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 Betreff des Beitrags: Vom Sein und Nicht-Sein
BeitragVerfasst: 28.03.08, 14:06 
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Der Keller des Hauses in Brandenstein war nur schwach beleuchtet. Leisen Schrittes trat die Frau die Stufen hinab in den Raum. Ihre schmale Gestalt warf nur wenige Schatten als sie eine kleine Tasche auf die leere Arbeitsfläche abstellte. Ein fast lautloses Seufzen entrann ihren Lippen, dann griff sie in die Tasche und zog ein Bündel aufgerollter Leinenbandagen heraus. Ihre Finger krampften sich um den Stoff und ein Schütteln durchlief ihren Körper.
Lautes Schluchzen scholl durch den Raum, gegen die Wände prallend und zu ihr zurückdringend. Die Kerze im Halter an der Wand flackerte auf und die Schatten tanzten mit dem Wiederhall ihres Schmerzes um sie herum. Heiss und salzig rannen ihr die Tränen über die Wangen, sammelten sich und tropften auf die Arbeitsplatte vor ihr herab. Sie biss sich auf die Unterlippe. Sie durfte niemanden im Haus wecken, sie wollte so nicht gesehen werden, von niemandem.

Trotzig, ja fast schon energisch griff sie nach einer kleinen unscheinbaren Phiole in ihrer Tasche und ließ sich zu Boden sinken. Kurzerhand zog sie sich unter die Arbeitstische in die Ecke. Ihr Blick schweifte zu der Phiole, die sie fest mit ihren Fingern umschloss. Es war Monde her dass sie es benutzt hatte. Und doch stellte sie es jeden Mond neu her und trug es stets bei sich. Damals... da hatte es ihr gute Dienste geleistet. Damals, als sie das erste Mal ihr Wissen schändlich genutzt hatte... Sie schluckte schwer bei dem Gedanken an die Zeit und es war, als lege sich eine eiskalte Hand um ihr Herz, es zusammenpressend bis ihr die Luft wegblieb. Aufkeuchend zog sie den Dolch aus ihrem Stiefelschaft. Die Klinge reflektierte nur Schwach das Licht des Raumes und für einen Bruchteiles eines Wimpernschlages spiegelte sie sich selbst in dem Metall. Die blauen Augen, die sie darin erblickte waren rot unterlaufen von den Tränen der letzten Zyklen. Das musste ein Ende haben. Sie musste es abstellen, dieses klopfende Herz, die Verirrungen ihres Denkens, diese Ohnmacht...

Entschlossen schob sie den Ärmel ihres Hemdes hoch und entblösste ihren linken Unterarm. Mit versteinerte Miene hob sie den Dolch und ließ die scharfe Klinge nur wenige Finger weit durch ihre Haut gleiten. Die Kühle des Metalls vermischte sich augenblicklich mit der Wärme ihres Blutes. Hastig legte sie den Dolch beseite, es war Eile geboten. Flink entkorkte sie die Phiole und zog ein wenig der Flüssigkeit mit der Pipette auf. Der Schnitt war nur klein und nur tief genug, um zwar dem Zweck zu dienen, jedoch würde er sich schnell wieder schliessen. Langsam fielen die Tropfen aus der Pipette in den Schnitt.
1...2... Früher hatte sie es ihrem Tee untergemischt. Doch schnell war sie dazu übergegangen es sich auf diese Art und Weise zu verabreichen. So wirkte es schneller und länger. Und ihr Magen rebellierte nicht ständig, gepeinigt von den Substanzen. 3...4... Sie musste wieder klar werden, wieder denken können. Sie durfte nicht zulassen dass ihre Gedanken ständig abschweiften und sich auf Wegen verirrten, die allesammt nur ins Leere liefen und sie trotz allem so sehr peinigten. 5...6... Es gab keine Chance, es ging nun mal eben nicht. Das musste sie hinnehmen. Sie presste die Lippen hart aufeinander. Sie würde sich daran gewöhnen. Fast musste sie auflachen bei dem Gedanken. 7...8... Ein kaltes Kribbeln breitete sich in ihrem Arm aus, welches langsam Richtung Schulter hochkroch.

Eilig legte sie die Pipette und den Dolch beiseite, der Verband war nun dran. Geschickt und fast wie in Trance schlang sie Lage um Lage um ihren Unterarm. Ein kleiner Druckverband würde völlig genügen. Das Kribbeln hatte die Schulter erreicht, die Kälte strömte nun schneller durch ihren Körper. Es würde nicht mehr lange dauern. Ihr Herz schlug bereits langsamer, ihr Brustkorb hob sich nur noch schwach. Mit letzter Anstrengung schob sie den Ärmel des Hemdes wieder herunter, um den Verband und ihr Tun zu verdecken...
Ihre Glieder erschlafften und ihre Gesichtszüge begannen sich zu entspannen. Ihr Kopf sank, immer noch gegen die Mauer gelehnt, seitlich herab auf ihre Schulter. Das seidige blonde Haar ergoß sich über ihren Oberkörper als wolle es sie beschützend umhüllen, damit nichts zu ihre dränge in der Stille der Nacht. Beinahe wirkte es als wäre sie sant und friedlich eingeschlafen, wenn nicht dieser Ausdruck von tiefer Bitterkeit um ihre Lippen gelegen hätte...


