Siebenwindhomepage   Siebenwindforen  
Aktuelle Zeit: 22.06.25, 09:40

Alle Zeiten sind UTC + 1 Stunde [ Sommerzeit ]




Ein neues Thema erstellen Auf das Thema antworten  [ 16 Beiträge ] 
Autor Nachricht
 Betreff des Beitrags: Auch regelmäßiges Versagen zeugt von Zuverlässigkeit
BeitragVerfasst: 22.02.06, 21:50 
Altratler
Altratler
Benutzeravatar

Registriert: 9.12.01, 12:26
Beiträge: 11215
Wohnort: Dur´sches Imperium
Marode Mauern, einsturzgefährdete Dielen, verbogene Streben und glaslose Fenster, die wie ausgeschlagene Zähne in einem Gebiss wirkten, taten sich vor ihr auf. Die alte Kriegerakademie, einer der wenigen Orte im Ödland, die stumm davon zeugten, dass es hier einst mehr gab als nur äscherne Wüste. Ihr Blick wanderte über die zerstörten Fassaden und verrottenden Spinnenleiber, die an heftige Kämpfe erinnerten, die stattgefunden haben mussten. Der Stachel des Versagens bohrte sich tiefer in ihr Fleisch und setzte beim Anblick der alten Feste das Gift namens Selbstzweifel frei.

Von was für idealistischen Narren war sie nur umgeben? Der Wiederaufbau der Anlage bedeutete wieder Fuß zu fassen im verwüsten Ödland. Der erste Schritt zur Wiederbelebung, dem noch tausend andere folgen mussten. War die Forderung um Mitspracherecht denn so abwegig, wenn sie die Hälfte des Baus finanzieren konnte und würde? Ganz zu schweigen von den laufenden Kosten, die entstehen würden, wenn es tatsächlich gelang die Kriegerakademie in eine bemannte Feste umzubauen, von der aus das Ödland Stück für Stück zurück gewonnen werden konnte.

Die Feste war ihre Chance das Gleichgewicht in diese versteppte Landschaft zurück zu bringen und auf dessen Entwicklung Einfluss zu nehmen. Eine Entwicklung, die nun ein Novize Bellums und ein Hochmagier übernehmen würden, die an der Natur und den ausgleichenden Kräften so viel Interesse hatten, wie eine Dirne an einem nicht zahlungsfähigen Kunden. Vorausgesetzt es kam überhaupt so weit. Das Ödland war Feindesland. Heimat von Dämonen, übermächtigen Wesen stammend aus mazzareemischer Zeit, Spinnen und natürlich den Anhängern Angamons, deren Interesse an einem Landstrich, wo sie ungehindert agieren konnten, auch für einen Laien unverkennbar sein musste.

Sie rief sich die Gesichter ins Gedächtnis. Den bohrenden Blick der Ritterin, die schon nach ihrem ersten Satz auf herablassend umschaltete. Den geringschätzigen Ausdruck des Novizen, der etwas von Respekt, den man sich erarbeiten musste, faselte ohne das je irgendwer gehört hatte, was er eigentlich selbst vollbracht hatte. In ihren Augen die typischen Sorte Mensch, die Wasser predigten und Wein soffen. Ihren Vater, der ob ihres undiplomatischen Vorpreschens mit den Augen rollte und Aekoric. Aekoric, Sohn aus reichem Haus, dem ein Leben lang alles nachgeschmissen wurde, bis er sich eines Tages obdachlos, mittellos und vollkommen auf sich allein gestellt auf Siebenwind wieder fand. Es war keine zwei Tage her, da kam er zu ihr um etwas zu Essen zu erbitten und nun stand er da in heroisch aufgemotzter Pose und verkündete er würde eher seine letzte Rüstung verkaufen, als sich auf ihr Angebot einzulassen. Sie hätte es wissen sollen. Er hatte endlich Fuß gefasst auf der Insel, war zum Befehlshaber der Wacht ernannt worden, da war doch klar, dass er sich die Butter nicht vom Brot nehmen lassen wollte und selbst rücksichtslos nach derjenigen trat, die ihm nicht selten aus der Patsche geholfen hatte.

Machthunger warf man ihr vor. Ihr, die ihre eigentliches Ziel genau hinter diesem Vorwurf tarnen musste, weil sie nicht die wahren Gründe an ihrem Interesse zu der Feste offenbaren konnte. Wie eine Meute kläffender Hunde stürzten sie sich auf sie, weil sie es gewagt hatte dem herum liegenden Knochen, den sie ausgebuddelt hatte, zu Nahe zu kommen. In ihrer selbstherrlichen Arroganz erkannten sie nicht mal, wie sie selbst nach der Macht gierten, unter dem Deckmantel der Ehre und des Idealismus natürlich. Keiner von den Anwesenden würde wirklich seine letzte Rüstung verkaufen, wie sie es großmütig proklamierten nur um das Vorhaben zu unterstützen. Leere Worte, mit denen sie sich gemeinschaftlich gegen sie versicherten.

Sie zweifelte nicht an der Tatsache, dass die Ressourcen auch ohne sie zusammen getragen werden konnten. Sie glaubte auch nicht, dass die Erfolgsaussichten, die Feste auf die Beine zu stellen, mit ihr größer waren. Sie wusste aber, dass mit dieser Besatzung das Projekt auf lange Sicht scheitern würde. Ihr Vater hatte zum einen genug andere Dinge zu tun und zum anderen verlor er an allem nach einer gewissen Zeit das Interesse. Der Novize hatte vielleicht den Fanatismus, aber sie zweifelte an seiner Beständigkeit und an der Tatsache, dass eine Ehrenwacht nicht ihre Ehre essen konnte. Wenn es nicht die Diener des Einen waren, die die Pläne vereitelten, dann würde die Misswirtschaft greifen. Wie viele würden sich schon freiwillig dauerhaft und unbezahlt auf die Zinnen einer Feste mitten im Feindesland stellen, wo in jeder Ecke der Tod lauerte. Sie hatte Ideen, die Fähigkeiten und das Wissen dazu die Selbstzerstörung des Projektes zu vermeiden, doch man hatte sie abgewiesen wie ein unmündiges Kind. Die eine Seite hatte sie verschmäht, vielleicht konnte sie der anderen mehr von Nutzen sein. Der Trog blieb immer derselbe, nur die Schweine, die daran fressen, wechselten.

