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 Betreff des Beitrags: Sinnsuche eines Veteranen
BeitragVerfasst: 13.02.11, 22:26 
Edelbürger
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Einige Wochen waren nun seit der Belagerung des Tempels vergangen, seit einer Zeit, in der Jasper einen neuen Sinn in seinem Dasein gehabt hatte.


Die Tage im Tempel, in der Gesellschaft der Gläubigen, die von Ketzern und Geschöpfen aus den Niederhöllen umzingelt waren, hatten ihn zurück zum Glauben geführt. Über Jahre hinweg waren die Viere seine Begleiter gewesen, doch nie zuvor waren sie ihm so präsent gewesen. Seine mittlerweile fast agnostische Haltung hatte sich in Wohlgefallen aufgelöst.

Dann kam die Schlacht. Der Ausbruch aus dem Tempel glich einem glühenden Fanal in der tiefschwarzen Nacht, ein Zeichen, auf das er so lange gewartet hatte. Schon vorher hatte er im Geheimen seinen Frieden gemacht, vor den Vieren sein letztes Bekenntnis abgelegt und dem Moment entgegengeblickt, der ihn entweder zurück ins Leben oder in die Hallen Morsans bringen würde...



...und hier stand er nun, auf der obersten Stufe des Tempelportals zu Falkensee. Andächtig blickte er auf die Marmorierung der glatten Stiege. Der Dreck war entfernt worden, das Blut weggewaschen. Die Barrikaden waren verschwunden; Geröll, Schutt und Asche beiseitegeräumt. Vitama hielt Einzug in der siebenwindschen Hauptstadt. Seit einigen Tagen schon wanderte er immer wieder durch die Gassen, grübelnd, in sich versunken, gelegentlich auch betend. Ein Veteran auf Suche nach einem neuen Sinn, einer Perspektive.

Der Blick seiner stahlgrauen Augen schweifte über den Marktplatz, erfasste Menschen, die wieder lachten, tranken, feilschten und das Leben lebten, als wäre es nie anders gewesen. Nachdenklich rieb er sich über den Nasenrücken. Weitermachen wie zuvor... das würde bedeuten, in die alte Mark im Lehen Herder zurückzukehren. Den monotonen Posten des Leibwächters der Freiherren von Niebenau zu Herder einzunehmen und tagein, tagaus die paranoiden Eskapaden der hohen Herrschaften abzuwehren. Nein, so schnell wollte er dies nicht mehr durchmachen.

"Durchmachen" war das Stichwort. Die Angebote Torans, Williams, Leopolds als auch Myrandhirs waren Möglichkeiten, aber keine wahren Alternativen. Dankend hatte er sie ausgeschlagen und gleichzeitig gesagt, dass er es sich überlegen wolle. Doch je mehr er überlegte, umso weniger erschienen sie ihm erstrebenswert.
Jasper war nicht zu stolz, im Gegenteil... um in die Dienste der Orden der Viere zu treten, empfand er andere besser geeignet.
Weder Garde noch Wache erschienen für ihn selbst sinnstiftend genug.
Fast 50 Götterläufe zählte Jasper bereits, und gewiss wollte er nicht noch einmal mit "He, Rekrut!" angebrüllt werden, um von jungen Schnöseln, die gerade von der Militärakademie gekommen waren, herumkommandiert zu werden.
Dann erblickte er kurz darauf, bei seiner Wanderung durch das "neue" Falkensee den kleinen Aushang mit dem Ersonter Siegel darauf.

Wenig später erkundigte er sich bereits bei Awa nach der Uhrzeit, zu der die Ratssitzung stattfinden sollte, ebenso sprach er mit Toran über sein Anliegen. Das Toran dabei seine unverhohlene Neugier kaum zügeln konnte, amüsierte ihn ein wenig. Auch, wenn er selbst noch ein paar kleine Zweifel an seiner eigenen Idee hatte - er würde am morgigen Abend im Schloss anwesend sein, um einen neuen Sinn für sich zu finden und dabei Gutes zu tun. Er wollte Richter des Lehens Ersont auf Siebenwind werden.