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BeitragVerfasst: 29.03.08, 16:58 
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Der Raum war fast in völlige Dunkelheit getaucht, nur unter dem Türschlitz fiel schwaches Licht aus dem Nebenraum herein und erhellte die Bodendielen unmittelbar vor der Tür.
Sachte sank ihr Körper auf das Fell nieder. Fröstelnd zog sie ihre Beine näher an sich heran und schob einen Arm angewinkelt unter ihren Kopf. Ihr Blick wanderte über die allesammt verhangenen Fenster, hinter denen wohl das Licht Felas bald wieder erwachen würde. Ihre Stirn legte sich unwillkürlich in kleine Falten und sie unterdrückte mühsam ein Seufzen.
Entschlossen schluckte sie ihren Kummer für den Moment herunter. Sanft strich ihre Hand über das Fell, fast als würde sie ein liebgewonnes Tier streicheln. Es roch so ganz anders als das Fell zuhause. Hier war vieles anders, selbst die Zeit schien hier irgendwie anders zu vergehen. Sie zog ihren Arm unter ihrem Kopf hervor und drückte ihre Wange tiefer in das Fell. Ein Lächeln stahl sich auf ihre Gesichtszüge.
Plötzlich zuckten Bilder durch ihren Kopf, Erinnerungen der letzten Tage. Sie überschwemmten sie förmlich, brachen über sie herein wie eine Flutwelle , drohend sie mit davon zu spülen und sie musste die Augen schliessen. Leise keuchte sie auf, ihre gesammte Kraft zusammen nehmend, um die Gedanken zu verscheuchen.
Ihre schmalen Finger krallten sich schwach in das weiche Fell. Sie war so unendlich müde, dass sie kaum noch die Kraft aufbrachte die Augen wieder zu öffnen. Mit halbgeöffneten Liedern blickte sie zur Seite und sachter Frieden regte sich in ihrem Herzen als ihr Blick auf den Schatten zwei Armlängen neben ihr traf. Sachte glitt ihre Finger auseinander, sich durch das Fell schiebend, bis ihr Arm weit ausgestreckt das Ende des Fells erreichte. Nahe, aber nicht nah genug...
Erschöpft sanken ihre Lieder nieder und sie fiel das erste Mal seit Tagen in einen ruhigen traumlosen Schlaf.


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BeitragVerfasst: 30.03.08, 19:27 
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Wie von einer wilden Meute gehetzt, galoppierte der dunkle Falbe unter ihr durch den Wald. Ihr offenes Haar wehte flatternd hinter ihr her und der Wind trieb ihren Umhang peitschend um ihren Körper. Kein Ziel, keine Zeit, keine Wahrnehmung. Sie wusste, dass sie nicht gut genug ritt, um das Pferd so voran zu treiben und doch ließ sie ihm die Zügel weit vor, die Schenkel fest an seine Flanken gepresst. Als wäre der Eine höchstpersönlich hinter ihr her, duckte sie sich tief herunter über den Hals des Wallachs, während die Bäume des dichten Waldes links und rechts nur so an ihnen vorbeiflogen.
Ihr Körper zitterte protestierend,sie wusste nicht wann sie die Kontrolle über das Pferd oder sich selbst völlig verlieren und stürzen würde. Doch das schien ihr egal, nichts war jetzt und hier von Bedeutung. Pumpend hoben sich die Seiten des Falben, weißer Schaum flockte vor seinem Maul und das Fell färbte sich langsam deutlich dunkler vom Schweiß der Anstrengung. Krachend preschten sie durch das Unterholz auf eine Lichtung, aus dem Wald heraus.

Aufkeuchend griff sie zittrig in die Zügel und riss das Pferd in den Stand. Aufbäumend protestierte das Pferd, mit einem Aufwiehern als Quittung für ihre Grobheit. Entkräftet glitt sie an seiner Seite herab und stürtzte auf den Boden. Hart schlugen ihre Knie auf dem Boden auf, doch sie spürte nichts. Der Wallach scheute kurz und trabte einige Schritte von ihr fort. Schwer atmend blieb er dort stehen, die Nüstern vor Anstrengung und Angst weit aufgebläht. Beschwichtigend hob sie beide Hände in seine Richtung, um sie nur im nächsten Moment vor ihr Gesicht zu schlagen.
Und wieder brachen die Tränen aus ihr heraus. Unter Weinkrämpfen geschüttelt zuckten ihre Schultern, der ganze Körper schauerte und ihr Schluchzen drang leise über die in den Sonnenuntergang getauchte Lichtung.
Töricht war sie, ja töricht. Dumm und naiv. Es zeriss sie innerlich förmlich und die Tränen rannen nur noch heißer über ihr Gesicht.
Egal was sie tat, es würde schmerzen. So oder so, es machte keinen Unterschied. Sie würde handeln müssen, sie konnte nicht einfach abwarten, um zu sehen wie die Dinge sich entwickelten. Dafür reichte ihre Kraft nicht, sie musste sich entscheiden. Entscheiden... Halb schluchzend, halb seufzend hob sie ihren Kopf gen Himmel und starrte für einen kurzen Moment fast zornig auf Fela, die sich hinter die Bäume senkte. Ihre Miene versteinerte sich, die Gedanken in ihrem Kopf rotierten abermals wie ein Schreckenskarussel der Ohnmacht.
Starr verharrte sie so dort bis die Nacht sich endgültig über Tare gelegt hatte, nur ihre Augen zuckten mal hier mal dort hin, ohne Interesse an dem was sie erblickten. Sie war ganz auf sich selbst konzentriert, ihre Gedanken, ihren Verstand... ihr Herz. Der Vitamalin zog ihren Blick nun in seinen Bann, gold-beige war er deutlich am Himmel zu erkennen.

Ruckartig straffte sie sich, ihren gepeinigten Körper dabei ignorierend und rappelte sich von den Knien hoch. Langsam und fast humpelnd ging sie auf ihr Pferd zu, dass nun friedlich grasend am Waldesrand stand. Sachte hob der Wallach den Kopf, sie fast musternd und die Ohren spielen lassend, fast als würde er sie etwas fragen wollen. "Wir müssen zurück..." flüsterte sie ihm zu, das Gesicht kurz in seine Mähne gepresst. Ruhig griff sie nach den Zügeln, um sich dann ächzend auf seinen Rücken zu ziehen. Nochmal blickte sie hoch zum Vitamalin und fast als würde sie ihm zunicken, wendete sie mit entschlossener Miene das Pferd zurück gen Falkensee...


