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 Betreff des Beitrags: Ein Licht in der Dunkelheit
BeitragVerfasst: 1.02.06, 13:40 
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Holz splitterte, Schreie ertönten, Verwünschungen, Flüche, dunkelste Schwüre, Feuer loderte empor, ein Blitz durchzuckte die Dunkelheit und zerbrach sie für den Bruchteil einer Sekunde abrupt.

Doch keiner nahm das leise Wimmern wahr.

Knirschend schritt ein Paar alter Stiefel, was schon über so manchen Landstrich Galadons gewandert war, über den Boden, dazu ein beständiges "Tock-tock" eines schlichten Stabes. Ein graues Augenpaar strich über die Trümmer eines einstmals prächtigen Hauses. Ihnen hatten also zwei Minen gehört, dazu etliche Leibeigene, die in diesen bis zur völligen Erschöpfung, bis zum Tode, zu schuften hatten, ohne dafür Gnade erfahren zu dürfen.
Sie hatten das Wohlwollen der Obrigkeit genossen, die jedoch nicht geahnt hatte, wem sie da ihre Gunst und regelmässig neue Sträflinge zur Arbeit in den Minen schenkte. Wie auch - der atmende Tod, die Lebensumstände hier in Morthum, der wohl düstersten Baronie des Grossreiches Galadon, forderten wohl einfach mehr Aufmerksamkeit, bereiteten mehr Sorgen und so fielen die ketzerischen Vorgänge kaum auf.

Tief und von dem raschen und alles andere als gefahrlosen Einfall auf das Grundstück entsprechend geschwächt atmete der Alte ein, nahm den vergangenen und nun dem Untergang geweihten Glanz in sich auf, während er eher nebenher dem Stimmengewirr der Streiter der Ensis Caelestis und der Geweihten, die er auf deren Mission als Arkaner und Magister des weissen Pfades begleitet hatte, lauschte.
Doch was war das?
Täuschten ihn seine alten Ohren oder nahm er da noch etwas wahr, kaum hörbar? Ein Wimmern oder eher doch das Fiepen eines Tieres?
Von einer fast schon jugendlich zu nennenden Neugier getrieben, ging der Alte durch die Räume, immer wieder lauschend - es klang wie das leise Weinen eines kleinen Kindes.
Ein Kind, hier - eigentlich ausgeschlossen. Es waren Anhänger des Einen, alles andere als gesegnet von Vitama - vielleicht war es ein gefangenes Kind, das dem Ungenannten geopfert werden sollte?

Ein hoher, aus dunklem Eichenholz gefertigter Schrank mit verschwenderisch schönen Intarsien versehen, ragte vor ihm auf - hier nun war das leise Weinen deutlicher zu hören. Wieder knirschten seine Stiefel über dem Boden und nun erstarb das leise Schluchzen abrupt. Ein sanftes, aber auch trauriges Lächeln huschte über seine Züge, als er nun die Schranktür ergriff und langsam, leise quietschend aufzog, seinen Blick aus den Augen, die schon so viel Leid, so viel Dunkelheit gesehen und doch nie den Glauben an das Licht, an das Wahre und Reine verloren hatten, richtete er hinab auf den Schrankboden.
Das erste, was ihm ins Auge stach, war das im Zwielicht des allmählich endenden Tages fast leuchtend-weisse Haar, das zweite war die ungewöhnlich helle Haut und die dürre, fast magere Gestalt des Kindes, das aber so ganz und gar nicht den Eindruck eines Opfers machte, war es doch gewandet in edler, golddurchwirkter Samtkleidung, verziert mit steifen, dunklen Spitzenrüschen. Eine aus Holz meisterhaft gefertigte Puppe, die haargenau das gleiche, wertvolle Kleid, nur entsprechend kleiner, trug, drückte das sichtlich verängstigte Geschöpf fest an sich.
Ein leises, resignierendes Seufzen - besser er würde das Leben dieses eh schon verdammten Wesens zu einem raschen Ende führen, auch wenn sein Herz dabei zu zerbrechen drohte, aber sein Verstand mahnte ihn an vergangene Vorfälle, vergeblich aufgebauten Hoffnungen. Was konnte so ein unseliges und sichtlich vom Albinismus gezeichnetes Geschöpf schon noch vom Leben erwarten, so verdorben von den Einflüsterungen derer, die sich von den Geschenken der Viere abgewandt hatten?

Fest und krampfhaft umklammerte er seinen Stab mit der linken Hand, seine rechte nun erhebend zu einer Geste, seine trockenen, von einem ergrauten Bart umrandeten Lippen öffnete sich bereits für die vernichtenden Worte, als das Mädchen aus klaren, hellblauen, unschuldigen und feuchten Augen hinaufsah.
Er stockte - und dann wurde es seltsam hell, denn das Zimmer schien zu erstrahlen in einem Licht, was für einen kurzen Moment sich zwischen ihm und dem Kind aufbaute, pulsierend, wärmend, angenehm einlullend.

Ein Licht in der Dunkelheit.


Zuletzt geändert von Althea: 1.02.06, 13:51, insgesamt 1-mal geändert.

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BeitragVerfasst: 4.02.06, 02:13 
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Sie hatten ihr gesagt, sie sollte nicht hinabsteigen in den Keller.
Sie hatten ihr gesagt, dort unten lauerten grausame Monster, die nur darauf warten würden, Kinderfleisch zwischen die Zähne und Klauen zu bekommen.
Sie hatten ihr gesagt, sie wäre selber schuld, wenn ihr dort etwas passieren würde - keiner würde ihr helfen, wenn sie schreien würde.

Aber... war sie nicht wertvoll? Hatte das nicht ihr Onkel immer gesagt? Sie war das einzige Kind hier, Nachwuchs, einzige Erbin. Sie war viel zu wertvoll und wichtig, um ihre Hilferufe zu überhören. Irgendwer würde schon kommen und bestimmt war es eh nur eine Lüge.
Sie logen sowieso immer.
Hatte Vater ihr nicht erklärt, dass er sogar den Baron anlog, nur damit sie alle - und sie vor allem - ein schönes Leben hier haben? Und ebenso würde sie auch lügen, wenn man sie fragen würde, ob sie im Keller gewesen war. Vielleicht hatten sie hier bloss Spielzeug und süsse Naschereien vor ihr versteckt.

Leise, nur das verräterische Rascheln des wertvollen Stoffes ihres dunklen, steifen Kleides von sich gebend, trat sie Stufe um Stufe hinab, eine der zarten, kleinen Kinderhände an der dunklen Steinmauer gelegt.
Notdürftig erhellten Fackeln in ihren Wandhaltern den Korridor.
War da nicht ein Geräusch? Ein Murmeln?
Sie hielt inne und lauschte mit angehaltenem Atem - war hier jemand? Vielleicht doch ein Monster?
Nein, nein - sicher nicht!
Wie oft hatte sie schon ihre Eltern hier hinabgehen sehen? Ihren Vater, ein hochgewachsener Mann mit hohlen Wangen und kalten, blauen Augen; ihre Mutter, mit dieser fast unnatürlich hellen Haut - als hätte man ihr das Leben aus dem Leib gerissen. Gewiss waren sie hier und versteckten wieder etwas vor ihr! Sie musste nur aufpassen - sie hasste es, wenn man sie strafte für ihre Vergehen, denn es tat nicht nur körperlich weh.

