Prolog - (Kapple Brandenstein)
Es ist eigentlich ganz beruhigend diese Arbeit, so dachte Mel. Eine gewisse Ordnung in ‚ihren’ vier Wänden zu erzwingen, etwas Einkaufen hier ein bisschen Rumwuseln da, ab und an ein bisschen an ein paar Klamotten die es nötig hatten herum zu nähen –damit die Finger nicht einrosteten- aye… aye das war wirklich das, was ihr einmal ein Zwerg als ‚Urlaub’ erklärt hatte. Sie fädelte gerade einen rötlichen Seidenfaden ein, um damit einen Riss in einer Bellumsrobe zu flicken, die sie im Schrank gefunden hatte. Einer von den Novizen hatte sie vermutlich ‚bei der Arbeit’ aufgerissen und dann einfach in den Schrank geworfen. Man konnte doch wenigstens erwarten, dass man so was bemerkte und man dann die Robe herauslegte? Oder nicht?
Sie hatte sie eben beim Aufräumen gefunden und selber herausgelegt. Beziehungsweise: Sie hatte die Kapelle heute zum dritten Mal kontrolliert, ob noch jedes Staubkorn an seiner ihm von ihr bestimmten Stelle lag … und dabei war noch nicht mal Mittag. Mel hätte vielleicht noch mal Einkaufen gehen können – zum dritten Mal, aber der Vorrat war voll und auch sonst war alles da was das Herz begehrte; sei es nun eine Pfanne nur für Khalandrische Gerichte oder … bei der Göttin! Sie hatte ja sogar einen Nagelknipser speziell für Zwerge gekauft, weil sonst wirklich alles, aber auch alles da war was man brauchte, nicht so oft brauchte und vermutlich nur einmal im Leben brauchen würde.
Tatsache war, dass es wirklich nichts, rein gar nichts zu tun gab, sie hatte gestern sogar einigen der Novizen das polieren der Rüstungen abgenommen und in einige Kettenhemden neue Glieder eingefügt, dabei hasste sie normalerweise solche Arbeit wie die Pest und machte einen großen Bogen darum oder schob sie mit dem Kommentar: „Sonst lernst du das ja nie!“ von sich.
Der Riss in der Robe war also eine willkommene Abwechselung… der kleine Riss… das Risschen… das winzig kleine Loch am unterem Saum auf der Innenseite der Robe, wo es vermutlich kein lebendes Wesen je bemerken würde, es sei denn es suchte krampfhaft in diversen Kleidern nach Löchern, um sich ‚irgendwie’ zu beschäftigen.
Mel raunte leise, als sie nach wenigen Minuten das Loch (Löchlein) so perfekt gestopft hatte, dass man nur noch mit scharfen Augen und einer Lupe erahnen könne, dass dort mal eines gewesen war. Sie legte die Nadel wieder zurück in ihr Nähkästchen, in dem sie vorgestern kleine Trennstücke eingeleimt hatte, damit sie die Knöpfe besser ordnen konnte, wickelte den Rest des Fadens auf die bellumsrot Garnrolle (sie hatte insgesamt 6 Rollen allein für verschiedene Farben roten Garns) und legte das Nähkästchen wieder in ihr Fach den Gemeinschaftsschrank zurück.
Sie schob es dort noch einmal kurz zu Recht, so dass genau ausgerichtet zu ihren vier, schon je zwei Mal durchgelesenen, Geschichtsromanen und dem Schminkköfferchen lag.
Auf dem Rückgang zum Tisch rückte sie noch das Landschaftsbild neben dem Schrank gerade, besser gesagt: Sie kippte es etwa 0,25° nach links, also genau die Gradanzahl welche sie es vor einer halben Stunde nach rechts gekippt hatte.
Mel setzte sich an den Tisch und legte die Arme verschränkt auf die Platte. Einen Moment lang starrte sie stumm aus dem Fenster, dann landete ihre Stirn mit einem erneuten Raunen auf ihren Unterarmen.
„Es ist amtlich: Ich sterbe vor Langeweile.“ gesprochen in einem leise jammervollen Tonfall, ging einem langen, deprimierten Seufzer voraus. Vielleicht sollte sie irgendeinen weiteren Job annehmen, in der Taverne zum Beispiel, allerdings war es in einer Taverne zu Arbeiten, wenn man am anderen Ende der Welt…
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Einmal Eintopf bitte!