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BeitragVerfasst: 2.04.08, 11:38 
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Es war noch früh am Morgen als sie den menschenleeren Marktplatz zu Brandenstein betrat. Fade und glanzlos hing das blonde Haar in ihr Gesicht hinab und verdeckte ihre ebenso glanzlosen Augen, unter denen ihre Müdigkeit deutlich abzulesen war. Ihre Schritte, mehr schleppend als sie vorwärts tragend, wankte sie dem Brunnen entgegen und kniete sich vor ihm nieder. Mechanisch schob sie die Ärmel ihres Hemdes hoch, um ihre Hände in das noch eiskalte Wasser hinab tauchen zu lassen. Die Kälte kroch fast augenblicklich schmerzlich in ihre Hände und wanderte in in ihren Armen hoch.

Das hatte sie nicht verdient ! Erschöpft ließ sie den Kopf sinken, ihre Haarspitzen senkten sich sachte auf die stille Wasseroberfläche des Brunnens herab. 'Ich habe doch nichts getan ! - Stimmt das denn ? Hast Du wirklich nichts getan, was man als unrecht bezeichnen könnte ? - Ich...' Ihr Blick fiel unwillkürlich herunter auf die fast winzige, nur wenige Stunden alte Schnittwunde an ihrem Unterarm. 'Das zählt nicht ! murrte sie innerlich auf . 'Und das Andere ? - Da ist nichts... Anderes !' log sie. Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Tränen der Wut, der Enttäuschung und der tiefen Traurigkeit in ihrer Seele. Aufzitternd vor Wut ballte sie die, noch immer tief in das Wasser eingetauchten Hände.

Sie wehrte sich doch nach Leibeskräften, sie versuchte es doch. Immer und immer wieder widerstand sie, nur um dann doch im Taumel des Geschehens unterzugehen wie ein loses Blatt im reissenden Strom. Hilflos, machtlos und zu kaum einer Gegenwehr mehr fähig. Sie würde untergehen und in all dem Ertrinken, qualvoll ersticken an ihrem eigenen Handeln. Es war nicht von Bedeutung welche Entschlüsse sie traf, nicht von belang was sie wollte. Sie hatte doch innerlich schon längst aufgegeben, auch wenn dieses Eingeständniss nur um so bitterer schmeckte, je mehr sie es zuließ. Sie versagte, mit jedem weiteren Schritt den sie ging, kläglich und erbärmlich.
Warum strafte Vitama sie so dermassen hart ?


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BeitragVerfasst: 4.04.08, 12:31 
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Die Luft der Nacht war kalt, auch wenn Vitama langsam aber sicher ihre Arme immer weiter über Tare streckte. Ihre Hände lagen auf der hölzernen Brüstung der Terasse, unter ihr plätscherte seicht und leise murmelnd der Fluß Brandensteins dahin. Zittrig schlangen sich ihre Finger um das rauhe Holz. Es war kalt, so unsäglich kalt, äusserlich wie innerlich. Eisige Kälte hatte Einzug gehalten, war in sie eingedrungen wie ein Parasit in seinen Wirt, um sich einzunisten, sie auszusaugen, zu wachsen und sie schlussendlich zu vernichten. Der sonst immer in ihr wiederhallenden Schmerz war fort, davongespült mit ihren Tränen, herausgebrüllt von ihrer Hilflosigkeit, verschlossen hinter den zugefallenen Türen in ihrer Seele.

Ein Schaudern lief durch ihren Körper als sie sich ihrer eigenen Verfassung, hier und jetzt, so deutlich bewusst wurde. In ihrer Brust lag es wie ein Stein, ein kaltes lebloses Etwas, dass sich seltsam fremd anfühlte, wie es pochend schlug und doch kein Gefühl erzeugte... ihr Herz. Kurz flatterte es, wie ein tödlich verwunderter Jungvogel, der sich im Kampf des Todes mit letzter Kraft zu retten versuchte, bevor er von seinem Häscher endgültig verschlungen wurde. Eine Welle der Emotionen durchlief sie, die sie nicht mehr innerlich berührten und, wie die Wellen des Flusses unter ihr an seinem Ufer, am Rande ihres Bewusstseins verebbten.

'So also fühlte es sich an' ein bitteres Auflachen entrann ihr und hallte in die Nacht hinaus. Aber war dies nun besser, jetzt wie es war, wie es war ? Sie selbst hatte sich doch so entschieden und es deutlich ausgesprochen. Sie, die es nicht mehr ertrug, wie es war. Der Schmerz in ihr regte sich wieder, drohte langsam durch die Kälte zu dringen und sich ihrer erneut zu bemächtigen. Mühsam rang sie ihn nieder, in die tiefen des Abgrundes, wo er hin gehörte. Sie wollte nicht mehr leiden, nicht mehr weinen, nicht mehr diese Stiche fühlen, keine Blicke ertragen, sie wollte vergessen...


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BeitragVerfasst: 5.04.08, 01:51 
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Und abermals trugen ihre Schritte sie in den Keller hinab, der ihr in letzter Zeit zu einem verschwiegenen Freund geworden war. Ein Raum des Trostes und des Rückzuges für ihre geschundene Seele, der selbst Vitama keinen Trost mehr spenden konnte. Langsam trat sie an die Arbeitsfläche heran, stellte ihre Tasche darauf ab und griff routiniert zu einer Rolle Bandagen. Mit leerem Blick zog sie die nur noch halb gefüllte Phiole aus dem Innenfutter ihrer Weste, legte diese auf die Bandagen, um danach ihre Finger an ihr Bein, zu dem Dolch in ihrem Stiefelschaft gleiten zu lassen. Wie in Trance rollte sie ihren Ärmel hoch, setzte die Klinge knapp neben die bereits geschlossenen Schnittwunden und zog sie eine Spur zu tief über ihren Arm. Blut rann über ihren Unteram hinweg, der Dolch entglitt ihren Fingern und fiel blutbenetzt auf die Arbeitsplatte.

