnormität an Eintopf gekocht? Drachenfeuer?


Sein Weg führte in die Küche. Und Astrael war ihm gewiss wieder gewogen, denn nicht grundlos schien der Herr ihm diesen Einfall geschenkt zu haben, denn diese unnatürlich unappetitlichen scharfen Wurzeln lagen dort in einem Beutel in der Gewürzkiste. Tendarion füllte ein Drittel der Feuerwurzeln in einen weiteren Beutel und brachte sie in das Labor im Keller des Ordenshauses.

Es brannte, es erwärmte, es trieb den Schweiß. Das war es was Feuerwurz verursachte. Im Gegenzug zu Schwefelasche war die Gefahr der Selbstentzündung jedoch rein gar nicht gegeben. Nur die Verätzung war in der Tat ein Problem. Tendarion musste also den wärmenden Effekt isolieren, stabilisieren und gleichzeitig eine Möglichkeit finden die Gefahr der Verätzungen maximal zu reduzieren. Ein keineswegs einfaches Unterfangen. In seiner Lehrlingszeit in Draconis, als er erst wenige Monde offiziell als Heiler im Hospital arbeitete, musste er sich vorrangig um wenig akute Fälle wie Verstimmungen im Verdauungstrakt und andere kleine Befindlichkeiten kümmern. Die meisten Fälle beinhalteten jedoch, dass diese schlichtweg zuviel oder zu sauer oder scharf aßen. Ein Vulkanaschetee beruhigte die Säuren im Körper wieder und Wohlbefinden stellte sich binnen kürzester Zeit ein. Also war es für den Elfen die logische Konsequenz als Neutralisator für die Säure, die von den Feuerwurzeln stammte, eben jene Vulkanasche zu nehmen.

Die nachfolgenden Tagesläufe verbrachte Tendarion weit öfter in dem Labor, als er es in den letzten Monden tat und ein scharf-würziger Geruch lag in der Luft des Ordenskellers, die etwas empfindlicheren Personen die Tränen in das Auge trieb. Mit rotgeschwollenem Auge, trat der Elf dann und wann empor in die frische Luft, um seine gereizten Schleimhäute und überreizten elfischen Sinne zu beruhigen.


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 Betreff des Beitrags: Re: Ein gewöhnlicher Diener der Viere
BeitragVerfasst: 29.09.18, 20:08 
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Das Kratzen der Feder über das feine Pergament erfüllte das kleine Büro in der Bibliothek. An das stete Murren und die Selbstgespräche des Kobolds hatte sich Tendarion soweit gewöhnt, dass er es nur noch als weitentferntes Hintergrundgeräusch wahrnahm. Irgendetwas schien den Elfen jedoch immerzu von der Arbeit abzuhalten. Ein Rumoren, das wie ein näherkommendes Gewitter erschien. Doch der Sturm der herrschte in den letzten Tagesläufen, war allgegenwärtig und ein Donnergrollen in der Ferne würde kaum das Pfeifen des Windes übertönen.

Es war mehr ein Gefühl. Ein Grollen, das sein tiefstes Innerstes berührte, umschlang und sich langsam zusammenzog, bis es drohte ihn zu erwürgen.

Mehr eine Ahnung, als eine tatsächliche Fügung war es, als er gerade zu seinem kalten Tee - Wie lang saß er schon hier? Der Tee war eben noch heiß.. - sah. Die glatte Teeoberfläche war gekräuselt und bewegte sich zitternd. Ehe mit einem Mal ein Kreischen ihn mehr ablenkte, als er das Vibrieren unter seinen Beinen spürte.

"MEISTER!"

Dann hörte der Elf das Knallen der Bücher und ein aufgebrachter Kobold, der von einem verkümmerten Bein auf das andere sprang und hysterisch einen Tanz der Panik vollführte. Ein leiser, doch scharfer, Befehl des Elfen ertönte und der Kobold machte sich daran die Bücher sofort einzusammeln und die umgeknickten Seiten zu glätten. Eiligen Schrittes lief Tendarion in das Kirchenschiff um die Säulen auf Schäden zu besehen. Auch ein Blick zur Decke folgte. Kaum war der neue Tempel gebaut, schien es wieder dazu zu führen, dass er auf ein neues saniert werden müsse. So hoffte er zumindest nicht. Seine gespannten Nerven beruhigten sich, als er keine erkennbaren Schäden wahrnahm. Doch führten seine Schritte auf den Marktplatz um die verwunderten Bewohner und Wachleute zu beobachten und gegebenenfalls einzugreifen. Er hoffte inständig, dass Siegfried nicht gefallen war. Ein Bruch bei einer alten Person führte meist zu einem verfrühten Ableben, da die mehrwöchige Ruhe und Untätigkeit die Hoffnungslosigkeit des Alters umso deutlicher werden ließ. Tendarion hoffte wahrlich nicht, dass Sieg etwas passiert war.

Während er sich um die, glücklicherweise leicht verletzten, Männer und Frauen kümmerte, die mehr vor Schreck, als tatsächlich durch das Beben gefallen waren, schossen ihm die Bilder von der Front in den Kopf.

Als er den Palisadenbau bewachte mit den Streitern an seiner Seite, bat er Astrael um Einsicht auf Dinge, die dem einfachem Auge verborgen blieben. Er wollte die ungeschonte Wahrheit sehen. Wollte nicht in Hoffnung und Behutsamkeit gebettet werden. Allen Rufen zum trotz, dass sie bestehen werden, wollte er das Ausmaß sehen. Astrael beweisen, dass er die Wahrheit erträgt. Dass er nicht an der Wahrheit vergehen wird. Und so öffnete Tendarion sein Auge und betrachtet den Ort den der Dämon als seinen Hort in dieser Sphäre wählte.

Der gesamte Boden, die entarteten Tiere, Bäume, jeder Stein, sogar die Luft in diesem Gebiet waberte in einem dunkelbraun-schwarz-schimmernden Moloch. Sein Atem stockte in seiner Kehle, doch mit ruhiger Stimme erklärte er seinen Mitstreitern was er sah. Doch sie erkannten ohne sehendes Auge das Ausmaß nicht. Dass selbst ein zu tiefer Atemzug ihr Ende bedeuten würde. Dass auch sie ein Teil des Dämons würden. Tendarion blieb äußerlich ruhig, als sein Herz bis zu seinem Hals pochte. Aber der Anblick ließ ihn seither nicht ruhen.

Er zog sich in den Schrein Astraels zurück und kniete sich vor der Obedienz ab. Sein Haupt tief gesenkt suchte er die Nähe zu seinem Herrn. Suchte das Silber, das den Sieg über die Schwärze brachte. Suchte das Licht, dass die Schatten weniger offensichtlich werden ließ.

Hoffte auf ein Zeichen, dass der morgige Tag nicht der Anfang vom Ende sein würde.


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 Betreff des Beitrags: Re: Ein gewöhnlicher Diener der Viere
BeitragVerfasst: 16.10.18, 06:55 
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Sein Blick galt dem Schmetterling, der an seinem Ornat entlangschwirrte, als sähe er in dem Blau des Stoffes einen Ableger des Blütengebüschs, in dem das zarte Tier wohnte.

~~~


Lieblos wurden die Überreste dieses Elementargeistes in den Briefkasten des Ordenshauses gestopft. Beinahe hätte Tendarion einen höhnischen Spott darin vermutet. Dass jemand seine Gartenabfälle in den Kasten steckte, auf dass der nächste Geweihte sein Ornat beschmutzte oder sich an Dornen stach. Zugebenermaßen wäre es eine ungewöhnlich harmlose Verhöhnung, aber dennoch nicht auszuschließen. Doch der Brief der ihm entgehenfiel als er die vermeindlichen Pflanzenabfälle in einen Eimer schob, zeugte davon, dass es sich um weit mehr als einen Streich handelte.

Man hat der Kirche die Überreste eine toten Elementargeistes überstellt. Auch wenn Tendarion die Art und Weise eher geschmacklos - eigentlich war es ein Affront gegen Tevra selbst - empfand, kam er nicht umhin eine gewisse Zufriedenheit mit dem Gedanken zu verbinden, dass die Person erkannt hat, dass auch dieses Geschöpf einst der Wille der Götter war. Es zeugte von Respekt vor den Elementarherren und einem lebensbejahendem Denken.

Tendarion hatte einige Kapseln in dem Pflanzenhaufen gefunden und machte es sich selbst zur Aufgabe diese im kleinen Garten hinter dem Ordenshaus einzupflanzen. Zugegebenermaßen versprach er nicht viel davon, da er im Gegensatz zu seiner geliebten Mutter kaum den Unterschied von Blumen erkannte, solange sie in der Küche oder dem Labor keinen Nutzen hatten. Aber er wusste, dass seine Mutter mit Glück beseelt worden wäre, wenn sie ihrem unbeholfenen Sohn bei der Pflege von dieser Pflanze beobachten würde.

Mit einem melancholischem Lächeln, das gespeist war von schönen Erinnerungen mit seiner Familie und dem bitteren Verlust an seine verstorbene Schwester bestattete er an diesem sonnigen Tageslauf vor einigen Monden diesen unbekannten Elementargeist. Er dankte Vitama für dieses Geschenk an Tendarion, auf dass er die Gelegenheit bekam womöglich ein Leben schaffen zu können und kümmerte sich seither um diese unbedeutende Pflanze, die vom Ordo Vitamae mehr als einmal als Unkraut wahrgenommen wurde, hätte Tendarion sie nicht daran gehindert die Pflanze zu rupfen.

~~~


Er saß auf dem Boden vor dem prächtigen Busch, der sich nach der Bannung des Dämons Orgolosch, schlagartig entwickelte. Trotz der regenreichen Zeit des Götterlaufs und der Kälte die damit einherging, ließ weder der Busch noch der Schmetterling sich davon abbringen das Leben zu betanzen, als wäre der Vitama gerade angebrochen.

Lautlose Tränen strömten dem Elf aus dem verbliebenen Auge, als er unbeobachtet und ruhig die blassblauen Blüten des Busches beobachtete.

"Verzeih mir kleiner Freund, ich fürchte dein Bruder Ignis ist nicht damit einverstanden, dass wir weiterhin Seite an Seite verbringen dürfen. Aber wenn du es wünscht, werde ich versuchen dir anderenorts eine neue Heimat zu schenken. Auch..wenn ich nicht weiß wie.."

Verbitterung über die Sinnlosigkeit der Kämpfe der letzten Götterläufe hier auf der Insel stellte sich immer mehr ein und drohte sein Herz zu zerdrücken.

Doch schweigend weinte er weiter im Schutze der Einsamkeit, während der Schmetterling sich auf seinem Knie absetzte und langsam die Flügel auf- und abbewegte.


Zuletzt geändert von Tendarion: 16.10.18, 07:09, insgesamt 1-mal geändert.

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 Betreff des Beitrags: Re: Ein gewöhnlicher Diener der Viere
BeitragVerfasst: 19.10.18, 23:07 
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Er hatte seinen Eid gehalten. Niemals wäre Guntram von dieser Insel gegangen. Er wäre mit einem stolzen Blick und entschlossener Miene in den Flammen untergegangen. Und Tendarion hätte schweigend neben ihm gestanden, mit wenig Stolz im Herzen, doch mit nicht minderer Entschlossenheit, dem Tod entgegengeblickend.

Ihm war bewusst, dass er seinen Entschluss nicht mit Myrandhir, Lynn und vor allem mit Maichellis hätte vorab teilen können. Im letzten Moment, kurz bevor das Schiff die Segel setzte, blickte er Myrandhir entgegen und eröffnete, dass er nicht das Schiff besteigen würde. Neben Siomon und Irolan stehend, verbrachte er in ihrer unmittelbaren Nähe, ehe sie sich beide zurückzogen und Tendarion alleine auf dem Marktplatz verblieb.