Mel blickte recht neugierig und mit halb gewendetem Kopf zu dem Khalander neben ihr auf.
Der Mann, ganz in Felle gehüllt, war vor etwa einer halben Stunde hier hereingeschneit. Er hatte als erstes, nach seinem geräuschvollen Eintreten durch die Tür (wobei man in diesem Fall ‚Eintreten’ fast wörtlich nehmen konnte), mit verkniffenen Augen, unter der Bärenmaske her den gesamten Raum mit langsamen, aufmerksamen Blicken misstrauisch unter die Lupe genommen. Er schwang sich die überdimensionale Axt, welche er fest in beiden Händen hielt, auf seinen Rücken und zog den sich den toten Bären von den Augen zurück. Der Khalander klopfte mit einer gewissen Akribie den Schneematsch von seinen Schultern… hielt dann aber in der Bewegung inne, als ihm klar wurde das keiner zu ihm schaute, scheinbar niemand von seinem Eintreten Notiz genommen hatte oder Beachtung schenkte. Das irritierte ihn schon etwas, denn normalerweise verstummte immer der gesamte Saal für einige Augenblicke und ein eingeschüchterter Wirt hielt ihm, schon auf seinem Weg zur Theke, einen Krug Met auf Kosten des Hauses entgegen. Nicht so in Draconis.
Nun was der Barbar nicht wissen konnte, war die Tatsache, dass er heute (und überhaupt) nicht der erste war, der auf eine solche Art die Taverne betrat: Ließ in der Provinz so ein Auftritt alle Köpfe sich zur Tür wenden und den Wirt erschaudern; hier wurde er mehr oder minder erwartet, oder besser: als störend empfunden.
Einige Beispiele:
Der Elfenkrieger, welcher nun in der Ecke mit glasigen Augen in seine Apfelschorle blickte, war der erste der an diesem Tage mit einer Show durch die Tür getreten war. Sein Umriss hatte sich im harten Gegenlicht abgezeichnet (…was interessant war, die Eingangstür der Taverne geht nach Süden raus…) und er hatte mit leicht leuchtenden Augen und erhobenen Kinn die schon Anwesenden von der Tür aus in einer geheimnisvoll wissenden, wie nachdenklich Art und Weise beäugt. Immer wieder rieb er sich dabei in einer tiefgründigen Geste das Kinn, wenn seine goldenen Augen von einem zum Nächsten wanderten. Das hatte er so lange getan bis einer der Gäste, ein Zwerg mit einem halben Dutzend Krügen vor sich auf dem Tisch, brüllte: „Ey, komm rin odda rus, abba mach’de verdammde Tür zu: Es wird kalt!“ Daraufhin hatte der Elf sich mit hängenden Schultern an einen Ecktisch verzogen.
Die Kriegerin in der glänzenden Stahlrüstung, welche kurz nach dem Elfen im Türrahmen erscheinen war, pulte immer noch mit zwei Dolchen in der Ritze zweier Bodendielen herum, um den letzten der kleineren Rüstungsschnallen wiederzubekommen. Sie hatte ihn mit ein paar Anderen verloren, als sie bei ihrem ersten Schritt aus der Tür über irgendetwas gestolpert und dann der Länge nach hingesegelt. Sie hatte ziemlich glück gehabt, dass sie den Helm noch aufgelassen hatte: Die Hochpolitur des Brustharnisches hatte ihre Reibungskraft derart verringert, daß sie bis an die Theke gerutscht war und sich sonst vermutlich den Kopf eingeschlagen hätte.
Dem Mann mit der geheimnisvollen Silbermaske und dem wallenden Umhang, welcher eine Stunde später durch die Tür kam, hatte von dem Hobbit, welcher auch der Kriegerin ein Bein gestellt hatte, sofort etwas Metallpolitur angedreht bekommen. Er starrte einige Minuten etwas perplex (soweit das unter der Maske zu erahnen war) auf das kleine Pastedöschen, saß aber nun mit einem Handspiegel an einem der mittleren Tische und bewunderte den neuen Glanz seines Gesichtsschmuckes.
