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 Betreff des Beitrags: Unausgesprochenes
BeitragVerfasst: 27.01.10, 21:26 
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Einen Tag, nachdem sich ein Brief an Ancabeth Mertenstein im Schlafsaal fand, landet ein an "Brand Windflüsterer" adressiertes Kuvert auf dem Arbeitstisch des Priesters.

Werter Brand,

Du siehst mir sicherlich nach, dass ich es vorziehe, Dir auf diesem Wege zu antworten, aber ich denke, wir wissen beide was passiert, sollte man es erneut im Gespräch versuchen. Du wirst wieder irgendwas sagen, was mich provoziert, ich werde es vorziehen, das Gespräch zu beenden, und danach fliegt mir wieder ein Belehrungsversuch von Dir entgegen. Davon abgesehen kann ich mich auf diese Weise in aller Ruhe auf das konzentrieren, was gesagt werden sollte - Papier ist schließlich geduldig. Reden wir also zivilisiert.

Du sagst also, der Mensch ist niederträchtig. Sage mir, was führt Dich zu dieser Überzeugung? Ich sah viele Menschen, Brand. Wirklich viele, und kaum viel weniger als Du. Ich habe Böses gesehen, und Gemeines, und Grausames. Aber genau so waren da Freude, Ehrlichkeit, und echte Wärme gewesen. Herr Ignis lässt seine Flamme in einem jeden von uns gedeihen, und nicht bei allen muss sie sich zu schwarzem Rauch wandeln. Ich erinnere mich gut an all die Hände, die uns an Dunkeltief halfen als wir fast umkamen, allein durch den Wald irrend, an den Nortraven, der sein Leben für uns riskierte, und den Heiler der sich so rührend um uns kümmerte, als wären wir seine nächsten Anverwandten. Woher kommt all das, wenn die Menschen niederträchtig wären?

Ich könnte Dich auch fragen, ob Du meinst, Ada wäre unehrlich zu Dir Brand, oder ich. Sind wir es, was denkst Du?
Ich könnte Dich noch Weiteres fragen. Zum Beispiel wie Du dazu kommst, uns mit Schmerz abhärten zu wollen. Das war doch Deine Absicht, nicht wahr? Ebenso wie Du dazu kommst zu denken, wir wären dieser Abhärtung überhaupt bedürftig...mhr. Gut Ada vielleicht, sie ist ein Huhn.

Vielleicht merkst Du, worauf ich hinaus will. Du nimmst Dinge an Brand. Du fragst nicht und Du schaust nicht, Du nimmst sie bloß an, doch handelst sie dann als Wahrheit, als Tatsache. Es ist übrigens nicht so, als wäre ich Dir böse...nicht in dem Sinne. Aber ist auch nicht wieder gut. Ich denke überhaupt nicht, dass es wieder vollends gut werden kann - doch das kann allein die Zeit zeigen. Vielleicht erkläre ich mich hierzu einmal genauer, aber nicht dieses Mal.

Eine Frage hätte ich allerdings noch. Kannst Du mir bei allem, was Dir heilig ist, schwören, dass es demletzt keine Geste der Wut war, als Du das Wasser nach mir geschleudert hast? Kein Verlangen nach Schmerz?

Es sind viele Fragen geworden, aber vielleicht müssten sie allmählich geklärt werden.

Ancabeth



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Die Idee der "freien Entfaltung der Persönlichkeit" scheint ausgezeichnet, solange man nicht auf Individuen stößt, deren Persönlichkeit sich frei entfaltet hat.


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 Betreff des Beitrags: Re: Unausgesprochenes
BeitragVerfasst: 28.01.10, 00:39 
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Der Brief an Brand gerichtet wurde einfach umgedreht, die Rückseite wurde mit einem Schaber von dem Schriftzug der dem Empfänger verkündet befreit. An dieser einen Stelle ist das Pergament ein wenig dünner und rauer und man sieht die Buchstaben auf der anderen Seite durchschimmern. Schlicht einmal in der Mitte gefaltet findet sich der Brief auf Ancabeths Bett wieder, zwischen die Decke und das Kissen geklemmt, sodass noch ein Zipfel hervorlugt. In geschwungener, roter Tinte wurde Folgendes festgehalten:


Ancabeth,

In meinem ersten Brief räumte ich bereits vereinzelte Ausnahmen zu dieser Regeln ein. Ich möchte an dieser Stelle aus Respekt für eben jene Recken nicht näher darauf eingehen, und doch beschäftigt mich momentan die Frage, ob eine gute Tat immer nur um der Güte und der Freundlichkeit willen geschieht. Dies wäre natürlich der wünschenswerte Stand der Dinge, aber auf dieser Insel ist wenig recht und in Ordnung. Wo jeder praktisch jeden kennt, wo Gerüchte sich schneller verbreiten als ein Lauffeuer, da ist anzunehmen, dass großer Wert auf den Ruf, den guten Leumund gelegt wird. "Tue Gutes - und sprich darüber" ist ein Merkspruch, den ich dazu einst in der Bibliothek Ventrias las. Ist es so nicht Eigensinn und Selbstsucht, die Manche zum Verrichten guter Taten treiben? Natürlich befreit es die Insel von einem schweren Joch, wenn ein Dämon zurück in die zweite Sphäre verbannt wird. Und doch kann der Verbanner schon fast mit einem Zuwachs an Ansehen, Einfluss und Privilegien rechnen. Kann es sein, dass letztenendes die Mächtigen der Insel solcherlei Dinge ganz kühl kalkulieren, und so vermeintlichen Heldentaten eine unschöne Realität zu Grunde liegt?

Tatsache ist, dass uns Menschen im Vergleich zu den anderen Völkern Vieles erschwert wurde durch den Einfluss der fünf Götter, die an unserer Erschaffung mitgewirkt haben. Der Eine nämlich hatte und hat immernoch seine Finger im Spiel, und durch seinen unheiligen Odem der über uns und unseren Taten liegt wie ein erstickender Leichenschleier sind wir kurzlebiger, gewalttätiger, unmagischer und zerstörerischer von Natur als beispielsweise Elfen oder Zwerge. Was uns jedoch gelungen ist, ist wie die Kakerlaken ganz Falandrien mit unserer Gegenwart zu überziehen. Wir vermehren uns wie die Karnickel, durch den Einen befreit von einer gesunden Schranke was die Fortpflanzung angeht. So hat das Böse seinen Weg in die Welt gefunden: Nicht durch die vereinzelten Sphärentore, sondern als Saat in jedem von uns, die durch den Leib einer gebärenden Mutter diese Sphäre betritt.
So ist uns wie ein Erbe eine beständige Schuld auferlegt, ein schweres Joch das wir zeitlebens kaum oder gar nicht werden ablegen können. Wir haben Gräueltaten zu verantworten, als eine gesamte Rasse. Um den Hunger Draconis' zu stillen werden tagtäglich dutzende Ährenfelder von eifrigen Sensen und Sicheln dahingerafft. Wir verschmutzen mit unserem Unrat die Gewässer und erfüllen die Luft in unseren Städten mit allgegenwärtigem, nasenbetäubenden Gestank.

Die blinden Augen eines Holzfällers können nicht sehen, wenn er in zielgerichteter Gier nach Holz und damit Dukaten eine äonenalte Eiche umhackt, dass er sich zugleich des Mordes an einem göttlichen Wesen schuldig macht. Hochmut ist es die uns zu Solcherlei treibt. Einerseits die trügerische Gewissheit, dass wir ja über die unraffinierte und grobe Natur erhaben, von den Göttern erhoben, wären. Andererseits, dass uns der Eine einflüstert, dass es kein Mord ist wenn man ein seelenloses Wesen umbringt. So ist die Natur der genius loci, der Ortsgeister, der Nymphen, wie auch immer man sie nennen mag: Seelenlose Wächter im Dienste der En'Hor, die die schönen Flecken ihrer Schöpfung mit ihrem Geist erfüllen und zu mystischem Leben erwecken und mit ihrer Kraft unterstützen. Schöne Seen - die wir vergiften; Ein großer Gänseschwarm - den wir niederschießen, braten und uns einverleiben; Ein kräftiger Hirsch - den wir seines außerordentlichen Geweihs wegen begehren und erlegen.