Versagen … nach all diesen Schuld von sich weisenden Gedanken … warum fühlte sie sich immer noch wie eine Versagerin?

Der Tag war wirklich nicht aufbauend gewesen. Selbst ihre magischen und alchimistischen Künste hatten sie im Stich gelassen, beim Versuch jemandem zu einer anderen Hautfarbe zu verhelfen. Sie hätte den Herrn an ihren Vater verweisen sollen, dem alles, was er anpackte zu gelingen schien. Stattdessen lag der Mann zuckend und jammernd vor Schmerzen auf dem Boden ohne dass sich das Erhoffte einstellte. Versagt, versagt, versagt. Eine Stimme in ihrem Kopf zwitscherte zuckrig und im Takt bleibend „Du bist ein Nichts, du wirst nie Jemand, du kannst nichts, dich liebt Niemand!“ Mit verdrossenem Gesichtsausdruck machte sie sich auf den Heimweg und summte leise und unglücklich in Gedanken die Melodie der schmerzenden Töne mit. Solange bis sich die Worte änderten ohne den Rhythmus zu verlieren „Versagen gehört zum Versuchen, Versuchen gehört zum Versagen. Wenn man es nicht versucht, kann man nicht versagen.“

_________________
„Probleme können nicht von den Personen gelöst werden, die diese erst verursacht haben.“


Nach oben
 Profil  
 
 Betreff des Beitrags:
BeitragVerfasst: 2.03.06, 01:35 
Altratler
Altratler
Benutzeravatar

Registriert: 9.12.01, 12:26
Beiträge: 11215
Wohnort: Dur´sches Imperium
Wozu machte sie das alles überhaupt? Dieses ganze verheuchelte Getue eine brave, anständige Galadonierin zu sein um sich Vorteile aus etwas zu schinden, wo ihr dann doch keine gewährt wurden. Sicher, Lavid nickte ihr öfter zu als anderen, aber an der Tatsache, dass er ihr keinen Bürgerbrief zugestehen wollte, änderte sich trotzdem nichts, vollkommen gleich zum wievielten Male sie sich nun wieder um seine kleinen bis lebensbedrohlichen Wehwehchen kümmerte. Ein Ritter war ein Ritter. Eine Person, die es als Selbstverständlichkeit ansah, wenn man ihr gerade das Leben gerettet, oder vor schlimmeren Dauerfolgen bewahrt, hatte und die Arbeit bestenfalls mit einer schlichten Danksagung kommentierte. Sie korrigierte ihre Gedanken. Alle Menschen waren so, nicht nur Ritter. Sobald das Leid vergessen war, war die Tat vergessen, in den hintersten Teil des Hirns, dass sich Vergessen nannte, gepresst um dort bis in die Ewigkeit unangetastet von schlechtem Gewissen oder echter Dankbarkeit zu verschwinden. Was war das Resultat? Man half einer Person, die sich dann pikiert darüber gab, wenn man selber um Unterstützung bat. „Nein Frau Dur, so nicht!“ „Tut mir leid Frau Dur, aber eurem Antrag kann nicht stattgegeben werden!“ „Ich komm auf euch zurück, Frau Dur, wenn ich wieder Hilfe brauche, aber nun verschwindet mit eurem lächerlichen Anliegen!“

Echte Dankbarkeit, frei von irgendwelchen Floskeln und Ausflüchten….welches Ungeheuer hat dich verschlungen, dass du dich so selten blicken lässt?
Letztendlich war sie doch selber schuld. Jemand, der es trotz besseren Wissens mit sich machen lies, hatte es verdient. Ein gut aufgesetztes, obrigkeitsfreundliches Lächeln brachte auch nicht mehr Spielraum und Zugeständnisse als vollkommene Resignation der selbigen. Was lernte sie daraus? Das nächste Mal Ritter, die mit Pfeilen in der Brust bestickt waren, wie ein Nadelkissen mit Nadeln, liegen lassen, nachdem sich ein Dutzend vermummter über sie hergemacht hatte? Den Verbrecher, den sie in ihrem Stall Unterschlupft gewährte ausliefern um sich Liebkind zu machen, aber dennoch nicht mit mehr als einem Lächeln honoriert zu werden? Schutzzauber für zwei Liebende weben um dann festzustellen, dass die Bezahlung ausblieb?

Aber das war auch so eine Sache. Sie hatte es zwar noch immer nicht ganz kapiert was eigentlich geschehen war, aber dass sie mal wieder versagt hatte und ihr Zauber wohl keinen runden Zyklus überdauerte um dann wieder gebrochen zu werden, soviel hatte sie in den wenigen Minuten, die sie die Delinquentin beobachtete, verstanden.
Wozu stundenlang über Ritualen brüten und sie vorbereiten, wenn innerhalb weniger Sekunden, so vermutete sie, ein astraler Magier ihr Werk zu Nichte machte. Nein, sie war gewiss nicht so selbst eingenommen, dass sie glaubte, keiner könnte es mit ihr aufnehmen. Aber es war ein Stich ins Herz zu merken, wie leichtfertig und mit wie wenig Aufwand astrale Magier intuitive Magie aufheben konnten. Zwei so unterschiedliche Arten von Magie, dass sie glaubte es wären mehr als ein paar Gesten notwendig, wenn ein astraler Magier einen intuitiven Zauber brechen wollte, schließlich waren das zwei unterschiedliche Welten in die sich selbst arkane Hoch- und Erzmagier erst Zeit fressend einarbeiten mussten. Dachte sie!