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 Betreff des Beitrags: Re: Sinnsuche eines Veteranen
BeitragVerfasst: 20.02.11, 08:34 
Edelbürger
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Ein herzhaftes Gähnen entfuhr ihm, füllte seine Lungen für einen Moment mit kühler Luft, bevor er wieder mit müden Augen in den Nieselregen schaute. Dunkle Gedanken huschten zeitweilig durch die Tiefen seines Bewusstseins.

Verantwortungslosigkeit.

Amtsanmaßung.

Standgericht.


Er rieb sich über den Nasenrücken, wie jedes Mal, wenn er konzentriert nachdachte.


Die Anhörung der Bewerber auf den Richterposten des Lehens war soweit gut verlaufen, zumindest nach den Maßstäben, die Jasper sich vorstellen konnte. Toran, Awa und Hauptmann Motlow hatten ihn befragt, was er sich von einem der höchsten Ämter im Lehen erwarte, er hatte offen und ehrlich geantwortet.
Dass es kein Zuckerschlecken sei, war ihm bewusst.
Dass er viel lesen müsse, ebenso.
Dass andere mit Geld zu ihm kommen könnten, genauso.
Widrigkeiten, denen er sich stellen würde.

"Ihr wäret ein guter Unteroffizier," hatte Motlow gesagt. Jasper hatte abgelehnt.
Er hatte verständnislose Blicke geerntet. Ein Recke, der einen Unteroffiziersposten ablehnt? Selten war dem Rat wohl so jemand begegnet.

"Seid ihr wirklich an dieser Schreiberlingsarbeit interessiert?" wurde er von einem weiteren Beisitzer gefragt. Jasper hatte genickt und gleichzeitig erklärt, dass er mit dem als "Schreiberlingsarbeit" bezeichneten Posten mehr als bloße Lakaienarbeit erfüllen wollte.

Jasper zeigte den Anwesenden nach bester Möglichkeit, dass es ihm ernst war. Er wollte das Schwert aus der Hand legen und dennoch die Gerechtigkeit walten lassen.
Bis ein kränkelnder Sire Rondragon, eingehüllt auf seinem Stuhl, das Wort ergriff.
"Erzähle er Uns über seine Militärlaufbahn."

Unbefangen hatte Jasper dem ihm gegenüber noch jungen Ritter erzählt, wie er damals im XIV. Kronregiment gedient hatte, bis er an den Hof der Freiherren versetzt wurde und von da an Leibwächter der Familie von Niebenau war. Bis sein Sohn alt genug war, um seinen Posten zu übernehmen.
Rondragon hatte ihm mit einem Wink schweigen bedeutet, hatte die Ratsmitglieder mit einem wissenden Lächeln angesehen.
"Es gibt kein XIV. Kronregiment. Das XIII. Regiment ist jenes, welches die Territorien von Siebenwind urbar machte. Keine weiteren Fragen."

Jasper schluckte schwer. Alle Blicke hafteten auf ihn. War er vorher noch mit ein wenig Selbstbewusstsein von der groben Wartebank aufgestanden, ging er nun mit zittrigen Knien zurück, als er aus der Anhörung entlassen wurde. Wie konnte er nur so dumm gewesen sein...



...diesen Satz ohne eine Erklärung auszusprechen. Noch vor der Entdeckung Siebenwinds war es der alte König (die Viere haben ihn selig) Levara XII. Ahm Arbam, der das Festland befriedete, unter anderem mit Truppen und militärischem Geschick. Das zum damaligen Zeitpunkt insgesamt fünfzehn Kronregimenter existierten, war nur wenigen bekannt.

Als das Festland befriedet war, stiegen auch die Unterhaltskosten für ein stehendes Heer, so dass die letzten drei Verbände aufgelöst wurden - also auch "seines", und dies war seine ehrenhafte Entlassung aus dem Dienst der Krone. Dass das XIII. neugegründet wurde, um Siebenwind zu befrieden, wussten wohl nicht viele...