Es gibt eine einfache Grundlage, die ich anwende wenn ich mit Irgendjemandem spreche: "Jeder lügt." Ohne Ausnahme. Ada hatte in Aiglons Anwesenheit keine Scheu davor Ergebenheit zu heucheln und hinter meinem Rücken prompt die Absicht zu verkünden, nicht gehorchen zu wollen. Dies nur als letztes Beispiel in einer langen Reihe. Jeder lügt, jedem haftet irgendeine Schuld an, auch wenn sie nicht immer einfach zu entdecken sein mag. Denn zum Schlechten im Menschen gehört auch, dass wir uns ganz vortrefflich auf Lug und Trug verstehen. Blenden und Schein, nach außen hin lächeln - und hinter dem Rücken schon einen Dolch wetzen. Von diesem Prinzip gibt es keine einzige Ausnahme.

Die Menschen, egal ob Ersonter oder Malthuster, haben mir schon oft genug und deutlich zu verstehen gegeben, dass sie mich nicht brauchen und nicht unter sich haben möchten. Ich habe früher noch versucht mich nützlich zu machen: Der Semaphor, zahllose Bücher und Ratschläge, vieles mehr noch. Doch ist Rat nicht geschätzt, und ich werde nicht gebraucht - denn mehr habe ich nicht anzubieten. Die Menschen brauchen mich nicht und ich brauche diese Menschen nicht mehr.

Zuletzt noch: Der Grund, warum ich das Wasser nach dir schüttete war ein zweifacher. Zum Ersten ist eine meiner tiefsten Ansichten, dass man immer auf das Unerwartete, das Plötzliche und Gefährlich gefasst sein muss. Diese einfache, aber bestechend sinnvolle Lektion wird dir früher oder später das Leben retten, da bin ich mir sicher.
Zum Zweiten wollte ich dir aufzeigen, dass du deine Ausbildung noch nicht abgeschlossen hast. Aria, falls du dich noch an den Namen erinnerst, pflegte Bäder im Lavasee zu nehmen. Ich wollte dir lediglich aufzeigen, dass du noch zu lernen hast und vorsichtig sein solltest, Schlüsse zu ziehen ohne das gesamte Wissen zur Verfügung zu haben.

- Brand.

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 Betreff des Beitrags: Re: Unausgesprochenes
BeitragVerfasst: 28.01.10, 11:06 
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Erneut landet eine Antwort, auf frischem Pergament gar, auf dem Arbeitstisch des Priesters. Die Schrift wirkt dieses Mal etwas wacklig und unsauber.

Brand,

Du entschuldigst hoffentlich, wenn ich mich etwas wirr ausdrücken mag. Wie Dir anscheinend entgangen ist, gab es gestern einen kleinen Trollangriff auf Brandenstein. Nur ein paar Hundert Trolle, nicht mehr, dazu Goblinge und Wolfshunde aller Art. Die Verteidigung war für mich recht erschöpfend, die Hilfe für die Verletzten hinterher umso mehr. Ich verfluche erneut jene untote Missgeburt, die mir den Arm brach, wieviel einfacher wäre es mit zwei gesunden Händen gewesen... So oder so, als ich einen armen Mann aufgriff der kaum stehen konnte und in den Vorhof der Ecclesia verfrachtete, erschienen drei der ekligen Grünhäute plötzlich in der Stadt und überfielen uns. Als ich sie von dem Verletzten weglocken wollte, bekam ich einen Schlag auf den Kopf - und deswegen tut er mir heute weh. Schlecht wird mir auch, wenn ich zu schnell aufstehe. Um hier zum Punkt zu kommen: wenn ich mich wirr ausdrücken sollte, rührt es (hoffentlich) daher.

Natürlich mag Dein Argument des guten Leumunds nicht von der Hand zu weisen sein, in manch einem Fall. Doch habe ich jene, die uns an Dunkeltief halfen, noch nicht als gefeierte Helden gesehen. Noch weniger Fräulein Brijt, obwohl sie zwei andere vor den Dämonen schützen wollte - und würde ihr noch Ruhm zuteil werden, wäre es ihr auch gleich. Sie ist ja nämlich tot. In all solchen Fällen riskieren Menschen ihr Leben, Brand. Es ist viel mehr, als eine huldvolle Gabe an einen Straßenbettler. Denkst Du, die Gier nach Ruhm mag bei den Meisten so ausgeprägt sein, dass sie dafür Leib und Leben riskieren? Sind es nicht vielmehr ganz andere Motive, nämlich Aufopferung, Mitgefühl, Ehre, die viel schwerer wiegen als alles glitzernder Ruhmestand der Welt, schwerer, als das eigene Leben womöglich?

In ähnlicher Weise stellt sich mir auch der Einfluss des Namenlosen dar. Natürlich ist dieser Einfluss da, und er bringt Verderbliches mit sich - wie auch nicht. Doch allein eine einfache Rechnung dürfte doch aussagen, wieviel Einfluss da überhaupt sein kann: er ist einer gegen Vier. Nun zähle noch den Einfluss der Elementarherren dazu.Wir sind aus ihrer Materie geschaffen, wir tragen sie mit uns - auch in unseren Herzen. Es ist Ventus, der sogar Ada tanzen und Musik erspüren lässt, als wäre sie nie eine trampelige Magd gewesen, und es ist Ignis, der uns in Zeiten der Verzweiflung neue Kraft schenkt, ob in Form reinen Zorns oder glühender Hoffnung. Damit sind es also Acht in meinen Augen, denen gegenüber der Eine steht. Und da soll sein Einfluss so fatal, so bestimmend sein? Hälst Du den Einen für so stark oder die Acht für so schwach, Brand?

So sehe ich auch das Verhalten der Menschen nicht als bösartig an - zumindest nicht als grundsätzlich bösartig. Der Holzfäller weiß es vielleicht einfach nicht besser, der Jäger hat eine Familie zu ernähren. Und könnte man sich nicht auch fragen, weshalb uns Rien so Vieles an Gaben schenkt, wenn man sie nur anschauen solle? Weshalb Äpfel aber verderben, wenn man sie nur anschaut, Getreide fault, wenn man es nicht von den Feldern räumt? Die Dwarschim oder die Elfen nehmen sich ebenso der Gaben Riens an, ganz ohne dass der Namenlose sie je berührt hätte, vergiss das nicht. Mehr noch: hast Du je gesehen, wie ein Haufen Tauben eine einzige zu Tode hacken? Sind diese Tauben auch ein Werk des Namenlosen, oder aber bloß dumm? Ja sogar die seelenlosen Gewächse töten einander, und manch prächtige Ranke mag einen Baum ersticken und ausdörren.
Du siehst also Dinge bei uns Menschen, die eine jede Art mit sich trägt, mal mehr, mal weniger.
Sicherlich sind wir jene von den sprechenden Geschöpfen Tares, die sich am schnellsten und ausuferndsten verbreitet haben. Wir haben ja aber auch das kürzeste Leben. Stell Dir vor, die Elfen mit ihren...die sterben gar nicht, oder? Also stell Dir vor, die vermehren sich so. Da könntest Du ja heute keinen Fuß mehr irgendwohin setzen, ohne einen Elfen umzuschubsen. Sie haben ein unendliches Leben, wir leben in unseren Nachkommen weiter - es ist nur eine andere Form.

Ich will mit alledem nicht all unsere Verfehlen schön reden. Ja, der Schmutz in den Städten ist grässlich, und wir neigen zu sinnloser Zerstörung, zu Gier und Gewalt. Ich sehe darin jedoch nicht stets den Einfluss des Namenlosen, sondern viel öfter, wie bei den Tauben: Dummheit. Oder Unwissenheit, dies ist wohl häufiger. Wer macht sich denn auch die Mühe, eine jede Magd in Draconis aufzuklären, warum sie ihr Schmutzwasser nicht aus dem Fenster schütten sollte? Lehrt jemand den Sohn eines Jägers, auf dass dieser besser als sein Vater weiß, was er anrichtet? Erklärst jemand einem Straßenbettler, dass auch der Körper eines Menschen als Teil der Elemente in Ehren, in Sauberkeit und Ordnung gehalten werden soll?
Du kannst doch nicht Wissen und Verstehen als angeboren erachten. Und wären sie es, wären zumindest wir einer großen Aufgabe beraubt. Ist es schließlich nicht an uns, die Irrenden von Frevel wieder die Elemente abzuhalten? Ist es nicht an uns, von ihnen doch begangene Fehler zu bereinigen? Wir können nicht alle lehren, aber wir können aufpassen - und ist nicht diese Aufgabe als Wächter unsere vorrangigste?