Was hatte sie als Hexe in dieser Welt noch für einen Wert, wenn jeder ihrer Verfluchungs- und Schutzzauber von jedem nicht ganz untalentierten arkanen Magier aufgehoben werden konnte? Man sollte meinen die arkane Magie hatte ihr Ressort im Direkten, Kampfmagie nur als ein Beispiel zu nennen. Sie konnte keine Blitze vom Himmel schießen oder irgendwelche Viecher aus dem Äther beschwören, die eine halbe Armee vernichteten. Die Macht einer Hexe beruhte auf den subtileren Dingen, aber selbst das schien ihr nach diesem Erlebnis nichts mehr wert zu sein. Ihre intuitive Magie konnte anscheinend so leicht ausgehebelt werden, wie geschmolzenes Eis von einem erwärmten Löffel.

Was blieb ihr nach der Erkenntnis, dass arkane Magier zusätzlich zu ihrer direkten Magie auch noch alle anderen Vorteile der Aufhebung der indirekten Magie besaßen? Das Gefühl von Nutzlosigkeit. Eine Hexe beherrschte kaum Angriffsmagie, ein paar nette Heilzauber waren wohl das effektivste mit dem sie Einfluss auf andere nehmen konnte, wobei sich aber wieder der Gedanke der Dankbarkeit regte und in großes Fragezeichen hinter dem Wörtchen „Wozu“ hinterließ. Keine Angriffsmagie, keine dauerhaft wirksame Verfluchungs- und Schutzmagie, was blieb da noch an intuitiver Magie übrig? Nichts. Und genau so fühlte sie sich. Ein kleiner nichts sagender Partikel, der sinn- und ziellos in den längst vergessenen dunklen Tiefen des Meeres vor sich her dümpelte, den keiner fragte, der keinen interessierte, der einfach da war um ein tristloses Dasein als austauschbarer Statist für die großen, wirklich "Wichtigen" zu sein.


Nach oben
 Profil  
 
 Betreff des Beitrags:
BeitragVerfasst: 2.03.06, 22:27 
Altratler
Altratler
Benutzeravatar

Registriert: 9.12.01, 12:26
Beiträge: 11215
Wohnort: Dur´sches Imperium
Mit einem schmatzenden Geräusch zog das Pferd einen Huf aus dem Schlamm, tat einen Schritt vor nur um wieder einige Zentimeter in der matschigen Erde zu versinken. Feiner Nieselregen trübte ihre Sicht auf dem Weg nach Osten. Wie trostlos pervertiert das Land, das sie durchritt doch war. Sie hasste die Ödnis in der der Geruch nach Verwesung in der Luft lag und ständig daran mahnte Obacht zu geben, wenn man hier nicht ebenso tot enden wollte, wie seine Umgebung. Ihre Mimik verriet Verbitterung. Der Kreislauf von Leben und Sterben war in dieser Region aus dem Gleichgewicht gebracht und nichts in naher Zukunft versprach eine Änderung an diesem Zustand. Nichts? Fast nichts. Nur ein Unterfangen von dem man sie ausgeschlossen hatte und ihr verletzter Stolz dazu riet es bestmöglichst zu boykottieren. Sie beruhigte sich mit dem Gedanken, dass es noch genug Chancen gab das Ödland wiederzubeleben. Was waren schon ein paar Jahre des Wartens auf den rechten Moment im Vergleich zu den Äonen, die Tare auf dem Buckel hatte. Geduld und Tarnung war alles.

Sie lenkte das Tier auf die Silhouetten des Vulkanberges zu um mit dem „Feind“ zu konspirieren und Verrat an ihrem eigen Fleisch und Blut zu begehen. Na gut, dass war vielleicht ein bisschen überdramatisiert ausgedrückt, aber dass was sie vor hatte würde ihren Vater nicht freuen, wenn er es in Erfahrung brachte. Wenn… er hatte sie doch schon längst zu einem dekorativen Marktplatzpüppchen degradiert, deren einziger Lebensinhalt darin bestand möglichst vielen Männern schöne Augen zu machen. Er hatte vielleicht nicht ganz unrecht, aber sie wollte mehr sein als das. Sie wollte insbesondere ernst von ihm genommen werden, mehr Achtung von ihm erhalten, mehr einbezogen werden und nicht die dämliche Melkkuh sein, an deren Milch man sich nach Gutdünken und ohne jede Dankbarkeit labte. Oh ja, er wäre sehr sauer, wenn er von ihrem geheimen Treiben erfuhr. Es war jedenfalls besser, wenn er es nicht tat auch aus dem Grund, weil es eine stille Bestätigung für sich selber war.

Dicke Tropfen fielen herab und zerplatzten auf ihrem Haupt und den Schultern um sich dann aufweichend in ihre Kleidung zu fressen. Eine stabile schwarze Mauer vor ihren Augen bekundete, dass sie ihr Ziel erreicht hatte. Sie hoffte zumindest, dass sie hier richtig war. Wer ahnte schon, wo sich die Tardukai rum trieben. Zurück reiten und Diego damit beauftragen? Er wusste, wo die Herrschaften genau zu finden waren. Nein, er hatte sowieso schon viel zu viel Ahnung von ihr. Diego … was für ein unpassender Ort um über seine wohltuenden Hände zu sinnieren. Sie hatte das Gefühl jeden Moment von ihm verraten werden zu können oder dass er seine attentäterischen Talente an ihr übte. War es das, was ihn so reizvoll machte? Zeugte es von gesundem Menschenverstand so was überhaupt als reizvoll zu empfinden? Sie schob den Gedanken beiseite. Seine Liebhaberfähigkeiten waren reizvoll, sonst gar nichts. Sie schenkte der Wand vor sich ein mit der Gegend unvereinbares Grinsen und rief sich ins Gedächtnis zurück, dass sie andere Dinge zu tun hatte, also kletterte sie vom Pferd und erledigte das wofür sie hergekommen war.


