Innerlich schmunzelnd hörte die Frau, wie ihre Ergreifung angeordnet wurde. Zum wievielten male jetzt eigentlich? Sie wußte es nicht mehr, sie zählte es nicht mehr. Angeordnet von jemandem, dem sie ohne ihr Tun nie begegnet wäre, der geradezu unwichtig wäre in diesen Zeiten. Ein kurzer Moment der Macht. Genieße ihn, kleiner Elf, koste ihn aus, Du stehst auf Deinem Höhepunkt, ab jetzt kannst Du nur noch fallen. Das Rad der Zeit dreht sich beständig weiter, gerade noch oben auf, schon bist Du darunter. Kein Abschied fällt so schwer wie der Abschied von der Macht. Rad des Schicksals. Ironie des Schicksals. Sie selbst sah sich nicht als Teil der Massen, die dazu verdammt waren, in einem immerwährenden auf und ab seine Launen zu ertragen. Sie drehte am Rad, mal schneller, mal langsamer, ganz wie es ihr beliebte. In der linken Hand drehte sie die Karte, Teil des Satzes, den ihr die alte Nassyra, die Wahrsagerin vermacht hatte. Die 10 lächelte sie an, wie passend, diese Karte am 10. zu ziehen. Vergangenheit, das war gestern. Die zweite Karte in ihrer Hand brachte sie zum Schmunzeln. Der Narr. Die höchste Karte und doch kein Trumpf an sich. Verflucht sei der Narr, verflucht, weil er die Zukunft kennt. Ja, sie war verflucht. Aber ihr war es recht, sie liebte es, mit dem Feuer zu spielen und Zeit, was bedeutete Zeit schon denen, die schon zu Lebzeiten unsterblich werden konnten? Sie warf einen Apfel in die Luft, seine Drehungen im Flug beobachtend. Irrungen, Wirrungen, Wendungen, die das Spiel interessant hielten. Tadel, Lob, Achtung und Bann, nur sie verstand das Spiel, das sie spielte, zeigte jedem das, was er sehen sollte. Menschen, Elfen, Zwerge, sie waren alle so jämmerlich, so köstlich vorhersehbar in dem was sie taten. Sie fing den Apfel wieder auf und biß genüßlich hinein. Sie wurde besser in dem, was sie tat, Täuschung und Wahrheit, offenes und verstecktes, wie erbärmlich klagten sie, wenn ihre minderen Pläne scheiterten. Sie dachte an Schach und an Eröffnungen. Wie sehr konnte ein ungewöhnlicher Zug einen ganzen Plan ins Wanken bringen? Nein, sie war keine Spielerin. Sie war die Maus im Hintergrund, flüsterte mal diesem, mal jenem einen Zug zu, brachte sie dazu, für sie zu spielen. Ihr ging es nicht um das Spiel an sich. Sie liebte einzig das Chaos, das sie anrichtete. Ihre Züge waren kühn, überraschend. Das mußten sie auch sein. In Berechenbarkeit lag Niederlage und sie alle, Ritter, Diebe, Geweihte und Ketzer waren berechenbar. Sie alle spielten ihre Spiele. Und sie, Elodia, das eigene. Freund, Feind, einerlei, jeder betrog jeden und sie betrog sie alle, Verbündeter, Gegner, beides wechselte in immer schnellerer Folge, betrogene Betrüger, bestohlene Diebe, erkaufte Zeit in denen sich das Rad weiter drehte. Die niederen Sterblichen setzten Macht damit gleich, oben auf dem Rad zu sitzen, über allem zu thronen. Die Macht derer, die am Rad drehten, sahen sie nicht, sie verkannten und verabscheuten sie. Für sie war sie Sand in der Mechanik, vielleicht kurzweilig stark genug, das Rad zum Stillstand zu bringen, aber letztendlich dazu bestimmt, zerquetscht zu werden. Heiser lachte sie auf. Das was sie tat war in ihren Augen nichts und doch spielte sie mit einem jeden von ihnen. Frei von Verantwortung und Moral, die Willkür, zu tun und zu lassen, was man will, ein Stich hier, ein Tropfen Honig da, sie brauchte keine Befehle und keine Drohungen, sie brachte sie auch ohne dazu, das zu tun, was für sie das interessanteste war.
Grinsend wischte sie sich mit dem Handrücken den Saft aus den Mundwinkeln. Heute Nachmittag würde sie sich stellen, etwas, das man wohl von ihr nicht erwarten würde. Der aufrechten Frau. Unverhohlen lachte sie, als sie gemächlich auf die Kapelle zuschritt, ein irres Leuchten in den Augen, Vorfreude auf das Schauspiel, das sie erwartete, während sie sich sorgsam ihre Worte zurecht legte. Sollten sie auffahren wen sie wollten, bisher hatten nur wenige die Stärke gehabt, sich ihrem Spiel zu widersetzen. Und diese waren nicht im Ordo. Kopfschüttelnd malte sie sich ihre Reaktionen aus und ging verschiedene Szenarien durch, stachelte in Gedanken diesen auf, beschwichtigte jenen. Die Maus wußte, was sie tat. Schach, ihr hohen Herren. Sie war auf die langen Gesichter gespannt.
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PO Selina Leskadon PO Shayana Mondlicht
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