Dicht hatte sich das zierliche Mädchen an die Wand gedrückt, huschte so leise wie nur möglich durch den Gang, näher heran zu eine der Türen - das Murmeln war nun deutlicher zu hören.
Ihr Onkel - er war hier!
Sie fürchtete ihn zugegebenermassen. Irgendwas Vertrautes und doch zugleich so Abschreckendes hatte er an sich - etwas, was sie sich nicht erklären konnte.
Dicht drückte sie sich an die Wand neben der Türe, hielt nun inne, um zu lauschen, doch klare Worte konnte sie nicht heraushören. Dafür erkannte sie nun, dass nicht nur ihr Onkel hier war, sondern auch ihre Eltern und offenbar noch ein paar Personen, deren Stimmen sie allerdings nicht erkannte.
Was nur taten sie hier im Keller?

Zögerlich streckte sie eine ihrer Hände aus in Richtung der Türklinke - sollte sie es wagen und einen Blick in den Raum werfen?
Ihr Herz klopfte rascher - aber sie durfte ja nicht einmal hier im Gang sein.
Einen Moment schalt sie sich noch für ihre Neugierde, dann aber legte sich die Hand auf das kühle Metall der Klinke und sehr vorsichtig und bedacht drückte sie sie hinab, öffnete die Tür behutsam einen Spalt breit und spähte hindurch.
Dort standen sie - in der Mitte des Raumes, lediglich beschienen durch seltsam verformte Kerzen, die einen ekelerregenden Gestank von sich abgaben. Der Boden war versehen mit einer rötlichen Farbe.... wirklich Farbe? Der metallische Geruch war stechend und dann sah sie den einstigen 'Farbbehälter' - ein totes, dürres, blutverschmiertes und abgemagertes Kind in der staubigen Kleidung der Bergleute gewandet lag dort, die Haut schmutzig, die Augen vor Entsetzen geweitet starrte es geradeaus, zu ihr hinüber!

Ein leiser, entsetzter Schrei entfuhr ihr und sofort wandten sich die grösstenteils dunkelgekleideten Gestalten zu ihr herum, unter einer Kapuze konnte sie das Gesicht ihres Vaters ausmachen. Einen kurzen Moment lang schrie es in ihrem Kopf auf - "Renn!" - doch ehe sie diesen Gedanken, diesen Befehl ihres Verstandes, in die Tat umsetzen konnte, erklang rauh und dunkel die Stimme ihres Onkels, der seine linke Hand in ihre Richtung ausstreckte, Worte in einer fremdartigen Sprach von sich gab und augenblicklich lösten sich kaum sichtbare Fäden, die auf sie zuschossen, sich um ihre Gelenke legten und sie einwickelten, als wären es die Fäden einer Spinne. Einen Moment zappelte sie noch herum, versuchte sich zu befreien, doch vergebens - die Bewegungen erlahmten.
Ängstlich sah sie hinauf zu ihm, wie er näher zu ihr trat, die Augen verengt, der Blick bohrend auf sie gerichtet.
"Kannst du dein Balg nicht unter Kontrolle halten, Rubos?" richtete ihr Onkel das Wort an ihren Vater, der mit strenger Miene zu seinem Kind hinabsah.
"Dieses Gör ist ausgesprochen ungehorsam - aber wer nicht hören will, muss eben fühlen", sprach er leise, die Stimme gefasst und ruhig.
Sie begann zu zittern - wenn er sich so verhielt, wenn er so klang, wusste sie, dass er sich schon längst eine schreckliche Strafe ersonnen hatte. Hatte es noch einen Sinn um Gnade zu betteln?

Ein Ruck ging durch die Fäden und sie wurde in die Mitte des Raumes geschleudert, kam hart auf den Boden vor den Linien, die eine Art Stern zu bilden schienen, auf. Noch immer war sie nicht fähig, sich zu rühren und wimmerte leise auf, als sie den brennenden Schmerz aufgescheuerter Arme spürte.
"Nun, dann soll sie sehen, was sie erwartet, wenn sie nicht hören mag", sprach ihr Onkel hörbar, deutete in den Stern hinein, zu ihr hinabblickend, "beobachte gut, Balg, und lass dir das eine letzte Warnung sein!"
Wieder hoben sie ihre Stimmen an, wieder diese Sprache, die sie nicht verstand, während sie regungslos am Boden hockte, glaubte, ihr würden die Sinne bei dem Gestank der Kerzen und des Blutes schwinden, doch dann fühlte sie noch etwas anderes, was in ihr weitaus mehr Unbehagen aufkeimen liess. Es war, als würde die Luft um sie herum kälter werden, unnatürlich und rasend schnell. Als wenn jegliches Licht aus dem Raum weichen würde, selbst wenn man tausende Kerzen aufstellen würde. Als wenn etwas ihr Herz ergreifen würde mit kalten, harten Klauen, zudrücken würde... als wenn etwas gegen ihre Brust drücken, ihr den Atem rauben wollen würde... als würde etwas seine Pranken um ihren Hals legen, stetig zudrücken... als wenn dünne Nadeln über ihre Haut am ganzen Körper entlangfahren würden....
Unweigerlich rührte sie sich - auch wenn es bis eben für sie fast unmöglich schien - doch nun krümmte sie sich zusammen vor Unbehagen und Schmerz, während sie sah, dass inmitten des Sternes die Luft zu flackern begann, als würde sie sich dort abrupt stark erhitzen.
Das Gefühl verstärkte sich und leise wimmerte sie wieder auf - sie wusste nicht, was sich dort zu manifestieren begann, aber sie wusste, dass es etwas ungeheuerlich Böses sein musste.
Der finsterste Alptraum - ihr Alptraum, den sie fast jede Nacht träumte! Finstere Wesen, die ihr aus flammendroten, leeren Augen nachstierten, mit nachtschwarzen, spitzen Klauen nach ihr griffen, sie hinabzogen in ein gewaltiges, mit mehrreihigen, scharfen Zähnen bestücktes, düsteres Maul, dabei zischend ihren Namen riefen.

Die pure Verdammnis.

Sie schrie auf, als ein Spalt sich auftat, sie direkt hineinstarrte - war es da?
Das Maul?
Wollte es sie nun wirklich fressen?
Gellend hallte der Schrei von dem steinernen Gewölbe wider, untermalt von dem leisen Gemurmel der Beschwörer...
... bis ein heller Lichtblitz, grell und doch warm, jegliche Dunkelheit, jegliche Worte zerriss. Gnädige Ohnmacht umfing sie, der Spalt schloss sich abrupt, die Kerzen erloschen...

~*~

"Dein Onkel wollte dich also in der arkanen Kunst einweisen nach dem Vorfall?"
Ein leichtes Nicken des weisshaarigen Mädchens, dann kurz ein unsicherer Blick hinüber zu dem alten Mann in der hellen Robe, der, an einem knorrigen, verwachsenen Stab gelehnt, etwas abseits stand und mit gütigem Blick die Versammlung in diesem von Felas Schein durchfluteten Raum der Weissmagischen Mission zu Falkenstein verfolgte. Ein leichtes Lächeln, aufmunternd, huschte über seine Züge, ehe sie wieder den Blick aus den blauen Augen zu ihrem Gegenüber, einer Hochmagierin, wie der Alte ihr gesagt hatte, richtete.
Auch die Frau lächelte, wenn auch etwas bemühter, trauriger vielleicht.
"Du musst hier keine Angst mehr haben, mein Kind, denn hier wird dir keiner was tun. Wir wollen dir helfen", sprach sie sanft, doch das Mädchen blieb stumm, blieb verängstigt.

Magie ist gefährlich.


