Kindheitsnostalgie.
Im Sonnenuntergang nährt sich ein friedlicher Reiter langsam einem kleinem idyllischem Dorf. Ein Mann im mittleren Alter, wohlgenährt, unbewaffnet und in gut gearbeiteter Reisekleidung. Nach einem langen Tagesritt wirken Reiter und sein kräftiges Ross müde und das warme Leuchten und muntere Stimmgewirr aus der Dorftaverne erscheint ihnen nur noch einladender. Ein gutes Mahl, herzlische Gesellschaft und ein weiches Bett.Friedlich und ruhig liegt mein Heimatdorf vor mir. Lange war ich nicht mehr hier, viele Jahre lang hielten mich meine Geschäfte in der Stadt, die sich ständig verändert und stets Aufmerksamkeit fordert, stets muss man auf der Hut sein, um sich ja kein gutes Geschäft entgehen zu lassen. Doch das Dorf ist immernoch genauso wie in meiner Erinnerung, genauso wie es war, als ich hier aufgewachsen bin - kein Stuck hat es sich gewandelt.
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Es ist ein lauer Bellumsabend, der Wind streicht säuselnd das Meer der goldgelben Ähren und lässt leise die Blätter der Bäume am Wegesrand rascheln, einige wenige davon schon in einem strahlenden Gelb geziert. Die Erinnerung an die Sonnenwärme des wolkenlosen Tages liegt noch in der Luft, die Grillen zirpen und die aufkommende Kühle der Nacht schärft die SinneDort hinten sehe ich den alten Weiher, an dem wir als Kinder ständig gespielt haben. Es ist, als wäre die Luft gesättigt vom Nachhall fröhlicher Kinderstimmen und ich kann nicht anders, als die Augen zu schließen und meine Gedanken in die Vergangenheit schweifen zu lassen. Was wohl aus Alon geworden ist? Wir waren unzertrennlich und ich habe gehört, er hätte vor Jahrzehnten die Dorftaverne von seinem Vater übernommen. Ich hoffe, dass ich ihn noch finde, wir sollten die alten Erinnerungen bei einem Krug Bier wieder aufleben lassen.
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Ein Lächeln stiehlt sich auf die Lippen des Reiters, als der leise Klang von munterem Flötenspiel von der Taverne her in seine Richtung weht. Er ist wieder daheim, obgleich er seit Jahren nicht mehr hier gewesen ist. Doch das weiche Bett, das warme Mahl, es muss noch warten. Zuerst will ich die Bücherei besuchen. In der Stadt würden all ihre Bücher sicherlich in ein Hinterzimmer der großen Astraelbibliothek passen, doch in meinen Erinnerungen ragen die Regale immernoch wie riesige Berge zu meinen Seiten auf. Uralte Bücher, die einem Versprechen von Abenteuer und fremden Ländern zuwispern. Jeder Lichtstrahl scheint die Gänge in ein warmes Licht zu tauchen. Einige meiner liebsten Erinnerungen haben hier ihre Heimat. Was war ich als Kind so sorgenfrei, so unbeschwert und wie sehr ließen mich die Geschichten in den Büchern staunen und mich nach der Ferne sehnen.
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Der Reiter wandert durch die Reihen der Regale, mit langsamen Schritten und tief in seine Gedanken an eine fröhliche Kindheit versunken, in der die Welt noch voller Wunder und Abenteuer schien. Er ist auf der Suche nach einem ganz bestimmten Buch und verharrt schließlich vor einer ganz bestimmten Stelle vor einem Regal und greift ein abgegriffenes Buch heraus.Ach, wie ich immer meinen Bruder fragen musste, dass er mir dieses Buch von hoch oben aus dem Regal herab holt. Wie glücklich ich war, als ich endlich groß genug gewachsen war, um selbst nach dem Buch greifen zu können. Unter all den Erinnerungen an meine Heimat, unter all den wundersamen Geschichten und Märchen in den anderen Büchern, unter all den Erlebnissen und Abenteuern mit meinen vielen Freunden, ist mir dieses Buch das Liebste. Wie oft war ich den halben Tag darin versunken, wie oft hat es mich aufgemuntert, mich getröstet, mich laut auflachen lassen, selbst wenn ich dafür von den Anderen in der Bücherei getadelt wurde. Ich fühle, ich bin daheim, zurück am Ort meiner Kindheit, und glücklich.
Lange Momente stand der Reiter mit dem Buch in den Händen, sein Blick in die Ferne abgeschweift, alten Erinnerungen nachsinnend, alten Freunden gedenkend, alte Abenteuer nacherlebend. Seine Hände, im Lauf der Jahre gezeichnet von harter Arbeit, doch inzwischen geschmückt mit einem fein gefertigten Goldring mit dem Siegel eines Händlermeisters, streichen sanft, fast liebevoll, über das alte gegerbte Leder des Buches. Schließlich stiehlt sich ein versonnenes Lächeln auf sein Gesicht, seine Aufmerksamkeit kehrt aus der Vergangenheit ins Hier und Jetzt zurück und er trägt das Buch zu einem Lesetisch herüber, setzt sich und schlägt den schweren Umschlag auf...