Schlussendlich war da noch der Zwerg, welcher vor etwa einer Stunde mit zwei gezogenen Doppeläxten, gefolgt von einem martialischen Kampfschrei und den Worten: „GEBT MIR SOFORT MEEEEEET ODER ALLE WERDEN STERBEN!!!“ in die Taverne gesprungen war. Er lag immer noch bewusstlos neben der Tür, denn er hatte diverse Metkrüge schneller bekommen als er dachte, war aber nicht schnell genug gewesen ihnen auszuweichen.
Zurück zum Barbaren:
Der Schnee auf seinen Schultern war mittlerweile geschmolzen und seine Nässe hatte sich in die beiden Wolfsköpfe gezogen, welche die Schulterpolster in seiner Pelzmontur darstellten. Er starrte seit etwa drei Minuten mit einer gewissen Verblüffung und Desorientierung im Gesicht stehend durch den, gänzlich unimponierten, Schankraum. Zum siebten Male ertönte nun ein „Mach’de verdammde Tür zu!“ dieses Mal mit dem Zusatz: „Oder ich komm die rübba!“, hinter einer kleinen, halbfertigen Pyramide aus etwa einem Dutzend Metkrügen hervor und der Khalander schaffte es endlich eben jenes zu tun. Er nestelte noch einen halben Moment an seinem Rudel toter Tiere herum, musste aber zu dem Schluss kommen dass, wenn er schneller den Schnee von seinen Schultern bekommen hätte, er nun nicht die nächsten drei Stunden nach ‚nassen Hund’ reichen würde. Er atmete einmal durch den Mund durch und stiegt über einen bewusstlosen Zwergen am Boden (Jener umklammerte immer noch krampfhaft seine Äxte und murmelte fortwährend irgendetwas von ’Met oder Leben’) und ging schweren Schrittes in Richtung Theke, schnurstracks auf die Wirtin zu.
Mel putzte gerade aus einer momentanen Unterbeschäftigung heraus das Innere einiger unbenutzer Zapfhähne und merkte dabei, dass dieses auch irgendwie dringend nötig war. Das sie jetzt dafür Zeit fand lag daran, dass es bis jetzt ruhiger Abend gewesen war. Der Himmel war zwar bereits schon seit einigen Stunden dunkel, aber bis jetzt war es alles in allem sehr ruhig geblieben. Der einzige der bis jetzt Ärger gemacht hatte -ein Elf der die Zeche für seinen Traubensaft prellen wollte- stand gerade in der Küche und spülte jedwedes ankommende Geschirr in Rekordzeit sauber.
Ein Umstand der darin Begründet war, dass Brogg –einer der Rausschmeißer- zwei Schritt hinter dem Elfen stand und seiner Lieblingsbeschäftigung nachging: ‚Rhythmisch mit seinen Totschläger in die grüne Handfläche schlagen und dabei böse einen Elfen anstarren’.
Dazu kam auch, daß an diesem Abend ohnehin nicht sonderlich viel getrunken wurde, nur der Zwerg, der jeden eintretenden Gast zuverlässig mit „Mach’de verdammde Tür zu!“ meldete, war auf die Idee gekommen den hausinternen Rekord für das Stapeln einer Metkrugpyramide, zur Ehren Arkadons und seines Klanes, schlagen zu wollen und machte etwas mehr Arbeit als sie anderen Gäste. Der Rekord liegt übrigens immer noch bei 6 Ebenen, das sind 21 Krüge; Wobei anzumerken ist, dass der Stapelnde nur Krüge auflegen darf, die er auch selbst leer getrunken hat.
„Gebt mir ein Met, Frau!“
Frau? Hatte er gerade tatsächlich ‚Frau’ gesagt? Nicht Weib? Ungewöhnlich.
Mel blickte also recht neugierig und mit halb gewendetem Kopf zu dem Khalander neben ihr auf. Das erste worauf ihr Blick fiel, war der Schädel eines toten Tieres, welches der Barbar als Schmuckstück an einer Kette um den Hals trug: Es hatte widerlich, gelbliche spitze Zähne und seine Eckzähne waren etwas länger als die Restlichen – in etwa so lang wie Mels kleiner Finger.
Es erinnerte Mel irgendwie an eine übergroße Ratte.