Ihre Hände zitterten, ihr Blick flackerte kurz, dann griff sie mit unruhiger Hand zu der Phiole. Schwach grünlich glitzerte die Flüssigkeit durch das Glas. Die Dunkelheit des Kellers umgab sie wie ein schützender Mantel, nur eine einzelne Kerze beschien ihr Machwerk. Ihre freie Hand streckte sich nach der Pipette aus, griff vorbei, dieser einen Stoß versetzend. Das feine Glas des Glasrörchens knirschte leise auf, ächzte förmlich und zersprang, noch bevor sie erneut danach greifen konnte. Ein leises Fluchen entrann ihr. Krampfend schlossen sich nun die Finger der linken Hand um die Kante der Ablage, um ihren Arm ruhig zu stellen, dann hob sie die Phiole, den Blick starr auf die Flüssigkeit gerichtet. Ihr Blut tropfte vor ihr lautlos zu Boden. 'Dann eben so' knirschte sie mit zusammen gebissenen Zähnen innerlich. Einen Wimpernschlag lang schloss sie die Augen und begann dann die Flüssigkeit direkt aus der Phiole in die Wunde tropfen zu lassen. 'Arbeite niemals ungenau, Kleines. Die Essenzen und Destilate sind zu konzentriert um sie nicht penibelst abzumessen. Ihre Wirkung könnte verheerend sein, solltest Du eine falsche Dosierung wählen. Aber das würdest Du ja nie tun, nicht wahr, mein Sonnenschein' klang eine Stimme aus ihrer Erinnerung herauf. "Vater..." keuchte ihre dünne, brüchige Stimme auf, kurz davor sich wieder in ihrem Schmerz zu verlieren. Ihr Körper wankte unter der Last der aufwallenden Erinnerungen, ihre so mühsam aufrecht erhaltene Beherrschung begann zu kippen und mit ihr der Inhalt der Phiole. Schwallend ergoß sich der Inhalt über ihren Arm.

Die wohlbekannte Kälte stieg kribbelnd in ihrem Arm empor, schnell, viel zu schnell. Betäubt glitten ihre Finger von der Tischkante ab, der Arm fiel schlaff gegen ihren Körper. Entsetzen macht sich in ihr breit als sie begriff. Eine einzelnde Träne rann ihre Wange hinab. "Verzeih mir..." presste sie unter der drohenden Ohnmacht hervor, dann schlug ihr Körper auf den Steinboden des Kellers auf...


Knatschend sanken die Hufe des Schimmels in den spannhohen Schnee ein. Auf den kahlen Ästen der Bäume glitzerte der Frost in der Sonne. Trabend trug das Pferd sie durch die kalt-weisse Landschaft, in der es Nichts ausser der Weite und den vereinzelten Bäumen zu geben schien. Nackt baumelten ihre Füsse an dem Leib des Pferdes herunter, ihr Körper in ein überlanges silber-weisses Kleid gewandet. Um ihre Schultern lag ein ebenso weisser Fellumhang. Irritiert blickte sie an sich hinab... 'Wo ? Was ?'... Sachte wog sie im Takt des Pferdes... Sie verstand das nicht... Sie wusste nicht was das zu bedeuten hatte...
Eine Stimme drang an ihr Ohr, wie aus weiter Ferne. Sie rief einen Namen... 'Ist das mein Name ?' Seltsam bekannt erschien ihr die Stimme, doch konnte sie sich nicht erinnern zu wem sie wohl gehören mochte...
Sie wand ihren Kopf zurück, in die Richtung aus der die Stimme zu kommen schien. Ihr Blick fiel auf den Schnee... keine Hufspuren... war sie denn nicht dort entlang geritten ? Das Rufen wurde lauter, fast als würde derjenige ihr folgen. Doch sie konnte niemanden erblicken. Hier waren nur sie, das Pferd und der Schnee, diese merkwürdige weisse Szenerie... Sachte stieg Wind über ihr auf und wehte ihr das Haar aus dem Gesicht.
Nachdenklich kräuselte sich ihre Nase... Sachte griff sie Richtung der Zügel des Pferdes, doch ihre Finger glitten ins Leere...
'Wer bist Du ?' Wie von unsichtbarem Gebirge zurückgeprallt hallte ihre innere Stimme durch ihren ansonsten leeren Geist. Warum kannte sie diese Stimme ? Sie kannte sich selbst ja nicht einmal...
Deutlich nahe klang jetzt wieder das Rufen... suchend glitt ihr Blick über den Schnee. Plötzlich fühlte sie eine Berührung... da war doch niemand. 'Was passiert hier ?'... Erschrocken zuckte sie zusammen als eine Wärme in ihrem Innersten erstrahlte... 'Wer... Was bist Du ?' Keuchend entwich ihr Atem in die kalte Luft, eine sachte Wolke stieg vor ihrem Gesicht auf. Ihre Augen weiteten sich... dann brach plötzlich ein Schütteln durch ihren Körper. 'Aber was... ?' Wie unter Krämpfen wand sich ihr Körper in der Wärme, Schmerzen zogen blitzartig durch ihren Leib... ein Schrei... 'Ist das meine Stimme ?'... Alles schien sich zu Drehen... die Umgebung verschwamm vor ihren Augen... Der Schmerz in ihr explodierte und gleissendes Licht blendete ihre Augen... dann wurd es schwarz um sie herum...