...doch Jasper wollte sich nicht aufspielen und einem Ritter über den Mund fahren. Vielleicht der letzte Fehler seines Lebens?


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 Betreff des Beitrags: Re: Sinnsuche eines Veteranen
BeitragVerfasst: 25.02.11, 11:33 
Edelbürger
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Die Nachricht hatte Jasper wirklich überrascht. Er hatte nach der Anhörung auf den Posten mit allem gerechnet, aber nicht damit.

"Meine Glückwünsche, Richter Herderwaldt." - Glückwünsche, die er in den letzten Tagen oft zu hören bekam. Dennoch gab es einige, die ihn sogar mit einem mitleidigen Blick bedachten, als ob er sich eine schwere Bürde auferlegt hätte. War dem so? Eine Aufgabe, die er nicht lösen konnte?

Er schob diesen Gedanken beiseite und widmete sich wieder den Gesetzestexten, die er auf dem Schoß liegen hatte. Noch hatte er keinen Schlüssel zu den Schreibstuben, doch die würde er bald erhalten. Derzeit saß er vor dem Tempel der Viere auf der kleinen Sitzgruppe und mühte sich durch das Dickicht der bestehenden Paragrafen. Gelegentlich markierte er PAssagen und Worte, schrieb kleine Anmerkungen mit einem Kohlestift an den Rand der beschriebenen Blätter. Hatte er die eine Kladde durchgearbeitet, wartete die nächste auf ihn.

"Schreiberlingsarbeit" - dieses Wort schlich sich in sein Bewusstsein. Wie damals auf der Anhörung war der Posten wohl doch mit viel bürokratischem Aufwand zu verbinden. Allerdings wollte er sich nicht davon abhalten lassen.


Zu den späteren Abendstunden, als er einen Plausch mit Fräulein Altheym, der Leiterin des Hospitals hielt, wurde er Zeuge eines Vorfalls, der das Blut in ihm zur Wallung brachte.
Gardewaibel Anshelm, eigentlich ein umgänglicher, seines Erachtens nach kompetenter Gardist, zog einen nackten Mann an einem Strick hinter sich her auf den Marktplatz und stellte ihn öffentlich aus.
"Arkaner Angriff auf einen Gardisten," war seine Begründung.
Die Adern auf Jaspers Stirn pochten heftig, als er dieses Schauspiel betrachten musste. Er warf Anshelm eine bleiche Robe zu, die er dem Mann überziehen sollte, um ihn nicht weiter so zur Schau zu stellen. "Ihr kommt sofort zu mir," befahl er den Waibel zu sich. Doch Anshelm schien dies gar nicht weiter zu interessieren, er führte die Zurschaustellung munter fort.

"Gardewaibel Anshelm!" brüllte er über den Platz.
Die umstehenden Schaulustigen blickten zu Jasper, leises Gemurmel setzte ein. Anshelm ließ sich kaum von seinem Unterfangen abbringen.
"ANSHELM!" schrie Jasper erneut, woraufhin einige der mutigeren Gaffer gen Jasper deuteten und meinten, Anshelm solle sich besser sofort "beim neuen Richter" melden.
Anshelm entließ den Gefangenen, indem er den Strick, der um dessen Hals geschlungen war, losließ. Langsam trottete er zu Jasper. Sichtlich angespannt wartete die umstehende Meute darauf, was nun passieren würde. Würde der neue Richter sich zu einer Gewalttat gegenüber der Garde hinreißen lassen? Den Waibel öffentlich ausschimpfen? Was würde passieren...?

Ein hitziger, leiser Disput folgte, als Jasper dem Waibel die Leviten las und ihm die Gerichtsbarkeit zurück ins Gedächtnis rief. Mit einem "Wegtreten!" und dem dringenden Ratschlag - was eher einem Befehl gleichkam -, sich beim Hauptmann zu melden und Meldung über den Vorfall zu machen, schickte er Anshelm schließlich weg. Innerlich kochte er noch immer, doch lobte er sich im Stillen selbst. Er hatte die Situation doch noch geregelt bekommen.