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BeitragVerfasst: 9.02.06, 13:43 
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Das zarte Zwitschern exotischer Vögel drang an sein Ohr, während er auf der kleinen Parkbank sich nach hinten anlehnte, die grauen Augen für einen Moment schloss und die wärmenden Strahlen Felas genoss. Wie oft waren sie die letzten Tage in der Weissmagischen Mission hier zu Falkenstein gewesen, wie lange hatte er dort den Unterredungen und Untersuchungen beigewohnt und doch führte es scheinbar zu nichts, ausser zu der Erkenntnis, dass das Mädchen scheinbar nichts von Magie wissen wollte und ihr Talent ablehnte. Ein Jammer, dachte er sich, hätte ihr doch so die Zukunft offen gestanden. Sie wäre in dieser Stadt unterrichtet worden, hätte vielleicht sogar zu etwas Ansehen kommen können.

Ein Auge öffnete er und spähte hinüber zu dem weisshaarigen Mädchen, welches vor eine der vielen Vogelvolieren im Park nahe der Falkensteiner Magierakademie hockte und dass als Schutz vor Felas Strahlen einen breitkrempigen Strohhut trug, der einen Schatten auf ihre blasse Gesichtshaus warf.
Ansehen, was sie sonst nie erlangen würde mit ihrem Stigma, dachte er bitter.
Er solle sie einem Astraelsorden anvertrauen, hatte man ihm geraten, und dort könnten die Geweihten sicher mit dem Hinweis auf ihr Können ein Auge auf sie halten und sie beobachten. Sollte es erneut ausbrechen, könnte man ja einen erneuten Versuch wagen.
Gewiss - eine kirchliche Ausbildung war nicht verkehrt und hatte sie insbesondere nötig, die bis vor ihrer Befreiung, wie er es nannte, nur einen einzigen 'Gott' kannte. Mit wissbegieriger Miene hatte sie ihn, als sie langsam begann etwas aufzutauen und ihre Angst ein wenig abzulegen, zu den Vieren ausgefragt und so sah er zumindest in der Hinsicht etwas Hoffnung für das Kind. Eigentlich, so dachte er, war sie auch gar nicht für das Leben, was ihre Eltern ihr bieten oder vielleicht sogar aufzwingen wollten, geschaffen worden - ihr Talent für den weissmagischen Pfad verriet es, ebenso wie ihre Angst vor dem Täuscher, den ihre Familie verehrt hatte.

Ein Lächeln huschte über seine Züge, als er sah, wie sie neugierig zu einem schneeweissen Pfau sah, wie dieser mit stolz erhobenen Haupte durch den grossen Käfig schreitete und dann seine Schwanzfedern erhob und sie zu einem Rad öffnete. Er sah wie sie verblüfft die Augen weitete und fasziniert das schöne Tier betrachtete und es bewunderte.
Was könnte aus ihr alles werden? Ein starke, arkane Streiterin für das Wahre, das Licht. Eine würdige Erbin vielleicht sogar?
Er schüttelte kurz seinen Kopf bei dem Gedanken - er und Kinder - bisher hatte er nie welche gehabt und bei seinem unsteten Leben in Dienste der Krone und der Kirche nie die Zeit für eine Ehe und für Kinder gefunden.
Und doch hatte er es genossen, wenn sie ihn ausfragte, als sie ihre Scheu überwunden hatte. Es erfüllte sein alterndes Herz mit Freude, wenn er sah, wie sie wissbegierig die Augen offenhielt, selbst in Kleinigkeiten etwas Besonderes sah und ohne Angst einen Tempel der Viere betrat und seine Art zu beten nachahmte, seine Worte nachsprach.
Vielleicht sollte er es doch wagen?
Er wandte seinen Kopf ihr zu, einen Moment noch innerlich ringend, das Für und Wider mit sich selbst ausdiskutierend, ehe er sie zu sich rief.

Vater werden ist nicht schwer.


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BeitragVerfasst: 16.02.06, 15:00 
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"Ahnst du überhaupt, welche Macht du haben könntest?"
Einen Moment verstärkte sich der Griff der knochigen, rauhen Finger in ihrem Nacken, ein Gefühl, als wenn Unmengen kleiner Nadeln in ihre Haut stechen würden. Unweigerlich legte das Mädchen den Kopf in den Nacken, sah aus halbgeschlossenen Augen mit vor Schmerz verzerrter Miene hoch zu ihrem Peiniger - ihr Onkel.

Sie wusste, dass er noch lebte, hatte es ihr Ziehvater ehrlicherweise zugegeben, dass er entwischt war. Doch nie hatte sie geahnt ihm hier in dieser Stadt, einem verregneten Rothenbucht im Seker, gegenüber zu stehen.
"Ich will nicht", sagte sie leise, bettelnd und wand sich für einen kurzen Moment, bereute es aber sofort wieder, als der Schmerz im Nacken sich verstärkte.
"Junge Dame", zischte er ihr leise zu, während er sie durch die nassen, grauen und aufgrund des nahezu beständigen Regens menschenleeren Gassen dirigierte, "du scheinst eines gerade nicht zu verstehen - du hast keine andere Wahl. Entweder tust du, was ich sage oder dein lieber, neuer Papa kann versuchen deine Einzelteile in dieser Stadt wieder zu finden."

Ruppig stiess er sie vor, dabei den Griff nicht lockernd, ein leises Wimmern entkam der Zehnjährigen, aber nein - sie wollte nicht aufgeben und ihm unterliegen.
Nur wie? Was konnte sie schon tun?
Sie bereute es, dass sie sich bisher immer noch nicht ihrem Talent gegenüber geöffnet hatte. Sie machte ihr noch immer Angst, diese Magie, und der Grund für diese lähmende Angst hielt sie gerade in seiner Gewalt. Ihr konnte jetzt wohl nur ihr Ziehvater helfen, ein Magister des weissen Pfades. Doch ihre Hoffnung schwand - er würde jetzt wohl in der Bibliothek des örtlichen Tempels sitzen, lesen, sich bestenfalls fragen, wo sie so lange blieb.

Vielleicht sollte sie doch auf das, was ihr Onkel von ihr wollte, eingehen und dann im passenden Moment fliehen?
Aber wenn sie diese Monster, diese Dämonen, dafür wieder sehen muss...?
Dann wohl doch lieber sterben - vielleicht tat das ja auch nicht lange weh?
Und wenn der Herr Morsan sie nicht in sein Reich lassen würde, weil sie früher nie zu ihm gebetet hatte?

Ein kleiner Platz, eng schmiegten sich hier einfache Häuser aus Holz oder bestenfalls Fachwerk aneinander, tiefe, grosse Pfützen hatte sich auf dem einfachen, ungepflasterten Erdboden gebildet und der Mann steuerte sie nun in Richtung eines etwas schief dastehenden Hauses, dass den Eindruck einer schmutzigen, alten Taverne machte.
Noch konnte sie fliehen...