Ein einzelner Plünderer kam ihm über den Weg. Tendarion hatte Mitleid mit diesem Mann, dem ein paar zurückgelassene Güter wichtiger waren, als sein eigenes Leben in Sicherheit zu bringen. Er ignorierte den Fakt, dass er einen großen Beutel mit sich trug. Ignorierte den Fakt, dass er sich vor Tendarion mehr erschrak als vor dem Vulkan. Eine sanfte Anweisung erfolgte, dass er sich zum Hafen begeben sollte um auf eines der Schiffe zu gelangen. Der Plünderer floh. Tendarion hatte nicht das Gefühl einen Gesetzlosen laufen zu lassen, sondern eine arme Seele, die den Fokus auf die wichtigen Dinge im Leben verloren hat. Eine selbstgewählte Strafe, die mit tadelnden Worten keine Änderung brachte. So ließ er ihn gehen, auf dass er selbsttätig die Erkenntnis gewann, wie unwichtig sein gewählter Weg war. Wie nichtig seine Prioritäten waren.

Tendarion ging in den einsamen Tempel und setzte sich auf die kühlen Stufen im Astraelschrein.

Guntram hütete den Schrein in seinem Turm. Tendarion sah ihn vor seinem inneren Auge auf dem Balkon stehend, mit einem Kelch Wein in der Hand, den Vulkanausbruch beobachtend. Während er selbst den versiegelten Abgang zum heiligen Sanktum seines Herren besah. Nicht wissend, ob er noch einmal die Ruhe und Erhabenheit dieses heiligen Ortes, der ihn gar in eine andere Sphäre zu führen schien, erleben würde.

Entweder waren dies seine letzten Tagesläufe auf dieser Sphäre - Seite an Seite mit dem Mann der ihn zu Astrael führte, und jeden Schritt auf diesem Weg mit ihm ging - oder aber er überlebte und hatte ein für alle Mal bewiesen, dass sein Dienst und die Eide die er im Namen der Viere sprach ihm heiliger waren als seine persönlichen Befindlichkeiten.

Er fühlte keine Hoffnung. Er fühlte keine Unsicherheit. Er war mit sich selbst im Reinen.

Und er spürte dass er das einzig Richtige tat.


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 Betreff des Beitrags: Re: Ein gewöhnlicher Diener der Viere
BeitragVerfasst: 22.10.18, 07:58 
Edelbürger
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Er blickte auf die Decke in der Bibliothek der Magierakademie. Maichellis, effizienter in allem, schien es deutlich leichter zu fallen seinen Schlaf in diesen Umständen zu finden. Eine Sache die Tendarion nie laut aussprechen würde, dass Maichellis deutlich selbstsicherer und organisierter war als er selbst. Tendarion konnte gut reden, seine Gefühle äußerlich verbergen - aber diese Art von Druck die ihm die Insel seit drei Götterläufen konstant abverlangte, stand entgegen seinem bisherigen, nahezu ereignislosen, Leben. Die Aussicht, dass er vor zwei Tagesläufen noch dem Tod ins Auge geblickt hat, als eine bewusste Entscheidung und nicht als Tat der Unvernunft oder Spontaneität, lag schwer wie ein Stein in seinem Magen.

Er suchte Trost in den Mann der ihn so oft gut beraten hatte. Weg von elfischen Worten, die einen Geliebten und Bruder zurücklassen mussten. Weg von menschlichen Ohrfeigen und Zynismus und Spott. Reiner sachlicher zwergischer Pragmatismus, war es was Tendarion nun dringend benötigte.

Halgrim kannte eine jede Irrung und Wirrung in Tendarions Seelenleben und Dienst. Verstand woher seine Gedanken kamen, wieso der Elf sich sein eigenes Leben so schwer machte. Er kannte die richtigen Worte um den jungen Elfen aus seiner eigenen Verwirrung zu befreien. Aus seiner Angst. Aus seiner Hilflosigkeit und Überforderung. Und doch schenkte der Zwerg diesem Elfen genügend Vertrauen, dass er ihn ohne Bedenken zum Calator wählte. Womöglich war ein junger und unsicherer, doch unbestechlich und moralisch vorhersehbarer, Calator das kleinere Übel. Tendarions offene Karten in Sieg und Fehl schafften Klarheit. Sein Umfeld wusste wer er war, ohne dass er es in Kleider des Mysteriums gewandte. Was er zurückhielt, ging niemanden etwas an. Was er offen aussprach, verbarg er vor niemanden.

Doch sein Umfeld schien in seinen Worten mehr sehen zu wollen, als sie waren. Die eine Seite beklagte sich über seine Offenheit - Kritik auszusprechen war ihm nicht fremd. Die andere Seite nahm ihm übel, dass er nicht zugänglich genug ist.

Tendarion wusste hingegen wer er war, wohin er ging.

Und warum er all dies tat.


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 Betreff des Beitrags: Re: Ein gewöhnlicher Diener der Viere
BeitragVerfasst: 5.11.18, 03:11 
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Distanz.

Er war davon überzeugt, dass emotionale Distanz der Schlüssel der Erkenntnis war. Doch wie konnte ein Schlüssel passen, wenn es kein passendes Schloss dazu gab? Guntram verstand ihn. Der Großteil seiner hochelfischen Geschwister verstand ihn, oder gab zumindest vor es zu tun. Die Menschen hingegen wurden ihm, je näher er Astrael kam, zunehmend suspekter. Sie widersprachen sich von einem Satz auf den anderen selbst. Suchten nach Rat, nur um ihn nach einer Tirade der Dramatik auszuschlagen. Sie suchten ihren Weg, warfen jedoch einem regelmäßig vor ihnen nicht die Wünsche von den Augen ablesen zu können. Sie scherten sich mondelang um etwas nicht, nur um dann aufzutauchen, um allen zu erklären, wie sie es hätten besser tun sollen.

Anbetteln. Abstoßen.
Aufsuchen. Fliehen.
Lieben. Hassen.
Anhimmeln. Verfluchen.

Gab es einen Menschen in dieser Sphäre der den Mittelweg ohne Theater und überzogene Emotionalität suchte? Wenige. Aber sie waren da. Sollte sich Tendarion an sie halten und den Rest abweisen solange sie ihr widersprüchliches Ich lieber pflegten? War Tendarion nur gut genug für Tare wenn er als emotionaler Komposthaufen agierte? Einfach mit Abfall bewerfen - es verrottete von allein. Tendarion fühlte sich verrottet.

Er wollte über seine Erkenntnisse sprechen. Das was er heute mit den anderen entdeckt hatte. Nicht so unerwartet wie erhofft, doch ohne Zweifel eine Erkenntnis und ein Beweis, der viel für die arkane Gesellschaft und auch die Kirche bedeutete. Kein Magier. Kein Geweihter war bei ihm um diese Erkenntnisse auszuarbeiten. Einzig allein ein Krieger.

Tendarion fühlte Leere. Er war allein mit seinem Bestreben. Er war allein in einem.Wunsch nach Gemeinschaft. Emotionale Distanz war nicht das Mittel. Denn er war ein fühlendes Wesen.

Die Distanz von der Gesellschaft war des Rätsels Lösung. Kein Streit war möglich, wenn er gar nicht greifbar war. Wenn sein Geist und seine Seele nur den Vieren vorbehalten war. Sein Herz würde er nur noch öffnen wenn er es wollte.

Er war ein Diener Astraels. Seine Buße vor Vitama und das verzweifelte Festklammern an ihr, aus Angst das Lieben zu verlernen, musste endlich ein Ende finden.


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 Betreff des Beitrags: Re: Ein gewöhnlicher Diener der Viere
BeitragVerfasst: 12.11.18, 07:57 
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Tendarion dachte nur selten über Gerechtigkeit nach. Nicht weil er keinen Sinn in dieser Tugend erkannte, oder er sich selbst als so gerecht empfand, dass er keinerlei Anlass hätte darüber nachzudenken. Er dachte nur nicht gerne daran, da Gerechtigkeit einer der subjektivsten und fälschlich benutzten Begriffe auf Tare war. Wenig Worte lösten soviele Emotionen aus wie Gerechtigkeit. Auch war es vor allem in der galadonischen Sprache ein starkes Wort, denn es beinhaltete Recht und Richtigkeit. Gerechtigkeit suggerierte, dass sie etwas war das unumstößlich und universal war.

Doch genau da setzte bei so vielen der Denkfehler ein.

Denn zu behaupten gerecht zu sein, würde beinhalten nicht nur die Gesetzgebung und die Umstände aller Beteiligten genau zu kennen, sondern auch die unumstößliche göttliche Wahrheit. So war Gerechtigkeit im Sinne der Sterblichkeit niemals objektiv, niemals richtig und vor allem immerzu ein Faktor von Leid für eine Seite.

Gerechtigkeit mag im Alltag ein banaler Begriff sein, den man schnell anwandte, wenn man sich herabgestuft oder benachteiligt fühlte. Ein Taschendieb, der erwischt wurde und die Ungerechtigkeit beklagte, da sein bestohlenes Ziel doch deutlich mehr Vermögen hatte, als er selbst, und ein kleiner Dukatenbeutel für den Dieb hingegen eine Mahlzeit mehr beschert hätte. Oder das kleine Mädchen, das mitansehen musste, dass ihre große Schwester ein neues Kleid bekam, da sie ein neues benötigte, während das kleine Mädchen erst zu einem späteren Zeitpunkt eines bekommen würde, sich jedoch in diesem Moment herabgesetzt fühlte. Oder die Mutter dreier Kinder, die gezwungen war sich nicht mehr ausreichend um ihre eigene Interessen kümmern zu können, da ihr hart arbeitender Mann nicht genügend Zeit zu Hause verbrachte. Banal. Subtil. Und dennoch schlich sich der Gedanke der Ungerechtigkeit zu oft in unsere Köpfe, als dass Tendarion sich mit solchen Kleinigkeiten näher befassen wollte.

Als er jedoch in dem Zimmer, das er mit Maichellis teilte, in den Fellen lag und ruhelos an die Decke sah, dachte er über die Worte seines Gefährten nach.

Sie hielten an einer Freiheit fest, die ihnen ermöglichte ungerechte Dinge zu tun.

Er ließ die Worte auf seiner Zunge zergehen, ohne dass er sie laut aussprach. Zorn brodelte in seinem Bauch. Nicht da er Zorn auf die Situation spürte, sondern weil er sich bewusst machte, wie sehr er es mittlerweile verachtete ein Opfer seiner eigenen Emotionen zu sein. Wie er sich darüber nach wie vor echauffierte, dass seine angebliche Schülerin ihm verbal Wort um Wort in den Magen mit voller Wucht trat und ihn nun mied und behandelte, als wäre er derjenige der diese Situation erschaffen hatte. Wie man ihn, nach Götterläufen der guten Zusammenarbeit mit der Magierakademie, mit haltlosen Anschuldigungen und Behauptungen ihn aus eben jener herausmanövrieren wollte. Wie man ihm in irgendeiner Form vorwerfen könnte, dass er Niederträchtiges im Sinn hatte.

Sullins Gesicht tauchte vor seinem inneren Auge auf. Er war wie Irolan. Ein Wahnsinniger, mit einer überragenden Intelligenz gesegnet. Ein Intrigant. Ein Egoist. Tendarion zweifelte nicht daran, dass wenn es Sullins und Irolans Sache gerecht würde, würden sie jeden einzelnen, den sie jetzt noch zu beschützen vorgaben, eiskalt abschlachten und dabei den Namen ihres Herrn auf den Lippen tragen.

Die Bilder waren Tendarion gleichgültig. Seine Erinnerungen konnte man ihm nicht nehmen. Seine Emotionen waren es, die ihn übermannten, als er dort das Abbild des Tempels in Falkensees sah. Als er Finianswacht sah. Draconis.

Doch Sullin war der nächste der nach ihm verbal trat. Es war nur gerecht, dass er eine Erinnerung an seinen Sieg über Falkensee behalten würde. Seine Trophäen. Sein Triumph. Die Bilder waren unverkäuflich. Und Tendarion wusste, dass seine offen gezeigten Emotionen nur ein gehässiges Fingerlecken und noch mehr Gefühl des Triumphs in Sullin hervorriefen.

Die Freiheit ungerechte Dinge zu tun und dabei Triumph und Zufriedenheit zu spüren. Das war die Quintessenz Angamons.