Ihr Blick wanderte langsam von dem leeren Augenhöhlen hoch und sie lächelte dem Mann entgegen, welcher überraschenderweise eben so freundlich zurücklächelte:
Er hatte widerlich, gelbliche angespitzte Zähne und seine Eckzähne waren etwas länger als die Restlichen - darüber hinaus hatte er einen Mundgeruch, der vermutlich dieses Tier um seinen Hals zur Strecke gebracht hatte…
Er erinnerte Mel irgendwie an eine übergroße Ratte.
„Sofort.“ sagte sie freundlich, schließlich sollte man so eine überschwängliche Liebenswürdigkeit wie ‚Frau’ aus dem Munde eines Barbaren nicht unhonoriert lassen, normalerweise war es ja immer „Gala-Weib, MET! JETZT!“
Sie fischte umgehend einen der gewaschenen Metkrüge aus der Durchreiche zur Küche, füllte ihn routiniert mit Met, so das eine schöne Krone entstand und stellte ihn gefolgt von einem durstig machenden Einfüll-Geräusch dem Barbaren lächelnd auf die Theke.
„25 Kupfer jedes Getränk.“ sagte sie lächelnd, schob den Krug noch ein stück auf ihn zu und wandte sich um, um auf einer kleine Schiefertafel neben den der Durchreiche in einer neuen Reihe einen neuen Strich zu ziehen – sie ging nicht davon aus das er weniger als 5 haben würde. Der Barbar, durch irgendetwas abgelenkt, beugte sich über die Theke vor und starrte etwas irritiert auf das kleine Metfass und auf dessen Zapfhahn dahinter.
Er hatte sich nicht verhört, denn schon vor Jahren hatte der berühmte zwergische Elementarmagier ’Berbroll Flammbart’ begonnen, einen Zauber zu finden, welcher metallene Zapfhähne (als wenn es ohnehin nicht schon für einen Magier ein halbes Ding der Unmöglichkeit war, einen Zauber zu finden der sich auf Metall auswirkt) so zu verzaubern, dass sie ’das’ perfekte Met-Einfüll-Geräusch erzeugen. Das hatte er bis dato aber noch nie ganz hinbekommen, deshalb hatten diese Zapfhähne hier den Nachteil, dass das Geräusch erst erklang nachdem der Krug schon längst voll war. Deshalb hatte Mel sie auch vor einiger Zeit recht günstig auf dem Markt erstehen können und mit dem richtigen Met-Zapf-Rhythmus fiel diese Verzögerung keinem auf, außer natürlich beim ersten und letzten Met…
Der Barbar runzelte kurz die Stirn, schüttelte dann den Kopf und hatte wieder geraden Stand eingenommen, als Mel sich von der Tafel zurückwandte und fragte:
„Noch etwas zu Essen, vielleicht? Der Wildschwein-Eintopf ist heute recht gut.“
„Joah, das wäre gut, Frau!“ entgegnete dieser und setzte umgehend das Met an.
Mel wandte sich erneut zur Durchreiche herüber und legte für einen Pfiff die Finger auf die Lippen. An einem recht bleich wirkenden Elfen und einem recht glücklich wirkenden Ork –der immer noch völlig mit dem ’Böse gucken’ vereinnahmt war- rief sie knapp vorbei:
„Wildschwein!“
„Eh?“ grunzte eine Chefkochmütze als Antwort, welche hinter der Küchenanrichte hervorlugte und sich nun zu ihr herumdrehte. „Eintopf!“
„Eh!“ brummte die Chefkochmütze.
Ein kurzes Rumoren ertönte, das Klappern von Metall auf Metall, Holz auf Holz und Irgendwas auf Irgendwas anderem drang für einige Momente aus der Durchreiche. Eine Suppenkelle flog durch die Luft, und landete klatschend in einem recht großen Topf auf dem Herd. Dann wanderte die Mütze zweimal von Links nach Rechts, verschwand einige Mal kurz unter der Anrichte und in regelmäßigen Abständen hörte man einige brummende „Eh’s“ „Eh-eh’s“ und „Eh-hehes“.
Nach wenigen Sekunden wuselte die Mütze, begleitet von einem dampfenden Teller von der Anrichte zur Durchreiche, ein braunbärtiges Knollennasengesicht erschien einen halben Moment in dieser, klatschte mit einem „Eh!“ den Teller auf die Ablage und begab sich wieder auf Tauchstation.