Sie nahm all ihren Mut zusammen, ignorierte die Schmerzen in ihrem Nacken nun und wand sich herum, schlug aus heiterem Himmel so rasch und so fest es ihre kindlichen Hände, die sie zu Fäusten ballte, zuliessen, auf den Mann ein. Trat zu, boxte unaufhörlich und spürte, wie er wohl aus Überraschung den Griff im Nacken etwas lockerte. Rasch taumelte sie zurück, sah jedoch wie er sie mit seinen dunklen Augen, die tief im Schatten seiner herabgezogenen Brauen lagen, fixierte, seine Lippen leise Worte einer ihr unbekannten Sprache formten, seine Hände langsam hob, zu einem Zauber wohl anzusetzen versuchte.
Es durfte nicht sein - er durfte sie nicht haben. Weder tot noch lebendig und in diesem Augenblick durchbrach etwas in ihrem Inneren eine Barriere, durchströmte ihren Körper für einen Moment, stärkte ihren Willen - jetzt oder nie - und mit einem geflüsterten "Du kriegst mich nie" setzte es sich unweigerlich frei, legte sich grell und doch auch warm vor ihr wie eine dünne, schwach schützende Wand. Keinen Moment zögerte sie mehr, sah nur kurz noch, wie er seine Augen zusammenkniff, für diesen raschen Augenblick gestört wurde und so rappelte sie sich taumelnd auf, stolperte mehr voran, als dass sie rannte und mit bis zum Hals klopfendem Herzen stürmte sie Hals über Kopf in Richtung eine der dunklen Gassen, die von dem Platz wegführten.

Doch ein dunkler Schatten würde sie stets verfolgen.


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BeitragVerfasst: 6.03.06, 13:01 
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Zart waren die Züge, zart die dünnen, gräulichen Striche von Kohle auf rauhem Papier, ein leises Schaben dabei stetig mit sich tragend. Rasch die zarte Mädchenhand, die das Kohlestück führte. Tief versunken, wie in einer Art Trance, sahen die hellblauen Augen umrahmt von farblosen Wimpern hinab auf das langsam in Entstehung begriffende Portrait.
Einmal noch wollte sie sie sich ihn in Erinnerung rufen - seine Augen, seine Lippen, das feingeschnittene Gesicht, das kurze, blonde Haar. Nicht einmal mehr ihre Umwelt nahm sie wahr, die sich nähernden Schritte, wie jemand knapp hinter ihr verharrte. Sie nahm den warmen Wind des späten Vitamas nicht wahr, wie er zärtlich durch die Blätter der Morsansweide strichen, sie rauschen liess.
Versunken und sich selbst vergessend.

"Unser Weg ist der des Astraels, nicht der der Vitama", sprach der Alte mit betont einfühlsamer Stimme, ehe er sich langsam und leise ächzend neben ihr auf den Boden zwischen den Wurzeln des Baumes niederliess.
Sie schreckte auf, ein dickerer, dunkler Strich zog vom blonden Haar zum rechten Rand hin.
"Aber ich sehe, dass du dein Zeichentalent immer besser beherrschst", sprach er lächelnd und nickte anerkennend zu dem Blatt hinab.
Mit einem leisen Seufzer rieb sie über den Strich, ehe sie die Kohle wieder ansetzte und etwas mühselig eine Feder aus dem Strich zeichnete, die dem Jüngling aus dem Haar stand.

"Das sieht blöd aus", maulte die Fünfzehnjährige und schüttelte den Kopf resignierend, ehe sie das Klemmbrett mit dem Blatt zur Seite weglegte.
"Was hast du ihm gesagt?" fragte er leise, liess den Blick aus den grauen Augen zu dem nahen, im Schein Felas glitzernden Bach schweifen.
"Gar nichts."
"Gar nichts?" Ein Schmunzeln stahl sich über seine Züge.
"Wir reisen doch morgen eh wieder ab, oder?"
"Ja. Es tut mir für dich leid, mein Kind, aber wir haben eben andere Aufgaben."
"Manchmal wäre ich gerne wie die anderen. Ich wäre lieber ein ganz normales Kind von Handwerkern oder Bauern... "
"... und würdest die Welt nie sehen können, wirst du doch ewig in deinem kleinen Dorf, in deiner kleinen Welt leben, das Handwerk deiner Eltern erlernen, mit etwas Glück, weil du ältere Geschwister hattest - die dich jedoch in jungen Jahren gerne triezten - ein anderes Handwerk erlernen, was dir liegt oder du würdest eine einfache Magd bei einem Bauern werden - wartend, dass dich irgendwann jemand ehelicht. Natürlich nicht der Märchenprinz aus deinen Träumen, auch nicht jener gutaussehende, aber arme Gesell', mit dem du auf einem der bäuerlichen Feste zum Ende des Astraels getanzt hast, nein, sondern der, der das Hochzeitsfest zahlen kann. Ihr würdet Kinder bekommen, euch dann und wann zanken und wenn er von Alkohol stinkend aus der Dorftaverne nach Hause gewankt kommt, dann rutscht dir auch schon mal unter allerlei Keifereien ein Krug in seine Richtung aus..."
Mit einer weit hinabgezogenen Braue sah das Mädchen langsam auf zu dem Mann. Er bemerkte ihren Blick, lächelte amüsiert auf und zwinkerte hinab zu ihr.
"Kein Leben ist einfach, aber neben den Schatten gibt es auch immer Licht, dass uns das Leben erleichtert und welches wir stets geniessen sollten - vergiss das nicht. Und nun komm. Wir reisen morgen noch vor Felas Aufgang ab, damit wir noch vor der einbrechenden Dunkelheit Swa erreichen."
"Ich komme gleich nach - einen Moment noch, bitte", sprach sie leise, ehe sie sich an dem Stamm des alten Baumes anlehnte, aus dem Papier mit der Zeichnung einen kleinen Vogel faltete, ihn hochwarf, nachsah wie er im Wind davontrudelte, der Stille und Einsamkeit nachkostete.

Ein jedem Weg sein eigenes Licht.


Zuletzt geändert von Althea: 6.03.06, 13:03, insgesamt 1-mal geändert.

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BeitragVerfasst: 11.05.06, 10:16 
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"Nun komm schon - keine Müdigkeit vorschützen!"
Lachend erklang die Stimme ihres alten Meisters von weiter oben, während die Achtzehnjährige leise schnaufend eine weitere Stufe erklomm und erneut innehielt, sich noch einmal umsah und somit eine lange, schmale und steile Treppe hinab, die sich an einem der Hügel Draconis' entlangschmiegte. In weiter Ferne sah sie den im Felaschein schimmernden Fluss Drac sowie seine kleineren Nebenläufe, die die Stadt mit Wasser speisten, gesäumt von einem schier endlos wirkenden Meer von Häusern, durch denen sich die unzähligen kleinen Gassen wie feine, pulsierende Adern zogen.
Eigentlich war sie lange Wanderungen gewohnt und selbst Bergpfade machten ihr selten zu schaffen, doch nun schritten die beiden schon seit mehr als einem halben Hellzyklus immer wieder eine Treppe nach der anderen hinauf und ihr Meister hatte ihr immer noch nicht erklärt, weshalb.
Gequält ächzend wand sie sich wieder herum, als sie von ihrem Mentor weiter oben gespielt zeternde Fetzen von der Fusskrankheit der Jugend hörte und stieg ihm weiter Stufe um Stufe nach, den Blick müde zu Boden gerichtet, im Geiste irgendein Lied leise und sich selbst antreibend singend, was sich dem steten, langsamen Takt ihrer Füsse anpasste.