Und der Zorn wich einer kalten Leere in seinem Herzen.


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 Betreff des Beitrags: Re: Ein gewöhnlicher Diener der Viere
BeitragVerfasst: 14.11.18, 08:09 
Edelbürger
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Es war keineswegs überraschend, dass man einen Eid von ihm verlangte. Womit er nicht gerechnet hatte, war die Tatsache, dass er keine Zeit hatte diesen in Ruhe anzuhören oder durchzulesen, ehe er ihn vor Publikum nachsprechen sollte. Also musste er, vor einer der Personen, der er den größten Respekt entgegenbrachte, den Eid aus dem Stehgreif so modifizieren, dass er mit keinem Wort eine Lüge sprach.

Er war bereits als Eidbrecher bestraft worden und nur Astraels Gunst war es, dass er wieder Tares Schönheit - und auch Schrecken - betrachten konnte.

Er bat leise um Verzeihung, dass er den Eid abänderte, doch als er aus dem Augenwinkel Toran und Suluther sah und mit Amusement feststellen musste, dass man sein Gehör offenbar unterschätzte, wusste er warum er das Wort "Freundschaft" nicht in einem Eid fixiert wissen wollte. Er konnte nicht einer vollkommen unvorhersehbaren Institution mit wechselnden Mitgliedern allumfassend Freundschaft aussprechen, wenn er schon unter den derzeitigen Magistern nur, zu jenem Zeitpunkt, zwei Personen als Freunde bezeichnete.

Das was nach dem Eid folgte und gesagt wurde, war etwas, das er sich nicht mit Lifnas süßestem Segen hätte erträumen lassen können. Ohne mahnende und einschränkende Worte lobte die weiße Erzmagierin Tendarions Einsatz um Kirche und Magierakademie näher zusammenzuführen. Er wurde ohne Vorbehalt und Einschränkungen als Mitglied des Magistrats anerkannt und bekam den Beinamen "Taid'Ari'ai". Kein Name der leicht von der Zunge rollte und auch gewiss nicht sein Rufname werden würde, doch die Bedeutung brannte sich in sein Herz ein. Lange hatte er nicht mehr diese Flut an Wärme und Liebe in seinem Herzen gespürt, als in diesem Moment, wo diese respektsgebietende Frau ihr vollstes Vertrauen in Tendarion vor Zeugen verkündete. Tendarion wusste, dass er ohne ihre Lehren und ihre mahnenden Worte in der Vergangenheit nicht der Mann und Diener geworden wäre, zu dem er an jenem Tage wurde.

Eine strenge Person, die sich unermüdlich auf einem steinigen und steilen Pfad emporkämpfte und nur innehielt um Atem zu holen, doch niemals um aufzugeben oder zurückzukehren.

Später wählte er den Weg des Gebets, dachte daran, ob Iomine nicht doch recht hatte. Und er bat seinen Herren die Obedienz und den Weg zu Astraels Wissen wieder zu ebnen. Mit der Einschränkung, dass er nur darum bat, wenn dies im kommenden Dunkel benötigt würde. Und sehr offensichtlich tat es das. Als dann Caieta zu ihm kam, wusste Tendarion, dass er auch ihr seinen Segen gewährt haben musste. Er musste sich jedoch eingestehen, dass er Caietas Erklärungen nicht verstehen konnte. Niemals dachte er daran ihr die Schuld dafür zu geben, doch erkannte er in dem klärenden Gespräch immer mehr, dass eine einseitige Wahrnehmung diesen Disput hervorbrachte. Emotionale Indifferenz war die einzige Reaktion in seinem Herzen. Er fand sich in ihren Worten nicht wieder. Auch wenn er darüber nachdachte und sich objektiv zu betrachten versuchte, war er nicht in der Lage zu erkennen, wann er derart abweisend gewirkt haben musste, dass er sie so sehr verunsichert hätte. Vielmehr hatte er ihr gegenüber klare Worte gesprochen und die Basis für eine gute Zusammenarbeit mit jedem Gespräch gelegt.

Tendarions Unvermögen sie zu verstehen, hatte jedoch keinen Einfluss auf seine Gefühle zu ihr. Er zürnte ihr nicht. Doch er würde nicht ein zweites Mal akzeptieren, dass jemand ihm über den Dienst an den Vieren stellte. Das war eine maßlos überschrittene Grenze, für die er büßen musste. Nicht weil er sich schuldig fühlte, sondern weil er seinen Eid vor Astrael, Caieta zu lehren und sie auf einem lichten Pfad zu halten, nicht ansatzweise erfüllt hatte.

Ein Kuss besiegelte die gesprochenen Worte. Eine Bedenkzeit wurde erbeten.

Tendarion hatte gegenüber Caieta keinerlei Kummer mehr in seinem Herzen, doch ehe keine Taten folgten auf diese Worte, würde er die Büßerrobe tragen, bis die Worte zu einer Wahrheit wurden.

Es war keine Schande darin einer vergesslichen Person ein seht penetrantes Zeichen der Erinnerung an unerfüllte Aufgaben zu zeigen. Denn Symbole waren stets stärker als Worte, gesprochen in einer Sphäre wo Lügen den meisten leichter über die Lippen gingen als die kalte, harte Wahrheit.


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 Betreff des Beitrags: Re: Ein gewöhnlicher Diener der Viere
BeitragVerfasst: 14.12.18, 11:09 
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Nachdem Tendarion die letzten Tage damit zugebracht hat Arkaniumbrocken, -splitter, -körnchen und regelrecht Staub zu zählen und zu wiegen, hatte er schließlich eine nennenswerte Menge zusammengekratzt, die für das Vorhaben der arkanen Pfade vielleicht nicht ausreichend, aber zumindest hilfreich war.

Das Arkanium portionierte er in einzelne Kisten und Beutel und legte sie an verschiedenen Orten ab, um das Auftauchen seltsamer Wesen zu verhindern, die sich von der potenzierten Kraft des Arkaniums angezogen fühlen könnten. Nur temporär ließ er sie in seiner Tasche oder seinem Tisch nebeneinander liegen, damit er eine genaue Menge und Gewicht der Splitter und Brocken eruieren konnte.

Es blieb ihm nur noch der Weg in das verstaubte Lager der Akademie. Wie immer würde er zunächst die neuen Akten studieren, ehe er sich in einfache Kleidung in den Staubpfuhl setzte und dort wühlte. Doch am heutigen Tageslauf hätte er es sich lieber ersparen sollen.

Der Zettel war klein und die Nachricht kurz, doch Tendarions Blut sank in die Füße.

Als er sich setzte dachte er an Maichellis und an das Gespräch dass sie den Abend zuvor führten. Tendarion dachte schon seit vielen Monden darüber nach die Insel schlichtweg evakuieren zu lassen und alle verfügbaren Kräfte im Krieg und den Unruhen auf dem Festland einzusetzen. Aber es gab zuviele die die Insel nicht verlassen wollten und zu wenig um sie vernünftig zu verteidigen. Und in diesem Dunkeltief würde es noch einer weniger sein.

Tendarion blickte wieder auf die Nachricht.

Zitat:
Aureole,
auf Grund meiner Studien werde ich die nächsten zwei Monde nicht in der Lage sein, mich nennenswert um die Akademie zu kümmern. Die Leitung der Akademie wird daher dann interimsweise von Tendarion übernommen, falls Solos nicht die Zeit hat diese erneut zu übernehmen.

gez. Toran Dur


Er verstand die angedeuteten Worte, dass etwas im Leben Toran herrschte, dass sein ganzes Sein einnimmt. Der Ruf Astraels ist harsch, unnachgiebig. Nicht verführerisch und liebevoll wie Vitamas Handreichung, die einen zur Freude und Kurzweil führte. Nein, Astrael war fordernd und bestimmend, wenn er zu seiner Lektion rief. Entweder man erwehrte sich und litt still und abgelenkt, unfähig sich auf seinen Alltag zu konzentrieren, oder man gab nach, streifte die sanften Fesseln der Muße ab und quälte und opferte sich selbst, um Tare mehr Wissen schenken zu dürfen. Tendarion war sich dem vollkommen bewusst, dass ein jeder der Astrael fern ist, ihn und all jene, die so dachten, als verrückt und fanatisch bezeichnen würden - jedoch war es keineswegs eine Wahl. Man würde in jedem Fall leiden, gleich ob man es ablehnt, oder es annimmt. Die letztere Qual hatte jedoch eine größere Bedeutung für Tare.

Tendarion wurde übel und er hoffte, dass Solos ihren berechtigten Platz einnehmen würde. Er starrte auf den Tisch im Magistratsversammlungsraum und dachte an das kommende Dunkeltief.

Es war nicht zu ändern.

Er stand auf, legte seine einfache Arbeitskleidung an und machte sich daran in dem verstaubten Lager nach Arkaniumresten zu suchen.

Es war nicht zu ändern. Aber Tare stand dennoch nicht still.

Und Tendarion machte weiter.


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 Betreff des Beitrags: Re: Ein gewöhnlicher Diener der Viere
BeitragVerfasst: 17.12.18, 08:07 
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Er schaffte es lediglich seine Rüstung und Kleidung abzulegen, ehe er sich bäuchlings in die Felle fallen ließ und direkt einschlief. Die komplette Anspannung, die ihn über einen gesamten Hell- und Dunkelzyklus begleitete fiel schlagartig ab. Nur ein Nagen im Hinterkopf verblieb, ein Hinweis darauf, dass er etwas mitnahm, was nicht in diese Sphäre gehörte.

Erst am nächsten Morgen hatte er jedoch die geistige Kapazität darüber nachzudenken.

Sich einem ausgedehnten Bad ergebend betrachtete er die Decke und seine Gedanken fielen auf die Tardukai. Er hatte andere Tardukai wie Lunarius erlebt. Sie sprachen für die gesamte Bruderschaft, doch im Grunde war nicht die Objektivität eines Geweihten aus den Worten zu hören. Tendarion konnte die Reaktion nicht zuordnen. Hätte er nur einen Ansatz gefunden, der nicht von Emotionalität geprägt war, hätte er sich die Mühe gemacht eine Lösung zu finden. Doch der persönliche Eifer in den Worten war nicht mit Rationalität zu durchdringen. Tendarion fühlte Bedauern darüber, dass götterläufelange Arbeit die Tardukai nicht mehr als ultimativen Feind, sondern als Zweckverbündeten in der Not zu sehen, dahin zu sein schien.

Tendarion war wahrlich kein Freund von Emotionen mehr. Zumindest nicht wenn sie über Liebe und Zufriedenheit hinausgingen. Er wusste beim besten Willen, dass es nicht einfach war Zorn zu unterdrücken. Wenige gaben so oft wie er selbst offen zu, dass sie sich in ihrem Zorn nicht beherrschen konnten. Doch er versuchte bis zu einem gewissen Punkt zuzuhören. Zu verstehen. Sich selbst zu ermahnen, dass manche Dinge über den eigenen Gefühlen stehen sollten.

Der Dämon in dem Hort der Sammler war, was er erwartet hatte. Selbstverliebt, verführerisch und manipulativ. Eine überzogene Karikatur eines Astraeldieners durch und durch. Tendarion verstand direkt, weshalb viele Wissenssucher auf die Worte dieser Wesen hereinfielen.

Im Geist des Dämons verzerrte sich von Moment zu Moment die Realität. Tendarion hatte es in dem Moment nicht wahrgenommen, doch als er die Situation Revue passieren ließ, dämmerte ihm, dass er dieser Realität nachgab. Er fühlte Triumph, da er das Spiel eines Dämons bezwungen hat, wobei es keinen Einsatz gab, außer sein eigenes Leben. Keine Erleichterung, dass er seine Liebsten weiterhin in den Arm nehmen konnte, keine Unsicherheit welche dämonische Prüfung ihn als nächstes erwartete, kein Zorn darüber, dass er die vermeintliche Seele nicht retten konnte. Nur kalter, egoistischer und selbstverliebter Triumph, weil er gewann.