Was lügen angeht...nun ja. Dies ist tatsächlich keiner Unwissenheit anzukreiden.Wer lügt aus Angst um sich, aus Angst vor Konsequenzen, aus Angst, den Anderen sein wahres Gesicht zu zeigen oder gar sich selbst ins Gesicht blicken zu müssen - dem mag man keine Duldung entgegenbringen. Noch weniger einem, der lügt um sich Vorteile zu verschaffen, der Intrigen spinnt, sich dessen schlimmstenfalls auch noch rühmend. Willensschwäche und Ehrlosigkeit sind Laster, die Verachtung verdienen, und sich in solchen Motiven wiederspiegeln. Aber sie sind lange nicht die einzigen Gründe, die zum Lügen verleiten können. Ich habe beispielsweise meine Tante darob belogen, woher meine Verbrühung kommt, und ich werde jeden anderen deswegen belügen, dem es auffallen sollte. Tu ich es aus Angst, um mir Vorteile zu verschaffen? Kaum. Ich tue es einerseits, um eine alte Frau nicht unnötig aufzuregen. Ich werde es andererseits tun, um Dir und der Ecclesia Schwierigkeiten zu ersparen. Das hätte hier ja gerade noch gefehlt. Eine Mutter lügt ihr Kind an, um ihm Ängste zu nehmen, derer es im Leben noch genügend haben wird. Ein Freund mag lügen, um nicht unnötig zu verletzen.
Was ich also sagen will: die Frage ist stets, warum man lügt. Und vor wem - lügt man andere an, oder sich selbst? Ein Mancher lügt sich vor, er wäre ehrenvoll oder gerecht, ohne es zu sein. Ein anderer stürzt sich selbst ins Verderben indem er sich vorlügt, er wäre weder gebraucht noch erwünscht. Was will man bezwecken, wenn man sich selbst anlügt, Brand?

Das Wasser schließlich - Du hast nicht geantwortet wie ich darum bat. Kannst Du beschwören, es wäre kein Zorn, keine Wut dahinter gewesen, oder kannst Du es nicht? Denn zumindest einer Deiner Beweggründe ist so nicht richtig in der Annahme. Ich mag einmal unverletzt im Lavasee baden (übrigens wurde er doch kaputt gemacht, von dem Namenlosen...ich sitze nicht nur untätig da, wertester Brand), aber heißes Wasser ist, trotz aller Hitze, noch immer das Element Xans. Und vor jenem habe ich wenig Schutz zu erwarten.

Ancabeth

P.S.: Gestern wurde Dein Semaphor benutzt....
P.P.S.: Wie kommst Du dazu zu denken, mir wäre nicht klar, dass ich noch zu lernen habe? Ich komme mir oft genug dumm wie ein Stein vor...

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 Betreff des Beitrags: Re: Unausgesprochenes
BeitragVerfasst: 28.01.10, 21:49 
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Eine Antwort, an der üblichen Stelle..

Liebe Ancabeth,

Die irrelevanten Kleinigkeiten überspringend möchte ich mich erst einmal des Verhältnis der Acht zum Einen widmen.
Es ist ein Trugschluss, anzunehmen, dass jeder der Acht (Neun, genaugenommen) an unserer Schöpfung mitgewirkt hätte. Es besteht ein Unterschied darin, ob wir nur die vorhadenen Rohstoffe der Elemente und der Seele, die frei und ungebunden darauf warten sich bei der Geburt zu einem neuen Menschen im Mutterleib zu formen, in uns vereinen oder aktiv von den entsprechenden Horen geschaffen und gesegnet wurden, will heißen, ihnen gegenüber eine besondere Affinität und angeborene, intuitive Ehrerbietung entgegenbringen.

Die Elfen entstammen ursprünglich fast ausschließlich Rien und fühlten sich bei ihrer Schöpfung so ganz besonders zu den Wäldern hingezogen, die auf schöne, friedliche Art und Weise all das in sich vereinen, für das die Erdenmutter steht. Die Elfen sind aber auch ein ganz ausgezeichnetes Beispiel für die Entwicklung eines Volkes über die Jahrtausenden hinweg - zeitlich ist die Schöpfung der momentanen Völker zwischen dem ersten Versuch, den Urvölkern, und dem Beginn des Amulettkriegs einzuordnen. In der Zwischenzeit haben sich die ursprünglichen Waldelfen aufgeteilt in Fey'Amrai, die Auelfen, die zusätzlich Xan ihre Gebete schenken, denn viel in ihrem Leben ist fokussiert auf das Gewässer. Dem Hochwasser in Riens Jahreszeit verdanken sie ihre reiche Ernte, ein späteres Hochwasser aber kann eine der jährlichen Ernten zerstören und so eine lange Hungersnot nach sich ziehen. Auch vertrauen sie auf das überschäumende Leben in den Flüssen, ernähren sich von den vielfaltigen und farbenfrohen Fischen aus Mammnollums Schoß - dem Diener Xans, der über alle Fische wacht. Auch von den Waldelfen stammen die Hochelfen ab, die Fey'Haim, die in die Städte der Menschen zogen um uns kurzlebige Wesen genauer zu studiederen.
Die Dwarschim entstammen einem Dreigestirn an Horen: Zwei En'Hor und einem Sa'Hor. Arkadon, Terra und Bellum. Von Arkadon haben sie ihre Kraft und das Metall, von Terra ernähren sie sich und sie erschuf ihre Hülle, und Bellum zeigte ihnen die Kampfkunst. Sie ehren diese Drei über alle anderen Horen, und erbringen ihnen viele und große Opfer um sich ihrer Gunst auch in Zukunft sicher sein zu können.

Worauf ich hinaus möchte ist Folgendes: Jedes Volk gibt den Elementen soviel zurück, wie sie auch entnehmen. Ihre Opfer sind oft von einer zentralen, die gesamte Kultur bestimmenden Wichtigkeit und dementsprechend umfangreichem Ausmaß. Wenn sie nehmen, nehmen sie zumeist nur soviel wie sie für das Wohlergehen ihres Volkes benötigen und danken auf angemessene Weise dafür. Du wirst mir sicher zustimmen, dass es Wenige gibt, die sich mit dem unerschütterlichen Glauben eines Dwarschim an die "Amroscha" messen können.
Die Menschen hingegen sind nicht nur dumm, was in Anbetracht der ständigen Verfügbarkeit der umfangreichen Bibliotheken schon längst keine Entschuldigung mehr ist, sondern auch gierig. Dummheit und Gier kann nicht nur in blindem Wahn nach Ruhm resultieren, ganz gleich was die Folgen auch sein mögen. Es bedeutet auch, dass sie der Natur alles abverlangen, bis auf den letzten Tropfen Harz und das letzte Stück Wild aus den Wäldern. Sie reißen alles an sich, dessen sie habhaft werden können, in der beständigen Angst, dass ein "Konkurrent", ein Mitmensch, mehr anhäufen könnte als sie. Denn an Besitz misst sich in unserer Gesellschaft Macht und Einfluss. Die Dukaten sind, so bedauerlich es auch sein mag, inzwischen den Meisten die oberste Gottheit geworden.

Ich erwähnte schon, von welchen Göttern die Elfen und Dwarschim geschaffen worden sind. Bei den Menschen aber verhält es sich so, dass die En'Hor kaum Einfluss nahmen. Viel mehr sind wir ein Produkt der Viere und des Einen gemeinsam, tragen das Vereinte Erbe von Gut und Böse in uns. Was die Geschichte uns aber lehrt, ist, dass die Viere dem Einen früher oder später unterlegen sind und so verwundert es mich nicht im Geringsten, dass bei den meisten Menschen die Sünden die Tugenden bei weitem überragen. Die Amulettkriege haben gezeigt, dass ohne die ausgleichende Kraft unserer Herren die Viere schon längst der Tücke Angamons unterlegen wären.

Es gibt Völker auf Tares Angesicht, an denen den En'Hor wesentlich mehr liegt als am anmaßenden Menschengeschlecht.

Zuletzt noch eine mundane Sache: Bitte nimm dir einen entsprechenden Betrag (und nicht mehr!) aus der Kasse im Lager und besorge mir zwei umfangreiche, leere Bücher und zwei Bahnen Pergament. Ich müsste ein paar Gedanken zu Papier bringen, die mir schon lange im Kopf umherschwirren.