Nach oben
 Profil  
 
 Betreff des Beitrags:
BeitragVerfasst: 5.03.06, 21:43 
Altratler
Altratler
Benutzeravatar

Registriert: 9.12.01, 12:26
Beiträge: 11215
Wohnort: Dur´sches Imperium
Zerstörtes Refugium.
„Hast du mich vermisst?“ erklang aus klebriger, umwabernder Dunkelheit eine bekannte Stimme, die vor Zuckrigkeit nur so triefte. „Nein.“ hörte sie sich sagen und wusste im selben Moment, dass noch kein Nein in ihrem Leben so gelogen und dennoch so wahrheitsgemäß war wie dieses. „Lügnerin!“ wurde ihr in einem Ton entgegnet, der von der vorhergehenden Süße nichts mehr erahnen lies. „Lügnerinnen werden bestraft!“ führte die Stimme sachlich militärisch aus. Sie spürte ein leichtes Kribbeln ihren Körper durch fahren, dass sich immer mehr und mehr zu einem feurigen Schmerz entwickelte als würde jemand ihr Blut zum Kochen bringen wollen. Der Jemand zog es jedoch vor der Pein ein Ende zu bereiten bevor es ins nicht mehr ertragbare glitt. „Warst du mir treu?“ setzte die Stimme ihr Verhör nüchtern fort. „Nein.“ Antwortete sie und fügte in Gedanken hinzu: und das habe ich dir auch nie versprochen. „Verräterin!“ der Ton bekam etwas amüsiert verächtliches. „Verräterinnen werden bestraft!“ Sie fühlte eine hitzige Woge ihren Leib durchlaufen, die sie glauben lies vor Qual den Verstand zu verlieren.


„Liebst du mich?“ Die Stimme hatte etwas raubtierhaft Lauerndes und lies erwarten, dass von der „richtigen“ Antwort ihr Leben abhing. „Nein.“ Gab sie gequält von sich. „Wie herzlos.“ Jemand schnalzte ein ausgiebiges, bedauerndes „Tss tss“. „Herzlose Wesen werden bestraft!“ Die Schwärze löste sich in einem Umkreis von wenigen Metern um sie herum auf und aus der Umnachtung pellte sich eine Gestalt, durchschnittlich groß und von schlaksiger, beinahe dürrer Statur. Ein Schleier aus langen dunkelroten Haarsträhnen legte sich stellenweise über seine knochigen Züge. Die geröteten Augen zeugten von Schlafmangel und die Lippen waren zu einer diabolisch grinsenden Fratze verzogen. Sie selbst stellte fest, dass sie gefesselt war. Eisenringe zogen sich wie die bitteren Küsse eines verhassten Verehrers um ihren Hals und die Hände und fixierten sie unbarmherzig an einem Pfahl. Reisig war zu ihren Füssen aufgeschichtet, darunter mehrere Lagen Holz.

„Ich liebe dich!“ raunte die Gestalt und warf die brennende Fackel auf die Scheite, die die Flammen wie eine lang ersehnte Erlösung empfingen. Rauch füllte ihre Lungen und wallte unaufhaltsam ihre Atemwege entlang. Sie hustete, keuchte und rang nach reiner frischer Luft, doch da war nichts mehr außer dunstigem Qualm. Noch ehe der ersehnte Erstickungstod eintrat griff die Lohe nach ihrem Körper, züngelte sich wie Schlangen ihre Beine hinauf und setzten auf ihrem Weg alles in Brand, was sich entgegen stellte. Trotz der Marter rang kein Schreien über ihre Lippen. Eine stumme Hinnahme der Gegebenheiten. Schreien würde sein Herz erfreuen, den Gefallen wollte sie ihm auf ihre letzten Sekunden nicht geben. Sie blickte durch den Kreis aus zuckenden Flammen, sah zu ihm hin und beobachtete wie er mit dem Feuer, das sie auffraß eins wurde. „Ich liebe dich, du gehörst mir allein, närrisches Ding!“ zischten die aufstiebenden Funken in ihr Ohr, ehe die Feuersbrunst den Rest erledigte und sie zu Asche verbrannte.


Sie riss die Augen auf, vergewisserte sich im Bett ihres Turmes zu sein um sich zur Ruhe zwingen zu können. Es pochte hinter ihrer Schläfe. Eine alte Narbe in ihrem Geist bekundete ihr Vorhandensein.


Nach oben
 Profil  
 
 Betreff des Beitrags:
BeitragVerfasst: 7.03.06, 19:51 
Altratler
Altratler
Benutzeravatar

Registriert: 9.12.01, 12:26
Beiträge: 11215
Wohnort: Dur´sches Imperium
Das Quietschen der rostigen Eisentür der Jungfer übertönte das nach Blut geifernde Rumoren der Schaulustigen im Innenhof der Burg. Es war ein Laut, der ihr einen eisigen Schauer über den Rücken jagte, als würde sich jemand einen Spaß daraus machen mit den Fingernägeln über eine Schiefertafel zu fahren. Das Volk verstummte einen Moment als der Ork die Tür hinter Eduard schloss nur um danach in ihrer Sucht nach dem nächsten roten Lebenssaft euphorisch nach dem Elfen zu verlangen, der Edis Schicksal teilen sollte. Nharzok zerrte die Öffnung auf und ein, vom Zucken des Körpers abgesehen, regloser Eduard viel heraus. Ein Mann zog den von Dornen durchbohrten Leib mit der Achtsamkeit, die man einem toten Straßenköter zukommen lies, zur Seite und die Aufmerksamkeit der Menschen galt nun Temel.