"Na endlich", hörte sie seine Stimme neben sich erklingen, noch gleichmässig und flach schnaufte sie dabei, "ich dachte schon, du willst da auf der Treppe dein restliches Leben fristen."
Etwas mürrischer wollte sie zu ihm aufschauen, doch stockte sie nun und richtete ihren erstaunten Blick voran - weisses Kopfsteinpflaster ging von der letzten und obersten Stufe der Treppe aus, bildete eine helle Gasse, gesäumt von hohen, dunkelgrünen Pinien und hielt direkt zu auf weitere helle Gebäude, hinter denen sie wiederum hohe, strahlend weisse und gewaltige Mauern ausmachte, die gekrönt wurden von einer gewaltigen, ebenso schneeweissen Kuppel und flankiert zu jeder Himmelsrichtung von schlanken, hohen Türmen, deren Spitzen ausgingen in gläsernen Dächern, die verheissungsvoll im Lichte Felas glänzten.
"Der Il'Drûn, mein Kind", raunte ihr Meister ihr zu, "und nun klapp' deinen Mund wieder zu, sonst fliegt noch ein Insekt rein und folge mir."
Ein kurzes Lachen, dann schritt der Alte, der wie sie in einem weiten, schlichten Reisemantel aus groben, hellgrauen Leinen angetan war, auch schon wieder voran, als hätte es die Treppen zuvor nie gegeben.
Ungläubig sah sie erst noch zu dem Gemäuer, dann nicht minder ungläubig ihrem munterem Mentor nach, ehe sie ihm auch schon wieder folgte, nun aber doch etwas behender als zuvor, denn ihren Wunsch, den weissen Hochturm endlich besuchen zu dürfen, hatte er in die Tat umgesetzt.

Gemächlich flanierten sie die Strasse entlang, während sie den Blick vom weissen Turm kaum zu nehmen vermochte - wieviele Geschichten hatte sie schon über ihn gehört? Wieviele Legenden darüber, was für Persönlichkeiten in ihm ein- und ausgingen, was für Wissensschätze in ihm lagerten? Nun durfte sie sich endlich selber ein Bild darüber machen und ein Lächeln schlich sich auf ihre Züge, von denen im Gegenzug die Erschöpfung langsam wich.
Sie passierten die kreisförmig rund um den Turm angelegten Häuserzeilen, die grösstenteils aus Marmor bestanden und aus deren Gärten teilweise exotische Düfte und ebenso exotisches Vogelgezwitscher an ihre Nasen und Ohren drangen, dann stiegen sie weitere, flache und breite Stufen hinauf, ebenso aus weissem Stein bestehend und näherten sich einem der breiten, hohen Türme, in dem ein silbernes hohes Doppeltor eingelassen worden war. Hier, in der Nähe des Turmes, sah sie einige Passanten, ihrer Tracht nach grösstenteils Anhänger der arkanen Zunft, aber hier und da wohl auch einige Angehörige der höheren, gebildeten Bürgerschicht, die sie daran erinnerten, dass auch Nichtmagier Zutritt zu den unteren Hallen erhielten.

Ein zufriedenes Lächeln hatte sich nun stetig auf ihre Züge gelegt und sie sah sich schon im Geiste in der hiesigen Bibliothek in einer Ecke hockend und lesend, nahm so nur am Rande wahr, wie von der Seite her ein Mann mit weit ausholendem und betont majestätischem Gang auf die beiden zuhielt, die strahlendweisse Robe verziert mit silbernen und aufwendigen Stickereien, einem mannshohen Stab in einer Hand, dessen oberes Ende von einem meisterhaft geschliffenen Saphir gekrönt wurde.
"Cion!" ertönte seine Baßstime heran zu den beiden und sie hielten inne, während der Mann, ähnlich gross wie ihr Mentor, aber mindestens auch genauso breit und mit einem spektakulärem Doppelkinn angetan, auf sie zuhielt und mit einem freudigen Lächeln, wie es falscher wohl kaum sein konnte, seine Arme zu einer übertrieben freundlichen Geste ausbreitete.
Sie löste sich vom Anblick des Mannes, warf einen unsicheren Blick hinauf zu ihrem angesprochenen Meister, der wiederum zwar ein höfliches Lächeln auf seine Lippen legte, aber andererseits konnte man in seinen Zügen auch seine 'Begeisterung' für diese Begegnung herauslesen.
"Terphon, alter Studienkollege", sprach er und liess sich zwar bereitwillig umarmen und auf die dürren Schultern klopfen, löste sich aber dann auch schon rasch wieder.
"Sag, was treibt dich hierher? Ich dachte, du ziehst das Leben eines Herumtreibers vor?"
Ah, dachte Althea sich und lächelte still in sich hinein, nun ging das verbale Geplänkel los, nachdem der Freundlichkeit wohl ausreichend Genüge getan wurde.
"Tue ich auch immer noch, aber meine Schülerin", ein Deut zu ihr hinüber, "wollte den weissen Hochturm unbedingt einmal kennenlernen."
Der Blick des feisten Mannes richtete sich auf das junge, weisshaarige Mädchen, was nun wiederum mit einem schlichten "Astrael id Vaai" ihren Kopf dem Mann zuneigte, das höfliche Lächeln auf ihren Lippen dabei belassend.
"Ach sieh an", sprach er nun weitaus näselnder als zuvor, "ziehst du also nun weitere arme Seelen zu einem Vagabundenleben heran?"
Von oben bis unten musterte er sie, schüttelte dann seinen Kopf bedauernd.
"Schade eigentlich, sie sieht aus, als könne sie sich hier am Turm recht gut machen. Überlege es dir lieber, Cion, ob du sie nicht hierlassen möchtest - du bist immerhin auch nicht mehr der Jüngste."
Ein gespieltes Lachen und der hagere Alte winkte ab.
"Du unterschätzt mich gewaltig, Terphon - im Gegensatz zu dir muss ich wenigstens nicht meine Kräfte bemühen, um den steilen Treppen hier hinauf zu entgehen."
Für einen Moment entglitten dem feisten Mann die Gesichtszüge, doch dann hob er die Mundwinkel wieder zu einem gezwungenen Lächeln an.
"Immer noch zu Scherzen aufgelegt. Nun gut, ich habe zu tun. Mag sein, dass wir uns im Turm wiedersehen", sprach er nun rascher als zuvor, "auf bald und Astrael mit euch beiden."
Dann wand er sich mit rauschenden Gewändern ab und schritt gemächlich und wieder bemüht majestätisch in Richtung einer der Tore des Turmes, während sie ihm mit leicht hinabgezogenen Brauen und ihre Abscheu kaum noch verbergend nachsah.
"Soviel zur Lektion 'Wie gesund ist der weisse Pfad?'."
Sie wand ihren Blick fragend zu ihrem Meister hinauf, der dem anderen noch nachsah mit nachdenklicher Miene.
"Was meinst du damit?"
Er deutete mit einem Nicken dem Mann nach, der nun durch das silberne Tor schritt und im Turm verschwand.
"Der weisse Pfad, mein Kind, ist ähnlich wie ein grosser, alter, äusserlich stark und gesund anmutender Baum.
Aber du weisst ja selber aus den Exkursionen in die Flora unserer Welt, die ich mit dir unternahm, dass nicht jeder dieser alten Bäume so stark ist, wie er scheint. Manche von ihnen beginnen irgendwann von innen her zu verfaulen, wenn Parasiten über sie herfallen."
Sie wand den Blick eilig dem Mann noch nach, doch sah nur noch auf die silbernen Doppeltüren.
"Und so ergeht es auch dem weissen Pfad.
Er ist ein wunderbares Beispiel dafür - ein hervorragender Magier im Grunde, doch die Ruhe, die Sicherheit des Pfades, dazu die Macht, die mit ihm einhergeht, haben ihn korrumpiert. Er gehört mit zu jenen, die ihre belanglosen Intrigen im Gerangel um Macht spinnen und doch sieht er nicht die wahren Probleme, vor denen der weisse Pfad eigentlich gestellt ist, ja, ich gehe sogar so weit, dass ich behaupte, er entwickelte sich sogar zu eines der Probleme des weissen Pfades. So ergeht es gewiss nicht jedem, der diesem Pfad angehört - es gibt glücklicherweise noch viele, die ihre Aufgaben streng wahrnehmen, doch nicht wenige von ihnen sehen über diese Probleme hinweg oder versuchen sie gar zu vertuschen, damit die scheinbare Harmonie nicht gestört wird. Tja, und damit wären wir allmählich bei der Frage angelangt, warum ich umherreise und nicht permanent in eine der Akademien sitze und mich den dortigen Machtspielchen hingebe.
Aber gehen wir erstmal hinein, mein Kind, damit du die die unteren Räumlichkeiten schon mal kennenlernen kannst."
Ein müdes Lächeln schenkte er ihr, ehe er dann seine Schritte auf das Doppeltor lenkte, während seine nachdenklich wirkende Schülerin ihm folgte.