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BeitragVerfasst: 5.04.08, 18:35 
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Bleierne Schwere lag auf ihr, jede Faser ihres Körpers pochte dumpf schmerzend. In sich zusammengekauert lag sie auf den Fellen am Boden. Mühsam öffnete sie ihre Augen einen Spalt weit. "Wo...?" murmelte sie leise mit trockenen Lippen. Durch die Fenster fiel seichtes Tageslicht, sie spürte das Fell unter ihrem Körper, ein vertrauter Geruch stieg ihr in die Nase.
Langsam kehrte die Erinnerung an die gestrige Nacht zurück. Zuhause, sie war zuhause. Deutlich klangen Wortfetzen einer Stimme durch ihren Geist 'nicht alleine... zusammen... zuhause... alles wird gut'. Wärme, da war Wärme gewesen. Nein, nicht gewesen, sie war noch immer da ! Verwundert senkte sie ihren Blick auf ihren Oberkörper. Irgendetwas in ihr war warm. Es war so, sie wusste es nicht zu beschreiben, irgendwie mütterlich ? Es erinnerte sie an ihre Eltern, an Fürsorge, an Zuneigung, an... Liebe. Da war es wieder, dieses Stechen. Bebend presste sie die Lippen aufeinander, für einen Moment schloss sie die Augen wieder, nur um dann auf ihren Unterarm herunter zu blinzeln. Die Wunde, sie war geschlossen. Wie konnte das sein ? Die Phiole, der Dolch, sie hatte geblutet. Sie hatte doch die Kontrolle verloren. Es war durch ihre Adern geflossen, sie hätte tot sein müssen.
Verwirrung legte sich über ihre ausgemergelten Gesichtszüge. 'ausruhen... nicht verdrängen... dich stellen... schlaf' klang erneut die Stimme in ihr nach. Sie war so unendlich müde, erschöpft, einfach nur ausgelaugt. Aber sie lebte. Er hatte sie gefunden und gerettet. Sie wusste nicht wie, verstand es nicht, aber es war auch nicht wichtig. Er war zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen und nur das zählte. "Danke..." wisperte sie noch bevor sie wieder hinabglitt in das Reich des Schlafes und der Erholung.


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BeitragVerfasst: 7.04.08, 20:50 
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Der gestrige Tag war anstrengend gewesen und das in vielerlei Hinsicht. Sie hatte die letzten 2 Tage im Bett verbracht, immer nur kurz aus dem Schlaf hochschreckend. Ihr Körper war noch immmer geschwächt und ihre Hände zitterten wie Espenlaub bei der kleinsten Anstrengung oder Aufregung. Allein der Ritt hatte sie fast ohnmächtig werden lassen, an Arbeiten war gar nicht zu Denken gewesen. Es war wohl richtig gewesen sie wieder ins Bett zu stecken und ihr weitere Ausflüge nach Falkensee strikt zu untersagen. Das sah sie ja sogar ein, bis vorhin hatte sie nicht einmal Nahrung bei sich behalten können.
Aber trotzdem fand sie keine rechte Ruhe, immer wieder stand sie auf und ging im Haus auf und ab. Zumindest hatte sie für eine Weile Besuch und somit ein wenig Ablenkung gehabt, doch jetzt saß sie wieder alleine draussen auf der Terrasse. Die Knie hochgezogen, die Arme fest um ihre Beine geschlungen und das Kinn auf ihre Knie aufgebettet, saß sie still in der Abendsonne, den Fellumhang fest um sich gewickelt. Ihr Blick ruhte auf dem leeren Platz neben ihr auf der gemütlichen Holzbank, dort hatte sie ihm noch vor wenigen Stunden die Schulter nassgeweint.

Vorsichtig streckte sie die Hand nach dem Becher mit dem dunkelroten Tee aus und nippte daran. Er war bitter, sie verzog mürrisch das Gesicht ein wenig, trotzdem trank sie ihn, musste ihn trinken. "Nur die Nerven, es wird schon wieder. Es braucht nur Zeit" hatte sie selbst gestern noch gesagt. Es stand zuviel auf dem Spiel, als dass es nicht hätte stimmen dürfen. Seufzend blickte sie auf die zittrigen Finger, die sich um den Becher krampften. "Wolltest Du sterben ?" hallte eine Stimme durch ihre Gedanken. Nein, verdammt, sie wollte ganz sicher nicht sterben ! Es war ihr auch nicht egal, es war ihr eigentlich gar nichts egal und gerade das war doch ihr Problem.
Kurz ballte sie die Hand um den Becher fester und das Zittern nahm deutlich zu. Ihre Gedanken wanderten zurück zum gestrigen Abend, an das leise Gespräch, an die Verwirrung die wieder in ihr hoch gebrannded war und an die immer noch ausstehende Entscheidung. Sie war da, sie lebte, mehr konnte sie momentan nicht tun...


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BeitragVerfasst: 10.04.08, 11:01 
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Völlig geschwächt rutschte sie tief in der Nacht von ihrem Wallach. Die Welt um sie herum drehte sich leicht, ob nun wegen des Schnapses oder all der Worte die heute gefallen waren, dass wusste sie nicht genau. Ihr war nach Weinen und Lachen gleichzeitig zumute und sie war dankbar, dass sie den Heimritt aus Falkensee zurück nach Brandenstein nicht hatte alleine zurücklegen müssen. Sie musste jetzt schlafen, sich ausruhen, ihre Kraft war erschöpft und schon seit Stunden hatte das Zittern in ihren Händen wieder massiv zugenommen. Das Haus und die Felle empfingen sie mit wohlvertrauter Wärme und Geborgenheit...