- Brand.

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 Betreff des Beitrags: Re: Unausgesprochenes
BeitragVerfasst: 28.01.10, 22:39 
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Werter Brand,

Zunächst meinen Dank für Deine Ausführungen – sie sind sicherlich interessant, wenngleich mir einiges auch schon bekannt war. In einigen Deiner Schlüsse kann ich Dir jedoch so nicht zustimmen. Du sagst, ein jedes Volk nimmt von den En’hor so viel es braucht. Ist das so? Braucht ein Dwarschim all das kostbare Geschmeide? Brauchen Elfen all den Tand, mit welchem sie sich so oft geschmückt zeigen und das so beeindruckt? Ich denke doch nicht. Ein jedes Volk will nicht nur existieren, es will leben. Es will sich mit schönen Dingen umgeben und Bequemlichkeit genießen - zumindest ab und an. Es will sicherlich auch etwas ansammeln, worauf man zurückblicken und woran man sich erfreuen kann.

Natürlich, wir Menschen zeichnen uns durch besondere Gier aus. Doch kommt sie nicht vielmehr daher, dass wir einfach weniger Zeit haben? Ist es nicht bloß das Kurzlebige, das Unrastige in uns, das uns zu allerlei Eile treibt, in sämtlichen Belangen? Und doch, trotz alledem…welcher Rasse gehören die erfolgreichsten Händler hier an, Brand? Es scheinen mir nicht unbedingt Menschen zu sein. Ich könnte Dich auf anderer Seite auch fragen, wo du all jene vielen Menschen gesehen hast, die den Schlund nicht vollkriegen, die voll Undank und Blindheit durch die Welt poltern. Ich kenne so Welche nämlich kaum. Ich kenne keine ausgeschlachteten Wälder, keine geschändeten Seen. Wenn ich all Jenes also nie gesehen habe, wo hast Du es dann gefunden? Hast du es gesehen oder willst du es sehen?

Ich muss Dir ferner auch darob widersprechen, wir würden die En’hor kaum in uns tragen. Die Viere schufen uns, ja – aber woraus? Woraus sind Deine Beine und Arme? Ist es nicht die Hitze Ignis‘ in Deinen Adern? Die Geschenke Xans und Riens, die Dich am Leben halten? Lässt Dich Ventus nicht atmen? Wir sind aus Ihren Gaben gemacht Brand, und einen jeden Tag zehren wir davon, nehmen alle Elemente neu in uns auf. Wie nah willst Du Ihnen denn noch sein? Und wie sollen sie uns nicht beeinflussen, wenn das was wir sehen, was wir fühlen, all das sie sind?
Der Eine im übrigen… Er hat einmal verloren, er wird immer verlieren. Er bringt nichts als Zerstörung, und allein die Verzweifelten und Verirrten wenden sich zu ihm, niemand, der bei klarem Verstand wäre. Das kannst Du mir nicht erzählen.

Du schriebst übrigens zu Anfang, Du möchtest die Kleinigkeiten überspringen. Irrelevante Kleinigkeiten gar. In diesen Kleinigkeiten ging es aber darum, was wir sind, und was wir fühlen. Du hast beschlossen, dass Du es nicht magst, und nun stößt Du es weg, ohne es auch nur anzusehen. Nennst irrelevant, was fundamental ist. Du gleichst einem Bergvogel, der hoch auf der höchsten Spitze sitzt und anhand dessen, was er von da sieht, über das Wesen der Welt urteilt – ohne auch nur einmal hinabzufliegen.
Was stört Dich also an diesen…“Kleinigkeiten“, dass Du sie nicht weiter ansprechen magst?

Ancabeth
P.S.: In unserem Dorf konnten zwei Menschen lesen. Einer davon war meine Tante. Wieviel hätte eine Bibliothek dort gebracht?
P.P.S.: Pergament und Bücher werde ich suchen. Ermahne mich noch einmal nicht zu stehlen und ich tausche Deine Tränke unten gegen buntes Wasser aus. Darauf mein Wort.

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 Betreff des Beitrags: Re: Unausgesprochenes
BeitragVerfasst: 30.01.10, 00:54 
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An üblicher Stelle ein kleiner Umschlag, fein säuberlich zweimal ineinandergefaltet.

Liebe Novizin,

In dem Verhalten, das du beschreibst, findet sich einer der Mängel wieder, die von den Menschen auf die anderen Völker abfärbten. Hast du einmal den Fehler begangen, gefärbte Stoffgewänder von unterschiedlicher Farbe im selben Zuber zu waschen? Fasern lösen sich, die minderwertige Substanz die zum Färben verwendet wurde löst sich im Wasser und setzt sich auf den anderen Kleidern ab. Und ehe man sich versieht, ist aus einem scharlachrot und indigo ein abstoßendes, verschwommenes Matschbraun geworden. Ganz ähnlich ist es auch bei den Völkern untereinander. Am Anfälligsten dafür sind wohl zweifellos die Hochelfen, die am Engsten mit dem Menschengeschlecht zusammenleben, aus anfangs wissenschaftlicher Neugier. Doch wo der elfische Urzustand jener ist, dass jeder alles mit allen teilt, da hat sich in den immer reicher werdenden Fey'Haim-Vierteln der großen Städte Falandriens eine neue Mentalität herauskristallisiert: Nämlich, dass auch ein Elf gerne Besitz anhäufen würde. Man tat es den Menschen gleich, aus anfangs vielleicht noch noblen Beweggründen - etwa, um eine Rücksicherung für die folgenden Generationen bereit zu haben. Und ehe man sich versieht wurden diese Gelder einem anderen Zweck zugeführt und die Hochelfen sind bis auf wenige Ausnahmen inzwischen den Menschen sehr gleich geworden, was Besitzgier angeht. Es erscheint mir kein Zufall, dass damit auch ein Abwenden von Rien, Tevra in ihrer Zugen, und Xan, Maquira, einherging um sich stattdessen Vitama und Astrael zuzuwenden. Sa'Hor die bekanntlich unter Anderem für das Handelswesen stehen.
Bei den Dwarschim hingegen sind eher kulturelle Gründe zu vermuten, denn sie verlassen selten ihre Bingen (wie beispielsweise die Drachenschwinge). So tragen sie zwar Geschmeide, aber es wird üblicherweise vom Vater an den Sohn weitergereicht und dient dazu um den sozialen Stand und das Ansehen einer Familie, eines Klans, auszudrücken. Dieser Tand ist daher nicht mit dem Schmuck der Menschen zu vergleichen, der viel mehr kunstlos und dilettantisch geschaffen erscheinen muss.

Eine weitere Sache, die mir persönlich sehr erstaunlich scheint, ist die Tatsache, dass es Menschen "eiliger" haben sollen als die anderen Gonai, die sterblichen Völker. Nach dem Tod erwartet uns ein Nachleben in der dritten Sphäre. Ob es Arkadons Hallen sein werden, oder Morsans Reich, oder Sturmes' Rast (Ventus). Wenn man die Jahre auf Tare gegen die theoretische Ewigkeit in der dritten Sphäre aufwiegt besteht kaum noch ein Unterschied ob man Fünfzig Götterläufe in der ersten Sphäre vor sich hin vegetiert oder Fünfhundert. "Theoretische Ewigkeit" deshalb, weil ein eventueller Sieg des Einen auf den beeindruckenden Zeitrahmen einer Ewigkeit hin betrachtet früher oder später wahrscheinlich, wenn auch unerfreulich, sein dürfte. Ein Sieg Angamons wiederum würde das Ende der dritten Sphäre samt der Seelen darin bedeuten - aber ich schweife ab.

Zum Dritten: Ich weiß sehr wohl um die vielfältigen Gaben der En'Hor an uns unwürdige Sterbliche. Nicht umsonst beschloss ich mein Leben dem Dienst an Ventus zu widmen, und ich habe diese Entscheidung noch nicht einen Wimpernschlag lang bereut, jemals. Tatsache aber ist, dass der dumme, blinde Stereotyp des gierigen Menschen wie ein Parasit von den Gaben der Elementen lebt: Nimmt, aber nicht zurückgibt. Es ist unsere Aufgabe, diese Menschen zu belehren und über die Folgen ihres närrischen Tuns aufzuklären. Die Lehre ist unsere erste und wichtigste Verpflichtung - da wir im Gegensatz zur Mehrheit der Diener der Elemente sterblich sind können wir mit den Menschen auf Augenhöhe sprechen und sie belehren. Wir können selbst ein wenig tun, hier und dort unser Federgewicht in die Waagschalen werfen, aber das nützt alles nichts wenn das Gegenwicht eine Legion von Vollidioten ist.