Wo Licht fällt, herrscht auch Schatten.


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BeitragVerfasst: 29.09.06, 14:17 
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Sie erschauderte, doch nicht vor der Kälte Morsans, die unerbittlich durch ihre wollene, schlichte Kleidung aus ungefärbter Wolle kroch, sondern vielmehr vor dem Anblick, der sich ihr bot - sanft fiel vor ihr der Hügel hinab in ein wohl in früheren Zeiten reizvolles kleines Tal mit vereinzelten Bäumen, vielleicht gar früher mit reichen Feldern versehen, doch nun war es nichts weiter als ein Schlachtfeld, der Boden durchtränkt von Schweiss, Blut, Tränen und verlorener Hoffnung, übersäht mit namenlosen Leichen, Verletzten, die ihre letzten Atemzüge vor Schmerzen zitternd aushauchten, ehe eine neuerliche Welle von Kämpfern und Schlachtrössern gnadenlos über sie hinweg aufeinander zu trampelten und erneut sich der Boden mit den Verlierern beider Seiten überzog.
Der Himmel mit schweren, grauen Wolken verhangen, ein schneidendkalter Onerwind wehte über das vandrische Land, während grelle Blitze die graue Szenerie durchzuckten und kurz erhellten. Ein stetes Grollen begleitete das rasche Aufglimmen von grellem Licht, untermalt von Schreien und Waffenklirren.

Namenloses Grauen bemächtigte sich ihrer, während sie sich dichter an ihren Mentor drängte. Dieser stand ruhig da, das Gesicht so nüchtern und gleichgültig, dass sie für einen Moment zweifelte, er - ihr Meister, Mentor und vor allem auch Ziehvater - wäre es wirklich und nun eher irgendeiner dieser abgebrühten, meist grauen Kriegsmagier, die unablässig Blitze, Feuer und wirbelnden Klingen scheinbar aus dem Nichts entstehen liessen und damit eine rauchende, schreiende und blutige Ernte im Schlachtfeld vollzogen.
Warum nur Vandrien, fragte sich die Zwanzigjährige voll stillen Entsetzen, warum waren sie nicht in Ersont geblieben? Warum musste sie nun Zeuge dieser Schlacht werden?
Der Blick des Alten fiel auf seinen bibbernden Schützling, etwas Weiches schlich sich auf seine Züge und er raunte ihr zu, dass sie doch bitte wieder zum Lazarett zurückkehren möge.
Innerlich dankte sie ihm dafür, dass sie sich nicht mehr länger diesem Anblick hingeben musste, äusserlich bemühte sie sich nichts anmerken zu lassen und wandte sich stumm herum, um den Hügel weiter hinauf zu laufen und zum Lager der königlichen Truppen zurückzukehren, hoffend, dort wäre es ruhiger, keine dieser entsetzlichen Schreie zu hören.
Doch je näher sie dem Lazarett kam, desto mehr wurden ihre Hoffnungen enttäuscht und als sie den Vorhang vom Eingang zurückschlug, sah sie gerade noch, wie ein mit Blut und anderen, undefinierbaren Körperausscheidungen besudelter Feldscher eine Säge an einem Bein, oder vielmehr das, was mal ein Bein war, ehe es sich in eine gequetschte, teils verkohlte Masse verwandelt hatte, ansetzte, während der Soldat, gefesselt auf einer schlichten, fleckigen Pritsche liegend, fest auf einen Holzstab in seinem Mund biss, das Gesicht voller Schmerz unsagbar verzog und sich in seinen Seilen dumpf schreiend aufbäumte.
Sie taumelte zurück - das war einfach zuviel!
Weg, nur weg wollte sie, einfach rennen, am besten zurück nach Ersont, doch sie konnte ihren Meister nicht verlassen.

Ungläubig den Kopf stetig schüttelnd, die Arme um ihren dünnen, zerbrechlich wirkenden Leib schlingend, taumelte sie zwischen den Zelten herum, während die Schreie in ihren Ohren widerhallten.
Eine Lektion, hatte er es genannt, eine Lektion in den Grauen des Krieges und eine der undankbaren Rollen, die einem Weißmagier dort zufallen würde. Mit einem Mal verfluchte sie ihr Talent wieder - sie wollte nicht mehr weiter, lieber wäre es ihr, Astrael würde ihr ihre Begabung wieder abnehmen und schaudernd, zweifelnd richtete sie ihren Blick hinauf zu den grauen Wolken, während sie sich von den Zelten mehr und mehr entfernte, ein stummes Gebet zum Allsehenden schickte - lass es nur ein Traum sein oder nimm mir meine Begabung, damit ich als einfacher Mensch irgendwo still mein Leben weiterführen kann oder lass mich jetzt einfach tot umfallen oder...

Weiter kamen ihre sich in leichtem Wahn reinsteigernden Gedanken nicht mehr, denn ein Stapfen von Hufen auf erdigen Boden liess ihre Aufmerksamkeit wieder ins Hier und Jetzt zurückfallen, dazu ein Schnauben aus Nüstern untermalten das Geräusch noch sowie das leise und rasche Schaben eines Schwertes, das aus seiner Scheide gezogen wird.
Eine dunkle Ahnung bemächtigte sich ihrer, während sie sehr langsam ihren Blick herumwendete.
Ein Reiter stand hinter ihr, die mattglänzende, eiserne Rüstung mit Blutspritzern und Dreck verschmiert und seine schwarze Tunika wies ihn unverkennbar als ein Söldner, der dem Heer des Fürsten angehörte, aus. Sein von vielen Kriegen und deren Narben gezeichnetes Gesicht hatte sich ihr zugewandt, ein abgestumpfter Blick traf sie.
Sie stolperte rückwärts, doch ein Schenkeldruck trieb sein Pferd voran, während er das Schwert zum Schlag erhob.
Ach, dachte sie für einen flüchtigen Moment, man sollte vorsichtig sein mit dem, was man sich von den Göttern wünscht, so schnell kann es wahr werden...
Und während sie schon abschloss mit ihrem Leben, auf dem Boden mehr schlecht als recht weitertaumelte und kroch, durchschlug knallend ein Blitz die Dunkelheit und mit ihr die Rüstung und den Leib des Reiters, der dampfend und knisternd an seinem Ross hinabfiel, während es sich vor Schreck wild wiehernd aufbäumte und herumtänzelte, mit ihm in einem Steigbügel hängend weiter den Hügel entlang und von ihr fort raste.