Tendarion war froh, dass er diese Erkenntnis nicht vor Ort hatte. Es wäre ihm nicht möglich gewesen das nachfolgende Gespräch mit dem Dämon effizient und zielführend abzukürzen. Er hätte sich - wie es ihm so oft zu eigen ist - in einem selbstreflektierten Monolog verloren und keine Rücksicht auf seine beiden menschlichen Begleiter, deren Zeit ein rares Gut war, mehr genommen.

Es war erstaunlich, dass nicht mehr Fey einem Dämon der Mele Môrthere verfallen waren. Oder es waren mehr und sie alle saßen für immer sich selbst ausgeliefert im Geist eines Dämons fest. Kein Ende. Keine Veränderung. Endlosigkeit ohne Leben. Tendarion verstand warum man an diesen Punkt kommen konnte, doch er hatte kein Verständnis dafür, dass man keinen Antrieb finden konnte daraus auszubrechen.

Der Tausch mit dem Dämon war simpel: Ein Schlüssel gegen einen Schlüssel. Wohingegen Tendarion selbst der Schlüssel für die Freiheit des Dämons war.

Was der Dämon nicht wusste war, dass Tendarions Auftreten als nimmersatter Wissenssucher, ein Teil seines Schutzschildes und auch Taktik war. Nur seine engsten Verbündeten wussten, dass er auf jedes Wissen verzichtete, wenn er das Gefühl hatte, dass das Einfordern dieses Wissens nur Unruhe in sein Leben brachte.

Tendarion hatte Zeit und daraus resultierende Geduld.

Sein Vertrauen ruhte ganz und gar in Astrael, dass er alles Wissen, das Tendarion benötigte, dem Elfen überlassen würde. Doch nicht ohne Mühe. Nicht ohne Preis.

Und Tendarion war willens für Astrael - und nur für Astrael - jeden Preis zu bezahlen.


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 Betreff des Beitrags: Re: Ein gewöhnlicher Diener der Viere
BeitragVerfasst: 21.12.18, 08:04 
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Tendarion sah auf das rosagefärbte Wasser, als er die Bürste mit der er seine Rüstung abgeschrubbt hatte beiseite legte. Sein Volk mag durchaus einen Sinn für das Schöne und außergewöhnlich Aufwendige haben, aber tatsächlich empfand er die Verzierungen an seiner Rüstung aufgrund der Menge an eingetrockneten Blutes, das er zu beseitigen hatte, furchtbar unpraktisch. Es war jedoch ein Stundenlauf der Kontemplation.

Caieta hatte schnell reagiert, als sich die falsche Realität aufzulösen begann. Sie nahm das Phylakterium an sich, während er selbst herumwirbelte und die Überreste des gemeinschaftlich vernichteten Dämons in eine Raute einrahmte und schließlich in einem inbrünstigem Gebet an Astrael, darum bat, dass dieser Dämon aus dieser Sphäre entfernt werden solle. Und abermals versprach Tendarion seinem Herren etwas, was ihm im Nachhinein als selbstverständlich und redundant vorkam. Er würde weitere Dämonen, die der Sache Astraels zuwiderstehen vernichten und versprach jedes Geschenk Astraels mit allem was er hatte zu beschützen.

Er war sonst ein so versierter Redner, aber in solchen Situationen kam es ihm stets so vor, als hätte er noch nie ein Gebet gesprochen oder wüsste nichts außer Plattitüden von sich zu geben. Aber er musste an dieser Stelle weiterdenken.

Er hatte die Fallen und aussichtslosen Rätsel gelöst. Er hatte seine Begleiter auf dieser Reise einbezogen und ihnen zugehört, anstatt einfach seinen Weg zu gehen. Bei den entscheidenen Kämpfen hatte er sich ohne zu zögern dazu gesellt und im Zweifel einen Gegner solange abgelenkt, bis die wahren Krieger ihren Kontrahenten besiegen konnten. Er hatte keinerlei Emotionen in den Weg einfließen lassen, hatte jeden Begleiter mit Bedacht gewählt um jedwede Debatte im Keim zu ersticken. Er vertraute nicht auf das gute Herz und die guten Absichten in seinen Weggefährten. Es war ein Kalkül diese Gruppe zu wählen. Sie haben sich in der Vergangenheit in Gefahrensituationen bewiesen und ebenso Tendarion an sehr vielen Stellen nicht nur die offene und aufrichtige Meinung seines Verhaltens dargestellt, sondern es auch in einer ruhigen und entspannten Art und Weise dem Elfen dargelegt.

Zugegebenermaßen war Sullin bis vor wenigen Monden keineswegs eine Option für Tendarion, aber dieser Mann hatte seine Prioritäten klar gemacht und hatte es akzeptiert, dass Tendarion diese nicht verstand und akzeptieren wollte. Ein Verhältnis zweier Gelehrter, die sich nicht einig waren, außer in der Erkenntnis, dass sie voneinander lernen konnten.

Tendarion hoffte, dass er also nicht an seinen platten Anrufungen an Astrael in Stresssituationen gemessen würde, sondern an der Art und Weise, wie er sich überhaupt in diese Situation brachte.

Er dachte an Irolan, wie er das Sanktum des Herrn Astrael betrat. Amusement ließ Tendarions Mundwinkel emporwandern, als er gedankenverloren in den Eimer mit dem rosanem Wasser sah. Ein Buch über Loyalität zeigte der Herr Irolan. Wie immer war Astrael darauf bedacht direkt auf den offensichtlichsten Fehl hinzuweisen. Irolans anbetungsgleiche Loyalität für Raziel war gewiss für einen Geweihten ein großes Problem. Wer gab ihm jemals die Garantie, dass Raziel immerzu im Namen des Einen handeln würde? Tendarion dachte an Guntram.

Natürlich hatte er eine ähnliche Bindung zu Guntram. Möglicherweise noch tiefer auf anderen Ebenen. Aber sie setzten Grenzen. Der jeweils andere würde niemals erwarten dass er oder andere sterben sollten. Sie trieben sich an ihrem Gott zu dienen. Körperliche und geistige Loyalität war irrelevant, solange man weder die Viere, noch sein eigenes Herz betrog. Raziel hatte Macht über jeden einzelnen Tardukai. Und sie alle würden sich beugen. Tendarion freute sich auf den Moment, wo er mit Irolan die Chance hatte, darüber intensiver disputieren zu können.

Astrael akzeptierte das Phylakterium in seinem Sanktum. Er schuf sogar einen Platz wo das Gefäß perfekt hineinpasste. Tendarion wusste, dass nur jemand, dem Astrael das Gefäß aushändigen wollte, dieses dort entnehmen konnte, deswegen war es ihm einerlei, dass jeder die Möglichkeit hatte das Sanktum zu betreten. Jeder sah dort nur was er sehen sollte. Selbst Tendarion merkte, dass die meisten Buchrücken sich von Mal zu Mal für ihn änderten. Ein Hinweis darauf, ob Astrael ihm helfen wollte, oder ob Tendarion auf sich selbst gestellt war. Die meiste Zeit war es zweiteres, woraus der Elf entnehmen konnte, dass er nicht alles falsch machen würde, oder aber noch einen zu langen Weg vor sich hatte, ehe Astrael bereit wäre sich zu offenbaren.

Tendarion schuf Ordnung und stellte seine Rüstung neben dem Kamin auf, sodass die Restfeuchtigkeit vergehen konnte. Sich seinem täglichen Morgengebet ergebend ließ er wie stets dabei seinen Gedanken freien Lauf.

Asmodeus Seele war womöglich sicher. Nun musste er einen Weg finden sie zu reinigen und die Verbindung zu Asmodeus Geist zu trennen. Wenn seine Berechnungen und Interpretationen stimmten, war er kurz davor einen Lich zu beseitigen. Er müsste dann nur einen Weg finden den ruhelosen ungebundenen Geist zu beseitigen.


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 Betreff des Beitrags: Re: Ein gewöhnlicher Diener der Viere
BeitragVerfasst: 27.12.18, 10:02 
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Tendarion war froh, seine wahren Gefühle in seinem Innersten behalten zu können. Das Grinsen, was sich in sein Gesicht schleichen wollte, unterband er - Irolan fiel dennoch auf, dass der Geist des Elfen in anderen Sphären verweilte. Es war mittlerweile ungewohnt Tendarion durchweg lächelnd und zufrieden zu sehen. Aber Tendarion hatte mehr Grund zur Freude denn je. Er hatte seinem Herrn einen Dienst erwiesen. Ein Angebot zur rechten Zeit, in der vollkommenen Überzeugung, dass Astrael dieses gewähren würde. Tendarion hatte sein gesamtes Vertrauen in Astrael gesetzt als er die Worte aussprach und er wurde vollständig belohnt.

Der Anblick im Spiegel war grotesk. Er hatte nach wie vor kein linkes Auge. Die Haut war vernarbt und nur ein schwarzes Loch klaffte an seiner linken Gesichtshälfte. Doch er konnte sehen, in der vollständigen Peripherie, die ihm zur Verfügung stand, ehe er er geblendet wurde. Er konnte Maichellis links neben sich betrachten, ohne den Kopf zu ihm drehen zu müssen, bis sein rechtes Auge ihn erfassen konnte. Das was er im Spiegel sah und was er sah passte nicht zusammen. Aber seine Dankbarkeit war dennoch gegeben. Es war die Art seines Herrn zu zeigen: Du bist sehend, du hast verstanden und das offensichtliche nicht nur erkannt, sondern auch umgesetzt.

Er hatte einen Bruder gewonnen. Nicht einen Schüler, dessen Weg unvorhersehbar war. Sondern einen wahren Bruder, der diesen Weg nun ging, weil er trotz der Fehlentscheidungen in seinem Leben, in seinem Unleben erkannte, dass Astrael der Weg des wahren Wissens war. Asmodeus ging einen fragwürdigen Handel ein, verließ seine Familie, seine Lehren, seine Geliebte um sein Ziel zu erreichen. Ein Dämon war es, der ihm die Abkürzung zu Astraels Wissen schenken sollte. Und Asmodeus nahm den Handel mit einem Dämon der Mele Môrthere an, nur um festzustellen, dass sein Unleben vom Versteckspiel, den immer wieder zu ersetzenden Körper und geistigen Verfall geprägt war.

Tendarion hörte sich die Geschichte Asmodeus' mehrmals an. Die Fragmente dessen, was er hörte und sah - durch Visionen oder Gespräche mit der Essenz Asmodeus' selbst - machten deutlich, dass er das Opfer des Wissens wurde. So viele wie er wandelten auf Tare und lehnten Vitama ab, indem sie behaupteten, dass Gefühle sie abhalten würden zu lernen. Sie lehnten Morsan ab, verwehrten sich jede Ruhe, immerzu getrieben vom Drang mehr Wissen anzuhäufen und andere Wege zu finden um dieses Wissen zu erlangen. Auch lehnten sie Bellum ab, nicht weil sie nicht willens zu kämpfen und tatenlos waren, sondern weil sie nicht den Mut in sich trugen sich dem eigenen Tod zu stellen. Viele Diener Astraels scheiterten genau an diesem Punkt. Sie erreichten ihre Gläubigen nicht mehr, weil sie kein Verständnis für diese Fehlbarkeit hatten. Gefühle wurden als etwas unnützes und irrelevantes dargestellt. Wer liebte und emotional war, war gleichsam ein astraelferner Beseelter. Soviele seiner Glaubensgeschwister waren durchweg Richter. Immerzu bereit über andere zu urteilen, vor allem dann, wenn sie sich selbst am meisten verurteilen sollten. Tendarion gefiel es nicht. Gefiel die Tatsache nicht, dass man sich selbst den wichtigsten Lektionen der ersten Sphäre verwehrte: Die Erkenntnis, dass unsere Seele allen Vieren gehörte und somit jegliches abweisen der Tugenden eines der Viere dafür sorgte, dass man seiner eigenen Seele Schaden zufügte.

Tendarion dachte an all jene die ihn auf diesen mondelangen Weg begleiteten.

