Und abermals trugen ihre Schritte sie in den Keller hinab, der ihr in letzter Zeit zu einem verschwiegenen Freund geworden war. Ein Raum des Trostes und des Rückzuges für ihre geschundene Seele, der selbst Vitama keinen Trost mehr spenden konnte. Langsam trat sie an die Arbeitsfläche heran, stellte ihre Tasche darauf ab und griff routiniert zu einer Rolle Bandagen. Mit leerem Blick zog sie die nur noch halb gefüllte Phiole aus dem Innenfutter ihrer Weste, legte diese auf die Bandagen, um danach ihre Finger an ihr Bein, zu dem Dolch in ihrem Stiefelschaft gleiten zu lassen. Wie in Trance rollte sie ihren Ärmel hoch, setzte die Klinge knapp neben die bereits geschlossenen Schnittwunden und zog sie eine Spur zu tief über ihren Arm. Blut rann über ihren Unteram hinweg, der Dolch entglitt ihren Fingern und fiel blutbenetzt auf die Arbeitsplatte.
Ihre Hände zitterten, ihr Blick flackerte kurz, dann griff sie mit unruhiger Hand zu der Phiole. Schwach grünlich glitzerte die Flüssigkeit durch das Glas. Die Dunkelheit des Kellers umgab sie wie ein schützender Mantel, nur eine einzelne Kerze beschien ihr Machwerk. Ihre freie Hand streckte sich nach der Pipette aus, griff vorbei, dieser einen Stoß versetzend. Das feine Glas des Glasrörchens knirschte leise auf, ächzte förmlich und zersprang, noch bevor sie erneut danach greifen konnte. Ein leises Fluchen entrann ihr. Krampfend schlossen sich nun die Finger der linken Hand um die Kante der Ablage, um ihren Arm ruhig zu stellen, dann hob sie die Phiole, den Blick starr auf die Flüssigkeit gerichtet. Ihr Blut tropfte vor ihr lautlos zu Boden. 'Dann eben so' knirschte sie mit zusammen gebissenen Zähnen innerlich. Einen Wimpernschlag lang schloss sie die Augen und begann dann die Flüssigkeit direkt aus der Phiole in die Wunde tropfen zu lassen. 'Arbeite niemals ungenau, Kleines. Die Essenzen und Destilate sind zu konzentriert um sie nicht penibelst abzumessen. Ihre Wirkung könnte verheerend sein, solltest Du eine falsche Dosierung wählen. Aber das würdest Du ja nie tun, nicht wahr, mein Sonnenschein' klang eine Stimme aus ihrer Erinnerung herauf. "Vater..." keuchte ihre dünne, brüchige Stimme auf, kurz davor sich wieder in ihrem Schmerz zu verlieren. Ihr Körper wankte unter der Last der aufwallenden Erinnerungen, ihre so mühsam aufrecht erhaltene Beherrschung begann zu kippen und mit ihr der Inhalt der Phiole. Schwallend ergoß sich der Inhalt über ihren Arm.
Die wohlbekannte Kälte stieg kribbelnd in ihrem Arm empor, schnell, viel zu schnell. Betäubt glitten ihre Finger von der Tischkante ab, der Arm fiel schlaff gegen ihren Körper. Entsetzen macht sich in ihr breit als sie begriff. Eine einzelnde Träne rann ihre Wange hinab. "Verzeih mir..." presste sie unter der drohenden Ohnmacht hervor, dann schlug ihr Körper auf den Steinboden des Kellers auf...
Knatschend sanken die Hufe des Schimmels in den spannhohen Schnee ein. Auf den kahlen Ästen der Bäume glitzerte der Frost in der Sonne. Trabend trug das Pferd sie durch die kalt-weisse Landschaft, in der es Nichts ausser der Weite und den vereinzelten Bäumen zu geben schien. Nackt baumelten ihre Füsse an dem Leib des Pferdes herunter, ihr Körper in ein überlanges silber-weisses Kleid gewandet. Um ihre Schultern lag ein ebenso weisser Fellumhang. Irritiert blickte sie an sich hinab... 'Wo ? Was ?'... Sachte wog sie im Takt des Pferdes... Sie verstand das nicht... Sie wusste nicht was das zu bedeuten hatte... Eine Stimme drang an ihr Ohr, wie aus weiter Ferne. Sie rief einen Namen... 'Ist das mein Name ?' Seltsam bekannt erschien ihr die Stimme, doch konnte sie sich nicht erinnern zu wem sie wohl gehören mochte... Sie wand ihren Kopf zurück, in die Richtung aus der die Stimme zu kommen schien. Ihr Blick fiel auf den Schnee... keine Hufspuren... war sie denn nicht dort entlang geritten ? Das Rufen wurde lauter, fast als würde derjenige ihr folgen. Doch sie konnte niemanden erblicken. Hier waren nur sie, das Pferd und der Schnee, diese merkwürdige weisse Szenerie... Sachte stieg Wind über ihr auf und wehte ihr das Haar aus dem Gesicht. Nachdenklich kräuselte sich ihre Nase... Sachte griff sie Richtung der Zügel des Pferdes, doch ihre Finger glitten ins Leere... 'Wer bist Du ?' Wie von unsichtbarem Gebirge zurückgeprallt hallte ihre innere Stimme durch ihren ansonsten leeren Geist. Warum kannte sie diese Stimme ? Sie kannte sich selbst ja nicht einmal... Deutlich nahe klang jetzt wieder das Rufen... suchend glitt ihr Blick über den Schnee. Plötzlich fühlte sie eine Berührung... da war doch niemand. 'Was passiert hier ?'... Erschrocken zuckte sie zusammen als eine Wärme in ihrem Innersten erstrahlte... 'Wer... Was bist Du ?' Keuchend entwich ihr Atem in die kalte Luft, eine sachte Wolke stieg vor ihrem Gesicht auf. Ihre Augen weiteten sich... dann brach plötzlich ein Schütteln durch ihren Körper. 'Aber was... ?' Wie unter Krämpfen wand sich ihr Körper in der Wärme, Schmerzen zogen blitzartig durch ihren Leib... ein Schrei... 'Ist das meine Stimme ?'... Alles schien sich zu Drehen... die Umgebung verschwamm vor ihren Augen... Der Schmerz in ihr explodierte und gleissendes Licht blendete ihre Augen... dann wurd es schwarz um sie herum...
Zuletzt geändert von Asha: 29.04.08, 20:10, insgesamt 1-mal geändert.
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