Da du anscheinend wieder auf das Thema des Lügens zurückkommen möchtest: Tatsache ist, dass die Notwendigkeit zu Lügen allein den Makel in unserer Gesellschaft offenbart. Unter den erhobenen Dienern der Herren wird nicht gelogen - aus einem einfachen Grund: Bösartige Lügen sind nicht nötig, da man gemeinsam an einem Strang zieht und ein Ziel geeint anstrebt. "Weiße" Lügen, um einander zu schonen, sind auch nicht nötig. Denn sie werden notwendig, wenn man befürchtet, dass das Gegenüber einem das offene Aussprechen der Wahrheit und der Tatsachen nachtragen wird. Sie geschehen aus Furcht um den Zustand der zwischenmenschlichen Beziehung, aus Verlustängsten, sind aber nicht mehr nötig wenn ein stilles Einvernehmen herrscht einander jedes Mal wieder unvoreingenommen gegenüber zu treten.

- Brand.

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 Betreff des Beitrags: Re: Unausgesprochenes
BeitragVerfasst: 1.02.10, 19:52 
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Wertester Brand,

Du meinst also, dass ein Leben unter Menschen für eine andere Rasse bedeutet, die schlechten Gewohnheiten der Menschen anzunehmen, eine ihnen ähnliche Mentalität zu entwickeln. Daraus würde aber folgen, dass all das von Dir Gerügte im Grunde erlernbar ist - und ebenso verlernbar. Und so ist es auch: das sind bloß Verhaltensweisen, keine angeborenen Eigenschaften. Es gibt Bösewichte, die zur Läuterung fähig sind, und Gutmenschen, die in ihrer selbstüberzeugten Sorglosigkeit in tiefste Abgründe abrutschen können. Menschen sind weder gleich, noch bleiben sie statisch in ihrem Leben.
Mir scheint, Du würdest die Welt in Schwarz und Weiß einteilen - böse Menschen, gute anderen Rassen. So unkompliziert ist es jedoch in keinem Fall - es gibt vielmehr verschiedenste Abstufungen von Grau, und das nicht nur unter den Menschen. Was bringt also jemanden wie Dich, jemanden der sonst zu forschen, zu hinterfragen scheint, dazu, das Weltbild dermaßen zu vereinfachen? Lässt es Dich besser schlafen, dieses Bild in Schwarz und Weiß?

Doch ich schweife ab. Warum sollten es Menschen also eiliger haben? Nun, die Dritte Sphäre bedeutet, in meinen Augen, gleichsam nicht nur die Ewigkeit, sondern auch das Ende. Sie steht für Ruhe, für das erreichte Ziel - dort wird nichts mehr passieren, sich nichts entwickeln, wir finden lediglich Frieden im Stillstand, in der Einheit mit den Herren. Vor dieser großen Stille steht unsere Existenz hier. Und sie ist alles andere als unbedeutend: was hier passiert, entscheidet über den Lauf der Welt, über Sieg oder Niederlage, gar über den Bestand der dritten Sphäre, wie Du es selbst ausgeführt hast.

Unser Leben gleicht in meinen Augen einem fallenden Stern - er kann schlicht fallen, er kann dabei aber auch aufglühen, einen Moment lang strahlen. Es ist dieses Strahlen, dem wir alle nachjagen, die Menschen umso eifriger, da die Zeit nur zu knapp ist. Knapp genug, um viele nicht erkennen zu lassen, was sie eigentlich brauchen. Deswegen suchen viele ihr Heil in belanglosem Tand, in Geld, in rastloser Feierei oder ziellosen Kämpfen. Unwissenheit und Verzweiflung, nicht Bösartigkeit oder grundlose Gier.

Und Du? Du willst sie alle lehren, und schaust doch auf alle herab. Wie willst Du auf jemanden eingehen, den Du schon verurteilt hast, nicht einmal kennen willst? Wie und wen willst Du auf diese Weise überzeugen? Eine der Verhaltensweisen der Menschen, die Du sicherlich kennst, ist sich abzuwenden, wenn sie sich nicht willkommen fühlen. Bei Dir aber ist man nicht nur nicht willkommen, man wird mit einem Tritt zur Türe hinausbefördert. Willst Du von jemandem lernen, der nach Dir tritt, werter Brand?

Verzeih, der Brief klingt recht angriffslustig, wenn ich es mir so durchlese. Ich will Dich nicht angreifen, aber Deinen Tritt spüre ich noch deutlich im Rücken.

Ancabeth

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 Betreff des Beitrags: Re: Unausgesprochenes
BeitragVerfasst: 2.02.10, 14:31 
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Liebe Ancabeth,

Tatsache ist doch, dass ich bezüglich des "Angewöhnens" der menschlichen Abarten von einem Zeitraum sprach der eher in Jahrtausenden als in Jahrhunderten zu bemessen ist - eine menschliche Generation aber ist doch gerade einmal dreißig Jahre lang. Wenn sich tatsächlich etwas ändern soll, dann müssen die Wurzeln und das Fundament dafür bald bereitet werden, denn es wird wiederum eine lange Zeit brauchen um das verdorbene Wesen eines ganzen Geschlechts dauerhaft zu verändern.
Entgegen landläufiger Meinung und sämtlicher Stereotypen ist es für einen Menschen nicht möglich, sich von Grund auf zu verändern. Natürlich ist das Sprichwort wahr, dass der selbe Mann niemals den selben Fluss zweimal überschreiten kann: Entweder ist der Fluss schon herabgerauscht und das Wasser das bei der ersten Überquerung unter den Füßen des Reisenden war ist nun schon im Meer - oder der Mann hat sich geändert bevor er wieder zur Brücke zurückkehrte. Es ist ohne Weiteres möglich, dass sich der Charakter eines so wandelhaften Wesens wie wir Menschen es nun einmal sind geringfügig ändert.
Doch wenn es an ganz Fundamentales geht, da verlieren wir jegliche willentliche Macht über unsere Entscheidungen. Wir sind Spielfiguren des Schicksals, können nicht von unserem Weg abweichen. Wer einmal gemordet hat, der wird es später wieder tun - womöglich aus anderen, besseren Gründen; vielleicht gelingt es ihm auch nicht, weil er davor Galtor anheim fällt. Aber er würde es tun. Um nur ein Beispiel zu nennen; es trifft auch zu für Diebe. Ein Straßenjunge, der auf dem Markt Apfel stahl um sich zu ernähren, der wird auch stehlen wenn er alt, reich und fett geworden ist. Nur sind es dann wahrscheinlich keine Äpfel mehr, sondern Dukaten aus der Stadt-/Dorfkasse.
In dieser Hinsicht sind wir Menschen wie eine schwarze Fläche (wobei schwarz bewusst gewählt ist, denn es ist unter anderem die Farbe der Schlechtigkeit), die vielleicht hier und da ein paar helle Klecke, einen gräulichen Schimmer bekommen kann und sich dadurch von den anderen schwarzen Leinwänden abhebt, wenn auch nur minimal. Aber wir sind tatsächlich erstaunlich platte Wesen, und es fehlt nicht mehr viel und man könnte tatsächlich das vereinfachende Schema von Gut und Böse, von Weiß und Schwarz, auf unsere Taten anwenden. Wir sind nicht zu vergleichen mit der Vielfalt und der Schönheit der Schöpfung, die ausdrücklich unter der Schirmherrschaft unserer Herren, der En'Hor, steht.