Der Barbar hatte mittlerweile seinen Eintopf zur Hälfte und ohne irgendwelche Äußerungen gegessen und blickte dann aber etwas verärgert in seinen Teller hinein.
„Da sein ein Haar in mein Essen…“ meinte er knurrend wie ein verärgerter Hund.
„Ignorier das.“ meinte Mel flapsig und schrubbte mit großem Eifer, viel Faszination und einer kleinen Bürste weiter an einem der magischen Zapfhähne herum.
„Mhrm“ knurrte der Barbar, etwas missgünstig und grabschte mit zwei Fingern in den Eintopf hinein, welcher übrigens kein Stück Wildschweinfleisch enthielt, sondern nur Hühnchen.
„Gibt heute nix besseres, weder hier noch in diesem Viertel.“ Meinte sie etwas abwesend… Das interessante an magischen Zapfhähnen ist, wenn man sie mit einer kleinen Bürste von innen reinigt erklingen die interessantesten Geräusche:
Im Moment muhte der Zapfhahn wie eine Milchkuh.
„Mhhhrm“ brummte der Barbar ungehalten, warf einen äußerst misstrauischen Blick auf Mels muhenden Zapfhahn, fasste dann tiefer in seinen Eintopf und griff nach dem Haar.
„Siehst eh nicht aus wie jemand der sich an so was stört.“ sagte sie und der Zapfhahn gab einen leisen Gongschlag von sich.
„Mhhhhhrm“ er zog langsam das braune Barthaar etwa eine Elle lang aus Wildschweins Eintopf heraus und schob dabei die roten Brauen zusammen. Zugegeben (männliche) Zwerge sind –wie böse Zungen behaupten mögen- kochtechnisch nicht von Natur aus untalentiert, Wildschwein zum Beispiel war ein Künstler wenn es um ein Eintöpfe ging:
Egal was an Resten von Epin Mahlzeits Gekochtem der letzten Woche noch übrig war, Wildschwein machte immer einen Eintopf daraus, welcher manchmal seltsam, immer doch irgendwie recht gut schmeckte. Eigentlich war es immer eine recht interessante herauszufinden Beschäftigung wie einer seiner Eintöpfe schmeckte, ob nun mehr nach süß, sauer, salzig oder ’keine-Ahnung-was-das-ist’.
Auch hatten (männliche) Zwerge im Allgemeinen recht überzeugende Argumente, wenn man sie fragte, warum man ausgerechnet sie als Koch einstellen sollte. Diese reichten von Antworten wie einem enthusiastischem: „Ich kann kaputte Töpfe selber Flicken“ , über ein selbstsicheres „Ich habe noch nie Beschwerden über mein Essen gehört, jedenfalls nicht wenn ich mit der Axt dem Kritiker gegenübergestanden habe…“ zu einem sehr überzeugenden „Wenn Sie mich nicht SOFORT einstellen, bringe ich hier alle um.“
Das eigentliche Problem, warum man (männliche) Zwerge nur selten oder ungern als Köche einstellte, zog sich mittlerweile zwei Ellen lang aus dem Eintopf des Barbaren.
„Mhhhhhhhhhhrm!“
„.ich meine…“ Mel war abrupt vorsichtiger in der Wortwahl geworden, als sie von ihrer Putzerei auf das Haar geschielt hatte „…es könnte auch deins sein.“ sagte sie recht langsam. Der frisch rasierte Barbar griff kurz mit der freien Hand nach seiner Tiermaske und hob sie leicht an, so dass der Blickt auf seine Glatze frei wurde.
„Ah.“ sagte die Frau mit dem Zapfhahn der gerade einen Hahnenschrei von sich gab.
„Mhhhhhhhhhhhhhhrm! Das ekelhaft… Ich zahlen nichts dafür!“ knurrte der Kahl-lander.
Ekelhaft, so wusste Mel, war wohl eine relative Sache. Schließlich war der Barbar derjenige gewesen, welcher recht enttäuscht geknurrt hatte nachdem er auf Nachfrage erfahren hatte, dass der Eintopf weder Blutsoße noch Rohfleisch enthielt. Auf der anderen Seite hatte das Haar erst bei einer Länge von anderthalb Schritt sein Ende gefunden… sie musste unbedingt mal mit Wildschwein reden, ob er nicht bei der Arbeit seinen Bart unter die Schürze quetschen könne. „Pass auf, wir machen einen Handel…“ sagte sie.