Die Magier der Akademie - Sie alle erkannten an, dass Tendarions Forschungen wichtig waren. Die Grundlage seines Weges wurde mit der Magisterwürde belohnt.
Die Tardukai - Teils ablehnend, da Tendarion auf die falschen Leute in ihren Augen setzte, teils halfen sie, da keine andere Wahl blieb um Angamon zu dienen.
Die Schwarzmagier - Einer von ihnen, mitsamt seinem Mitstreiter, ein wahrer Verbündeter. Der andere ein Täuscher und Verräter.
Die Hexen - Trotz aller Forderungen Tendarions, waren sie ohne zu zögern bereit zu helfen. Und Tendarion würde den rechten Lohn für sie bereit halten, wenn es an der Zeit war zu zahlen.
Maichellis - Die Selbstverständlichkeit, mit der er Tendarion vertraute und ohne zu zögern folgte, konnte nicht in dankende Worte gekleidet werden. Es würde noch viele Gelegenheiten für Tendarion geben um dies angemessen zu belohnen.
Die zwei alten Männer, die ihn um Rat baten um zum Lich zu werden - Sie waren am Ende der Auslöser, warum Tendarion die Notwendigkeit und Dringlichkeit erkannte, sich mit dieser Thematik näher auseinanderzusetzen.

Es war nicht nur ein Weg des Wissens für Tendarion, sondern vor allem der Selbstreflektion. Er wusste nicht, was ihn erwarten würde. Er wusste nicht, ob Astrael seinen Weg und seine Art sich der Sache zu nähern überhaupt gutheißen konnte. Mit dem alten Feind an seiner Seite, führte er Debatten mit Dämonen. Ging Handel mit ihnen ein um seinem Ziel näher zu kommen. Doch nicht einmal bestrafte Astrael ihn, oder macht ihn darauf aufmerksam, dass sein Weg nicht angemessen war. War Tendarion kein Schüler mehr in Astraels Auge und er sollte seine eigenen Erfahrungen sammeln, fern der lenkenden Hand eines strengen Lehrers? Oder war es das Vertrauen des Herrn in Tendarions beste Absichten, die dem Elfen erlaubten diese dunklen Pfade zu beschreiten? Tendarion zeigte sich gegenüber den Dämonen kompromisslos. Er erklärte seinem Umfeld auch, dass es nur einen Weg in dieser Sache gäbe und wer nicht gewillt war eben jenen zu gehen, der war auch nicht mehr eingeladen Tendarions Weg weiter zu folgen. Der Weg zu einem Gott war einsam - zumindest solange nicht jemand gewillt war genau diesem Pfad ohne Kompromisse zu folgen.

Tendarion fühlte sich von seinem Gott angenommen. Möglicherweise das erste Mal seit er ihm diente. Kein widerwilliges Anhängsel, das man zurechtbiegen musste, bis es den Ansprüchen Astraels genügte. Im Gegenteil: Ein wahrer Diener, der einen Bruder hervorbrachte, wo bislang nur eine verlorene Seele zu finden war.

Und wieder stahl sich ein Lächeln auf seine Lippen, als er dankbar an alle dachte, die ihn bis zu jenem Tag begleiteten.


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 Betreff des Beitrags: Re: Ein gewöhnlicher Diener der Viere
BeitragVerfasst: 30.12.18, 10:26 
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Flaschen.

Er betrachtete die Liste. Es war nirgendwo mehr in der Stadt eine für Arzneien und Tränke geeignete Flasche zu finden. Elgbert und Badtom folgten dem blonden Elfen mit Packpferden und Karren durch die Stadt und beklagten ihren nicht vorhandenen Lohn. Tendarion versprach Elgbert Rum und beiden einen Tageslauf zusätzlich dienstfrei, sowie für ihre Arbeit einen Lohn aus Tendarions eigener Tasche. Und schon waren die beiden schneller und motivierter. Die Klagen hörten dennoch nicht auf.

Die Dwarschim in Zwergenladen der Stadt blickten äußerst kritisch zu dem Elfen. Flaschen für Tränke? Hätten sie nicht. Aber die besten Tränke und Reagenzien auf ganz Siebenwind. Tendarion ließ sich Stichproben der Tränke zeigen und musste feststellen, dass die Braukunst nicht ohne Grund ein Meisterfach der Zwerge war. Doch Tendarion konnte schon am Geruch feststellen, dass diese Tränke unheimlich bitter schmecken würden. Irrelevant. Er kaufte alle. Die anderen Dwarschim im Laden verschluckten sich an ihren eigenen Worten und sahen einen kurzen Moment verdutzt zu dem Elfen. Der Dwarschim vor ihm zählte selbstgefällig grinsend die Wertscheine und Münzen. Tendarions Blick ging zu den Reagenzien und legte noch ein paar Wertbriefe hinzu.

Als sie den Laden verließen war sich Tendarion ziemlich sicher ein beherztes "Juhu!" des Dwarschim gehört zu haben. Tendarion lächelte matt. Eine der Astrael-Vitama-kombinierten Freuden, die er dann und wann noch auslösen konnte. Die Wirtschaft der Insel antreibend, konnte er gleichsam sicher gehen dass die Händler, die er heute mit Unmengen an Dukaten belud, für den Rest des Tages einen Deut fröhlicher sein würden.

Auch wenn Siegfried nun einen Lehrling hatte, konnte Tendarion nicht die Last des Dunkeltiefs in die Verantwortung des alten Mannes legen. Tendarion musste sich zwar in fünf Teile zerreißen um seiner ungewollten Dreifach-Position gerecht zu werden, doch im Dienste Astraels gab es keine einfachen Tage. Tendarion wurde gebraucht, auch wenn der Großteil seiner Arbeit ungesehen und ignoriert bleiben würde. Es war ihm recht, dass man ihn die meiste Zeit als unsympathischen Lehrmeister wahrnahm. Er hatte schlichtweg keine Zeit mehr für soziale Dinge. Je mehr zu ihm kamen, um nur noch konkrete Fragen oder Bedürfnisse zu klären, desto höher wurde die Effizienz im Tagesablauf des Elfen. Tendarion lenkte seinen schwerschleppenden Tross gen Bank und wollte sein Versprechen des Lohns wahrmachen, indem er seine eigenen arg geschrumpften Dukatenvorräte bei Hilamos um noch einiges erleichterte, ehe ihm die neuen Aushänge auffielen.

Feder für Frieden, Feder für Freiheit. Der Titel und die Zeichnung erlangten Tendarions Aufmerksamkeit. Doch der aufmerksame Blick des Elfen, der vom aufrichtigem Interesse bekundete wurde von Zeile zu Zeile nichtssagender. Er fertigte eine Abschrift und würde Maichellis darauf hinweisen.

Auf dem Weg zur Kirche zurück betrachtete er die Aushänge nun ebenso mit aufmerksamerer Miene. "Medicas treibt..", er sprach die Worte nicht aus. Er fertigte eine erneute Abschrift. Das unmännliche Kichern der beiden Templer ignorierte Tendarion.

Das war seine Verantwortung geworden. Der Kanzler bat ihn in der Sache die investigative Instanz zu sein. Fakten zu sammeln, Zeugenanhörungen durchzuführen. Wer führte den Angriff auf Finsterwangen durch? Die Beweislage war dünn nach den ersten beiden Gesprächen. Aussage gegen Aussage. Tendarion hatte jede Nuance und Formulierung der beiden im Hinterkopf behalten. Er musste in jedem Fall mit dem weiteren Umfeld beider Seiten sprechen. Anders konnte er in dieser Sache nicht vorwärtskommen.

Eine Welle tiefster Resignation legte sich über des Elfen Herzen. Er erwartete nicht, dass diese Sache sich von alleine löste. Aber da nun er die klärende Instanz war, musste er davon ausgehen, dass die Schriften sich wieder gegen ihn richten würden. Der Schattenkönig. Der Dämonenfürsprecher. Der Freund der Tardukai.

Tendarion dachte an die Klinge die sich seinen Augen näherte und seine Pupillen aufschnitten. Die nackte kalte Panik als er feststellte, dass dieser Dolch das letzte war was er von Tare sehen sollte.

Er hatte mittlerweile mehr Angst vor der Inquisition als jeder Dämonenpaktierer. Er zog sich zurück um die Welle der Panik und das leichte Zittern in seinen Händen vor den Templern und seinen Ordensgeschwistern zu verbergen. Seine größte Furcht war es noch einmal geblendet zu werden. Nutzlos zu werden. Eine Last für alle. Astrael schenkte ihm sein Augenlicht nach der Blendung durch die Inquisition. Die Angst jedoch blieb. Er goß einige getrocknete Nachtschattenblüten auf. Sie waren weniger potent als die Blätter. Nur das Zittern sollte innehalten. Er musste funktionieren und arbeiten können.

Tendarion zwang sich dazu sich gedanklich auf die kürzlich abgeschlossenen Aufgaben und die kommenden Pflichten zu fokussieren.

Asmodeus. Tendarion besuchte ihn im Sanktum so oft er konnte. Nicht immer wollte er sprechen. Die meiste Zeit war er in den Büchern versunken. Astrael schien ihn bewusst mit Wissen zu überhäufen. Wer sich in progressive Arbeit und Lehre begab, wurde von seinem eigenen persönlichem Leid abgelenkt. Doch Asmodeus hatte nichts mehr zu erleiden. Er war nun für ewig ein Diener Astraels. Ein Diener des Wissens, niemals gezwungen sich um weltliche Dinge zu kümmern. War es das was Ravenne einst zu Tendarion sagte? Das Morsans Hallen für jeden etwas anderes bedeutete? War dies für Asmodeus die ewige Ruhe, sein Paradies?

Das Zittern ließ etwas nach.

Die Echsen. Tendarion hatte mittlerweile verstanden, dass Astrael ihn zum Dank für Asmodeus Befreiung und der hoffentlich bereits erfolgten Vernichtung Disuulgors eine ungewöhnliche Gabe schenkte. In seinem Kopf formten sich ihm unbekannte Worte in etwas was er verstehen konnte. Die Echsen sprachen archaisch und einfach und waren durchweg als naiv zu betrachten, doch ihre Krieger und Schamanen waren keineswegs zu unterschätzen. Der blaue Drache des tödlichen Eises. Der rote Drache des Feuers. Die Ankunft einer der beiden war zu erwarten, erst dann wenn der Vulkan ausbrach. Ein Teilerfolg. Sie alle wussten nun, dass die Echsen einer nur den Echsen bekannten Prophezeiung folgten. Ob es jedoch eine Hoffnung der Echsen verblieb, eine Begebenheit der Vergangenheit war oder aber tatsächlich die Ankunft eines Drachens zu erwarten war, blieb zunächst ungeklärt.

Tendarions Hände waren wieder vollkommen ruhig.

Er konnte sich endlich wieder den Destillaten im Keller widmen. Später würde er seine Investigation bezüglich des Angriffs auf Finsterwangen aufnehmen. Danach seine Vorbereitungen für das Ritual seitens der Magier durchgehen und prüfen. Später seine Korrespondenz lesen und beantworten. Die Vorbereitungen für das Lazarett vorantreiben. Die Messe vor dem Dunkeltief vorbereiten und verkünden.

Alles tun um davon abzulenken, dass er wieder in das Licht der Inquisition gerückt werden würde. Doch hatte er es Adhemar versprochen. Und Tendarion würde sich erneuten Vorwürfen zu seiner Person mit Würde und Aufrichtigkeit stellen.

Er war sehr erleichtert, dass der Nachtschatten bereits wirkte.


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 Betreff des Beitrags: Re: Ein gewöhnlicher Diener der Viere
BeitragVerfasst: 4.01.19, 04:38 
Edelbürger
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Diener.

Guntram stellte es vor den versammelten Gläubigen so dar, als wäre Tendarion einer der wenigen wahren Diener. Eine Lobpreisung an den Elfen. Keine Ermahnung folgte. Keine Andeutungen die das Lob schmälern sollten.