Auch wenn sie ihrer Mimik nichts anmerken lies, nichts anmerken lassen konnte, so traf sie der Verlust des langsam am Boden verblutenden Freundes unter dessen Augenlidern sich noch der letzte Rest von Leben bewegte. „Mach etwas Vater, heile ihn! So dass es nicht auffällt!“ ihre Stimme war ein leises, um Fassung bemühtes Krächzen. Toran verweigerte ihre Aufforderung mit dem Blick und etwas Genuscheltem, dass sie wegen des Lärmes nicht verstand. Er richtete seine Aufmerksamkeit zum Elfen, der in der eisernen Hülle verschwand und versuchte mit seiner Magie die ins Fleisch dringenden Stacheln abzuwenden. Der Erfolg, dass ihm das mit dem Metall um den Hals gelang war zwar gering, aber zur Sicherheit sprach der Alte einen Zauber, der einen möglichen Spruch Temels neutralisierte, was sie mit Entsetzen zur Kenntnis nahm. Ihr Vater beteiligte sich anscheinend mit Freuden an den Hinrichtungsmethoden, obwohl ein Einsatz seinerseits nicht mal von Nöten war, um die gewünschte Konsequenz gegen den Verurteilten zu erzielen.

Sie musterte ihn verächtlich. Den Mann, der von seiner Macht und seinem Einfluss gänzlich korrumpiert zu sein schien, dass er sich über jede Menschlichkeit, oder sei es auch nur Mitleid, hinweg setze um sein Ansehen bei den Herrschenden zu vergrößern. Sie musterte alle verächtlich. Die nach Tod lechzende Meute. Solos, Sandor und den anderen Richter, die süffisanterweise dem Volk die Entscheidung über das Leben oder den Tod von Eduard und Temel überlassen hatten, mit dem Wissen, dass keiner, inklusive ihr, vortreten würde. Würde sich im Nachhinein jemand beschweren, so konnten sie reinen Gewissens antworten, dass das Volk das Urteil gefällt hatte und sich somit unangreifbar für ihre Entscheidung machen. Was für ein raffinierter Zug der Obrigkeit, die mit dieser Tat gleichzeitig noch ihren Ruf aufpolieren konnte nichts zu tun, was nicht im Sinne der Menschen stand.

Ihr würde übel. Besonders bei dem Gedanken weswegen man drei Leben verschenkte. Awrin, Wegelagerei und Entführung. Temel…vermutlich auch Wegelagerei. Und Eduard weil er zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen war und selbst wenn das nicht der Fall gewesen war und er tatsächlich mit den beiden anderen gemeinsame Sache gemacht hatte, war das ein Grund ihn hinzurichten? Sie entsann sich an die Bestrafungsmaßnahmen, die die schwarzen Reiter für ihre Taten bekommen hatten. Einer wurde geköpft. Die anderen kamen mit einem mehr oder weniger großen blauen Auge davon und liefen heute teils wieder als „geachtete“ Freie oder Bürger auf der Insel herum, obwohl sie sich des Mordes an Banneristen, Wegelagerei und Auflehnung gegen die Obrigkeit versündigt hatten. Willkür, ein Wort, dass man nun auch mit der Verurteilung von Verbrechern in Verbindung bringen konnte.

Doch am meisten verachtete sie sich selbst. Sie, die es zugelassen hatte, dass man einen Freund umbrachte, die nichts dagegen unternommen hatte. Die sich nun einfach erhob und die blutigen Überreste Eduards nur noch mit einem letzten Blick würdigte. Hätte er sich für sie geopfert? Und dann war da noch Estwick, dem dasselbe Schicksal blühen konnte. Sie hatte ihn gewarnt, aber er hatte nicht gehört. Dabei war es doch wirklich nicht so schwer ein wenig Respekt zu heucheln oder bestimmten Personen aus dem Weg zu gehen, wenn eine überidealisierte Form der Ehrvorstellung daran hinderte. Was konnte sie für ihn tun, nachdem sie an Eduard so jämmerlich gescheitert war?

Was sollte sie überhaupt für diese Leute tun, die so blöd waren sich erwischen zu lassen? Was würde man mit ihr tun, wenn ihre Machenschaften aufflogen? Wenn man das Strafmaß an den soeben Verurteilten anlegte, würde sie auch nicht viel besser wegkommen, auch wenn keiner ahnte, was sie war. Der Gedanke war traurig, aber das Einzigste, was man als nicht Würdenträger auf dieser Insel machen konnte, ohne mit weit reichenden Konsequenzen zu rechnen, schien das Handeln auf dem Marktplatz, das Abschlachten von nichterwähnenswerten Kreaturen, absolute Konformität mit dem Gesetz und Sex zu sein.


Nach oben
 Profil  
 
 Betreff des Beitrags:
BeitragVerfasst: 3.05.06, 16:13 
Altratler
Altratler
Benutzeravatar

Registriert: 9.12.01, 12:26
Beiträge: 11215
Wohnort: Dur´sches Imperium
Wenn man dachte es könnte nicht schlimmer kommen.
Irren durch die nichts sagende Dunkelheit. Nein, nicht ihr Körper irrte, sondern ihr Geist auf der Suche nach Antworten. Wo bin ich? Was mache ich hier und warum kann ich mich nicht bewegen? „Sieh es dir an!“ raunte eine auf unbestimmte Weise bekannte Stimme schräg hinter ihr. Auf ein unsichtbares Zeichen hin erleuchtete ein Lichtkegel einen, ebenfalls von aufzüngelnden Flammen umgebenen Kreis, als hätte jemand eine Luke geöffnet, durch das sich nun das Sonnenlicht brach. Feine Staubpartikel flirrten auf und dennoch war das Licht nicht ausreichend um die Ausmaße der Finsternis, die sie umgab, auch nur annähernd zu erhellen.

