BegleitmelodieDie kalten Hände zerren und ziehen
die Träume die der Welt entfliehen,
oh ,unvermeidlich alte Mächte...
Zerrissen ist das purpur Kleid,
Der Sieg geht an die Wirklichkeit
...wenn man sie mir nur wiederbrächte...Sie schlug die Augen auf und erwachte in einer Welt der Stille. Kein Wort ertönte, nicht einmal ein Flüstern. Sie war allein und unversehrt. Der dunkle Raum mochte eine bedrückende Melancholie ausstrahlen, aber er bedeutete ebenso Ruhe. Die zwei kleinen Tische, die Sitzkissen - alles war so wie sie es zurückgelassen hatte. Der subtile süßliche Nachtschatttennote die in der Luft lag versprach, dass sie nicht allzu lange weg war. Sie konnte es immernoch in jeder einzelnen ihrer Bewegungen spüren. Gewissermaßen der Idealzustand um ihren Pflichten nachzugehen. An dem Stab den sie in jenem kleinen Meditationsabschnitt neben sich zurückgelassen hatte, drückte sie langsam empor. Sie schritt zu einem der kleinen Tische, um die dort befindliche Asche ihres gestrigen Rituals vom Untersetzer der Kerzen zu entfernen und das dort befindliche Instrumentarium zu reinigen. Nicht um ihre Spuren zu verwischen, sondern um es für jene die diesen Ort nach ihr aufsuchen würden wieder herzurichten. Die Standuhren verrieten ihr, dass es noch frühster Morgen war. Fela hatte sich noch nicht erhoben um ihre Strahlen über den Horizont hinweg niedersinken zu lassen und selbst die Vögel waren noch nicht aus ihren Träumen zurückgekehrt.
Die steinernen Stufen trugen sie in ihre weite Robe gehüllt langsam hinab in das Erdgeschoss. Dieser Ort war wie immer. Still, verlassen, gemieden. Sie schritt auf den Altar zu und sah einige lange Momente zu der dort stehenden, verzierten Sanduhr. Es war kein Kampf, es war eine Probe. Es war ein Wettstarren - nicht mit der Zeit, sondern mit der Vergänglichkeit. Sie konnte es nicht gewinnen - niemand konnte das. Nur die Viere sind für die Ewigkeit geschaffen. Aber sie konnte sich bemühen nicht zu verlieren. Und sie tat es nicht. Als sie ihren Blick senkte, war es nicht Schmerz der sie zu dieser demütigen Geste bewegte. Sie kniete sich nun auf den Boden, während sie den Stab neben sich ablegte. Und wieder vergingen langgezogene Minuten totaler Stille. Allerdings waren es keine Minuten des "nichts". Es war ein Luftholen.
Nicht lange nachdem sie sich, begleitet von einigen Gesten, erhoben und entfernt hatte, trugen weitere Stufen sie tief hinab in ein Kellergewölbe. Ein leicht süßlicher Geruch von Ölen und Weihrauch schlug ihr entgegen und sie hatte nicht die geringsten Zweifel daran wo sie sich befand. Was zwar auch größtenteils daran lag, dass sie diesen Ort oft betreten hatte, aber wenn dem so nicht gewesen wäre, hätte ihr Verstand wahrscheinlich ziemlich schnell die Assoziation: "Die feuchte Luft eines Kellergewölbes, Öle, Weihrauch ~ wahrscheinlich eine Gruft " hervorgebracht. An einer der an der Wand hängenden Fackeln entzündete sie eine kleine Kerze, welche sie auf einem Untersetzer platzierte, und steckte sich einige weitere in die Taschen ihrer Robe. Da sie nicht zum ersten Mal hier war, wusste sie, dass hier einbalsamierte Leichen lagerten. Umso vorsichtiger sollte sie mit Feuer sein, weswegen sie sich nur für eine kleine Kerze entschied. Desweiteren steckte sie einige Öle und Bandagen ein - denn auch wenn sie wenig von dem Ort wusste, wusste sie eins: Viele der Leichname hier lagen bereits bereits sehr lange. Die meiste Zeit war ein Einbalsamierungsprozess eine sichere Sache und zweifellos eine Investition für eine Ewigkeit die zumindest insofern ewig war, als dass niemand der einen persönlich kannte damit rechnen musste, einem beim Verwesen zusehen zu können. Wie sie aber auch wusste, war das Einbalsamieren ein empfindlicher Prozess. Kleinste Fehler ohne Verunreinigungen der Öle konnten Folgen haben - und diese konnten jedem noch so erfahrenen Diener unterkommen. Daher galt es schlichtweg in gewissen Abständen die aufgebahrten Leichen augenscheinlich zu prüfen und gegebenenfalls Korrekturen vorzunehmen. Da ihr keine außerordentlichen Pflichten zugeteilt wurden, tat sie schlichtweg was ohnehin die Pflicht ihresgleichen war. Und so wie es dazu gehört: Ohne zu jammern, ohne zu klagen.
Danach würde sie nach dem Morsanacker sehen.
Pflichterfüllung... in aller Stille.