Kurze Zeit später fand er den Freien, der vorgeführt worden war. Auch ihm sprach er eine scharfe Verwarnung aus und nannte ihm die Konsequenz der Verbannung, wenn er sich ein weiteres Vergehen zuschulden kommen lassen würde.



Fela war schon längst untergegangen, als er wieder auf der Sitzgruppe saß und die Vorfälle dem Hauptmann aufschrieb, um sie ihm per Boten zukommen zu lassen. Ein leises Lächeln huschte ihm über die Lippen. "Schreiberlingsarbeit..." seufzte er und versiegelte den Brief.


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 Betreff des Beitrags: Re: Sinnsuche eines Veteranen
BeitragVerfasst: 16.03.11, 12:14 
Edelbürger
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Mit einem leisen Seufzen entzündete er die Kräutermischung in seiner Pfeife und sog den Rauch durch das Mundstück seiner Pfeife ein. Die Kräutermischung hinterließ einen würzigen Geschmack auf seiner Zunge; als er eine dichte Wolke des Qualms ausblies, verteilte sich der herbe Geruch des Tabaks in seiner Stube. Eines musste man den Halblingen lassen: Sie wussten, wie man einen guten Tabak sogar noch veredelte.
Müde griff er zu seinem Aktenordner und schlug diesen auf. Jasper überflog den Inhalt recht halbherzig, doch wirklich aufnahmefähig war er zu dieser fortgeschrittenen Stunde nicht mehr. Zu viele Dinge hatten sich heute und in den letzten Wochen ereignet, als dass er sich noch wirklich konzentrieren konnte.

Alles in allem war die Situation mehr als durchwachsen. Wie sollte man in einer solchen Position arbeiten können, wenn es vor allem an einem mangelte - Respekt? Selbst Freie und Rekruten der Garde schienen ihm auf der Nase herumtanzen zu wollen. Begebenheiten, die er nicht mehr zulassen würde.
Am Laufe des Abends hatte er sich lautstark Gehör verschafft. Wie ein Derwisch hatte er aufgestampft und diesen Einfaltspinseln die Leviten gelesen. Was hatte er bekommen? Schweigen der Gesprächspartner, vielleicht betreten, vielleicht peinlich berührt. Doch das war egal, er hatte ausreden können. Etwas, was scheinbar nicht mehr selbstverständlich zu sein schien in diesem Lehen: Vorgesetzten oder hohen Bediensteten der Krone durfte anscheinend jeder über das Maul fahren.
Fräulein Aldorn hatte es wohl doch etwas leichter. Sie arbeitete viel, richtig. Doch solche Respektlosigkeiten eines angeschlagenen Gardehaufens und von marodierenden Freien musste sie sich doch nicht geben. Die Glückliche...

Er legte die Akte wieder fort und lehnte sich in dem gepolsterten Sessel zurück. Der Regen, der bei dem Sauwetter in seine Kleider gezogen war, war schon fast wieder getrocknet. Er betastete seine Stirn, doch die Ader, die in der Hitze des (Wort-)Gefechts hervorgetreten war und unablässig gepocht hatte, war nicht mehr zu finden.

Langsam erlosch die Tabakmischung im Pfeifenkopf, die er vor einer Weile in das Aschenbecherchen gelegt hatte, während er sich in den Schlafsack auf seinem Teppich einrollte. Möbel... vielleicht würde er vielleicht auch einmal die Zeit finden, sich Möbel für sein Haus zu kaufen. Wenn er endlich halbwegs Ruhe und Ordnung in diesen Saustall von Lehen gebracht hatte.

_________________
NEU! ALLE POSTS JETZT MIT
• 6% MEHR ÜBERZEUGUNGSKRAFT!
• 8% MEHR ANGLIZISMEN!
• 5 x HÖHERER WORTDICHTE!

PO von voll total interessanten Chars,
Grandmaster of Tunak Tunak Tun,
Member of the invincible
Brony-League!


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