Sie erkannte drei Männer, die im Dreieck zueinander stehend Position bezogen hatten. Der eine in eine ausladende Robe gehüllt, die die dürre Statur kaschierte. Die wirren roten ins Gesicht fallenden Haarsträhnen verbargen den dem Wahnsinn nahen Glanz in den Augen. Der Andere bewaffnet mit einem schweren Zweihänder und dessen Haltung angespannte Ruhe ausstrahlte. Über das Gesicht des Dritten zog sich eine Narbe, die eher anziehend als abstoßend wirkte. Die Tätowierung des Raben schien unter dem sehnigen, raubtierhaften Muskelspiel zum Leben zu erwachen, als er den Pfeil auf die Sehne legte.

Sie sahen schweigend zu ihr. Ein Blick strahlte vorfreudig und irre. Ein anderes Augenpaar drückte stumme Melancholie aus, während die Mimik des Letzten von professionell versteckter Ausdruckslosigkeit beherrscht wurde. Es war der Schwertträger, der die Starre des Momentes auflöste und auf den Bogenträger zustürmte, der mit erhabener Gelassenheit seine Waffe auf den Berobten justierte, welcher wiederum mit einem mordslüsternen Grinsen die Hand nach dem Schwertträger reckte. Ein aus dem Nichts hervorzischender Feuerball, ein mit tödlicher Präzision von der Sehne surrender Pfeil und das Pfeifen einer Luft durchschneidenden Klinge waren die einzigen Töne, die das Recht hatten die Stille des Ortes zu entweihen.

Sie wollte Schreien, doch eine höhere Macht erlaubte es nicht.
Sie wollte losrennen, doch ihr Körper war schwer wie Blei.
Sie wollte weinen, doch die Tränen verweigerten sich ihr.
Nein, die Ruhe sollte nicht durch sie gestört werden, sondern durch die Geräusche eines Schwertes, dass Knochen durchtrennte, durch das Fauchen nach Beute gierender Flammen und durch den schmatzenden Aufprall eines Pfeiles, der einen Leib durchbohrte.

Drei Männer sanken zu Boden und blieben vernichtet liegen.

„Sie haben dich verraten.“ ertönte die eiskalte Stimme nun genau hinter ihr. „Sie haben bekommen was sie verdienen. Alle Verräter bekommen früher oder später, was sie verdienen. Und dein Verrat wird jetzt gesühnt, verfluchte Paktiererin mit dem Einen!“ Nun wusste sie, wem die Stimme gehörte, aber es war zu spät. Die scharfe Schneide glitt durch ihre Kehle wie ein Messer durch Butter.


Erwachen.


Nach oben
 Profil  
 
 Betreff des Beitrags:
BeitragVerfasst: 21.05.06, 00:03 
Altratler
Altratler
Benutzeravatar

Registriert: 9.12.01, 12:26
Beiträge: 11215
Wohnort: Dur´sches Imperium
Mit stetig kreisenden Bewegungen massierte sie sich ihre Schläfen, als würden sie furchtbare Kopfschmerzen plagen. Es waren keine Kopfschmerzen, sondern die eigenen Gedanken, die sie quälten. Alashar hatte sich umgebracht, wegen ihr. Selbstmord wegen nicht erwiderter Liebe. Sie hatte gehofft es hätte ihm gereicht sich schon einmal fast selbst umgebracht zu haben. Ein verfluchter Irrtum. Und es war ihre Schuld. Sie war müde und erschöpft nach Hause gekommen. Ein schrecklicher Traum von Gestalten, die aussahen wie sie und nach ihrem Leben trachteten, hatte ihr den Schlaf gestohlen.

Unsensibel hatte Siegfried Xenophar sie genannt und ihr geraten ihre Worte sorgsamer zu wählen, wenn sie Alashar begegnete. Ein weiterer Rat, den sie unachtsam in den Wind schlug. Sie konnte ihn nicht verstehen, Alashar, der nach so kurzer Zeit von Liebe sprach und tagelang im Wald verschwand um im wahrsten Sinne des Wortes vor Sehnsucht zu vergehen. Sie schmetterte ihm ihre Gedanken über die Liebe entgegen, bis er es nicht mehr aushielt und wütend den Turm verlies. Liebe war etwas für Romantiker und hoffnungslose Esoteriker, zumindest wenn sie von ihrer utopischen Definition von wahrer Liebe ausging und nicht dem, was die meisten unter dem Wort Liebe praktizierten. Man versprach nur einem Menschen Liebe und das war verbindlich bis zum Tod. Man äußerte seine Liebe durch Taten, nicht durch Worte.

Sie fühlte sich belogen, als er neben ihr saß und ihr seine Liebe gestand. Wieder jemand, der sich in sie verliebt hatte, es als Liebe auslegte, aber sobald er sich nach ihrem Korb lang genug selbst bemitleidet hatte, wieder eine Neue suchte, der er das selbe von Liebe erzählte. So war es gängige Praxis, so lehrte es sie ihre Erfahrung. Es war nichts Verwerfliches bei solchem Verhalten, im Gegenteil. Es war im höchsten Grade menschlich. Aber so etwas war nicht das, was sie sich unter Liebe, die man nur einmal im Leben an nur eine Person auf der Welt vergab, vorstellte. Genau aus diesem Grund war Liebe für sie unerreichbar. Es gab einfach zuviel interessante Männer auf Tare, als das sie glaubte sich langfristig auf einen festlegen zu wollen. Sie wollte nicht zu denen gehören, die die Wörter „Ich liebe dich“ an jeden verteilten, mit denen sie ins Bett gingen. Es fühlte sich falsch an. Es wäre eine Entweihung ihres selbst auferlegten Verständnisses.