Schwarze Asche wohin sie nur sah... der Boden war voller Asche, verbrannte Details zur Unkenntlichkeit pulverisiert... Auf Knien kroch sie über den Untergrund, um sie herum wirbelte es staubig auf und trieb ihr die Tränen in die Augen, sie hustete würgend. Aufstehen, sie musste aufstehen, doch so sehr sie sich auch aufzurappeln versuchte... es gelang ihr einfach nicht. Wie eine unsichtbare Macht, die sie ständig wieder niedderrang lag eine tiefe Schwere auf ihr. Der Horizont glühte rotleuchtend auf, als würde in weiter Ferne ein Feuer toben. Mühsam robbte sie weiter vorran, blind und schwer atmend, ihre Finger tastend vorausschickend. Da ! Ein Vorsprung... sie fühlte eine felsige Kante und hob den Kopf, blinzelnd, bemüht das vor ihr liegende zu erkennen... Ein steiniger Schlund, an dessen Grund ein Strom aus glühender Lava dahinfloss, brodelnd... die Hitze schlug ihr unvermittelt ins Gesicht und sie zuckte zurück. Sie spürte die Glut, die Tristesse dieses Ortes und es legte sich eine tiefe Melancholie in ihr nieder. Zitternd zog sie sich näher an den Abgrund heran, sich nahe der Kante zusammenrollend wie eine schläfrige Katze. Die Hitze der Lava legte sich schwer über sie, sie schloss die Augen. Leise regnete die aufsteigende Asche über sie nieder, doch das spürte sie nicht mehr. In ihr herrschte eine ungewohnte Leere, alle Gedanken waren verstummt...
'Was tust Du hier ?' erscholl eine Stimme wie aus dem Nichts, tief und rauh. 'Suchen...' antwortete sie regungslos, die Augen geschlossen. 'Und was suchst Du ?' fragte die Stimme. 'Vergebung... ?' murmelte sie leise 'Ich weiss es nicht mehr... Ich habe es vergessen...' Etwas in ihrer Nähe schien sich zu bewegen, als würde jemand auf sie zugehen, doch sie war zu erschöpft die Augen zu öffnen. Doch... da war etwas, sie spürte eine leichte Erschütterung, eine Berührung und ihr war als würden sich zwei Arme unter ihren Körper schieben und sie empor heben. 'Was tust Du... ?' flüsterte sie fast tonlos in die Schwärze, doch eine Antwort blieb aus. Sie schauderte auf, mühseelig mit letzter Kraft, so schien es ihr, hob sie die Augenlieder und blickte in Augen... diese Augen... sie waren...


Keuchend flog sie aus ihrem Nachtlager empor...


Zuletzt geändert von Asha: 10.04.08, 16:19, insgesamt 1-mal geändert.

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BeitragVerfasst: 13.04.08, 15:05 
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Die Luft war noch kühl am frühen Morgen in Brandenstein und eine zarte Atemwolke stieg vor ihrem Gesicht auf, während ihre Beine fast mechanisch einen Laufschritt vor den anderen setzten. Locker schwangen ihre Arme seitlich an ihrem Körper im Takt mit. Sachte hob sich ihr Brustkorb bei jedem Atemzug, der die frische Luft weit hinab in ihre Lungen pumpte. Als sie in den Park einbog verlangsamte sie ihre Schritte unwillkürlich und verharrte dann einen Moment an dem kleinen Teich mit den wunderschönen Seerosen. Tief durchatmend stemmte sie die Hände in die Seiten und beugte sich leicht vor. Sie mochte diesen Platz mehr als jeden Anderen auf dieser Insel. Hier hatte sie Ruhe, den Kopf frei und hier war auch der Entschluß gefallen die Alchemie aufzugeben. Sie hasste es, nein, hasste sich selbst dafür, dass sie nicht verantwortungsvoll mit ihren Kenntnissen umgegangen war. Und noch mehr hasste sie sich für All das, was sie zerstört hatte. Kurz schloss sie ihre Augen, als könne sie damit den Blick auf die Realität verschliessen. Der Schweiß perlte auf ihrer Stirn, ihr an der Wange hinabrinnend. Kurzerhand straffte sie sich und nahm ihr Laufen wieder auf, raus aus dem Park, wieder zurück zu den Feldern...
...
Nachdenklich glitt ihr Blick an sich herunter, haftete hier und dort an der Lederrüstung fest und schweifte dann weiter. Vorsichtig, fast skeptisch hob sie den Arm und lauschte auf das leise Knatschen des Leders, welches sich über ihren Arm spannte. Zweifelnd streckte sie den Arm vor ihrer Brust aus, um sich zu vergewissern, dass die Rüste sie nicht allzu sehr einschränkte. Was hatte sie sich da nur angetan ? stirnrunzelnd blickte sie hinüber zu dem Stab, der ruhig an der Wand vor ihr lehnte. Langsam streckte sie ihre Hand aus, um die Finger um das Holz zu legen. Es musste sein, sie brauchte das Training jetzt dringender als jemals zuvor. Und das ganz gewiss nicht nur für ihren Körper. Entschlossen hob sie den Stab und trat hinaus in den Regen. Zumindest würden ihr bei diesem Sauwetter nicht irgendwelche Gaffer auf die Nerven gehen. Eilig durchquerte sie die Stadt gen Turnierplatz...


Zuletzt geändert von Asha: 29.04.08, 20:16, insgesamt 1-mal geändert.

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BeitragVerfasst: 19.04.08, 11:27 
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Langsam, Stück für Stück, sank ihr Körper in das Badewasser hinab. Jede Faser ihres Körpers ächzte unter der wohltuenden Wärme des Wassers auf, sich der gewünschten Entspannung förmlich entgegenwerfend. Das morgendliche Laufen fiel ihr zusehends schwerer und das Training mit dem Stab raubte ihr die letzten Kräfte. In ihren Schläfen hämmerte ihr Puls, diese Kopfschmerzen würden sie noch um den Verstand bringen. Sachte presste sie ihre Zeigefinger dagegen, um den Schmerz zumindest für den Augenblick zu lindern. Ihre Augenlieder fielen in einer fast ergebenden Art und Weise zu, den Kopf nach hinten angelehnt, gegen das kühle Mauerwerk gepresst. Die Schläfen, diese empfindliche Stelle am Körper eines Jeden, die so tödlich sein kann. Noch vor wenigen Stunden hatte sie darüber gesprochen. Ein Ort der Schmerzen, der Entspannung, ein wahrer Zwiespalt, so wie sie selbst. Sie griff nach der Flasche mit dem Öl auf der Ablage und tropfte etwas davon in das Badewasser. Rosenöl, aus ihrer Heimat, Zuhause, dieses Wort hatte einen ganz neuen Klang bekommen seitdem sie hier war. Es war süß und bitter zugleich. Ihre Finger schlossen sich enger um die Flasche, als könne sie damit ein Stück ihres alten Lebens wieder zurückholen, zurückreisen in ihre Vergangenheit zu einem Zeitpunkt als sie noch glücklich war.

