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 Betreff des Beitrags: Geld oder Leben
BeitragVerfasst: 6.01.09, 19:24 
Festlandbewohner
Festlandbewohner
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Das einzig Wichtige im Leben sind die Spuren der Liebe, die wir hinterlassen, wenn wir weggehen.
Albert Schweitzer


Vollmond. Nicht sonderlich günstig für den bevorstehenden Auftrag, aber auch nicht übertrieben erschwerend. Die gut fünf Zentimeter dicke Schneedecke reflektierte das Mondlicht allerdings beschissen genug, um bereits zwei der Dreckswachen auf ihn aufmerksam zu machen. Naja, jetzt lagen sie in einer dunklen Ecke und schliefen beide. Jeder von ihnen mit einem dekorativen Bolzen im Oberschenkel. Das Schlafmittel an den Geschossen hatte ihn eine ziemliche Stange Geld gekostet. “Dafür hält es aber auch nahezu einen ganzen Dunkelzyklus an, Jungchen”, hatte der Greis gesagt. Mal sehen, ob es stimmte.
Der Greis hatte gar nicht mehr aufhören wollen zu erzählen. Faron wusste nun, dass besagter Greis schon über 20 Morsan in dieser Stadt lebte. Außerdem sei vor wenigen Tagen seine Katze gestorben. Alles Dinge, die ihn absolut nicht interessierten, aber dennoch hatte er geschwiegen und sich die Geschichten des Alten angehört. Schweigen war meist das beste Mittel, um Geschäfte zu machen.
Das Rauschen des Wassers war hier am Hafen wirklich erleichternd, die Aufschreie der beiden Wachen hatte niemand sonst gehört. Bestimmt zuletzt sein heutiges Opfer, Herr Gorto, in dessen Garten er gerade hinter den blattlosen Bäumen und Sträuchern kniete. Das Licht der Straßenlaternen drang nicht bis zu ihm vor und der beachtlich große Garten war zum Hafen hin mit einem bestimmt zwei Schritt hohen, schwarzen Stahlzaun abgegrenzt. Eines musste Faron ihm lassen: Geld hatte der alte Sack genug. Er konnte den bereits ergrauten Herrn Gorto sehr gut aus dem dunklen Gestrüpp durch das übergroße Fenster erkennen. Der Saal, der durch das Fenster zu sehen war und zum Garten hin zeigte, war hell erleuchtet. Eine Art Bibliothek oder dergleichen, wie Faron fand. Jedenfalls saß der Alte in einem teuren Sessel, las ein Buch und hatte ein jetzt noch halb volles Glas Wein (der bestimmt noch teurer war) neben sich auf dem Tisch. Da drin musste es wirklich gemütlich sein, gemütlicher als hier draußen in der klaren Morsannacht.
Dennoch war die kalte Jahreszeit die, die ihm am behaglichsten war. Dunkel. Undankbar. Tot. Man wusste, woran man war. Obwohl er schon über ein Dutzend Menschen in Morsans Reich geführt hatte, so hoffte er doch auf die Gnade des selbigen, sollte er eines Tages auch dort hingeleitet werden. Wie auch immer, dies war nicht der richtige Moment, um sich über so etwas Gedanken zu machen. Sein Opfer saß unaufmerksam und kaum