Sollten es die anderen handhaben wie sie wollten. Sie würde das Wort Liebe erst in den Mund nehmen, wenn sie sich sicher war für diese Person auch sterben zu wollen und keinen anderen Menschen mehr nach dessen Tod zu begehren. Solang würde sie sich auch das Recht heraus nehmen Leute, die von Liebe sprachen, zu verurteilen, bis sie das Gegenteil bewiesen, weil sie immer davon ausgehen musste, dass die Menschen ihrer Auffassung von echter Liebe nicht genüge tun konnten.

Alashar hatte sich umgebracht. Ihrer Theorie zu Folge ein Zeichen echter Liebe. Verdammter Narr. Ein bitterer Ausdruck legte sich über ihre Züge. Er hätte eine andere gefunden, ihr das Selbe erzählt und viele Kinder mit ihr gezeugt, wenn er die Zeit seine Wunden hätte heilen lassen. Vielleicht hätte sie auch seine Zuneigung erwidern können, wenn er ihr mehr Zeit gelassen hätte. Gedanken hin oder her, sie konnte seine Liebe nicht mehr als vorübergehende Schwärmerei abtun, sondern musste sich die Wahrhaftigkeit seiner Gefühle eingestehen. Etwas, was die Sache für sie nicht leichter machte. Genauso wenig wie die Kirche, die sie nun zu sprechen begehrte. Wenn sie eins nicht wollte, dann war es ihre Definition von Liebe mit einer einfältigen Dienerin Vitamas zu erörtern, die mit dem Wort Liebe so verheuchelt umher schmissen, wie eine Dirne ihre äußerlichen Reize präsentierte.

„Wenn du dich fragst, warum das passieren musste,“ hatte Hali zu ihr gesagt und eine kurze rhetorische Pause eingelegt, ehe er die Antwort gab „weil wir leben.“


Nach oben
 Profil  
 
 Betreff des Beitrags:
BeitragVerfasst: 23.05.06, 20:54 
Altratler
Altratler
Benutzeravatar

Registriert: 9.12.01, 12:26
Beiträge: 11215
Wohnort: Dur´sches Imperium
Es gibt Tage an denen sollte man nicht aufstehen. Erst recht nicht, wenn schon vor dem ersten Augen aufschlagen ein Unheil verkündendes Gefühl den Körper durch läuft wie man es von einem Zitteranfall gewohnt ist. Intuition nannten es die einen, während die anderen noch darüber grübelten ob sie zum gestrigen Abend etwas Schlechtes gegessen hatten. Vollkommen gleich zu welcher Schlussfolgerung man kam, letztendlich stand man doch auf um die Unbillen des bevorstehenden Tages nicht all zu lange auf sich warten zu lassen. Glückselig mochten die sein, die durch die Entscheidung, das warme Bett heute nicht zu verlassen, nicht damit rechnen mussten, dass das, dem man aus dem Weg gehen wollte, auch am nächsten Tag über sie herein brechen könnte. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Es hatte also nicht immer einen Sinn dem verführerischen Locken des inneren Schweinehunds nachzugeben.

Zermürbt von Schlafmangel rief sie sich die Geschehnisse der vergangenen Zeit in den Kopf um den hereinbrechenden Tag gebührend mit der entsprechenden Laune begegnen zu können. Alashar tot, wegen ihr. Doppelgängerinnen, die ihr auf äußerst makabere Art zu verstehen gaben, dass sie nach ihrem Leben trachteten. Wenn das kein Grund war ein Gesicht zu ziehen als hätte man saure Milch getrunken, dann wusste sie auch nicht, was eine solche Mimik rechtfertigte. Wer zuletzt lacht, lacht am besten. Eine Weisheit, die fast von Hali kommen könnte, die sie aber aus Halis Mund um einiges mehr aufgebaut hätte. Hali stand aber nicht zur Verfügung, also musste sie sich anderweitig behelfen und wie würde das besser gehen, als mit den Vorbereitungen, diese seltsamen Wesen, die aussahen wie sie, los zu werden.

Ein Spiel hatten sie es genannt. Ein Spiel, das für eine der Seiten ein tödliches Ende haben konnte und man hatte ihr die Würfel für die nächste Runde in die Hand gedrückt, nur die zur Debatte stehende Zahl würde sie nicht so einfach überbieten können. „Wir haben dich gefunden, jetzt musst du uns finden!“ hallte ihr die vergnügte Stimme einer ihrer Imitate durch den Kopf. Sie machte sich daran den schweren Wandspiegel abzunehmen. Wo konnte sie sich besser finden, als in ihrem eigenen Spiegelbild? Aber es bedurfte mehr der Vorbereitung um diese Wesen, woher sie auch immer gekommen waren und was auch immer sie zu bedeuten hatten, los zu werden.

Mit dem Spiegel beladen machte sie sich auf den Weg zu dem Ort, der zur Durchführung eines Bannrituals wie geschaffen war. Die Wahl des Schlachtplatzes musste nicht immer nur in einem Krieg mit Waffen eine viel versprechende Erfolgsaussicht darstellen.
Sie kehrte den mit Holzscheiten umsäumten Ritaulkreis, mehr aus symbolischen Gründen, als das es wirklich von Nöten gewesen wäre und begann die Anrufungen, die sie für den Bannspruch stärken sollten. Auch die Weihe des Gegenstandes, in den sie die Imitate bannen wollte, wurde nicht vergessen, auch wenn sich herausstellte, dass es umsonst gewesen war.

Nebel flutete aus dem in der Mitte des Kreises aufgestellten Spiegel wie Wasser, nachdem man nach einer langen Regenzeit die Staudämme geöffnet hatte, und entzog nach und nach die Luft aus der Höhle. Sie unterdrückte ein Husten, ihre Konzentration zu vernachlässigen konnte ein fataler Fehler sein. In dem Moment, als sich die beiden wabernden Schemen aus dem Spiegel ergossen wollte sie die Holzscheite in Brand stecken um die Kreaturen in ihrem Bannkreis einzusperren. Doch war der Nebel so dunstig, dass es schier unmöglich war ein Feuer zu entzünden. Du hast verloren, kicherte eine Stimme in ihrem Kopf, die ihre eigene war, wirklich ihre eigene.