Grelle Lichtpunkte tanzten noch vor ihren Augen herum, während sie herumsah und ihren Mentor zu ihr hinabrennen sah, so rasch ihn seine müden und alten Beine noch tragen konnten. Grob griff er sie an einem ihrer Oberarme und schmerzhaft zog er sie auf die Beine.
"Kind, ich habe dir gesagt, geh ins Lazarett!" fauchte er sie nun ungehalten an, "das hier ist kein Park zum Herumflanieren!"
Ehe sie sich versah verpasste er ihr eine schallende Ohrfeige und blinzelnd sah sie hinauf zu ihm, während sie mühselig das Gefühl von Scham und Enttäuschung hinabschluckte.
"Diese Kerle", er deutete in die Richtung, in der das Pferd mitsamt dem hinterherschleifenden Söldner verschwunden war, "nehmen keinerlei Rücksicht auf ihre Feinde, auf uns. Wenn ich dich nicht besser kennen würde, wäre ich dir nie nachgegangen, hätte dir nicht helfen können und du dummes Kind wärst nun tot!"
Eine ihrer Hände legte sie an die geschlagene Wange, die zu kribbeln schien und die sich rötlich vom Schlag, vor allem aber von Scham verfärbt hatte.
"Merk dir gefälligst eines für die Zukunft - nimm niemals Rücksicht, wenn du in einen Kampf geraten solltest, nie. Denn sie werden ebenso keinerlei Rücksicht auf dich nehmen. Handle schnell und halte dich nicht mit der Hoffnung auf Erbarmen auf, greife zu allen Tricks und seien sie scheinbar noch so mies."
Wieder griff er zu ihrem Oberarm und riss sie grob mit sich, während sie mühselig ihre Tränen wegblinzelte, leise und weinerlich nur erwiderte: "Ja, Meister."

Sie würde es nie vergessen.


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BeitragVerfasst: 23.03.07, 04:58 
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Die hellblauen Augen, verborgen im Schatten der Kapuze, schlossen sich, während sie tief die warme Luft durch ihre Nase einzog. Eine eigenwillige Mischung aus allerlei fremdartigen Gewürzen, süsslichen Pfeifenrauch, herben Kräutern und fettigen Speisen hing in der Luft, durchsetzt hier und da mit dem Gestank der Strasse nach verschwitzten Leibern, Exkrementen und dem ebenso süsslichen Geruch von Verwesung. Laut schwoll das Leben nun, wo der Abend quirlig Einzug hielt in die Gassen und auf die Plätze der Stadt, an und erreichte seinen Höhepunkt unter dem metallisch-hellen Klingen von Hämmern auf Ambossen, Rufen der Händler auf dem Markt, die lauthals ihre Waren anpriesen, den Kunden mit ihren Worten zu umschmeicheln versuchten und dazwischen die Keifereien, die Zeugnis waren der nicht immer so herzlichen Nachbarschaft in Ashrun-Mahid. Es war nicht Luth-Mahid, die pulsierende, nur in der erbarmungslosen Hitze zum Mittag zur Ruhe kommenden Stadt der Endophalis, aber Ashrun-Mahid war gross genug, um sich diese Geräusch- und Geruchskulisse ebenso leisten zu können.

"Du darfst reinkommen", erklang eine Stimme vom Inneren des Zimmers, dessen Balkon sie betreten und ihren Blick über die Stadt mit ihren weiss gekalkten Häusern hatte schweifen lassen, während sich Fela allmählich hinter dem Horizont glühend verkroch, nur noch wenige Strahlen über das scheinbar so ewige Meer schickend, was sich in der Ferne ausbreitete.
In dem kleinen Herbergszimmer war es nur wenig kühler, aber es war erträglich genug für sie. Sie war Cion, ihrem Ziehvater und Lehrmeister, dankbar dafür, dass er mit ihr im Morsan dieses Land bereiste, um einige Nachforschungen bezüglich dessen arkanen Historie anzustellen. Im Astrael wäre ihre blasse Haut wohl gnadenlos verbrannt und sie hätte sich kaum aus einem der Häuser rausgetraut, geschweige denn, dass sie es gewagt hätte, auf einem dieser Wesen, Kamele nannte man sie, durch die Wüste zu reisen. Zwar war es selbst jetzt, Anfang Oner, noch immer ausgesprochen warm in diesem Landstrich, aber sie hatte sich recht bald daran gewöhnt. So strich sie nun die Kapuze zurück und warf lächelnd einen Blick auf den niedrigen, von weichen, gemütlichen Kissen umrahmten Tisch. Eine Kerze stand darauf, dazu ein schlichter Kuchen und ein paar weitere, vornehmlich endophalische Leckereien und sie wusste mittlerweile wie verboten süss und ungemein lecker die Naschereien die Endophalis waren. Eigentlich verwunderlich, befand sie im Stillen, denn sonst waren ihre Geburtstage immer weitaus schlichter gehalten. Ein kleiner Kuchen, der für zwei Personen reichte - mehr nicht. Doch dieses Mal wollte der alte Cion wohl scheinbar einiges aufholen und noch dazu lag auf ihrer Tischseite auf einen kleinen, mit bunten, aufgemalten Ornamenten versehenen Teller ein versiegeltes Pergament.
Ein durchdringender, fragender Blick traf den Alten, der sich ächzend auf eines der Kissen niederliess.
"Nun schau nicht so, sondern geniess das mal lieber, Kind."
"Ich wundere mich nur, dass du dir solche Umstände machst."
"Oh, höre ich da etwa eine hinter einem bezaubernden Lächeln versteckte Anklage?"
Schelmisch grinsend hielt er sich eine Hand an eines der Ohren und beugte sich leicht in ihre Richtung. Sie schüttelte jedoch den Kopf schmunzelnd und liess sich auf ihr Kissen nieder.
"Danke, Cion", sprach sie mit nunmehr sanfter Stimme zu dem Alten, "keine Sorge. Ich weiss das zu schätzen."
"Das will ich auch hoffen! Immerhin habe ich dich genau deshalb so kurz gehalten, Kind, damit du nicht noch anfängst es zu übertreiben und lieber die kleinen Dinge geniesst."
Die kleinen Dinge - ihr Blick streifte die Köstlichkeiten, die er hatte auftischen lassen. Gefüllte Datteln, Baklava, Helva, gesüsste Nüsse, getrocknete Früchte und mit Honig überzogene Blüten. Ihr lief das Wasser im Mund zusammen, hatte sie doch einen gewissen Hang zu Süsses, auch wenn sie es meist einigermassen erfolgreich unterdrücken konnte. Doch bevor sie etwas probieren wollte, richtete sich ihre unstillbare Neugier auf das versiegelte Pergament.

