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 Betreff des Beitrags: Die gefallene Seele - Von den Taranteln
BeitragVerfasst: 11.06.10, 12:27 
Einsiedler
Einsiedler

Registriert: 27.04.10, 20:32
Beiträge: 5
Die gefallene Seele
Oder "Von den Taranteln"


Einst sah ich einen Schüler an einem Baume stehen, gewachsen an einer tiefen Klippe, in deren Tiefe kein Lichtstrahl vordringt, Heimstatt für Schatten und dunkle Gedanken. Gebrochen durch das Streben nach der eigenen Überwindung, um im Tanz des Untergangs die Ankuft der edlen Seele zu verkünden, sprach mein Schüler: "Wenn ich diesen Baum mit meinen Händen schütteln wollte, ich würde es nicht vermögen. Aber Winde, die wir nicht sehen, die biegen ihn und quälen ihn, wohin sie wollen. Auch wir werden am schlimmsten von unsichtbaren Händen gebogen und gequält."

Mit meinem Schüler ward es wie mit dem Baume, denn je mehr er hinauf in die Höhe und Helle will, umso stärker streben seine Wurzeln erdwärts ins Tiefe, ins Dunkle - ins Böse. Der Schüler traut sich selbst nicht mehr, je mehr er in die Höhe will, und Niemand traut ihm mehr. Er verwandelt sich zu schnell, sein Heute widerlegt sein Gestern. Er überspringt oft Stufen, wenn er steigt - das verzeiht im keine Stufe. Auf dem Wege nach Oben fühlt er sich allein, Niemand redet mit ihm und der Frost der Einsamkeit macht ihn Zittern. Was will er noch in der Höhe? Seine Verachtung und seine Sehnsucht wachsen miteinander und je höher er steigt, umso mehr verachtet er den Steigenden. Was will er noch in der Höhe? Wie sehr er sich schämt seines Steigens und Stolperns, wie sehr er verachtet sein schweres Schnauben und wie sehr er hasst den Fliegenden. Was will er noch in der Höhe?

Wie der Baum wuchst der Schüler einsam an der Klippe, hoch hinweg über Mensch und Tier. Und wenn er reden wollte, so hätte er Niemand, der ihn verstünde, so hoch wuchs er. Nun wartet er und wartet, doch worauf? Er wohnt nahe bei den Wolken: Er wartet wohl auf den ersten Blitz, der ihn erschlägt. Er sehnt sich nach dem eigenen Untergang und verachtet sein Selbst. Die Verachtung des Steigenden, der Neid auf den Edlen, der Hass seines Wachsens hat ihn zerstört und schwarze Fäulnis steigt aus seinen tiefen Wurzeln auf bis ins Herz.

Noch ist er nicht frei und sucht doch die Freiheit: Übernächtig macht ihn sein Suchen und überwach. In die freie Höhe will er, seine Seele dürstet nach den Sternen - doch auch seine schlimmsten Triebe dürstet es nach Freiheit. Seine Gelüste, wie wilde Hunde, wollen in die Freiheit und Bellen hungrig in ihrem Kerker, wo sein Geist alle Gefängnisse zu lösen trachtet. Noch ist er ein Gefangener, der seine Freiheit ersinnt: Ach, klug wird solchen Gefangenen die Seele, doch auch arglistig und schlecht. Reinigen muss sich noch der befreiende Geist, noch viel Moder und Kerker ist in seiner Seele.

Ja, ich weiss um seine Gefahr. Edel fühlt er sich noch, und Edel fühlen sich die Andren noch, die seinem Steigen im Wege stehen. Doch Edle sind jene nicht, nur Gute und wisse, dass jedem Edlen ein Guter im Wege stehe. Neues will der Edle schaffen und eine neue Tugend. Altes will der Gute erhalten und seine alte Tugend. Doch ist es nicht die Gefahr eines Edlen, dass er ein Guter werde, sondern ein Verachtender, ein Höhnender und ein Vernichter!

Ach, ich kannte Edle, die alle Hoffnung verloren und dann alle ihre edlen Hoffnungen verleumdeten. Nun leben sie spottend in ihren Gelüsten und werfen keine Pfeile nach neuen Ufern. Geist ist auch Wollust, so sagen sie, und da zerbrachen sie ihrem Geist die Flügel. Nun kriecht er herum im Schmutz, an alten Knochen nagend. Einst wollten sie Helden werden, nun sind sie Lüstlinge und ein Grauen sind ihnen wahre Helden. Sie sind Taranteln und hängen ihre Netze in ihren dunklen Höhlen. Schwarz sitzen auf ihrem Rücken ihre Wahrzeichen und ich weiss auch, was in ihrer Seele sitzt. Rache sitzt in ihrer Seele und wo sie beissen, da wächst schwarzer Schroff und mit Rache macht ihr Gift die Seele tanzend. Sie versteckten ihr Gift und ihre Rache hinter ihren Wahrzeichen, dass da "Gerechtigkeit" ist, von der sie predigen. Aber ich will ihre Verstecke ins Licht zerren und so lache ich den Spott der Höhe in ihr Anlitz.

Darum reisse ich an ihren Netzen, dass sie in ihrer Wut hervorspringen aus ihren Höhlen, und ihre Rache hervorspringte aus dem Versteck "Gerechtigkeit". Denn das die Seele erlöst werde von Rache, dass ist mir die höhste Hoffnung und Brücke zur edlen und hohen Seele! Doch anders wollen die Taranteln, denn ihnen heißt Gerechtigkeit, dass die Welt voll werde vom Unwetter ihrer Rache und so spinnen sie miteinander ihre Netze. Rache wollen sie üben und das Verderben von Allen, die ihnen nicht gleich sind - das ist ihnen Gleichheit und Gerechtigkeit. Der Wille zur Gleichheit, der Wille nach Gerechtigkeit, soll fortan ihre Tugend heißen und so wollen sie alles Niederreisen, was ihnen nicht gleich ist, was Macht hat. Ihre heimlichen Gelüste nach Rache an denen, die sie verstoßen haben, verstecken sich hinter Tugend-Worten nach Gerechtigkeit und Gleichheit. Und doch bricht aus ihnen oft die Flamme der Rache hinaus und ihr Wahnsinn als nachtschwarzer Schatten in ihren Worten.

Aus jeder ihrer Klage tönt die Rache und jede ihrer Lobpreisungen ist Wehtun - Richtersein scheint ihnen Seligkeit. Doch so rate ich euch, misstraut allen jenen, in welchen der Trieb nach Strafe mächtig ist. Misstraut allen jenen, denen der Weg zur Gerechtigkeit die Verbrennung von Erde ist und das Wandeln von Geistern des Wahnes und Dämonen. Selbst wenn sie sich die Guten, Edlen und Gerechten nennen, so fehlt ihnen doch zum Bösen, Vernichter und Tyrannen doch nur eines: Macht. Mit solchen Taranteln will ich nicht verwechselt und vermischt werden! Es gibt solche, die Predigen meine Lehre und zugleich sind sie Prediger der Gleichheit und Taranteln. Mit solchen will ich nicht verwechselt und vermischt werden! Dass sie vom Willen nach der Höhe reden, und doch in ihren Höhlen sitzen, diese Giftspinnen, abgekehrt vom Leben: Sie wollen wehtun jenen, die Macht haben. Doch hätten sie die Macht, wäre nicht mehr Gleichheit und Gerechtigkeit ihre Lehre, denn ehemals waren sie die besten Ketzerbrenner und Weltverleumder und sollen es wieder sein.


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