Ein Dorf im Schnee. Morsan. Spaeter Nachmittag.Ein runder Platz umgeben von rustikalen schneebedeckten Holzhuetten an deren Daechern Eiszapfen so gross wie Unterarme zu wachsen schienen. In seiner Mitte ein zugeschneiter, gemauerter Brunnen im nahezu kniehohen Schnee.
Niemals!
Ein paar Schritte vor ihm sieht er ein blondes Maedchen rennen, das schreiend versucht ihm zu entkommen. In vollem Lauf greift er nach unten, formt sowohl geschickt als auch geschwind einen Schneeball und schmeisst ihn laut lachend nur knapp am linken Ohr des Maedchens vorbei.
Hah! Nichmal treffen kannst du!
Du kriegst mich nieeeeee!
Das Maedchen vor ihm hat etwa 16, vielleicht 17 Jahreslaeufe erlebt. Das blonde, lockige Haar, von vorhergehenden Treffern bereits mit unzaehligen Schneeflocken durchsetzt, flattert aufgeregt im Gegenwind und schimmert, vielleicht auch gerade wegen der Schneekristalle darin, in den letzten Strahlen der tief stehenden Sonne in allen moeglichen Farben.
Er spuert, wie er schnauft, nur um dann laut schreiend all seine Kraft zusammen zu nehmen und dem Maedchen schnell wie der Wind hinterher zu stuermen.
Ein letzter Sprung. Er greift von hinten um das Maedchen und schmeisst sich mit ihr unter lautem Kreischen in das weiche, weisse Bett Morsans, wo sich die beiden noch einige Minuten uebereinander, untereinander und durcheinander hin- und herrollen.
Schnee unter ihnen. Kichern. Schnee ueber ihnen. Lachen. Schnee im Gesicht. Schreien.
Metall auf Metall. Sonderbare Geraeusche.
Ein Holzhaus. Morsan. Frueher Abend.Ein laut knisternder Kamin strahlt wohlige Waerme aus und sorg dafuer, dass die Luft im Raum auf der eiskalten Haut brennt wie abertausende Nadelstiche. Das ganze Haus scheint aus einem einzigen Raum zu bestehen, das Dach gehalten von maechtigen Staemmen, die 3 eher 4 Schritte in die Hoehe ragen. An den Waenden Geweihe und Felle als Trophaeen aufgehaengt und auch der knarzende Holzboden ist an einigen Stellen mit weichen Fellen ausgelegt.
Draussen hat sich Fela fuer diesen Zyklus schon einige Momente verabschiedet und die Kaelte der Nacht zieht getragen vom leichten Wind erneut um die kleinen und spaerlich verteilten Fensterchen des Hauses.
Er ist mit dem blonden Maedchen ganz offensichtlich allein in dem Haus.
Guck weg! Los!
Und schon wird ihm eine eiskalte Hand ins Gesicht gehalten.
Die beiden sind pitschnass. Bis auf die Unterwaesche von Schweiss und geschmolzenem Schnee durchtraenkt. Er versucht durch die Finger des Maedchens zu blinzeln.
Hey!
Ist ja gut!
Hoert er sich in einer sonderbar jungen Stimme sagen, wobei er sich ein Grinsen nicht verkneifen kann. Trotz allem dreht er sich langsam zur Seite weg und beginnt sich ebenfalls aus den vor Feuchtigkeit auf der Haut klebenden Klamotten aus Leder und Fell zu schaelen. Ein klein wenig von sich selbst geschockt blickt er auf einen jugendlichen Koerper hinab, als waere er nur Zuschauer in diesem Spiel und doch mittendrin gefangen.
Das Maedchen wickelt sich hinter ihm in ein Fell ein und auch er bekommt von hinten etwas weiches, flauschiges an den Ruecken geschmissen. Kaum hat er sich umgedreht, hoert er es auch schonwieder kichernd losschreien.
Das Maedchen haelt sich blitzschnell die Haende vor die Augen, woraufhin sich ihre Felltunika als ungenuegend stabiles Gebilde offenbart und das Kichern und Kreischen kein Ende nimmt. Waehrend er sich das Fell um die Hueften bindet, zuppelt das Maedchen an sich selbst alles wieder zurecht.
Von einem auf den anderen Moment beginnen sich die Bilder zu verzerren. Alles flackert vor seinen Augen, als wuerde sich der Film mit ihm selbst in der Hauptrolle zu einem gesichtslosen Schwall an Gefuehlen, Gedanken und Geraeuschen wandeln.
Das kuschelige Fell. Herzliches Lachen.
Waerme. Nackte Haut.
Unsicherheit. Zoegerliche Beruehrungen.
Herzklopfen. Ein sanfter Kuss.
Eine Kissenschlacht. Lautes Gekicher. Leises Gekicher.
Unbaendigbare Spannung. Vorsichtiges Ertasten.
Auf einen Kuss folgen viele. In Locken verfangene Finger. Mundwinkel, die nichtmehr aufhoeren zu grinsen.
Vorsicht. Angst. Verzweiflung. Endlich erloesendes Kichern.
Mut.
Schweiss.
Entspannung.
Perfekte Stille.
Als waere es alles in Zeitraffer von statten gegangen findet er sich einen Moment spaeter Arm in Arm mit dem Maedchen unter eine Decke gekuschelt in dem grossen rustikalen Holzbett im Raum wieder. Es ist warm, kuschelig, schoen. Er fuehlt sich geborgen. Es ist alles richtig. Doch die Gedanken rasen.
War das wirklich alles?
Und deswegen das ganze Trara? Deswegen hat er sich solche Sorgen und Gedanken gemacht? Haben ihn seine Freunde belogen? Hat er irgendetwas falsch gemacht? Sie laechelt.
War das wirklich alles?
Er konnte das unmoeglich zugeben. Er musste seinen Freunden etwas erzaehlen. Es war etwas besonderes! War es das? Irgendwie schon. Sie kuesst mich.
Doch eine Frage blieb:
War das wirklich alles?