Sie hatten ihn gewarnt. Eine Warnung, die eigentlich unnötig war. Wusste er doch selbst, daß sie eine Gefahr war. Eine Gefahr für die Reinheit, die er unlängst erst erlangt hatte, für seine Pläne, die sie durch allzu große Nähe durchschauen könnte, für sein Leben, dem sie durch die richtigen Worte zu den falschen Personen ein Ende setzen könnte.
Aber etwas zog ihn dennoch zu ihr hin. Vielleicht war es ihr Anblick im Moment ihrer Verzweiflung. Jener hatte in ihm die Hoffnung geweckt, ihr den richtigen Weg zeigen zu können. Vielleicht war es auch ihre Intelligenz – ein seltenes Merkmal einer Frau, die den Einflüsterungen der Hurengötze folgte. Und.. ehrlicherweise betrachtet.. war es wohl auch seine eigene Schwäche. Sein eigener Trieb und sein Verlangen nach… Liebe?
Zu lange hatte er unter den Ungläubigen gelebt, ohne jede Führung, ohne Regeln, ohne die Worte des Herrn vor Augen geführt zu bekommen.
Mit jedem Wiedersehen kam sie ihm näher, ob er es wollte, oder nicht. Es war ihm zuwider und zugleich verlangte er danach. Sie geizte nicht mit ihren Reizen und brachte ihn mehr als einmal (man denke nur an das gemeinsame Bad im Burgkeller zur Zeit der Finsternis) nahe an die Grenzen seiner Zurückhaltung. Er kannte das Gebot, oh ja. Und schon als er es gesagt bekam, von jener Frau, die er zu diesem Zeitpunkt ebenso begehrte, war ihm bewusst gewesen, daß dieses Gebot für ihn das schwierigste werden würde.
In vielen Gesprächen versuchte er, in sie hinein zu horchen, zu prüfen, ob die Hurengötze wirklich so gefestigt in ihr war. Suchte nach Ansätzen, sie auf den richtigen Weg zu bringen, den Lügen derer, der sie noch folgte, zu entsagen. Und, ohne es zunächst zu merken, hatte auch er über das nachgedacht, was sie dazu beitrug. War tiefer und tiefer in ihre Fänge geraten. Hatte sich dabei ertappt, ihr in manchen Punkten Recht geben zu wollen. War dies nur ein böser Zauber der Hure? Oder wurde er geblendet durch jene Zuneigung, die er gegen seinen harten Willen dennoch für sie entwickelte?
Er spielte das Spiel mit. Wiegte sich mit ihr im Tanz. Einmal, zweimal. Erschrak von der Nähe, die dabei entstand, und genoss sie zugleich.
Dann das nächtliche Bad am Strand. Wieder eine Versuchung. Wieder hallten in seinem Kopf die Worte der Kherinai, während seine Augen und sein Trieb nach dieser Frau verlangten. War er zu weit gegangen? Ihre sanfte Berührung seiner Narben, ihre zweifelnde Frage dabei. Ahnte sie bereits, was er war? Wer er war? Und doch trieb es ihn fast in den Wahnsinn, dort von ihr so zärtlich berührt zu werden, wo die berechtigte Strafe des Ehrwürdigen ihm vor so kurzer Zeit erst gezeigt hatte, was es bedeutet, den Versuchungen der vier Götzen zu erliegen und vom Pfad abzukommen.
Zuletzt fand er ihren Brief in seinem Postkasten. Und damit Erkenntnis…
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