Ich würde unser Leben nicht mit einem Stern vergleichen. Kennst du das Bildnis von dem Spatz, der durch den dunklen Raum fliegt.. und für einen Moment an einer Kerze vorbeikommt, die dort alleine in der Dunkelheit ihr Lichtlein wirft? Er fliegt weiter, getragen von seinem eigenen Schwung und unfähig umzukehren und beim Licht zu verharren. Stattdessen verbringt er sein restliches, erbärmliches Leben damit durch die Dunkelheit zu flattern und dem nächsten Lichtschein hinterherzujagen - aber erblicken wird er ihn nie wieder.
Es scheint mir ein ungleich zutreffenderes Gleichnis zu sein, denn es drückt aus, wie wir unser Leben ganz auf einer einzigen Ideen aufbauen können und dieser hinterherjagen wie die Bluthunde dem Fuchse auf der Niederen Jagd. Wir kommen aus der Dunkelheit und werden zeitlebens wieder in sie zurückkehren - und haben damit nichts erreicht, denn mit unserem Tod wird die Zeit jede einzelne unserer Taten auflösen und rückgängig machen. Gerettete sterben den unvermeidlichen Alterstod, Bauwerke verfallen durch Regen und Wetter, Reiche zerfallen durch Gier und Dummheit der Menschen.
Man könnte sich lediglich darüber streiten, was dieser eine Lichtblick sein soll. Die göttliche Berührung, die uns bei der Geburt in dieses grauenhafte Leben warf? Der Moment des Todes, wo wir realisieren dass wir alles erreicht haben was wir erreichen konnten und unser Schicksal gefunden haben, folglich von hier an nur noch Ruhe und Stillstand folgt? Ein selbst herbeigeführtes Geschehnis während unseres Lebens, eventuell das Erfüllen eines persönlichen Zieles? Jeder mögliche Grund ist deprimierend. Wenn uns die Götter als würdig erachtet hätten, wären wir in einen besseren Körper, in eine bessere Gesellschaft hineingeboren worden. Wenn der Tod das ist, auf das wir uns am Meisten freuen können, dann ist alles im Leben erreichte irrelevant und die logische Schlussfolgerung wäre umgehender Suizid. Ein selbst herbeigeführter Lichtblick zuletzt hängt einzig vom einzelnen Menschen ab, lässt sich kaum oder gar nicht betrachten, und ist so eine Form der Illusion, des Belügens um der bitteren Wahrheit der Sinnlosigkeit des Seins nicht in die Augen schauen zu müssen.

Zuletzt noch: Es war kein Tritt. Eventuell ein metaphorischer, aber solche sind per Definition eher substanzlos. Falls ich dir im Wesen wehgetan haben sollte, will heißen, deine Gefühle verletzte, dann tut es mir selbst verständlich leid.

- Brand.

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 Betreff des Beitrags: Re: Unausgesprochenes
BeitragVerfasst: 3.02.10, 13:07 
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Wertester Brand,

Du behauptest also, Menschen könnten sich nicht von Grund auf ändern. Ein Dieb bleibt ein Dieb, ein Mörder bleibt ein Mörder. Aber wäre es dann nicht umgekehrt genau so? Ein guter Mensch bleibt ein guter Mensch, was auch geschieht? Dann müsste es doch recht viele von jenen geben, nicht wahr? Ich denke Du wirst mir zustimmen, dass das Unsinn ist - und damit auch das erste Beispiel.

Unser Lebensweg wäre Deiner Argumentation nach vorgezeichnet, alle Bemühungen zwecklos. Wenn dem so wäre, warum sollten uns dann jedoch die Götter mit Aufgaben betrauen? Warum sollte es beispielsweise die Viere noch interessieren, wie es um das Seelenheil ganz Galadons steht? Würde es nicht sogar generell bedeuten, dass längst jede Entscheidung über die Zukunft Tares im Grunde gefallen ist, stellen wir schließlich die Mehrheit ihrer Bevölkerung? Anscheinend steht diese Entscheidung jedoch noch aus, und daraus folgen zwei Dinge: erstens ist unser Schicksal nicht vorgezeichnet, und zweitens können wir uns ändern, zum Guten wie zum Bösen hin. Unsere Eigenschaften sind damit erlernt, nicht angeboren. Oder kennst Du ein Gegenbeispiel?

Ich stimme Dir insofern zu, dass die Meisten von uns ihr Leben trotz aller Möglichkeiten im Dunkeln verbringen - ob man das Licht, dem wir alle nachjagen, mit dem einer Kerze vergleicht oder dem letzten Aufglühen eines Sterns, mag im Grunde der poetischen Vorliebe überlassen bleiben. Das Licht selbst ist jedoch keinesfalls eine Illusion, eine flüchtige oder zwecklose Erkenntnis. Es ist das Auffinden unserer Bestimmung, und jene verlieren wir nicht, wenn einmal gefunden, denn sie ist es, die uns strahlen lässt - und wir sind nichts ohne sie. So ist es die Nähe des Herrn, die ich tagtäglich mehr spüre, die mich aus der Dunkelheit hebt, in der ich als "graue Maus" (wie mir demletzt so freundlich gesagt wurde) wohl sonst versinken würde. Und das würde ich wirklich, denn ich habe sonst nichts anzubieten, so falsch waren diese Worte nicht gewesen.
Ich frage mich allerdings dem folgend: sollte es bei Dir nicht auch so sein? Sollte Dir die Nähe zu Ventus nicht alles geben, was wichtig ist, Dein Licht, Dein Strahlen sein?

Weißt Du, diesen Eindruck habe ich nicht. Du bist in bitterem Grübeln versunken, wie man es höchstens von alten Männern kennt, die die Zwecklosigkeit ihres Lebens eingesehen haben, und keine Zeit für eine zweite Chance mehr besitzen. Du schimpfst die Menschen, Du schimpfst die Unvollkommenheit, das kurze Leben, das Ringen gegen Laster, die scheinbare Hoffnungslosigkeit des Lebens unter solchen Umständen. Und all das trotz dass es genügend Beispiele für das Gegenteil gibt. Sogar trotz der Tatsache, dass es niemandem außer den Göttern gegeben ist, unsere wie jedwede andere Existenz beurteilen zu können. Ich frage Dich in aller von Dir geschätzten Ehrlichkeit, Brand: siehst Du, wenn Du andere anblickst, nur einen anderen Menschen, oder siehst Du ein verhasstes Spiegelbild? Siehst Du eine fremde Person die Dir missfällt, oder vielmehr die Erinnerung daran, was Du glaubst nicht zu haben? Einen Sündenbock, der die Schuld an dem trägt, was Dir fehlt, was es auch sein möge?

Ancabeth

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 Betreff des Beitrags: Re: Unausgesprochenes
BeitragVerfasst: 5.02.10, 00:56 
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Liebe Ancabeth,

Der Kernpunkt meines letzten Briefes war die Tatsache, dass es keine gute Menschen gibt - es gibt nur jene, die entweder aus geistiger Verwirrung oder aus dem Hoffen auf Ruhm und/oder gütliche Entlohnung gute Taten vollbringen. Zeige mir einen Menschen, und ich zeige dir die Gründe auf aus denen heraus er sich genötigt sieht gute Taten zu begehen. Ich bin, wie du sehr wohl weißt, mehr oder weniger direkt für den Tod von vier Menschen verantwortlich und habe Mehr und Schlimmeres auf dem Kerbholz als so mancher Schwerverbrecher der Insel - aus dem einfachen Grund, dass meine mangelhafte, befleckte menschliche Natur mich eines ums andere Mal unvernünftig und irrational handeln ließ. Über meine eigenen Beweggründe zu philosophieren ist mir nicht gegeben, per Definition, denn dann müsste ich über mir selbst stehen. Vielleicht ist die Tatsache, dass ich meinen Novizen nie ein ernsthaftes Leid widerfahren lassen könnte ja darin begründet, dass dann meine Ausbildung und so meine Referenz als Lehrmeister sich nach langer Arbeit in Luft auflöst? Und meine Konstruktionen, wie etwa die Semaphore auf dem Falkenwall, in Seeberg und in Brandenstein? Womöglich nur Ausdrücke meines Begierens nach Anerkennung und nach einem Platz unter den klügsten Köpfen der Insel. Ich könnte noch lange fortfahren mich selbst als Fallstudie zu behandeln und daran zu erläutern, dass sinistre Absichten hinter jeder einzelnen guten Tat und eine düstere Vergangenheit hinter jeder guten Seele stecken. Es ist erstaunlich, wie allgemeingültig diese Regel ist - sie ist meistens früher oder später korrekt.