Minuten später hatte der Barbar –Woran hieß er, kein Nachname- eine beängstigende Pose eingenommen und auch die von ihm vorher vermissten Blicke lagen nun auf ihm.
Die Muskeln des Barbaren spannten sich unter seinen Fellen derart, dass die Adern an seinem Hals hervorquollen und in Bruchteilen von Sekunden die bleiche, khalandrische Gesichtsfarbe einem vor Anstrengung leicht pulsierendem hochrot wich. Über seinem Kopf verkrampften sich die schwieligen Hände um den Griff des mächtigen Bihänders, die Muskeln seiner Oberarme begannen unter der Spannung so heftig zu zittern, ein leises Schnaufen ebbte langsam auf und die Wolfsschädel auf seinen Schultern begannen zitternd die Köpfe zu schütteln. Mel, genau vor diesem knurrenden Monster stehend und zu ihm aufschauend, biss sich abwartend wie neugierig wirkend auf die Unterlippe. Sie reinigte dabei einen weiteren Zapfhahn, welcher in kurzen, rhythmischen Abständen einige dramatische und hohe Töne eines Violinen-Quartetts von sich gab. In einem übermenschlichen Kraftakt versuchte Woran das Schwert herunterzureißen und damit in einer Geschwindigkeit und Kraft auf Mel zu, welche sie vermutlich vom Scheitel bis zur Sohle in Zwei gespalten hätte.
Hätte: Denn er rutschte ab, das Schwert rührte sich keinen Millimeter und durch seinen eigenen Schwung taumelte er nach vorn auf die Theke zu. Mit dem Klang von Holz auf Holz kamen sein Schädel und der seiner Kette auf der Platte zum stehen. Dann entschied sich sein Kopf von der Thekenplatte zurück zu ’federn’, und der Barbar verschwand unter der Theke.
„Wie kommen das überhaupt dahin?“ Woran blickte, auf vor der Theke sitzend und seine neue Beule an der Stirn haltend, auf das Schwert welches immer noch über ihm in der Luft hing.
„Das Schwert… Aye… also die Geschichte…“ Mel griff sich kurz ans Kinn und füllte dabei einhändig zwei Metkrüge ab. Das Schwert hing Schräg in der Decke, als habe jemand sehr großes einen Streich über den Kopf ausführen wollen, dabei aber vergessen, dass dieses Haus mehr als ein Stockwerk hatte und war somit de facto auf der Hälfte seines Schwungs stecken geblieben.
Es war ein recht edel aussehendes Schwert von anderthalb Schritt Länge. Kryptisch wirkende Runen gingen entlang der Schneide und verzierten ebenso den Griff. Eben jener war scheinbar gänzlich aus Gold und umfasste am unteren Ende in einer stilisierten Hand –mehr eine Klaue- eine relativ echt aussehende rote Perle, welche etwa die Größe einer Kinderfaust hatte. Die Parierstange war ein einziges Kunstwerk aus unzähligen kleinen, ineinander verschlungenen Klauenhänden, die je nach dem Gelenk der vor ihr liegenden griffen. Nur die beiden Äußersten der Hände hielte je eine weitere, aber etwas kleinere, rote Perle.
„...also das ist ne sehr, sehr lange Geschichte. Aber zuerst….“ grinsend schob Mel den Teller Eintopf dem sich aufrappelden Barbaren entgegen. „…und….“ stellte ihm die beiden frisch gezapften Met auf den Tisch.
„Ich nicht bestellt…“
„Doch, doch…“ sagte sie, zog mit der einen Hand Worans Tierschädel, welcher sich bei seinem vergeblichen Versuch mit beiden Eckzähnen in die Holzplatte gebohrt hatte, aus der Theke und deutete mit der Anderen auf ein Schild an der Seite des Raumes:
‚Macke im Mobiliar = ein Met’
Er knurrte ein wenig und meinte dann nur: „Du erzählen…“
Zuletzt geändert von Mel: 12.04.03, 13:25, insgesamt 1-mal geändert.
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