Monotonie der Geräusche, gleichförmig und doch immer wieder neu. Wellen, die das Schiff mit den schwarzen Segeln empor hoben, sinken ließen, und jede Illusion von festem Boden zerstörten. Die Geräuschkulisse der Mannschaft, diszipliniert und auf knappe Zurufe beschränkt, die stets einen Bogen um die Passagiere schlugen. Man mied sie nicht, aber bot ihnen respektvollen Freiraum. Ungewohnt, neu. Die Küstenlinie Siebenwinds war bereits vor vielen Stunden vom Horizont verschwunden, existierte nur noch in ihrer Erinnerung. Ebenso lange stand sie nun bereits an der Reling, nach Süden über das endlos scheinende Meer hinweg sehend. Die Wellen bei ihrem ewigen Auf und Ab beobachtend, den Sternenhimmel, Felas unwirklich schönen Schein, als sie sich aus dem Wassergrab erhob.
Freiheit.
War es nicht paradox, sich in jenem Moment frei zu fühlen, in welchem man opferte, was einem Heimat geworden war? Als sie zuletzt an einer Reling stand, der Küstenlinie entgegen fuhr, war sie ein verzweifeltes Mädchen gewesen, noch ein Kind. Sie hatte nach Antworten gesucht, nach einem Ort an dem man ihr die Tür öffnete, wenn sie klopfte. All das hatte sie gefunden, wenn auch anders, als sie sich diese Träume ausmalte. Sie hatte gelernt, dass wahre Nähe zu einem Menschen Autonomie erfordert, Gleichstellung. Das wahre Freundschaft Kampf bedeutet, Stärke und Schmerz. Das man ein Zuhause in sich trägt, unabhängig vom Ort. Ardis lächelte, ein wehmütiger, abwesender Glanz, während der Wind das rotbraune Haar durcheinander brachte. Betrachtete man es auf diese Weise, hatte sie nur geopfert, was sich ohnehin nicht festhalten ließ. Und wieder paradox, dass man gerade an einem so düsteren Ort lernte, ein Mensch zu sein.
Sie hatte begonnen, nach Macht zu greifen. Genoss die wilde Gier, die ihr Selbst auszulöschen drohte, das Hantieren mit einer Kraft die Schwächere zermalmte. Gewann an Stärke, an Wissen. Und doch waren es die Menschen, de sie wahrhaft berührt hatten. Immer nur die Menschen. Ihre Lehrmeister, ihre ersten Schritte um eigenen Schülern etwas zu lehren. Skrupellos, wo es notwendig war. Menschlich, wo es möglich war. Ein Stern für einen zaudernden Schüler, um niemals zu vergessen, das man seine Schwächen, Hoffnung und Träume brauchte, um innerhalb dieser Mauern zu überleben.
Sie lehnte sich an die Reling, die Unterarme darauf gekreuzt, ließ den Wind mit ihrer Kleidung, ihrem Haar spielen. Immer noch war das Gefühl auf den Hochturm zuzusteuern, in ihrem Gepäck die erkämpfte Robe, surreal. So surreal, wie die Sicherheit, ihn auf diesem Schiff wahrzunehmen. Er hatte seine Entscheidung nicht rückgängig gemacht, nicht erklärt, nichts. Aber er war hier, sie konnte ihn spüren, eine Präsenz, die ihren Nacken kribbeln ließ. Er hatte sie gelehrt, dass man manchmal loslassen musste was man liebt, um es wachsen zu lassen. So, wie er ihr vieles mehr gegeben, genommen und sie gelehrt hatte. So, wie sie der Frau vieles verdankte, deren Wesen wie ein Fels in der Brandung war. Auch sie war hier, nahe und vertraut, verankert in ihrer Wahrnehmung. Sie hatte tiefe Wurzeln geschlagen, von jenem Moment an, wo zwei Mädchen einander in der Kälte schwarzer Mauern Wärme schenkten. Es tat wohl, sie so nahe zu wissen. Ebenso wie es schmerzte, ihn nahe zu wissen, und doch schweigen zu müssen.
Er hatte ihr einst gesagt, dass es keinen Ort geben würde, an den sie laufen konnte. Keinen sicheren Hafen, in welchem sie sich verstecken konnte. Er würde sie finden, sie holen, gleichgültig wohin sie ging. Was anderen eine Drohung war, gab ihr Sicherheit und Halt. Sie hatte zuletzt doch verstanden, Ruhe gefunden. Und auch wenn etwas in ihr schrie, als der schwarze Mann, das Schreckgespenst so vieler Geschichten, ankündigte, nicht mit ihr zu gehen, blieb sie still. Er konnte sie nicht verlassen, nicht mehr. Und sollte er es versuchen, würde sie es sein die ihn jagte. Sie hatte ihren Aufstieg mit Blut, Schweiß und Schmerz erarbeitet, und sie scheute kein Mittel, keinen Weg um sich den Lohn zu nehmen. Dieser Lohn war nicht nur Macht, Selbstsicherheit und Verderben. Er war auch Liebe, Nähe und Freundschaft. Ambivalent, wie eh und je.
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