Eine andere Sache, die so nicht ganz dem entspricht was ich eigentlich ausdrücken wollte, ist die Unabwendbarkeit des Schicksals: Es ist so, dass unsere Taten auf Dauer immer und gänzlich der Vergessenheit und des Ungeschehens anheim fallen werden. Doch es vergeht eine lange Zeit bis das der Fall ist, manchmal zehntausende Götterläufe. Als Beispiel ziehe ich hier Psalatril heran, den Laryseij der als Erster ein Gebet an die Horen richtete im ersten Krieg der Urvölker.
So können sich Taten, begangen von vielen Generationen nacheinander, anhäufen um etwas tatsächlich Signifikantes zu erschaffen. Nichts anderes ist das Königreich, das die verschiedenen Herrschersdynastien nach und nach weiter ausbauten und festigten um es dann an ihren Nachfolger weiterzugeben. Aber nicht nur Erschaffung ist möglich: Dort wo abertausende Menschen schon seit Urzeiten siedeln wird sich Rien wohl nie wieder so recht erholen von all dem Dung und der Gülle, von der Jauche und sämtlichen anderen Abfällen der so genannten Zivilisation. Wenn Draconis von einem Tag auf den Anderen verschwinden sollte, würde es dennoch hunderte Götterläufe benötigen bis die Erde dort wieder Früchte in Form von bescheidenen Grasstängeln und Unkraut tragen kann, geschweige denn von einem gesunden Wald.

Was du leichtfertig Bestimmung nennst, ist ein ganz natürlicher Gedankengang der zu jedem gesunden Geist von selbst kommt - ganz wie die Paranoia und die Depression. Wir können uns nicht vorstellen, dass unser Leben den einzigen Zweck haben soll, Spielfiguren für den bevorstehenden Kampf zwischen den Vieren und dem Einen zu sein - denn ein anderes langfristiges Ziel auf das sich unser Tun fokussieren könnte ist nicht gegeben. Eine Notiz: Wäre es möglich, dass dann die Diener der Viere und des Einen durch ihre Nähe zu der jeweiligen Partei versuchen Sinn in ihr Leben zu zwingen? Sind sie also besonders schicksalsfürchtig?
Wenn man sich zwischen Gut und Böse frei entscheiden könnte würden die meisten Menschen instinktiv dem Bösen nachgeben. Woher sonst kommen Gefühle wie die Schadenfreude und der Neid, wenn nicht von unserem angeborenen Bedürfnis dafür, einen Anderen leiden zu sehen? Es erinnert uns daran, dass wir es gerade nicht sind, der leidet. Was sie davon abhält ist die Tatsache, dass Tendenzen zu Extremen bedeuten, dass man sich Feinde unter den Anhängern der anderen Seite macht. Wer dem Bösen in sich freien Lauf lässt, der wird sich früher oder später von der Gesellschaft verlassen sehen und dürfte damit feststellen, dass er deutlich benachteiligter ist als Andere, die bevorzugten ihrem Drang und ihrer Lust nach Zerstörung im Stillen und Privaten, im Schutz der Dunkelzyklen, nachzugehen. Wer sich aber bemüht nach den Geboten der "guten" Seite zu leben, der stellt sich als Ziel hervor für die Gegenseite. Er ist also allzeit gefährdet, in einen Konflikt hineingezogen zu werden, der eigentlich nicht seiner sollte und nicht seiner ist - denn anfänglich war es ein Krieg unter Göttern. Ist es daher Zufall, dass die Messen der Viere tendenziell schlecht besucht sind auf dieser Insel?

Wir haben zumindest ein wenig mehr Köpfchen bewiesen als der Rest der stummen, dummen Menschenmenge: Wenn beide Optionen inakzeptabel sind, gilt es, sich eine Dritte zu finden und diese zu wählen. Das Gleichgewicht. Ich muss dir nicht näher erläutern, was uns an dieser Idee fasziniert und bewegt, denn du weißt es sicher bereits selbst. Hoffe ich.
Zum Vorletzten, persönlichen: Tatsache ist, dass ich meinem Dienst an Ventus nicht gründlich und mit ganzem Herzen nachgehen kann wenn mich solche Unmengen an ungeklärten, unbeantworteten Fragen plagen und des Nachts davon abhalten, Lifnas Webereien zu betrachten.

Ich bezweifle, dass du wirklich in meinen Kopf "hineinschauen" möchtest - diesen Zweck sollen deine direkten Fragen anscheinend haben. Aber ich kann dir versichern, dass mich keinerlei Begierde nach irgendeiner Eigenschaft meiner Mitmenschen umtreibt, die sie haben, ich aber nicht. Viel mehr ist es so, dass es mir zusehends übel aufstößt, von mir selbst als "Mensch" denken zu müssen, wenn ich die Werke unserer Rasse im weiteren Rahmen betrachte. Ich habe mich bereits genug über die Schlechtigkeit unserer Taten ausgelassen und möchte dies an dieser Stelle nicht wiederholen, aber du wirst mir zustimmen müssen, dass es von außen betrachtet (und diese Perspektive zu haben ist ein Vorteil des selbstgewählten Ausschlusses aus der Gesellschaft) so aussieht, als wenn die Götter uns wirklich bestrafen wollten, indem sie uns in diese unbrauchbaren Fleischhüllen sperrten. Es liegt lediglich in unserer Macht, dass wir nach lebenslangem treuem Dienst an den Göttern womöglich ihre Gunst in dem Maße errungen haben, dass sie uns über diesen verdammten weltlichen Schwachsinn erheben.

- Brand.

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 Betreff des Beitrags: Re: Unausgesprochenes
BeitragVerfasst: 5.02.10, 11:54 
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Wertester Brand,

Du sagst also, dass Du bei einem jedem schlechte Beweggründe findest, aus welchen gut scheinende Taten vollbracht werden. Daraus schlussfolgerst Du, der Mensch wäre schlecht. Nun, stelle mir einen Korb voll Äpfel hin, und ich werde Dir an einem jeden dieser Äpfel Makel aufzeigen, die schwerwiegend genug sind, den Apfel zu verderben. Daraus werde ich dann schlussfolgern, dass Äpfel nichts Anderes als Müll sind. Ich kann auf diese Weise auch die boshafte Natur eines jeden Tieres herbeiargumentieren, ob Fliege oder Kaninchen. Auch die Hässlichkeit einer jeden Umgebung, der verdorbene Geschmack einer jeden Mahlzeit, die langweilige Stillosigkeit eines jeden Briefes: all das kann ich Dir anhand eines beliebigen Beispiels aufweisen.
Du merkst sicherlich den leichten Unernst meiner Worte - und doch ist eine alte Weisheit darin verborgen. Du kennst sie sicherlich: wer suchet, der findet. So wie ein streitsüchtiger Tavernenbesucher in jeder Suppe ein Haar entdecken wird. Weil er es will. So wie Du in jeder Äußerung des menschlichen Daseins das Schlechte finden wirst. Weil Du es willst.

Wir können dieses Spiel gern umdrehen. Zeige mir den verkommensten Bösewicht, und ich werde Dir erklären, warum er alles aus Notwendigkeit oder gar guten Beweggründen heraus getan hat. Ich werde jede seiner Taten reinwaschen können, und mit frischen Feldblumen verziert vor Deiner Nase zum Trocknen aufhängen. Ich werde das Gute finden, weil ich es will - und wo sich nichts erkennen lässt, zwinge ich etwas herbei. Würde ich so handeln, wertester Brand, würdest Du mich für übergeschnappt und nicht lebensfähig erklären. Womit Du sicherlich Recht hättest. Umgekehrterweise benimmst Du Dich aber so, und schimpfst Deine Scheuklappen, Realität zu sein. Ich könnte hier auf eine weitere, nicht ganz so alte Weisheit hinweisen, die Dir ein jeder Taktiker strafend vorhalten würde ob Deiner Argumentation: Du sollst nie eine Annahme den Fakten voranstellen. Genau das ist es aber, was Du tust. Weshalb?

Du erlaubst mir an diese Stelle sicherlich eine neuerliche Annahme über Deinen Kopf, der lange nicht so erschreckend ist, wie Du vermuten lassen möchtest. Du hälst Dich für einen schlechten Menschen. Von Deiner Hand sind Andere gestorben, und nicht nur - ich denke wir wissen Beide, was gemeint ist, das brauche ich wahrlich nicht auszuführen. Man könnte sagen, Du wurdest für diese Taten bereits gestraft. Sowohl weltlich, als auch mit den Dämonen der Erinnerung. Du kannst es aber augenscheinlich nicht - hier wage ich nicht zu mutmaßen, weshalb nicht. Der Punkt jedoch bleibt: Du schiebst die Verantwortung Deinem Wesen als Mensch in die Schuhe, und erklärst im Rahmen dieser Theorie sämtliche Menschen für schlecht. Die Menschen sind ein Spiegel, die Dich an Deine Schuld, Deine Selbstzweifel gemahnen, ist es nicht so? Du hast sicherlich keine Begierde nach den Eigenschaften Anderer, dies habe ich nicht gemeint. Sie erinnern Dich nur zu sehr an das, was Du an Dir selbst als unzulänglich sehen magst. Und so gestatte mir erneut die Frage: ist es der andere Mensch, der Dich abstößt, oder das Spiegelbild in seinen Augen? Du brauchst nicht darauf zu antworten, aber womöglich lässt Du es als eine Überlegung in Deinen schlaflosen Zyklen zu.