Ein kurzer, versichernder Blick zu dem Alten, der nun in aller Seelenruhe seine Pfeife stopfte und auffordernd ihr zunickte, dann griff sie zu dem Pergament und brach das Siegel. Was mochte sich da nun drin verstecken? Ein Brief von irgendwem? Eine Geschichte? Doch so wie sie Cion kannte, musste es etwas mit ihrer Lehre zu tun haben. Sie entfaltete es und eine schwungvolle Schrift, endophalisch unverkennbar, trug das Blatt. Darunter jedoch die wesentlich vertrauteren, galadonischen Schritzeichen. Das erste was jedoch ins Auge stach, waren die Worte "Überfahrt auf die Insel Siebenwind". Sie stutzte, ihre Stirn kräuselte sich und still, mit klopfenden Herzen nunmehr, las sie, dass sie hiermit eine Überfahrt auf einem Schiff, was die Insel Siebenwind ansteuern würde, geschenkt bekommen hatte. In wenigen Tagen würde es vom Hafen in Ashrun-Mahid ablegen.
Siebenwind - einen Moment lang stockte sie und sah nur gedankenverloren auf das Blatt drauf. Wie oft schon hatte sie von dieser Insel gehört und gelesen? Ein Krieg tobte dort und wirklich geschlagen waren die Horden des Einen noch nicht. Eine Insel, die Abenteurer, Söldner und Glücksritter vor allem anzog und auf der sich wohl, den Gerüchten zufolge, vor allem jene herumtrieben, die in Galadon oder Endophal wenig Glück hatten, sei es, dass sie gedungene Schurken, Taugenichtse oder rebellische Aufrührer waren. Die mit Glück und Reichtum lockte und doch zugleich auch eine Insel voller Gefahren, namenloser Schrecken und beständigen Unruhen war. Dennoch konnte sie sich auch der Faszination mancher Berichte nicht verwehren. Mit einem eigenen, besonderen Schicksal wäre die Insel versehen und wo sonst konnte man allerlei Volk auf so dichten Raum antreffen und studieren, wie dort?

Ein Lächeln überzog ihre Züge und sogleich hob sie ihren Blick wieder an zu dem alten Magus, der sie und ihre Reaktion genauestens beobachtet hatte.
"Danke, Cion! Mit so etwas hatte ich nicht gerechnet."
"Es gefällt dir also?"
"Oh, durchaus. Ich bin schon darauf gespannt, wenn wir endlich dort sind und..."
"Es gibt kein 'wir'."
Sie stockte nun in ihrer Rede, vollkommen überrumpelt.
Kein 'wir'? Hatte sie das richtig verstanden?
Der fragende Blick liess ihn milde und nachsichtig, wenn auch etwas wehmütig, lächeln.
"Du wirst alleine reisen, Althea."
Alleine. Es gab für sie eigentlich kein 'alleine'. Seit ihrem achten Götterlauf war er immer bei ihr gewesen. Seit dem Tag, als er sie, das verängstigte Kind, das nichts von der Welt ausserhalb der Mauern ihres Elternhauses und das nur einen, dunklen, fürchterlichen Gott kannte, in einem Schrank zitternd vorgefunden hatte und über ihr Schicksal schweren Herzens entscheiden wollte, ehe sie ihre Gabe als letzten Überlebenswillen zeigte, waren sie nie getrennt gewesen. Immer hatte er auf sie geachtet, sie gelehrt, ermahnt und dabei stets viel Geduld gezeigt. Nie war sie alleine gewesen, wenn die Alpträume der Vergangenheit in der Nacht sie übermannten, sie dann Schutz und Beruhigung bei ihm suchte. Auch wenn sie nie ein festes Heim hatten, von einem Ort zum anderen Ort zogen, quer durch Galadon, Khalandrien, das Norland oder Endophal, so hatte sie doch eine Art Heimat in seiner Nähe gefunden. Er war der Vater, den sie nie wirklich gehabt hatte und sie für ihn seine Tochter geworden, sogar seinen Namen trug sie.
Und nun sollte sie alleine fort? Weg von ihm? Von seinem Schutz, seiner Weisheit und Geduld?
Ihr Herz wurde unvermittelt schwer und sie schüttelte bloss den Kopf, leise wispernd: "Das kann ich nicht."
Er jedoch lachte leise auf und mit seiner tiefen, väterlichen Stimme sprach er ruhig auf sie ein.
"Das musst du aber irgendwann. Du bist nun vierundzwanzig Götterläufe alt und eine erwachsene Frau. Desweiteren bin ich ein alter Mann. Ich habe vor, nach Falkenstein zurück zu kehren und dort an der Akademie zu lehren und einen ruhigen Lebensabend zu verbringen. Das Reisen fällt mir zunehmend schwerer."

Cion und einen ruhigen Lebensabend. Alles mögliche hätte sie sich bei dem Alten vorgestellt, aber ganz gewiss nicht, dass er sich auf eine Akademie zurückzieht, dort zwar lehrt, aber ansonsten nicht mehr reist, nicht mehr abenteuerlustig sich in die nächstbeste, uralte Ruine stürzt, an Kriegszügen an der Seite der Krone teilnimmt oder irgendwelche Ketzer an die Kirche ausliefert. Das passte nicht zu ihm.
"Nein", sagte sie entschieden und legte das Pergament mitsamt einem Kopfschütteln auf den Tisch ab, "ich reise nicht. Ich komme mit nach Falkenstein und lerne dort."
"Die Reise war ganz schön teuer, Kind!"
Sie hasste diesen mahnend-drängenden Unterton in seiner Stimme. Er schaffte ihr damit sowohl ein schlechtes Gewissen, als auch die Erkenntnis, dass es eh schon beschlossen war.
"Aber ich will nicht fort von dir." Mochte vielleicht dieser etwas wehleidig-bittende Blick helfen?
Fehlanzeige - er schüttelte seinen Kopf entschieden und seine Miene wurde ernster.
"Dort auf Siebenwind gibt es eine königliche Magierakademie. Ich möchte, dass du dort weiterlernst. Du hast nun genug der Grundlagen gelernt, vieles von der Welt gesehen und solltest nun auch endlich eine richtige Akademie besuchen und dich dort beweisen. Desweiteren dürfte für dich und deinen Zielen die Insel wesentlich sinnvoller sein, als in Falkenstein an einer ruhigen Schule zu lernen. Du bist für das ruhige Leben nun wirklich nicht geschaffen, all deiner Maulerei wegen deiner Gabe dann und wann zum Trotz."

Ihr Blick ging wieder nachdenklich hinab zum Pergament.
Er hatte nicht ganz unrecht, musste sie sich widerwillig eingestehen. Auch wenn sie sich so manches Mal an ihrer Gabe und das damit verbundene Leben sowie die abergläubischen Reaktionen vieler Mitmenschen störte, so konnte sie sich ein ruhiges Leben kaum wirklich vorstellen. Etwas Kribbeln, ein klein wenig Abenteuer versüssten ihr wiederum das manches Mal so verfluchte Talent.
"Ausserdem, Althea, muss irgendwann jedes Kind seine Eltern oder seinen Lehrmeister verlassen, so wie auch irgendwann jeder Vogel lernt, seine Flügel auszubreiten und zu fliegen. Ich sehe, wie deine Gabe wächst und wie du sicherer im Umgang mit ihr wirst. Du musst einfach gehen, um deiner eigenen Entwicklung willen."
Ihr Herz wurde schwer, als sie wieder zu dem Alten aufsah. Eine zuvor nie gekannte Angst kroch in ihr hoch und liess in ihrem Hals einen kleinen, aber spürbaren Kloß entstehen, den sie nur langsam hinabschlucken konnte, ehe sie dann langsam und verstehend nickte.
Aufmunternd jedoch lächelte er ihr wieder zu. "Du wirst es schaffen, mein Kind, da bin ich mir sicher."
Ihr Blick jedoch glitt nun hinaus auf den Balkon, durch die Stäbe der Balustrade und hinüber zum Horizont, wo nur noch rosa-rote Streifen an den Wolken von Felas Untergang kündeten. Irgendwo dort im Westen, wo sie versank, mochte sie wohl liegen, diese noch unbekannte Insel.

Dort, wohin das Licht zieht.


Ende... zumindest auf dem Festland.


Zuletzt geändert von Althea: 23.03.07, 05:12, insgesamt 1-mal geändert.

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