zu verfehlen in einem hell beleuchteten Raum - und wer weiß, wie lange es das noch tat. Dies war die passende Gelegenheit, und außerdem eine schöne Art zu sterben. Mit einem guten Glas Wein in einem kaminbeheizten Raum zu sitzen, vielleicht gerade noch zu hören, wie der Bolzen die Scheibe durchschlug, und dann... Finsternis. Dürfte Faron sich seinen Tod aussuchen, hätte er wohl einen ähnlichen gewählt. Aber wer durfte das schon? Er brachte den Tod nicht gerne, aber Dukaten waren ein zu gutes Argument, um sie zu verschmähen.
Selbst sah sich Faron nie als Attentäter, vielmehr als Spion oder jemanden, der einem Opfer einen gehörigen Schrecken einjagte. Von den mittlerweile schon zwölf getöteten Menschen war nur eine handvoll Auftragsmorde dabei. Die meisten Toten waren zu aufmerksame Wachen oder schlichtweg Arschlöcher. Welcher Gattung sie auch angehörten, sie ließen sich in den entscheidenden Momenten nicht anders zum Schweigen bringen, als dass sie es fortan immer tun würden. Jeder ist sich selbst der Nächste, und wenn er gut für seine Arbeit bezahlt wurde, waren Faron die Mittel letztlich egal. Nicht ganz so egal waren ihm die Motive seiner Arbeitgeber. Das Töten bereitete ihm dabei keine Bedenken, sondern der Grund dafür. Er hatte schon Angebote bekommen, Leute zu töten, nur weil sein Arbeitgeber sie nicht leiden konnte. In diesen Fällen musste er sich durchaus überwinden, es dennoch tun zu können. Sie zu verwunden, ihnen einen Denkzettel zu verpassen, darauf hätte er sich sofort eingelassen, aber immer gleich töten? Naja, vielleicht wurde er nach dem Überschreiten der Jugend ja auch einfach nur sentimental. Wachen zu töten war schließlich auch nichts anderes, aber er tat es dennoch. Zumindest diesmal hatte er das Betäubungsgift - Glück für die Wachen.
Sein erster Mord war verdammt einfach verlaufen. Er hatte Verbindung mit einem Dieb aufgenommen und sich die Wohnungstür des Opfers knacken lassen. Dann noch eine gespannte Armbrust an der Decke befestigt und den Abzug mit einem Seil an den Türgriff. So simpel wie wirksam.
Aber wo war er schon wieder mit seinen Gedanken? Herr Gorto saß noch immer da, doch es war schon spät und er würde bald zu Bett gehen. Anscheinend hatte sein Opfer mehrmals Angebote von Farons Arbeitgeber abgelehnt. Mehr wusste Faron selbst nicht, aber mehr hatte ihn wohl auch nicht zu interessieren. Sein Auftraggeber hatte ihm von den versprochenen 25.000 Dukaten sogar schon die ersten zehntausend gegeben. Es schien ihm also durchaus wichtig zu sein, dass Gorto verschwand. Faron legte nun endlich die Armbrust an und zielte auf den Kopf des Alten. Ein kleines Zucken des Fingers und der Auftrag wäre erledigt. Endlich. In diesen Momenten, kurz vor dem Schuss, fiel ihm immer ein altes Kinderlied ein:

