... Es kribbelt in den Fingern.
... Was wäre, wenn ich es verlerne?
... So viel Sicherheit.. zu viel Sicherheit!
... Heute muss es geschehen!



Es war kurz nach Einbruch des siebten Dunkelzyklus, als sich an einem der Mietshäuser Falkensees etwas regte. Leises Fußgetrappel war zu hören, das Rascheln von Kleidung, Knarren von Leder. Dann schwand es.
Irgendwo, in einem leeren Keller, wurde Kleidung gewechselt und ein der Nacht angepasstes, enges Gewand angezogen, das Gesicht so unkenntlich, wie es gerade noch ging und praktikabel war, gemacht. Dann ein Griff wieder zu dem alten, rautenförmigen Anhänger mit dem Kelch darauf, ein leichter Kuss, der auf diesen gehaucht wurde, eine leise Bitte wurde gesprochen.
Wenig später erklangen leise Geräusche im Hof des Mietshauses und eine Person näherte sich der Laterne, die oben auf dem Boden stand. Diese wurde geöffnet, ein leises Pusten, dann schwand auch das grelle Licht dahin und die Schatten vergrösserten sich schlagartig.
Eine Gestalt drückte sich an den Wänden entlang, immer weiter nach hinten.

Die Wohnung lag im Grunde genommen ideal - weit genug weg von der Straße und auch sonst schien es in dem Haus recht ruhig zuzugehen. Ein Spalier schützte zudem noch die Sicht von der Strasse rüber zu dem Eingang der Wohnung.
Andererseits war die Wohnung auch die reinste Mausefalle. Würde sie dennoch dort jemand entdecken, könnte die Flucht sich als waghalsig gestalten, denn andere Fluchtwege, als über die Dächer oder einen viel zu gewagten Sprung hinab in einen gepflasterten Hof, waren kaum möglich. Oder die offene Konfrontation, die sie generell mied.
Aber gerade das hatte sie doch gesucht - ein wenig Nervenkitzel.
Von Brandenstein liess sie momentan etwas ab. In der Siedlung schien wohl alles auf einen Umbruch in der Verwaltung hinzudeuten und so hatte sie sich entschieden, zu warten und zu beobachten, wer als nächstes dort im Amt sein würde. Würde es gar eine Person sein, der die anfänglichen Geschäfte über den Kopf wachsen, wäre der Moment ideal, um zuzuschlagen und dieser Person ein "großzügiges" Angebot zu unterbreiten.

Doch zurück zu dem aktuellen Opfer.
Vor der Tür hockte sich die Gestalt im Schatten etwas hinab, schaute sich nochmals um und machte sich dann am Schloss zu schaffen, welches sie sogleich auch öffnen konnte. Es war offenbar leichter als gedacht. In der Wohnung selber hatte sie ebenso Glück - kein Tier befand sich hier und nachdem sie einen Moment innegehalten und gelauscht hatte, machte es auch den Anschein, als wäre sie alleine in den Räumlichkeiten.
Kisten wurden so leise wie möglich geöffnet, drin herumgewühlt. Einige Habseligkeiten wechselten ihren Besitzer, ehe sie auch noch die Nase in das Schlafzimmer reinsteckte, doch hier war wohl nichts zu finden. So zog sie sich zurück zur Tür, um diese wieder zu öffnen, wobei es ihr nicht unbedingt auf Anhieb gelang, was ein paar Dietrichreste innen vor der Tür bezeugen.
Leise entfernten sich die Schritte von der Wohnung, ab und an knarrte eine der hölzernen Diele, ehe sie in der Dunkelheit entschwand.

Nur wenig später musste die Person wohl zurückgekehrt sein - eine rote Rose findet sich eingeklemmt unter der Tür, anbei ein kleines Kärtchen, was mit einer überaus verzierten, geschwungenen Schrift und schwach nach Rosen duftender Tinte beschrieben wurde:

~*~ Habt Dank für eure unfreiwillige Spende! ~*~
Die Liebliche wird ihren Anteil erhalten und euch wiederum lasse ich auch ein kleines Geschenk da.

Betritt man später am Abend den Vitamaschrein, findet sich dort ein Beutel auf dem Kissen neben dem Kelch wieder. Schaut man in den Beutel rein, so findet man dreihundert Dukaten in diesem.