Klirrend zersprank die Flasche an der steinigen Wand, die Scherben regneten in das Badewasser hinab, im Schein der Kerzen fast spielend aufglitzernd. Das Öl rann langsam aber stetig die Mauer hinab, sich seinen Weg durch die Ritzen der Steine bahnend, in den Mörtel kriechend. Schlagartig verbreitete sich der schwere, konzentrierte Duft des Rosenöls in dem kleinen Raum, schwängerte die dampfende Luft und für einen Moment schien die Luft zum Atmen knapp zu werden. Schlaff fiel ihr Arm mit leisem Platschen zurück in das Wasser. Schwer schluckte sie, den Kopf wieder nach hinten sinken lassend, die Augen starr gegen die Decke gerichtet. Sie hatte es satt, so unendlich satt. Diese Gespräche, dieses sich im Kreis drehen, immer die selben Worte, die selben Gedanken, keine Lösung, keine Einigung, kein Frieden. Erneut presste sie die Finger gegen die Schläfen, Hitze wallte durch ihren Körper. Tief in ihrem Inneren schien irgendwas zu bersten, knackend wie die Hülle einer Larve wenn der Falter daraus hervorbricht, dröhnend klang es für einen Wimpernschlag durch ihre Seele, dann verhallte es im Nichts.

Kurz schien die Zeit anzuhalten, als hätte die Welt um sie herum aufgehört zu existieren. Dann schlug ihr Herz kurz pochend auf und der Kopfschmerz verebbte auf der Stelle. Ruhe, Frieden, sie würde es wiederfinden.
Entschlossen erhob sie sich aus dem Bad, wickelte sich in eines der großen Leinentücher und stieg die Treppen hoch. Es war Zeit ...


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BeitragVerfasst: 24.04.08, 15:36 
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Die Tür fiel mit einem leisen Klicken hinter ihr ins Schloß. Die wievielte Unterkunft war das jetzt seid sie auf der Insel war ? Sie wusste es nicht mehr und es war ihr auch egal. Ein bitteres Lachen entrann ihr als sie sich gegen die kühle Mauer lehnte und sich im Raum umblickte. Gleichgültigkeit war ihr neuer Begleiter geworden, ein verabscheuungswürdiger bester Freund an ihrer Seite, ein Schatten hinter ihr, der hämisch leise lachte, wenn sie darauf lauschte. Und doch beschützte er sie, gab ihr die Kraft gegen den Taumel der sie derzeit umgab zu bestehen. Er hüllte sie ein wie ein Mantel, an dem es abprallen konnte, all dieser Schmutz, all diese Lügen und all dieses Gerede, welches auf sie niederprasselte wie der stetige Regen auf die Insel.

Langsam strich sie sich mit der Hand das nasse Haar aus der Stirn, das Gesicht aschfahl, die Augen feucht schimmernd. Echte Tränen kamen ihr schon lange nicht mehr, sie hatte keine mehr zu vergießen. Für wen oder was auch ? Sie hatte nichts mehr für das es sich zu weinen lohnte, auch wenn sie das noch bis vor kurzem gedacht hatte. Ein heftiger Stich zog durch ihr Herz, aber er brachte sie nicht einmal mehr zum Zucken. Regungslos an die Wand gelehnte ergab sie sich dem Schmerz, der langsam wieder in ihr verebbte. Da war nichts mehr, rein gar nichts anderes mehr. Sie hatte gesetzt und verloren. Wer auf die falschen Pferde wettet gewinnt nunmal nicht. So sah es aus. Jetzt gab es nichts mehr zu verlieren, nichts mehr wofür es sich zu kämpfen lohnte. Sie schloss die Augen und ließ die letzten Tage in ihrem Geist vorüberziehen. Zwischen himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt war sie auf- und abgerissen worden, fremdgesteuert durch ihr eigenes Leben gezerrt, hilflos dem Ganzen wie ein Fremder beiwohnend. Mit wem auch immer sie gesprochen hatte, es war in Streit geendet. Oder damit dass sie nur mitleidige Blicke erntete. Niemand verstand sie, aber wie sollten sie auch ? Sie war doch selbst zu verwirrt um das Alles zu verstehen. Und wenn sie ehrlich zu sich war, gab es auch Niemanden mit dem sie jemals über Alles wirklich offen gesprochen hatte. Das wenige Vertrauen was sie jemals geschenkt hatte war ihr eh schon ausreichend zum Verhängnis geworden. Ein jeder hielt sie nur für das dumme Blondchen, dem man zu sagen hatte was sie tun oder lassen sollte. Als ob sie selbst zu unfähig wäre ihr Leben, ihre Arbeit und alles Andere selbst zu meistern. War sie das denn wirklich ? Unfähig ?

Wie eine Ertrinkende streckte sie ihre Hand in das Dunkel vor sich aus, als wäre dort Irgendetwas oder Jemand der sie retten könnte, doch sie griff wie erwartet ins Leere. Leise seufzend öffnete sie die Augen wieder und sah sich um. "Willkommen im Nichts " murmelte sie sich selbst mit zynischem Ton in der Stimme zu...