Seine Sprachlosigkeit wisperte er seinem Abt, seinem Mentor, seinem Geliebten entgegen. Aber sie war für jeden klar ersichtlich. Tendarion fühlte sich noch nie so sehr von seinem Glaubensbruder angenommen, wie in diesem Moment. Es hätte ein Wendepunkt für Tendarions Gefühle für diesen Mann sein können. Der alles folgende in ein astraelblaues Licht getaucht hätte. Weg von der Unsicherheit der Liebe die Vitama ihm einst schenkte. Jene Liebe die mit Unsicherheit und Überforderung einherging. Hin zu einer gereiften Liebe, die sich von seinem Herz ausgehend über sein gesamtes Sein legte und jegliche Angst der nur kurzen Zeit, die er mit Guntram hätte für immer beiseite geschoben hätte. Die Erkenntnis dass ihre Seelen allein Astrael gehörten und sie nach ihrem Dienst auf Tare zu ihm kehrten und für immer Eins mit ihrem Herren wurden.

Doch..

..die Trauer über den Verlust zur direkten Verbindung zu den Vieren überschattete den Moment. Als wollten die Dämonen sichergehen, dass er diesen Moment nicht auskosten konnte. Als wollten sie sicher gehen dass schon die erste Berührung der Dämonen auf Tare Leid, Pein und Zerstörung mitbrachten.

Tendarions zweite Weihe inmitten des dämonischen Chaos.

Als sich die Personen, die nun an seiner Seite stritten in lächerlichster Art den Tempel in Falkensee schändeten. MIt Spucke, Blut und Urin bemalten sie die Tempelmauern und riefen Profanitäten hinüber. Warum wunderten sie sich, dass soviele der Diener der Viere, die dieses erlebten, kein Vertrauen aufbauen konnten? Wenn die Namen die damals kreischten, heute auf Respekt pochten, ohne eine Wiedergutmachung zu leisten?

Nun waren es die Dämonen selbst die Tendarion und seine Mitstreiter verhöhnten. Tendarion diesen raren Moment der Selbsterkenntnis, dass er nicht versagt hatte, entrissen hatten. Aber er konnte sich auf das berufen, was er den gesamten Götterlauf zuvor übte. Selbstbeherrschung. Anderen vorzutäuschen, dass es ihm keineswegs so schlecht ging, wie er sich fühlte. Die Pein der Leere hinter einer Maske verbergend.

Er wollte die Glückwünsche nicht. Er wollte auch nicht mit Roland sprechen. All diese Emotionen die dies hervorbrachte, zwangen seine Selbstbeherrschung auf die Knie. Geißelten ihn. Aber er tat es. Besser Schmerz bekämpfend als in ein gefühlsloses Loch zu fallen.

Und dann diese Stimme, die ihn in Panik versetzte. Er war beim besten Willen nicht der begabteste Magier wenn es um die Praxis ging, doch wusste er dass seine Willensstärke die so mancher vollends überflügelte. Doch ohne jede Vorwarnung, ohne Mühe drang Alma in seinen Geist ein. Diese Tatsache, dass sein Geist keinerlei Barriere hatte, trieb Tendarion in aufrechte Angst. Er verlor seine Ruhe, versuchte jedoch die andere betroffene Frau, Ann, dennoch zu beruhigen, ehe er feststellte, dass er sich nicht mehr aus dem Astraelschrein hinaustraute. Er verstand nicht was geschah. Auch dann nicht als Alma vor ihm stand und mit Anschuldigungen um sich warf, die Caieta hätte entkräftigen müssen. Tendarion realisierte nicht was geschah als Alma vor seinen Augen vernichtet wurde. Die untoten Wesen stürzten sich herab, zerfetzten sie. Ohne darüber nachzudenken sammelte Tendarion die blutverschmierten Überreste auf und bestattete sie mit Siomons Hilfe in der Krypta.

Angriff auf Angriff folgte davor und danach. Und schließlich fielen die ersten erschöpften Streiter in einen kurzen, ruhelosen Schlaf.

Seinen kleinen wütenden, von Panik erfüllten, Luchs nahm er auf die Arme als die trügerische Stille draußen präsent war und trug ihn in den Astraelschrein. Niemand wollte dort ruhen. Tendarion verstand nicht weshalb.

Nirgendwo gab es einen Ort der ruhiger für Tendarion war. Er dachte an Guntram, Maichellis und Lynn. Definitiv war es bei ihnen nicht ruhiger.

Aber sie hielten ihn davon ab dem Wahn, der einen jeden, der Astrael zu Nahe kam, ereilte, zu verfallen. Und mit diesen Gedanken schlief er im Schrein des Herrn Astrael, aufrecht sitzend auf dem Thron ein.


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 Betreff des Beitrags: Re: Ein gewöhnlicher Diener der Viere
BeitragVerfasst: 6.01.19, 12:50 
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Hoffentlich konnte er nun baden. Wie viele Tagesläufe waren vergangen? Drei? Vier? Tendarion war äußerst selten solange ohne Bad. Sein Körpergeruch war kein Indikator mehr für die zurückliegende Zeit. Nachdem er Maichellis in der Bibliothek nach einem kurzen Moment der Zweisamkeit und Frustbewältigung dort auf einem Thron mit einem Fell zurückließ, setzte sich Tendarion neben den Ofen und kämmte die Eiskristalle und das gefrorene Blut aus seinem Haar. Es war ungewohnt ohne Augenklappe zu sein. Aber ein jeder war derart beschäftig und abgelenkt, dass er keine verschreckten Blicke vernahm. Oder er selbst war so abgelenkt, dass er die Blicke ignorierte. Während der Kamm durch sein störrisches und schon etwas verfilztes Haar arbeitete, ließ er seine müden und gleichsam rasenden Gedanken schweifen...
~~~


Tendarions Blut in den Adern gefror, als der haarlose Mann, mit Schmuck behangen, wie ein endophalischer Gewürzverkäufer auf dem Marktplatz im Bürgerviertel von Draconis, sich gerade in den Astraelschrein begeben wollte.

Bilder und Informationen der letzten Wochen schossen in des Elfen Kopf: Die Verhandlung mit dem Dämon; das Trugbild vor Irolan; das überzeichnete Interesse an den Echsen; die Entschuldigungen Irolans für das Verhalten des Magus; die Rune am Tempel.

Die gebundene Rune am Tempel.

Tendarion gebot dem Mann augenblicklich und ab sofort auch nie wieder den Astraelschrein zu betreten. Mit Widerwillen berichtete der Elf die Eigenheiten der ihm bekannten Dämonen. Nichts erfand er dabei. Nichts ließ er weg. Doch die nagende Unsicherheit und das schlechte Gefühl ob des Mannes vor ihm, der diese Informationen falsch oder unvollständig an die Tardukai weitergeben würde, verblieb. Er wollte jedoch nicht den Informationsfluss behindern, indem er darauf bestand einen anderen Informationsaustausch mit Ewigwacht ab sofort zu bevorzugen.

Doch dieser Gedanke änderte sich, als der Mann vor ihm nach jenen fragte die von den Dämonen betroffen waren. Wollte er weitere Verbündete? einen Zugang zu den Dämonen um sie gegen Ewigwacht zu lenken? Waren die Angriffe der Echsen und Feuerwesen sein verschulden? Hatte Tendarion was in den Ausflug zum Vulkan übersehen? War das Ritual am Gipfel des Vulkans tatsächlich nur eine Überprüfung, oder hatte er bereits etwas gebunden, was den Dämon dort hinlocken sollte? Warum wollte dieser Mann wissen wer von den Dämonen betroffen war? Tendarion ruderte mit all seiner bemühten Intention zur Zusammenarbeit mit diesem Mann zurück.

Er würde diesem Mann keine persönlichen Informationen geben.

Das Gespräch war danach nur noch kurz gehalten und man bevorzugte beim nächsten Rapport einen Tardukai selbst in die Kirche zu entsenden. Tendarion war dankbar. Ein kurzer Informationsaustausch ohne das nagende Gefühl zu haben den seinen gerade einen Dolchstoß zu verpassen oder zum Opfer eines Größenwahnsinnigen zu machen, der seine Jünger um sich scharte und nicht müde wurde noch mehr seiner persönlichen Sammlung hinzuzufügen.

Tendarion dachte an Caieta und Vincent zurück.

Sie beide waren willensstarke Menschen und dennoch waren sie es die in Versuchung geraten sind. Vincent hatte zumindest eine Erklärung die Tendarion auf emotionaler Ebene verstehen konnte. Es war im Moment der Panik und um einen Menschen das Leben zu retten. Ein letzter Griff nach dem seidenen Faden, von dem der Ritter nicht ahnen konnte, wie fragil er war. Tendarion aber ließ seine gesamte Wut, die er auf Caieta hatte an ihm aus. Brüllte ihn an ob seiner Dummheit. Ohrfeigte ihn. Noch jetzt fragte sich Tendarion, ob er jemals jemanden aus Zorn geschlagen hatte. Er wusste es nicht mehr. Es war ihm jedoch mehr als klar, dass dieser Moment sich in sein Gedächtnis brennen würde. Aber er merkte auch keinerlei Schuldbewusstsein, auch wenn der Zorn klar Caieta galt. Aber er hatte tatsächlich Vorbehalte eine Frau unvorbereitet, abseits einer realen Kampfsituation, zu schlagen. Nicht weil sie schwächer wären. Sondern weil sie allesamt Abbild Vitamas waren. Lebensbringer. Es spielte keine Rolle welche Art von Frauen sie waren, doch ihnen allen wurde die wichtige Aufgabe zu Teil den Nachwuchs in ihrem Leib zu nähren, zu behüten, unter größten Schmerzen auf Tare zu bringen. Während Männer in der Regel nur einen halben Zyklus Freude bei dieser wichtigen Aufgabe zu verbuchen hatten. Tendarion wollte keine Frau schlagen - egal wie sehr sie es verdient hätte. Und Astrael weiß, wie oft Tendarion auf dieser Insel gerne so manche Frauen links und rechts an den Schultern gepackt hätte und solange geschüttelt, bis deren Geist wieder an der richtigen Stelle saß, damit Astrael wieder die Gelegenheit hatte ihn wieder mit Verstand zu füllen.

Doch Caieta hatte Tendarion nicht als Frau enttäuscht. Nicht als Mensch enttäuscht. Sondern sie hatte zum zweiten Mal die Quintessenz seines Lebens und seines Dienstes aus vollem Anlauf mit den Füßen getreten. Tendarion war sich nicht zu stolz um vor jemanden zu knien und zu betteln etwas zu unterlassen. Und er tat es. Er kniete vor ihr und bettelte sie an es nicht zu tun. Doch sie tat es. Und als sie wiederkam und ihre erste Reaktion war, Tendarion eingeschnappt den Rücken zu kehren, weil er außer sich war und sie zur Rede stellte, verlor sie in seinen Augen jeden Anspruch auf Mitleid und Trost. Wenn sie Liebe suchte, musste sie sich an jemand anderes wenden. Tendarion konnte sie fortan nur noch mit Strenge und Erziehungsmaßnahmen behandeln. Sie war einst eine der Personen, denen Tendarion sein Leben ohne zu zögern in die Hände gelegt hätte. Mittlerweile hatte er Sorge, was geschieht, wenn sie alleine mit Maichellis war. Seine Liebe für sie blieb. Doch sie war bitter und schmerzhaft geworden.

Doch sie war eine Lebensbringerin, er würde sie nicht falsch behandeln. Er würde sie nur wie eine Magistra behandeln, die wusste was sie tat und nun mit den Konsequenzen leben musste.

Lazalantin hingegen, war wie er war. Intuitiv schlichtweg das falsche tuend und dann am Ende die größten Probleme habend, die sich nach seiner Rettung in seinem Mund als gar nicht so schlimm anhörten. Tendarion war frustriert. Wer, bei Astrael, schlief im Dunkeltief auf dem Marktplatz im Zelt ein, um ein Nickerchen zu machen? Wieder musste Tendarion jemanden anbetteln. Dieses Mal Sullin. Adhemar hatte Recht, als er sagte, dass Lazalantins Rettung zu einem Politikum würde. Und es dauerte auch nicht lange, als Sullins Gedanken, dass er Lazalantin nicht hätte helfen sollen, als Adhemar einen ungeliebten Befehl gab, zu Tage kamen. Tendarion war an diesem Punkt innerlich nur noch dabei seine Haare zu raufen und mental schreiend im Kreis zu rennen.

Er fühlte sich wie in seiner Arbeit im Waisenhaus. Wo seine Hauptaufgabe war, neben der Heilung, diese Kinder einzusammeln, die wie eine Herde kleiner Lämmer herumirrten und nur Spiel und Unfug im Kopf hatten. Nur dass in diesem Dunkeltief die Lämmer allesamt von Wölfen angefallen wurden, ehe er sie erreichen konnte.

Lazalantins Albtraum war ein Grauen. Tendarion fühlte mit zunehmender Zeit die Grenzen zwischen Realität und Wahn verschwimmen und er wusste, dass sie schnell sein mussten. Sullins Begleiter, der Auserwählte Angamons, Aulos, war offenbar ebenso von Angst beseelt, denn er wirkte tatsächlich disziplinierter, als Tendarion befürchtete, als Sullin ihn als seinen Begleiter erwählte. Er war letztenendes der Retter Lazalantins, was Tendarion durchaus wohlwollend zur Kenntnis nahm. Die gemarteten Überreste des Kapitäns waren dennoch selbst für einen gestandenen Heiler wie den Elfen ein grausamer Anblick. Eine blutige, verwundete Masse, deren übriges Bein abgehackt wurde. Überall Blut, die Klage- und Schmerzensrufe. Doch nicht einen Moment zögerte Tendarion Lazalantin auf seinen Rücken zu nehmen und ganz im Vertrauen seiner Begleiter, dass sie sie beschützen, trug er Lazalantin mit sich. Er konnte nicht umhin zu hoffen, dass der Ventus-Priester keinen unverhofften Ausbruch hatte und Tendarion wieder einmal mit Blitzen strafte. Aber das ließ den Elfen keinen Moment davon abhalten ihn retten zu wollen um jeden Preis.

Und das tat er. Mit einem Schlag gegen Lazalantins Kopf.

Sie wachten auf und Lazalantin beklagte nur einen schlechten Traum. Tendarions Anspannung wich und er fiel in einen tiefen, erschöpften Schlaf, wo er noch kurz an die herumtollenden, unkontrollierbaren Lämmchen dachte.