Schlafe Kindchen, schlafe ein,
Lifna bringt dir Träumelein,
Schlafe sanft, schlaf bis zum Morgen,
Lass sie ruhen, deine Sorgen.

Makaber.
Schließlich waren sowohl Kavan, als auch dessen Frau Yuliya Torres Jäger. Dank ihnen hatte Faron wohl eine gewisse Veranlagung zum Fernkampf. Als Yuliya ihn vor 34 Morsan in Baronie Kettel, in einem kleinen Dorf, an dessen Namen er sich nicht mehr erinnern wollte, gebar, war die Ehe mit ihrem Mann bereits alles andere als harmonisch. Der ewige Streit zwischen seinen Eltern war schon schlimm genug, doch während Farons Pubertät in diese Streitigkeiten hineingezogen zu werden war ihm zuwider gewesen. Im Alter von 15 Sommern beschloss er von zu Hause zu verschwinden. Er hatte keine Ahnung wie es seinen Eltern heute ging, er hörte nie wieder etwas von ihnen.
So im kalten Schnee kniend bereute er es fast. Fast. Er hatte es auch so geschafft zu überleben, weil es immer Leute mit Aufträgen gab. Aufträge wie diesen, den er jetzt endlich zu Ende bringen sollte. Einfach diesen alten Mann dort umbringen. Einen alten, wehrlosen Mann. Unbewaffnet, sich keiner Gefahr bewusst. Verdammt, warum zögerte er nur so lange? Er war ein Mörder, das stand außer Frage, aber kein skrupelloser. Am liebsten hätte er dem Alten gesagt, dass er gleich sterben würde. Ihn seine letzten Worte sprechen lassen. Oder sich einfach nur mit den (sicher versteckten) zehntausend Dukaten aus dem Staub gemacht. All dies waren aber keine Alternativen. Gnade zu zeigen, war zu riskant, und da er bezahlt worden war, verbat es ihm sein selbst geschworener Ehrenkodex, einfach so zu verschwinden. Was war ein Mann schon ohne Prinzipien? Vielleicht seelenlos.
In diesem Moment öffnete sich die Tür im Zimmer des Alten. Herr Gorto sah von seinem Buch auf und drehte sich zum kleinen Mädchen, das soeben den Raum betreten hatte. Es war nicht älter als sechs Sommer. Seine Enkelin, vermutete Faron. Sie war gekommen, um ihren Großvater zu umarmen und ihm eine gute Nacht zu wünschen. Zum letzten Mal.
Dieser Anblick reichte gewiss nicht aus, um Faron zu Tränen zu rühren, hatte er doch schon so oft den Tod gebracht, aber hinsehen wollte er nicht länger. Menschen mit Familie zu töten forderte immer die meiste Überwindung. Zumindest, wenn nur Geld das Motiv für den Mord war.
Als Faron wieder aufsah, bemerkte er, dass Gorto sich erhoben hatte und mit seiner Enkelin Hand in Hand im Begriff war, den Raum zu verlassen. Verdammt. Noch rund dreißig Sekunden, dann wäre er außer Sichtweite. Faron hob die Armbrust und nahm Ziel auf Gorto, der ihm aus knapp zwanzig Schritt Entfernung den Rücken zukehrte. Ihn jetzt hinterrücks zu erschießen, ihn neben seiner kleinen Enkelin sterben zu lassen, wollte er das denn? Götter, hätte er doch fünf Minuten früher abgedrückt. Noch zehn Sekunden Zeit. Schießen? Nicht schießen? Noch fünf Sekunden, jetzt oder nie. Faron kniff das linke Auge zusammen und sah Gorto, der seine Enkelin auf die geduldige Weise anlächelte, wie man es tat, wenn ein Kind eine Kleinigkeit mit solchem Enthusiasmus erzählte, als würde diese die Welt bedeuten. Das genügte. Faron nahm die Armbrust herunter und sah die beiden durch die Holztür des Raumes verschwinden. Es war vorbei, er hatte versagt. Die zehntausend Dukaten würde er seinem Auftraggeber hinterlegen und heimlich verschwinden. Faron wollte keine Bezahlung für einen Auftrag, den er nicht ausgeführt hatte. Prinzipien.
Er würde verschwinden müssen. Vielleicht auf diese Insel, von der er nun schon so viel gehört hatte. Wie war noch ihr Name? Siebenwind?
Er stand auf und war keine drei Schritte weit gekommen, als ihn ein plötzlicher Ruck rückwärts zu Boden warf. Der Schnee hatte seinen Aufprall zwar gedämpft, doch als er aufstehen wollte, gehorchte ihm sein Körper nicht. Was war geschehen? Faron war verwirrt, überrascht und verärgert. Er hob den Kopf mühsam an. Sein Sichtfeld begann zu verschwimmen, alles, was er im Moment wahrnahm, waren Farben. Die dominierende Farbe war bisher weiß gewesen, doch wurde sie nun rasch von rot abgelöst. Zunächst nur in den Augenwinkeln, dann überall um ihn herum. Nach mehrmaligem Blinzeln erkannte er einen Pfeil in seiner Brust. Ungläubig betrachtete er ihn. Das Geschoss war so unwirklich.
Faron konnte nur noch flach atmen. Seine Sehkraft war zwar zurückgekehrt, aber seinen nahenden Tod hatte er sich mittlerweile eingestanden. Auch die Schmerzen waren letztlich gekommen. Er kniff die tränenden Augen zusammen und sah zu einer sich nähernden Gestalt in Richtung Hafen. Mit schmerzverzerrtem Grinsen ließ er den Kopf sinken, dann lachte er mit seinem letzten Atemzug leise auf. Ein Mann mit Bolzen im Bein humpelte auf Faron zu. Der Greis hatte ihn beschissen.

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Wir sagen Tschüss... ganz ohne Theater.


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