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BeitragVerfasst: 29.04.08, 19:25 
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Dumpf klangen die Hufe des Wallachs auf den Pflastersteinen der Strasse vor ihr und leise hallte es von den im Dunkel liegenden Häusern zurück. Hinter keinem der Fenster brannte mehr eine Kerze oder ein Kaminfeuer, die Stadt schlief. Was hatte sie nur dazu getrieben am Morgen in die Stadt zu kommen ? Es musste ihr doch klar gewesen sein, dass sie wieder nur jemanden traf und zu allem Überfluß auch noch das Gebäude betreten musste, welches sie noch nicht einen Gedanken lang vermisst hatte seit sie gegangen war. Nichts hatte sie dort angerührt, es wiederstrebte ihr sich dort heimisch zu fühlen. Die Leere, die in ihr gähnte, wollte sie nicht füllen, nicht jetzt, mit nichts und mit niemandem.
Flüchtig blickte sie die Seitenstrassen zu ihrer Linken und Rechten hinauf, nur um dann seelenruhig weiter durch die Stadt zu reiten. Es war doch eh niemand mehr unterwegs, wie jede Nacht die sie bisher hierher gekommen war, alleine. Die Wache vorne am Tor war schon längst eingeschlafen und die restlichen schliefen sicher in ihrem Quartier den Schlaf der Gerechten oder der Bestechlichen oder was auch immer. Selbst Jene, welche sich sonst oft bis zum frühen Morgengrauen am Marktplatz rumtrieben waren nicht zu sehen. Langsam lenkte sie das Pferd zum Brunnen, zügelte es an seinem Rand und ließ den Wallach einige Schluck Wasser trinken während sie sich vorne auf den Sattel stütze und den Blick über den Platz schweifen ließ.

Vor ihrem geistigen Auge tauchten Gestalten auf und bevölkerten den Markt. Dort lehnte ein Paar sich an einen der Marktstände, unterhielt sich, scherzte und lachte. Dort saß eine junge Frau neben einem Mann am Brunnen und weinte. Zwei Gestalten kicherten verschwiegen unter einem der Dächer der Stände und zeigten mit den Fingern Richtung Brunnen. Eine gellende weibliche Stimme scholl als Schrei über sie hinweg. Sie hörte Wortfetzen eines Streites und von irgendwoher drang ein Flüstern mit liebkosenden Worten zu ihr heran. Blut tropfte auf eine Stelle 2 Schritt vor ihr auf das Pflaster, wie aus dem Nichts und ein Hauch von Duft nach endophalsicher Rose schwebte über Allem. Die unwirkliche Szenerie brgann sich zu drehen, wirbelte im Kreis um sie herum. Einzelne Figuren lösten sich daraus hervor, die sie nun zu Umkreisen schienen, als wäre all dies nur auf sie allein konzentriert, wie Geister aus einem früheren Leben, halb durchsichtig, flatternd und flirrend. Gleichmütig ruhte ihr Blick auf jedem einzelnen Gesicht, den Kopf leicht zur Seite geneigt schaute sie fast durch sie hindurch.

Der Schrei einer Eule riß sie aus ihren Gedanken und die Bilder vor ihren Augen verpufften wie Seifenblasen im Wind. Langsam hob sie ihre Hände an, um sich die Kapuze vom Kopf zu streifen und den Blick erneut über den Platz wandern zu lassen.
Kaum hatte sie ihr Gesicht in das fahle Licht des Mondes gehoben, löste sich ein Schatten von einer der Hauswände und schritt langsam auf sie zu. "Du bist spät..." klang die Männerstimme leise über den Platz. "Und Du beobachtest mich schon wieder..." entgegnete sie ruhig mit einem Lächeln auf den Lippen. "Irgendwer muss ja ein Auge auf Dich haben, nachher klaut Dich noch einer der bösen Männer." antwortete ihr die Stimme nun sichtlich amüsiert. "Das wäre ja mal ganz was Neues" erwiederte sie und schon scholl ein zweistimmiges Lachen über den Platz hinweg, verhallte in der Nacht...


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 Betreff des Beitrags: Re: Vom Sein und Nicht-Sein
BeitragVerfasst: 18.05.08, 12:17 
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Die Strahlen Felas tauchten die grüne Wiese in ein helles Licht und ihr fröhliches Lachen scholl weit über die Fläche. Mehr hüpfend als laufend eilte sie über die Wiese, mit weit ausgestreckten Armen, ganz so als wolle sie ganz Tare umarmen. Das blonde Haar wehte sachte im lauen Wind des Vitama und das zarfarbene Gewand umspielte ihren Körper wie eine liebkosende Hand. Mit einer wirbelnden Drehung um sich selbst ließ sie sich auf den Rücken ins Gras fallen, den Blick mit einem erneuten Auflachen zum Himmel hoch gerichtet.
Sie wusste es war an der Zeit zurück zu kehren, dorthin wo so Einiges begonnen aber auch geendet hatte. Jetzt wo ihr dies nichts mehr antat, nichts davon mehr auch nur einen Hauch von einem Schatten auf ihr Gemüt legen konnte.
Es war nicht richtig gewesen mit einem Sack voller alter Sorgen und Gedanken her zu kommen auf diese Insel. Ihr hätte klar sein müssen, dass dies nur noch zu mehr Sorgen und Gedanken führen müsste und genauso war es schlussendlich auch gekommen. "Lass niemals zu das Sorge Deine zarte Seele verdunkelt" hatte ihr Vater stets zu ihr gesagt. Ein leichter Stich durchzog sie bei der Erinnerung an ihn. Dunkelheit, welch eine Ironie. War es doch das Dunkel gewesen welches ihr das Licht wieder zum Freund gemacht hatte.
Und nun lag sie hier, wie schon so oft in den letzten Tagen, befreit von sich selbst, im satten Grün und ihre Seele atmete erleichtert auf. Ihr Pferd graste einige Schritt von ihr entfernt, bereits gesattelt und bepackt mit ihren Sachen. Sie würde so Einiges zu erklären haben und auf Vieles würde sie keine Antwort zu geben wissen. Das würde sicherlich nicht leicht werden, aber es war nötig.
Noch ein letztes mal schweifte ihr Blick über diesen Ort, bevor sie sich hochdrückte und langsam zu ihrem Wallach herüber ging. Sie würde wieder kommen, zu dieser Wiese, zu der helfenden Hand die ihr gereicht wurde und zu dem Heim der letzten Zeit. Sie schwang sich auf ihr Pferd, lenkte es sacht gen Brandenstein...


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