Es ist im Übrigen richtig, dass der Dienst an den Göttern oftmals das Ergebnis einer bewussten Sinnsuche ist. Daran ist auch nichts schlecht - ehe man das Glück im eigenen kleinen Häuschen sucht, mag sich der ein oder andere vielmehr berufen fühlen, den größen Strömen dieser Welt zu folgen. Man kann aber auch ohne jede eigene Vorentscheidung erwählt werden. Denke an die Novizin Bellums, die zu Zeiten des Atmenden Todes von Vitama berührt wurde. Und auch wir, die wir den En'hor dienen, haben es oftmals nicht gewählt. Ich weiß nicht wie Du dazu kamst Brand, aber mein Zaunpfahl wurde mir regelrecht ins Gesicht geschleudert. Und das mehrmals... Was ich damit sagen will: so viel freien Willen wie Du es darstellst, haben wir oftmals nicht. Die Horen sind keine bloßen Zuschauer, und sie führen uns direkter, als sich manch ein Möchtegernfreigeist eingestehen will. Es ist diese Erkenntnis, die Demut weckt - und Demut, die uns erst Vertrauen schenken kann.

Ancabeth

P.S.: Wenn die Menschen von Natur aus böse wären...bescherte Dir auch nur Eines Deiner Vergehen das Glück eines erfüllten Daseins? Wieviele glückliche Mörder kennst Du?

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 Betreff des Beitrags: Re: Unausgesprochenes
BeitragVerfasst: 6.02.10, 15:29 
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Statt der zu erwartenden Antwort findet sich eine herausgerissene Tagebuchseite auf Ancabeths Nachttisch. Die Schrift ist gedrängt und schwerst lesbar - scheinbar schien es dem Autor kaum darauf anzukommen, dass Andere diese Zeilen zu Gesicht bekommen. Zweifellos ist die Handschrift Brands.

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 Betreff des Beitrags: Re: Unausgesprochenes
BeitragVerfasst: 12.02.10, 15:06 
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Wertester Brand,

Was soll ich schreiben...einen solchen Schachzug habe ich natürlich nicht erwartet. Vielleicht einfach nicht so viel Vertrauen...wenn es denn das war. Ich kann nicht sagen, Deine Gedankenwelt würde mich überraschen - es war sicherlich Ähnliches zu erwarten, wenn auch nicht in solchem Ausmaße. Ich weiß nun nicht, ob Du meinerseits Schweigen erwartest, aber darin war ich ohnehin nicht sehr gut; und hier habe ich durchaus etwas zu sagen.

Eine Frage eingangs: was, denkst Du, trieb uns alle auf diese Insel? Außer Ada, die ihrem Meister hinterhergetappert ist, wird es nicht viele hier geben, die ohne weitere Hintergedanken oder Gründe diese Folter von einer Überfahrt auf sich nahmen, um hinterher auf einem Eiland zu sitzen wo aus heiterem Himmel irgendwelche Dämonen, Trolle und Maskierte auftauchen, um sich ihrer zu bemächtigen. Wo hinter Sträuchern am Wegesrand schwarze Löcher ins Nichts lauern, wo flammende Pentagramme im Himmel stehen, wo krallenbewehrte Gespenster ihre Schiffe im Hafen andocken, wo Orken Zutritt zu örtlichen Tavernen haben... Ich denke diese Liste könnte man noch stundenlang fortführen.
Die Aussage sollte aber bereits deutlich geworden sein: diese Insel ist gefährlich, das Leben hier weniger aufregend denn aufreibend, und so etwas wie fortwährendes Glück findet man hier kaum. Was ist es also, was einen vom Festland hierher treiben sollte? Sicherlich, oberflächlich könnte man sagen, die Suche nach Ruhm, Geld, Titeln, einfach nur nach Abenteuer... Doch warum hier? Was hinderte all diese Menschen daran, ihr wie auch immer geartetes Ziel auf dem ungleich sichereren Festland zu verwirklichen?

Die unschöne Wahrheit ist doch, dass die Meisten keinen Platz auf dem Festland fanden. Ob wurzellos, ausgestoßen, von Erinnerungen oder Leid getrieben - am Ende sind wir alle, vom Halbling bis zum Orken, Flüchtlinge. Fast alle zumindest. Es verwundert damit nicht, dass so gut wie jeder hier nicht unbedingt schöne Erlebnisse gemacht hat, dass sich auf jeder noch so weißen Weste tiefschwarze Flecken finden lassen. Du bist lange nicht der Einzige, was Dir auch passiert, was Du auch getan haben magst. Doch sieh Dich um - wieviele benehmen sich wie Du?

Ich übernehme das Umsehen auch gern für Dich. Es gibt hier zwei Gruppen von Menschen: ich rede von Menschen, da die anderen Rassen uns, seien wir ehrlich, denkbar fremd sind im Grunde.
Die Angehörigen der ersten Gruppe sehen leidvoll in die Welt. Sie vertrauen niemandem, zeichnen sich oftmals durch Schweigsamkeit und verbitterte Gesichter aus. Ihre Stimmen sind leer, wenn sie lächeln, dann schief. Manche sind in sich gekehrt, manche, wie Du, mühen sich alles abzustoßen was in ihren Tempel der Trauer gelangen könnte.
Dann gibt es aber noch die zweite Gruppe, die nichts von alledem zeigt, die lebt und ihren Aufgaben oder ihrer Bestimmung nachgeht. Wir dürfen davon ausgehen, dass dies auch nicht unbedingt Glückspilze mit wölkchenleichten Erfahrungen sind, wo liegt also der Unterschied?

Jene wie Du tragen, so kommt es mir vor, die Überzeugung mit sich, die Welt sollte fair sein. Irgendwo in Eurem Inneren scheint ihr alle zu glauben, dass die Bösen stets bestraft, die Guten belohnt werden sollten. Irgendwann. Dass Gerechtigkeit eintreten und nichts, wirklich nichts ohne Grund oder Folgen geschehen dürfte. Natürlich widerspricht was ihr seht oder erlebt dieser Überzeugung, und so werden wahlweise die Welt, die Menschen, die eigene Person, bei besonders verwirrten Geistern gar die Horen für verdorben oder böse erklärt. Ihr sucht euch Schuldige, Verantwortliche dafür, dass das Leben einfach nicht eurer Vorstellung entsprechen will. Den Grund also dafür, dass etwas falsch läuft. Ich will es in aller Deutlichkeit und ohne schmückende Theorie ausdrücken: all das ist völliger Unsinn.

Es läuft überhaupt nichts falsch. Noch weniger ist irgendetwas auf der Welt, abgesehen von den Dämonen und dem Namenlosen selbst, von Grund auf verdorben. Allerdings ist auch nichts bis auf die Horen von Grund auf rein, oder, wie man so schön sagt, "gut". Du kennst die Lehren des Gleichgewichtes besser als ich Brand, aber hast Du je versucht, Tare aus dem Blickwinkel dieses Gleichgewichts zu betrachten? Es gibt keine höhere Gerechtigkeit, kein Recht auf Erlösung, ebenso wenig wie angeborene Boshaftigkeit oder ewige Schuld. Solange nicht die Götter selbst eingreifen und uns von Ihrer Hand Wunder erfahren lassen, basiert erstaunlich vieles hier auf Zufällen. Auf Pech oder Glück.
Jene die durch Dich starben hatten Pech, so hart es klingen mag. Wir alle, die wir manch Unschönheit erlebt haben mögen, hatten Pech. Schlechtes passiert, und es passiert irgendwann jedem. Das ist nur der Lauf der Welt Brand, und der Fehler von solchen wie Dir liegt nur darin, dass ihr eure Überzeugung vom Wesen der Welt als Richtmaßstab nutzt.
Einfacher ausgedrückt: man sollte den Fisch nicht dafür rügen, dass er keinen Pelz hat.

Ancabeth

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