Mit wachen Augen blickte Rufus auf die vor ihm liegende Karte, während der Wein in seinem Kelch vom Seegang des Schiffes unnachgiebig umherschwankte.

Die Worte seines Vaters waren unmissverständlich gewesen und auch nach Tagen der Fahrt wollten sie nicht aus seinem Kopf weichen.

„In Siebenwind liegt deine Zukunft, mein Sohn. Ich würde dich ja gerne hierbehalten, doch...“

...Er lügte, wie er es nunmal tat, wenn er daraus seinen Vorteil ziehen konnte.
Die Zeit, in der Rufus weg war, hatte sein Vater genutzt um ihn scheinbar lückenlos zu ersetzen. Kein Familienportrait; aus der Familienchronik verschwand Rufus mit dem Satz „So brach er auf zu neuen Ufern, um dem Handelshaus Kreuztaler auf ganz Tare Ruhm und Reichtum zu bringen!“

Ewig war er im Glauben, dass sein Vater Entscheidungen zum Wohle der Familie, zu Rufus' Wohle traf. Dass sein Vater Pläne für Siebenwind hatte und er bedeutsam für eben jene Pläne war.

„...versteh, es ist eben rein geschäftlich.“

Nach diesem einen Gespräch sah er wieder klar.
Es war ein Spiel der Narretei, auf welches er hineinfiel. Faden für Faden löste sich nun das perfide Netz dieser Intrige von Rufus' Schultern.

Und mit Poltern und lautem Getöse wurde Rufus schließlich aus seinen Gedanken gerissen, wie die raue Stimme eines Seemanns in die Kammer drang.

„Land in Sicht!“

Die Geschäfte rufen.

*Während der Abwesenheit Rufus auf Siebenwind geschehen*

Verrückt - einfach nur Verrückt! Tiberias saß über den Aufzeichnungen die er sich selbst gemacht hat in Ermagelung eines erfahrenen Kaufmannes wie Rufus, wie konnte man nur so etwas durchblicken "Buchführung"? Mit weit abstehenden Haaren und zerzausten Bart im Schein einer im Sterben begriffenen Flamme schreibt er Notizen um Notizen. Rufus - wenn ihr wiederkommt erhöhe ich euren Lohn. Ein Blick in alle Richtungen - ob er immernoch allein in der Kammer sei. ... vielleicht.

Nur wenige Tage waren vergangen und Rufus stand erneut dort; Im Obergeschoss der Kanzlei mit einem einfachen Schreiben.

Erneut wurden jedes seiner Gliedmaßen zu Stein, als er fassungslos auf den Zettel sah.
Es war nicht nur die grausame Einfachheit der Nachricht, sondern vielmehr, was sie mit sich brachte:
Zweifel an seinem Vorhaben - nein, vielmehr als nur Zweifel; er fühlte, wie ein haariges Spinnenbein nach dem anderen erst seinen Rücken abtastete und schließlich mit bestialischer Stille seinen Körper hochfuhr.

Sie waren wieder hier...

Ruhig, sanft setzte das erste Spinnenbein auf seiner Schulter auf. Direkt auf seinem Rücken saß die achtäugige Gestalt, die ihren vor Sekret und Gift triefenden Kiefer mit einem undeutbaren Geräusch zwischen seinen Schulterblättern entlang zog. Ein Klacken und die ihm so treue Schiefertafel fiel zu Boden.

Sie werden wieder kommen...

An seinem Nacken angekommen verharrte der Kiefer und der Torso der Gestalt. Rufus stand vor der Wahl:

Er konnte die Arme heben, verzweifelt um sich schlagen und somit sein Schicksal besiegeln - Die Spinne würde ihn beißen und mit angsterfülltem Herz würde er sterben, ohne seine Ziele erreicht zu haben.

Die andere Möglichkeit war, dass er versuchen konnte, ruhig die Hände zu heben, um der Spinnen einen Platz auf seiner Brust einzuräumen. Sie wäre ihm dann so nah, dass ihre haarigen Beine bei jedem Schlag seines Herzens mitschwingen würden bis ihre Herzen, ihr Atem - ja bis alles im Gleichtakt wäre.

Geduldig verharrten die acht Augen auf seinem Leib. Rufus dachte er müsse sich entscheiden - aber er hatte sich längst entschieden. Er musste nur noch die Ausmaße seiner Entscheidung erfassen, denn durch sie würde er entweder alles erreichen oder aber.. alles verlieren.

Er ließ das Pergament wieder auf den Boden sinken.
".. wir werden aus dem Schatten kommen und euch töten."

Der Kiefer war jedenfalls bereit, jederzeit zuzuschnappen.