Unbändig und voller Leben brauste der frische Vitamawind vom Meer heran, trieb vor dem blauen Himmelszelt die Wolken mit sich und liess die hohen Tannen des Greifenwaldes um mich herum rauschen. Ich hielt inne, lauschte und genoss diese Stille. Allmählich spürte ich aber auch die Müdigkeit, war ich doch nun seit einigen Zyklen auf der Jagd und bis auf einen dürren Hasen hatte ich nichts weiter erwischt. Einen Moment ruhen, dachte ich mir, würde nicht schaden und ging so noch einige Schritte weiter, ehe ich etwas durch die Bäume blitzen sah - ein heller Stein, hoch und breit genug, um als Sitzplatz dienen zu können. Ich strich durch das Unterholz hinüber, band derweil meinen Wasserschlauch vom Gürtel ab und liess mich dann auf dem Stein nieder, trank von dem erfrischenden Wasser, stutzte aber doch kurz bei dem etwas eigenwilligen Geschmack von Alkohol, der sich darin gemischt hatte. Offenbar hatte ich den Schlauch zuvor nicht gründlich genug ausgespült, doch egal - ich trank ihn aus und schloss, mit einem trotz der erfolglosen Jagd zufriedenen Seufzer, die Augen...
... der dann als Echo, nur höher erklingend, wieder zurückgeworfen wurde.
Stirnrunzelnd öffnete ich die Augen, sah mich rasch um, doch bis auf die Tannen ringsum, hüfthohen Farnen und hier und da etwas Dornengetrüpp mit zarten, kleinen Blüten daran, sah ich nichts weiter. Vollkommene Stille - selbst Ventus schien nun seinen Atem anzuhalten.
Ich hatte mich wohl geirrt und öffnete eine kleine Tasche, die ich bei mir trug, um einen Apfel herauszuholen und ihn nun in Ruhe zu essen. Etwas seltsam kam es mir dennoch vor, wie still es blieb - selbst das sonst im Wald so übliche Rascheln im Gebüsch von kleinen Tieren herrührend oder das Zwitschern von Vögeln blieb aus und in mir kam das seltsame Gefühl hoch, irgendwas würde mich beobachten.
Irrtum, redete ich mir ein, knabberte den Apfel in Ruhe auf und warf dann das Kerngehäuse achtlos ins nächstbeste Dornengestrüpp, mich dabei schon mal nachdenklich umblickend, denn allmählich wollte ich weiter. Doch auf einmal traf mich etwas an meiner rechten Schläfe und erschrocken fuhr ich herum - das Kerngehäuse lag vor mir, offenbar zurückgeschleudert von irgendwem oder irgendwas. Oder doch nur gegen etwas geprallt?
Misstrauisch wand ich meinen Blick zu dem Busch hinüber - dunkle, kleine Blätter, hier und da die weissen, kleinen Blüten, aus denen später die Beeren wachsen werden... und plötzlich öffnete sich zwischen ihnen ein Auge, sah mürrisch zu mir hinüber, ehe das Wesen den Kopf zu mir wand. Bösartig funkelte es mich an - etwa handtellergross, der Körper glich einer seltsamen Mischung aus einem Salamander und einem knorrigen, verwachsenen und blattlosen Ast mit vielen kleinen Ästchen daran, der Kopf erinnerte mich in seiner Form an eine Katze, jedoch standen auch hier lauter kleine, spitze Ästchen ab und der Schwanz des Wesens war gespickt mit kleinen Dornen, wie es der Busch trug, in dem es geduckt hockte.
Ich war unsicher - einerseits wäre ich am liebsten aufgesprungen und weggerannt, andererseits hatte ich so etwas noch nie in meinem Leben gesehen. Ein Waldgeist wohl, von dem meine Grossmutter oft sprach. Immer noch sah es mich mit einer offenkundigen Bösartigkeit an, ehe es dann einen empört quietschenden Ton von sich gab und raschelnd in seinen Busch verschwand.
Eine Weile lang sass ich noch da auf dem Stein, blickte hinüber zu dem Busch, überlegend, ob das vielleicht auch nur Einbildung war, dann jedoch glaubte ich leise Töne zu hören, wie von einer Maultrommel, zu dem sich ein leises *pling pling* - Zimbeln gleich - und das sehnsuchtsvoll erklingende, lockende und gedehnte Spiel einer Flöte gesellte. Ich wand meinen Kopf, doch sah ich nichts, dafür schien der Wind wieder sein Spiel aufzunehmen, rauschte und strich sanft durch die Bäume, durch mein offenes, langes Haar und über meine Haut, als wenn weiche, unsichtbare Hände mich berühren und liebkosen würde und irrte ich gar oder lockten mich geflüsterte Worte, nahe an eines meiner Ohren gesprochen?