~~~

Tendarion hatte es wieder in den Zuber geschafft. Das Wasser war jedoch kalt geworden mittlerweile. Es war ihm gleich, er würde sich danach neben den Ofen setzen. Hauptsache Wasser und Seife. Er konnte baden, während er außerhalb des Vorhangs das ungleichmäßige Schnarchen, Wimmern und die leisen Gespräche der im Tempel schlafenden anhörte.

Hatte er in den Augen der anderen überhaupt seinen bisherige Verantwortung gemeistert? Weder Zweifel, noch Selbstsicherheit erfüllten den Elfen.

Er würde das harsche Urteil abwarten. Und nach einer Ruhepause würde er etwas tun müssen, was ihm widerstrebt, aber es blieb ihnen keine andere Wahl: Sie würden die Magier aus Ewigwacht benötigen. Tendarion wollte sich Sullins Reaktion darauf nicht ausmalen.

Tendarion tauchte unter. Er wünschte er müsste nicht mehr auftauchen. Eine Blubberblase, wo sein Mund sich befand stieg auf, als er unter Wasser resigniert ausatmete.


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 Betreff des Beitrags: Re: Ein gewöhnlicher Diener der Viere
BeitragVerfasst: 10.01.19, 15:08 
Edelbürger
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Die Feder kratzte in einem gleichbleibenden, doch von Schnelligkeit geprägten, Rhythmus über die Pergamente. Er musste seine ausstehenden Versprechen einhalten. Die Tränke mussten aufgeteilt werden; die Korrespondenz, die seine Expertise erforderten musste abgeschlossen werden; die Informationen die Sullin für seine Mithilfe erbat, mussten niedergeschrieben werden.

Ein unausgesprochenes Testament seiner selbst, das nicht den Titel Testament benötigte. Maichellis würde selbstständig seine Habe verwalten und die angemessenen Stücke an Guntram und Lynn übergeben. Der Rest würde Kirche und Fey gleichsam zukommen. Er war nicht reich, aber wenn seine Kleidung einen frierenden Menschen wärmen konnte, war sie mehr als gut genug dafür. Seine Dukaten würde er der Magierakademie überlassen.

Tendarions Mundwinkel hob sich bei der Erkenntnis, dass sich mit seiner Einsetzung als Verwalter der Magierakademie der Kassenstand damit in etwa vervierfacht hätte.

Er würde sich die nächsten drei Tagesläufe um die Vorbereitungen kümmern. Auch hoffte er inständig dass Roland und Akelas ihren zugewiesenen Aufgaben nachkamen. Tendarion hatte einen Teil im Plan gewählt, der keinerlei Vorbereitung - außer die seines eigenen Ablebens - nach sich zog. Er musste sich auf Roland und Akelas blind verlassen können. Wenn sie nicht taten was Tendarion von ihnen verlangte, würde Tendarions Opfer umsonst gewesen sein.

Zwei Dämonen. Ein dämonischer Plan, der die Beseitigung eines Dämons sicher stellen sollte. Ein weiterer Plan, ausschließlich auf geweihtem Boden besprochen, der sicher stellen sollte, dass auch der andere Dämon am Ende keine Rolle mehr spielte. Zwei vernichtete Dämonen für ein Elfenleben. Tendarion sah die Chancen für einen Erfolg als verkümmert gering an. Ausreichend um es darauf ankommen zu lassen.

Er würde sich in Meditation üben. Ruhe im Gebet suchen. Sein innerstes Ich zu seinem engsten Freund und Vertrauten machen. Allein auf sich gestellt im Heim eines mehrgehörnten Dämon würde er jede Unterstützung benötigen. Astrael würde ihm an diesem Ort fern sein. Astrael musste fern sein, um Akelas und seinen erwählten Mitstreitern Zeit zu verschaffen.

Einzig und allein sein engster, vertrauter Feind war eingeweiht und würde die Schlüsselrolle zum Erfolg des Unterfangens beitragen. Tendarion war das schmückende Beiwerk, da niemand anderes in Frage für dieses Opfer käme.

Tendarion dachte an Rolands körperlichen Zustand nachdem er entführt wurde.

Er würde seinen Fokus in der Meditation auf Schmerzignoranz setzen. Doch er musste für den Dämon interessant bleiben. Er musste leiden. Er musste sich wehren. Solange sie unterhalten wurde, wäre sie lang genug abgelenkt. Doch dann würde die Folter nur zunehmen. Unter keinen Umständen durften Guntram, Lynn und vor allem Maichellis von seinem Anteil des Plans erfahren. Welch' passende Gelegenheit für den Satai einen Hochgeweihten Astraels beiseite zu schaffen.

Tendarion lehnte sich zurück und seufzte. Mit Verwunderung stellte er fest, wie ruhig man war, wenn man sich seinen eigenen Tod wählte.

Ob sich so die Ältesten seines Volkes fühlten?


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 Betreff des Beitrags: Re: Ein gewöhnlicher Diener der Viere
BeitragVerfasst: 28.01.19, 08:12 
Edelbürger
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Dunkeltief - die lange Nacht

Lazalantin war töricht, dass er sich zum Dunkeltief alleine außerhalb des Tempels aufhielt. Er zog den Dämon an, lud ihn gewissermaßen in seine Schlafstatt und war in einem tödlichen Schlaf gefangen. Wie unerwartet war es, dass gerade Sullin die rettende Hilfe werden sollte, und dennoch war Tendarion ihm zum größten Dank verpflichtet, dass er nicht zögerte zu helfen. Damals hatte Tendarion keinen Gedanken daran verschwendet, dass genau diese Tat, dafür sorgte dass Sullin ihn später noch mehr verachten würde als zuvor..

Sein schwerer Atem drang an seine eigenen Ohren, als der blutige Stumpf von Lazalantins Bein an des Elfen Seite, im Rhythmus seiner Laufschritte, schlug. Das warme Blut lief in seine Rüstung, benetzte sein Bein. Wann würde er ausrutschen? Keine Zeit, seine Mitstreiter fochten die Angreifer die von allen Seiten aus der Stadt strömten ab. War Lazalantin noch am Leben? Sein Atem wurde noch schneller. Seine Lunge schmerzte..

~~~


In der Folterkammer - Die lange Qual

Er war körperlicher Verführung nicht fern, wandte er sie nicht selten bei anderen an. Beim besten Willen wusste er auch, was Schmerzen bei Lust für einen Platz hatten. Tendarion war von vornherein klar, dass das psychische Trauma für ihn am geringsten war. Kein Ekel erfüllte ihn bei dem Gedanken, dass dieser Dämon bei so manchen Glücksgefühle auslösen konnte. Man konnte sich seine Schwächen nicht aussuchen, deshalb war es umso wichtiger, dass dieser Dämon vernichtet würde, ehe dieses Wesen jemanden erreichte, der sich seinem Einfluss nicht erwehren konnte...

Ruhig hinlegen sollte er sich. Auf den Rücken oder auf den Bauch? Er zögerte. Der Dämon wurde ungeduldig, aber verstand warum der Elf danach fragte. Tendarion würde nur in wenigen Momenten verstehen, warum es dem Dämon ebenso nicht gleichgültig war. Zwei Nägel und einen Hammer holte sie und ging in elend langsamer Art und Weise auf den Elfen zu, kniete sich über ihn in obszöner Art und Weise. Doch nichts verführerisches oder lustvolles geschah: Die Nägel wurden an an seine Ohren platziert, der Hammer wurde ausgeholt und Tendarion hörte nur den ersten Schlag, der durch den Raum schallte, in seinen Ohren klingelte, der ihn in das Reich von purer Agonie und Hoffnungslosigkeit für die nächsten Stunden stoßen sollte. Während des Prozederes, nachdem sein gesamter Oberkörper mit Peitschen begleitet von manischen Ausrufen des absoluten Hasses und der Niedertracht, geschunden wurde, rieß man ihn von den Nägeln, wie einen Schmetterling, den man in seiner Sammlung nicht mehr sehen wollte, und warf die blutige Masse, die der Elf geworden war auf den offenen Bauch. Tendarion wusste zu dem Zeitpunkt nicht mehr, was es bedeutete einen Leib zu haben, der nicht nur aus Schmerzen bestand..

~~~


Das Jetzt - Die Erkenntnis des niemals endenden Leids

Die Tagesläufe danach waren das Epitom an Tendarions geistiger Sensibilität, emotionaler Verrohung und aufkeimenden Hass gegen alles Unlebende. Wenn er sich hier und da seinem Herren opfern könnte, ihm alles schenken würde, das ihm lieb und wichtig war, und er dafür die Garantie bekäme, dass danach kein Dämon mehr auf Tare wandelte, würde er ohne zu zögern alles geben was er hatte. Doch Tendarion wusste, dass dies eine Fehlannahme war. Wusste dass er mehr von sich opfern müsste, als nur seine Liebe. Er musste kämpfen, bis nur noch ein Staubkorn seines fragilen sterblichen Leibes auf Tare verblieb. Bis nur noch ein seidener Faden seinen Verstand zusammenhielt, der von Götterlauf zu Götterlauf auf dieser Insel immer poröser zu werden schien.

Das war nicht das Leben für einen Fey. Das war nichts was der Geist seines Volkes lange ertragen konnte. Warum gab es so wenige Diener der Viere in seinem Volk? Gewiss nicht nur, weil sein Volk im Vergleich zu den Menschen eine Minderheit ausmachte. Doch betrachtete man Städte wie Draconis, wo abertausende Fey an einem Fleck lebten, die zu einem nicht kleinen Teil den Sahor folgten, warum waren auch unter ihnen so wenige? Tendarion verstand allmählich, dass ein Volk, das sich bereits in den größten Teilen intuitiv den Vieren vermachte, sich als Individuum nicht noch mehr opfern musste. Sie wahrten Ihr langes Leben und vor allem ihren Verstand, indem sie den Vieren huldigten, nicht nur in Wort, sondern vor allem in Tat, aber nicht den Fehler machten, sich für all die Menschen, die so sehr anfällig waren für die Verführungen der Dämonen, aufzuopfern. Tendarion fühlte sich nie naiver diesem Weg zu folgen, den er eingeschlagen hatte, als in diesem Moment der Erkenntnis.

