Als die Kleine wieder in ihrem Versteck ankam, kuschelte sie sich so schnell wie möglich in ihrem Nest aus Fellen zusammen. Mit dem festen Vorsatz es nicht wieder zu verlassen, zumindest vorerst nicht.
Eine Woge des Schmerzes durchflutete ihren kleinen Körper. Doch der Schmerz kam nicht von einer Verletzung oder von der Anstrengung des Tages. Es war ein Schmerz der viel tiefer saß, in ihrem Herzen oder ihrer Seele. Wie ein Dorn der sich nach jedem Ereignis immer tiefer in ihr Innerstes bohrte und sie allmählich zu verzehren begann. Je mehr sie sich öffnete und die Fragen beantwortete, desto schlimmer wurde es in ihr. Erst war es die Magd gewesen, der sie ein paar Geheimnisse preisgab. Ein schlimmer Fehler, wie sie hinterher feststellen musste. Denn sie erhielt nur mitleidige Blicke, bevor sie wieder in die grausame Kälte hinaus geschoben wurde. Ja, sie hatte sich mehr erhofft. Doch sie war ja selbst Schuld, denn sie war es auch immer selbst die Hilfe meistens ablehnte. Warum wusste sie nicht einmal selber. Wohl aus Angst.
Am Abend versetzte ihr der Hofmagier einen heftigen Stich, als sie gestand nicht lesen zu können. Er machte ihr daraufhin deutlich klar, dass diese Bildung wichtig sei und das man ohne wohl nicht einmal Liebe erfahren würde.
Warum man dumme Menschen wohl nicht liebte? So was wusste sie nicht, es tat ihr nur weh.
Dann war da noch der Anwärter, der nun keiner mehr war. Der Mann der den Dorn mit jeder Frage tiefer trieb und sie an den Rand einer Schlucht trieb. Er wollte, nein verlangte das sie ihm vertraute, sich berühren lies. Doch sie wusste praktisch nichts über ihn. Ob man ihm nun vertrauen konnte oder nicht. Ob und was er genau von ihr wollte wusste sie auch nicht. Auch ihre Fragen brachten sie nicht weiter. Sie war nur das kleine Mädchen von dem er verlange, dass es gehorsam war und tat was er wollte. Allmählich kam ihr doch der Verdacht auf das er nichts Gutes wollte. Er presste sie bei jedem Gespräch gewaltsam in eine Ecke, wo ihr nur noch die Flucht blieb.
Auch das Gespräch mit dem unsichtbaren Wesen, das sich niemand nannte, ging ihr nicht mehr aus dem Kopf. Sie wusste nicht was er von ihr erwartete. Was sie an der Geschichte begreifen sollte.
Doch was ihr daran wirklich auffiel war die Grausamkeit der Götter, welche ihre Kinder aufeinander hetzten weil sie, als Unsterbliche, nicht dazu in der Lage waren einen Sieg in diesem Krieg hervor zu bringen. Dieser Gedanke stimmte sie traurig, aber auch ängstlich. Dann das grenzte an Ketzerei oder ging schon darüber hinaus.
Sie würde es nicht mehr wagen diese Geschichte jemand anderem zu erzählen. Insgeheim hoffte sie noch einmal mit dem Wesen sprechen zu können und vielleicht würde er ihr sogar mehr erzählen.
Der Höhepunkt, oder Tiefpunkt, ihres Abends bestand aus einem Besuch bei den Elfen. Sie sehnte sich seit einigen Tagen nach ihren Freundinnen und an diesem Abend traf sie sogar Elfen in ihrem Haus an. Sie wollte nicht stören, wurde aber freundlich zum Tisch gebeten. Die Elfen besprachen Dinge die sie nicht verstand und das Mädchen ging ihren Gedanken nach. Plötzlich zersprang eine Flasche und verteilte ihren grünen Inhalt im Raum und auf den Kleidern. Dies jagte ihr einen gehörigen Schrecken ein. Und kurz darauf stoben die Elfen fort ohne einen Blick oder ein Wort für sie übrig zu haben.
Sie hatte gehofft mit einer von ihnen über das Angebot bei ihr zu bleiben, sprechen zu können. Doch während sie das Haus der Elfen wieder verlies wurde ihr schmerzhaft bewusst das sie auch diese Chance vertan hatte. Denn zuerst hatte sie sie abgelehnt. Und nun war es zu späht dafür.
Das Mädchen rettete sich so schnell sie konnte in ihr Versteck unter der Stadt. In dem zerfallenen Schiff kam es einem fast nicht so vor, als würde man dort unten sein. Wäre der Geruch nicht gewesen.
Sie zog sich um und verkroch sich in den Fellen. Sie wünschte sich – mehr als je zuvor – das nun jemand bei ihr wäre. Eine Mutter die sie in den Arm nahm und ihr sagte, dass alles gut werden würde. Das sie keine Angst haben müsste. Oder das sie morgen einfach in einem großen warmen Bett irgendwo in Galadon aufwachen würde. Dann würde ihre Mutter auf der Bettkante sitzen und ihr erklären, dass alles nur ein böser Traum war, der nun vorüber ist.
Doch keiner ihrer Wünsche erfüllte sich.
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