Seufzend schloss ich meine Augen, gab mich dieser melancholischen und doch auch drängenden Melodie hin, ehe ein Rascheln von Blättern mich wieder die Augen öffnen liess. Es war auf einmal dunkel, als wäre schon tiefste Nacht und lediglich der Vitamalin, der ein goldenes, gedämpftes Licht zu Tare hinabschickte, beschien meine Umgebung spärlich, so dass ich in dessen Licht sehen konnte, wie etwas am Boden herumwirbelte, herumtanzte, die Musik erklang dabei nun lauter, rascher, immer wilder werdend. Verwundert sah ich zu den Wesen hinab - manche von ihnen glichen dem kleinen Geist, den ich noch eben.. oder vor einigen Zyklen?.. in dem Dornenbusch entdeckt hatte, andere wiederum sahen aus wie kleine, alte und hutzelige Männchen, die aus dunkelschimmernden Augen zu mir hämisch grinsend hinaufsahen. Ich glaubte durchscheinend wirkende, feingliedrige Frauengestalten zwischen ihnen zu erkennen, wie sie in Kleidern, scheinbar gewoben aus frischem Morgentau, denn so zart wirkten sie, herumwirbelten und leise und hell auflachten. Kleine Männchen mit Pilzen, die sie wie Schirme hielten und einer Blüte des roten Fingerhutes auf dem Kopf, buckelige, langnasige Gnome mit Blätterkleidung angetan und dazu kurz nur auftauchend und rasch wieder verschwindend ein auf seinen Hinterbeinen tanzender Ziegenbock mit wilder, silbriger Mähne, dessen blauschimmernde Augen mich für den Moment erfassten.
Ich wollte nun aufstehen, Abstand nehmen von diesem Ort, denn nicht nur, dass Grossmutter mir oft von diesen kleinen Waldgeistern erzählt hatte, nein, sie hatte mich auch gewarnt - so schön ihre Musik auch erklingt, so faszinierend sie auch sein mögen, so gefährlich sind sie auch, denn oftmals trachten sie danach, andere Wesen in ihr Reich zu ziehen und hatte sie nicht auch oft von Geistertoren erzählt? Auffällige Bäume, Lichtungen, auf denen allerlei Blumen in Kreisen stehen und einladend wirkende Steine, auf denen sich manch' ein unbedachter Wanderer niederliess.
Ich schalt mich eine Närrin, gab mir einen Ruck, doch es war fast so, als wenn ich festkleben würde. Panik stieg in mir auf, als um mich herum das Geistervolk auflachte, noch wilder um mich herumtanzte und die Musik mehr und mehr an Geschwindigkeit zunahm.
Doch glücklicherweise hatte meine Grossmutter mir auch stets erzählt, was gegen diese Wesen half.
"Bei den Vieren," donnerte ich wütend hinab und zog einen meiner ledernen Handschuhe aus, sah mit einer gewissen Genugtuung, wie nun die Geisterwesen innehielten, krempelten den Handschuh um und schleuderte ihn hinab, mitten zwischen das geisterhafte Volk, was nun quietschend, zeternd, teilweise aber auch amüsiert lachend auseinanderstob.
Ich wiederum liess den Handschuh liegen, konnte ich mich doch nun endlich von dem Stein lösen und rannte, so schnell wie ich noch nie in meinem Leben gerannt war. Ich sah kurz nur noch im Rennen zurück, sah, wie einige der Wesen in den Stein hineinhuschten und verschwanden und dankte im Stillen den Vieren dafür, noch einmal so glimpflich davon gekommen zu sein.
Seltsame Wesen sind es wohl, diese Waldgeister. Legenden erzählen davon, dass sie oft dort leben, wo der Wald noch von Menschenhand weitestgehend unberührt ist. Hier hausen sie in ihren Bäumen und Büschen und angeblich sind manche von diesen, ebenso wie manche Steine, Tore zu ihrer Welt.
Sie spielen den Menschen gerne Streiche, angeblich wohl nie böswillig und doch mögen manche wirklich böse enden. Andererseits zeigen sich diese Geister auch dankbar, wenn man ihnen hilft oder ihnen etwas schenkt.
Was man nie machen sollte - ihre Heimstatt beschmutzen oder gar vernichten, denn dann rächen sie sich fürchterlich und entwickeln sich zu wahren Plagegeistern.
Waldgeister
Im Scheine des Vitamalin es geschah,
dass ein Jüngling einen Geist des Waldes sah.
Tanzend, lachend lockte er den Bub heran
zog ihn hinein in seinen Baum, nimmer mehr raus er kann.
An einem warmen Tag im Vitama war es wohl
da hoppste ein braunes Männlein herum und bat feil lilanen Kohl.
Ein jeder, der diesen verspeiste, sah ein seltsames Land
Und manch einer niemals heraus mehr fand.
Im Astrael mochte es wohl geschehen sein
da tanzte ein Kindlein im Wald scheinbar allein.
Es tanzte und tanzte und hörte nie mehr auf
so nahm der Tanz seinen tödlichen Lauf.
Im Bellum, als die Blätter von den Bäumen fielen
da wollte eine Maid einen Scherz mit einem Geist wohl spielen
Doch der Geist liess sich von ihr nicht necken
so verschwand sie auf ewig - spiel mit ihnen nie Verstecken!
Im Morsan jedoch geschah ein kleines Wunder
eine arme Alte kochte den Wesen Suppe aus einer Flunder.
So kam es dass sie fand - mitten im Morsan so kalt -
eine Schale voll schmackhafter Beeren und noch gar nicht so alt.
Drum lass' dir sagen und hör gut zu:
Geister sind gefährlich, lass' sie in Ruh'.
Doch tust ihnen was Gutes an,
dann helfen sie auch dir, dann und wann.