Aus reiner Gewohnheit konnte er seine Front wieder aufbauen. Stellte sich wieder den Alltagsfragen, doch Tendarion wurde immerzu von dem Dämon, der die Träume der Inselbewohner immerzu bedrohte, im Hinterkopf verfolgt. Als schließlich Rianna zu ihm kam und berichtete, dass ihre Freundin ein weiteres Opfer wurde, zögerte Tendarion nicht mehr. Null Toleranz und mit dem Ziel der Vernichtung des Dämons folgten. Er war dort, er wusste was für ein Wahn ihn dort erwartet. Wer ihm folgte, sollte sich seiner Weisung fügen oder schweigen.

Als in der Vorbesprechung jedoch schon die ersten unnötigen Verhandlungen und Diskrepanzen, trotz seiner klaren Worte, entstanden, war Tendarion gewillt hier und da allesamt abzustrafen, die ihren Mund und ihre unsachlich formulierte Meinung nicht halten konnten. Was interessiertes es Tendarion, zu wem die Nachzüglerin gehörte. Was interessierte es Tendarion, ob es besser wäre, wenn er schlichtweg zustimmte. Er hatte eine klare Ansage gemacht und noch ehe sie in dem Reich des Dämons waren zeigten sich die ersten Rebellen. Akelas hatte die Situation mit pragmatischer Sachlichkeit umgekehrt. Tendarion gab dem gut begründeten Einwand statt. Ein Lehrstück für alle, die auf seine Emotionalität pochen wollten, um ihren Willen zu bekommen.

Er diente Vitama nicht mehr, da Emotionalität sein größter Laster war. Warum also kamen so viele Personen auf die Idee ihn über Emotionalität für sich gewinnen zu wollen? Offenbar war er noch immer nicht hart genug. Aber er würde nicht mehr an sich spielen lassen, wie an den ausgelieferten, barliegenden Saiten einer Harfe.

Erst als sie in dem Reich des Dämons waren, wofür er jemanden als Opfer feilbot, den Tendarion nicht in den Tod begleiten wollte um jeden Preis, merkte der Elf, wie angeschlagen sein Geist war. Als sein Verstand schwand, die Hoffnungslosigkeit, hier überhaupt etwas auszurichten, nach und nach an Stärke gewann, merkte Tendarion die Untiefen seiner Seele. Den Hass, die Angst, den Wunsch einfach nur zu fliehen. Sich an Maichellis klammern wollend, um Schutz zu suchen, auf dass er einfach sein Auge schließen konnte, vor allem was ihm da widerfuhr. Was ihm bereits widerfahren hatte. Doch er musste stark bleiben. Musste den Hass verbergen, als Roland ihn schlug. Musste Maichellis abweisen, damit er nicht schluchzend in seine Arme fiel und ihn anbettelte von da fortzubringen. Die Folterung die er vor nur wenigen Tagesläufen zuvor durchstehen musste, die Angst und Hetzjagd, die Tendarion schon einmalin diesem Albtraum durchleben musste, offenbarten sein Herz, seinen Geist und er ließ den Dämon an seinen Gefühlen spielen. Er fühlte sich wie ein höriger Geliebter, der sich den verführerischen Worten und Berührungen, seines Gönners nicht entziehen konnte.

Erst als der Dämon besiegt war, durchfuhr ihn ein Rausch der Erleichterung. Nur um danach im Bad, im Viertel der Fey, festzustellen, wie schutzlos sein Geist und seine Gefühle waren. Mit Eifersucht, Verlustangst und dem Wunsch schlichtweg, alles, was ihm in diesem Moment zuwider war mit Bissigkeit und Hass aus seinem Leben und seiner Sicht zu scheuchen, kauerte er sich zusammen und war nicht in der Lage mit jenen zu kommunizieren, denen er ohne Sorge sein Herz offenbaren konnte. Oder konnte er es doch nicht?

Maichellis tröstete seine Soldaten; Tendarion hatte dort keinen Platz.
Harlas war ein Mensch; Ihn gingen die Gefühle eines Fey nichts an.
Warum suchte Maichellis Volandurs Nähe; Möglicherweise war Volandur besser geeignet an Maichellis Seite.
Tendarion war entstellt; Kein Wunder mied man ihn, wer würde ihn so noch wollen, gebrochen und unansehnlich?

Er wollte fliehen. Fliehen vor sich, seinen Emotionen, der Insel. Er konnte sie nicht mehr ertragen, diese Gefühle von allen Seiten. So viel wurde genutzt um sein ganzes Leben in schlechtes Gewissen zu binden. So oft wurde er bedroht, indem man ihm sagte er wäre nicht geeignet für andere da zu sein, weil er ein Egoist war und sich nur um seine eigene Meinung scherte. Immerzu wenn man ihn dann in die Ecke drängte und er als letzen Schutzkäfig eine harte Front aufbaute, versuchte man ihn mit noch mehr Emotionen dazu zu zwingen, die Front abzulegen. Man zwang ihn sich zu öffnen, weil er nur dann geliebt werden konnte. Man zwang ihn sein Herz zu offenbaren, weil man ihn sonst mit Streit und dem abwenden seiner Gefühle strafte. Wenn er sich nicht bloß stellte in Gefühl und Verstand, dann wäre er der Aufmerksamkeit anderer nicht wert. Doch nicht einmal Maichellis schien verstanden zu haben, dass Tendarion seinen brüchigen Verstand versuchte zusammenzuhalten, während sein gesamtes Umfeld mit Spitzhacken, Hämmern und Druck versuchte einzureißen, was Tendarion überhaupt noch zu einem sterblichen und fühlenden Wesen machte.

Es war so einfach in Astraels Essenz aufzugehen, seine Seele dem Herrn ganz zu offerieren, doch wusste Tendarion, dass er dann kein Teil mehr diese Sphäre sein könnte, weil er mehr Leidbringer, als Heilsbringer sein würde.


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 Betreff des Beitrags: Re: Ein gewöhnlicher Diener der Viere
BeitragVerfasst: 1.02.19, 08:01 
Edelbürger
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Tendarion mochte es beim besten Willen nicht, wenn eine törichte Tat anderer sich auf sein Privatleben auswirkte. Die ganze Nacht hindurch wanderte der Elf, nachdem Ravenne den ausführlichen Bericht und ihre Bitte an ihn herantrug, rastlos durch Brandenstein. Er wusste wie Maichellis war, wenn er zornerfüllt war. Auch wusste er, dass Maichellis dies mit sich selbst austragen musste, weil er anderen diesen Anblick ersparen wollte, wenn er diesen Zorn an seinem Umfeld ablud.Tendarion hoffte, dass nicht allzu viele Bären oder anderes Großwild seinen Weg kreuzte. Wenn er wieder im Tempel angelangte, würde er seine Heilertasche überprüfen und aufrüsten..

Von Lazalantin war es nicht verwunderlich, dass er diese Tat ausführte, aber dass er in seiner blinden Wut andere animieren konnte seinem Beispiel zu folgen, war der tatsächliche Grund, warum Tendarion durchgreifen musste. Ihm war duchaus bewusst, dass er eine sehr progressive und offene Kirche repräsentierte. Doch hatte er es nie daran mangeln lassen sein Umfeld wissen zu lassen wo seine Grenzen sind. Lieber wählte er den Disput, anstatt seine Grundfesten nur ansatzweise ankratzen zu lassen. Und diese Sache rüttelte an seinen Grundfesten immens. Lazalantins Antwort auf Tendarions offizielle Vorladung wurde gekonnt ignoriert, mit lapidaren Vorwürfen, dass Tendarion ihm gar nichts könne. Dass Harlas diesem Beispiel folgte, ihn sogar aufforderte seine Formulierungen und Gedanken zu verändern, auf dass er ihn danach aufsuchen dürfe, war jedoch der Punkt an dem Tendarion erkannte, dass er dem Volk zeigen musste, dass auch die Kirche noch eine Aufgabe auf dieser Insel hatte.

Die moralische Fahne auf der Insel war nie sehr hoch am Fahnenmast aufgezogen. Tendarion reagierte mit einer Maske aus Ruhe und sanften Methoden der Umerziehung. Manche waren blind und egoistisch und wollten nicht anerkennen, dass sie ihrem Umfeld nicht viel gutes taten. Andere zeigten sich irgendwann im Dank unter Vier Augen erkenntlich, als sie anfingen einen anderen Weg einzuschlagen. Keineswegs war der Elf allwissend und konnte jeden und alles richtig einschätzen, aber er hatte in den letzten Götterläufen genug Erfahrung sammeln können um zu wissen welche Konsequenzen jeder Disput mit sich bringen könnte. Wenn es dann eine noch so offensichtliche Rechnung war wie diese, wusste er, dass er nicht die Zeit mit Zögern und Diskussionen vergeuden konnte. Die gesamte Marine wäre betroffen, die Kirche wäre die Leidtragende. Man würde die Geweihten beschuldigen tatenlos zuzusehen, während die Marine ihren Ruf als mordliebende, rachsüchtige Leichenschänder fortan pflegen würde. Freifrau Ruatha wäre die nächste Leidgeplagte, die womöglich einen Hauptmann verlor und somit in ihren anderen vielen Pflichten damit belastet würde die Verantwortung für die Marine wieder übernehmen zu müssen. Und schließlich würde der Teil des Volkes, der Moral höher einschätzte, als zwei Soldaten ihre persönliche Rachsucht zu gönnen, sich gestört und verunsichert fühlen.

Kurz dachte er daran, die Ecclesia mitverantwortlich zu mache, doch zögerte er, als er das geistige Bild von Lynn vor Augen hatte. Wieso sollte sie sich gerade Lazalantin gegenüber stellen? Tendarion dachte an seinen vernarbten rechten Arm, dachte wieder an Lynns unversehrte, schneeweiße Haut und verwarf jeden Gedanken sie damit zu belasten. Er vertraute Lazalantin als Verbündeten, wenn es gegen einen gemeinsamen Feind ging, aber er würde Lazalantin niemals seine Liebsten anvertrauen. Harlas wirkte wie ein gedankenloser Mitläufer in dieser Konstellation. Von allen Elfen bislang geschätzt, hat er nun bewiesen, dass es besser war, dass er in die persönlichen Dinge der Fey von seiner Seite aus nie eingeweiht wurde. Harlas war ein Mensch und er hatte es durch und durch bewiesen, wie gnadenlos menschlich er war.

Ihm war es bewusst, dass er, solange Maichellis nun auf seinem Weg haderte, als Ansprechpartner für das Volk wieder präsenter werden musste. Jeder der zu ihm kam, wurde angehört und nicht abgewiesen. Eine Meldung über Räuber, das Fehlen der Vorräte in der Magierakademie, die persönliche Unsicherheit auf seinem Weg, das Erbitten um Arbeit, das Ersuchen um Rat, das Angebot eines Mannes, der sich selbst rehabilitieren möchte. Tendarion hatte für jeden ein offenes Ohr und Ruhe gezeigt. Und er war nach den Ansturm von Besuchern und Bittstellern nach wie vor die Ruhe selbst und dankte später seinem Herrn im stillen Gebet an Maichellis' Seite.

Es tat gut zu wissen, dass Astrael in den seltensten Fällen offen half, sondern eher offen strafte, doch am Ende stets bei ihm war, wenn er es am nötigsten brauchte. Möglicherweise war es auch die Tatsache, dass er in der letzten Zeit vor allem Morsan so manchen Dienst erwiesen hatte, dass er mit Gleichmut reagieren konnte. In der Ruhe lag die Kraft. Und er merkte, dass er sich ausgeruhte fühlte, wie schon lange nicht mehr.

Also dankte Tendarion auch Morsan und würde anstelle seiner ruhigen Diener für ihn eintreten, auf dass sie ihren Gleichmut bewahren konnten und Tendarion die offene Schlacht überließen.


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