Wissen können vom folgenden in dieser Form natürlich nur der beschriebene Mann.
Auch an jenem Tage zog sich der Mann in sein Laboratorium zurück. Die eher unauffällige Gestalt wäre niemandem aufgefallen und auch der Torwächter am Westtor Falkensees hätte sie binnen weniger Wimpernschläge bereits wieder vergessen gehabt, wären nicht seine charakteristischen Insignien es gewesen, die ihn als Priester des Ventus auszeichneten. Mit weiten Schritten ging er barfuß die Straße entlang, nachdenklich, wie so oft, schweifte sein Blick über die Reihen der Bäume am Wegesrand. Viele Gedanken gingen ihm im Kopf umher und er würde sich nun bei einigen kleinen Versuchen in seiner eigenen Laborstätte versuchen zu entspannen. Er richtete seine Gedanken gerade rechtzeitig wieder auf den Weg vor sich, um links abzubiegen, auf einen kleineren, überwachsenen Waldpfad, an dessen Beginn ein verwittertes Holzschild vom "Kloster der Ecclesia Elementorum" kündete. Zu seiner linken hörte er das gemächliche Plätschern der Murmelrinne, eines kleineren Baches, der sich in diesen Tagen im Ignis tief in sein Bachbett zurückgezogen hatte. Zu seiner Rechten ragten hoch die Berge auf, über denen das ehrwürdige Gemäuer des Klosters thronte. Eher einfach, in seiner Bauweise in Form eines "L"s und seines etwas ältlichen Mauerwerkes, so war es doch seine Geschichte, die ihn immer wieder faszinierte und ab und an ehrfurchtsvoll verharren und hochblicken ließ.
Wenige Minuten später schon war die Gestalt in ihrem eigenen, eher provisorisch und spärlich eingerichteten, Stockwerk angekommen und schloß die Tür hinter sich ab. Klackend rastete das Schloß ein. Er atmete erleichtert aus und lehnt seinen Stab neben sich an die Wand, um dann durch den Raum zu blicken. Überall türmten sich, ohne erkennbare Ordnung, Gläser, Flaschen von bauchiger Gestalt, schmale Phiolen und dicke Korbflaschen, alchemistische Substanzen und Ingredienzien, dazu einige Instrumente und Werkzeuge, ein Sextant, der einige Karten beschwerte, mehrere Fernrohre und ein Brenner, um Substanzen zu erhitzen waren ebenso zu finden wie dutzende Bücher und Pergamente, Schiefertafeln und Hadernblätter, die sich wie kleine Berge auftürmten und vollends zugekritzelt waren, jedes einzelne. Ein glückliches Lächeln umspielte seine Mundwinkel als er sich an einem der Regale zu schaffen machte und schließlich aus den Spinnenweben eine Phiole hervorzog, die luftdicht mit einem großen Korkpfropfen und Wachs versiegelt war. Um das Glas herum war ein Pergamentstreifen gewickelt: "Luchsproben - Marktplatz". Im Glas schwammen einige rostbraune Haare in einer fleischfarbenen Brühe. Er erinnerte sich..
Wohl erst wenige Wochen.. vielleicht auch einen Mond, er wusste es nicht mehr genau, war es her, dass auf dem Markt sich merkwürdiges, besorgniserregendes zutrug. Er war mit Silaja dort gewesen, als plötzlich ein junger Luchs einen, den Beiden unbekannten, Mann anfiel. Obwohl sie ihm tatkräftig zuhilfe eilten, zerfetzte das wildgewordene Tier ihn wie von Sinnen, nicht davon abbringbar. Schaum hatte sich vor seinem Maul gesammelt, ehe sie es schließlich niederrungen und töten. Als Silaja es nun aufschnitt quoll den beiden eine dünne Brühe entgegen und folgendes waren die Ergebnisse: Die Leber und die Nieren schienen nicht die Kennzeichen der Tollwut aufzuweisen, aber - es waren alle Innereien des Luchses im Zustand zwischen beginnender Zersetzung und Auflösung. Auch der Mann war nicht mehr zu retten, das Tier hatte ihn überwältigt und zu schnell töten können. Die Leiche des Luchses aber war danach beseitigt worden, um Ansteckungsgefahr vorzubeugen.
Er schwenkte das Röhrchen etwas und stellt es dann zurück. Nein, heute wollte er sich lieber seinen anderen Versuchspräparaten widmen..
_________________
"Nenne mir, Muse, den Mann, den Vielgewanderten..." Ἄνδρα μοι ἔννεπε, Μοῦσα, πολύτροπον
|