Die Schemen flogen forschend durch die Höhle, ehe sie wieder mit dem Spiegel verschmolzen und den Nebel mit sich nahmen. Dann trat ihr Ebenbild aus dem Spiegel, aus dem Bannkreis heraus, und postierte sich nachdem sie die Hölzer mit einer Flüssigkeit besprenkelt hatte, vor ihrer Nase. Eine weitere verhüllte Gestalt materialisierte sich vor dem Spiegel. Es war ihr Ebenbild, dass vollendete, was Akora nicht geschafft hatte. Sie setzte die Scheite in Brand und schloss die verhüllte Gestalt ein. Ein lautloser Schrei ging durch ihren Kopf. Verbrennen… am lebendigen Leibe verbrennen, sie taumelte zurück, wollte dem Ebenbild mittels eines beschworenen, Magie aussaugenden Schatten ein Ende bereiten und ihre Verdammung zur Tatenlosigkeit entrinnen, doch dieser fand sein Ziel nicht. Du hast versagt, frohlockte ein säuselnder Ton, der abermals von ihr selbst stammte. Und dann war sie allein, allein mit sich selbst, allein mit ihrem Versagen.

Es gab Tage, an denen man wirklich im Bett bleiben sollte.


Nach oben
 Profil  
 
 Betreff des Beitrags:
BeitragVerfasst: 30.05.06, 20:01 
Altratler
Altratler
Benutzeravatar

Registriert: 9.12.01, 12:26
Beiträge: 11215
Wohnort: Dur´sches Imperium
Du wurdest gemessen. Du wurdest gewogen. Du wurdest einstimmig für nicht gut genug befunden. Seit Tagen geisterten die Sätze, durch ihren Kopf wie eine lästige summende Stechmücke in einer lauen Sommernacht und erinnerten sie quälend an ihr Versagen auf dem Plateau. Erneut lies sie ihre Gedanken rekapitulieren um nach ihren Fehlern zu suchen, die dafür verantwortlich waren, dass die Aufgabe, die Doppelgängerin mit ihrem Antlitz zu vernichten, von einer anderen übernommen wurde. Einer alten grauen Vettel, die sie zwar nicht kannte, die aber zweifellos über mehr Macht als sie verfügte. „Du bist eine Schande für die unsrigen, Akora!“ keifte die Alte sie an „ Ich habe sie für dich getötet! Bei wem hast du nur so einen Unsinn gelernt?“ und bezog sich damit auf Akoras Bitte an die drei Monde ihr den Weg zu weisen um ihre Imitate zu finden. Doch diese zogen es vor nur rund und schweigend am Himmelszelt zu prangen, umgeben von pflichtgetreu leuchtenden Sternen.

Du wurdest gemessen. Du wurdest gewogen. Du wurdest einstimmig für nicht gut genug befunden. Ein Haar hätte ihr bei ihrem Vorhaben helfen können. Ein Haar oder Spucke oder sonst irgendetwas Persönliches der Wesen, die sie vernichten wollten. Eben ein solches Haar, das sie bereits beim ersten Aufeinandertreffen mit den Gestalten in ihrem Turm an sich gebracht hatte. Sie hatte es in ihrem Kohlebecken mit einem, zugegeben, laienhaften und unvorbereiteten Fluch vor den Augen der Beiden verbrannt. Zwar nicht ernstlich mit der Annahme die Doppelgängerinnen so einfach los zu werden, aber um heraus zu finden, ob die übliche Methode in irgendeiner Form Einfluss auf die Geister hatte. Fehlanzeige. Mehr als ein gespötteltes Schmerzensjammern und eine entsprechende Mimik war nicht zu hören und zu sehen. Ihre womöglich fälschliche Schlussfolgerung: Haare gegen diese Wesen, unnütz.

Du wurdest gemessen. Du wurdest gewogen. Du wurdest einstimmig für nicht gut genug befunden. Ihr Ritual in der Höhle mit dem Spiegel, eine reine Farce. „Du hast dich die ganze Zeit über nur selbst gesehen, dummes Ding!“ hatte der Rabe der Alten gekrächzt „Die Monde haben dir eine Vision geschenkt!“ Eine Vision, die für sie so untrennbar echt von der Wirklichkeit schien, dass ihr der Unterschied nicht aufgefallen war.

Du wurdest gemessen. Du wurdest gewogen. Du wurdest einstimmig für nicht gut genug befunden. Die Dunkelheit des Waldes umwarb sie wie ein willkommen heißender, wärmender Umhang. Wie eine besser wissende Mutter, die ihr Kind empfing, nachdem dieses abgehauen war und nun reumütig und einsichtig über seinen Fehler zu ihr zurückkehrte. Wer war sie in dieser Welt, wenn sie es nicht mal schaffte ihre Probleme selbst zu lösen oder mindestens an der Lösung teilzuhaben. Sie schämte sich, sie verachtete sich, sie war der Mutter nicht würdig. Ihr Leben schien so sinnlos wie die Brustwarzen auf einem Harnisch. Sie fühlte sich wie eine Fliege, die nutzlos und immer wieder in lächerlichen Bahnen unter der Deckenbeleuchtung umher kreiste. Es wurde Zeit der Mutter zurück zu geben, was sie sich vor langer Zeit von ihr geborgen hatte.

Du wurdest gemessen. Du wurdest gewogen. Du wurdest einstimmig für nicht gut genug befunden. Schwerfällig stieg sie von dem braunen Hengst, der ihr Vorhaben mit einem unwilligen Wiehern kommentierte, ab. Sie hatte ihr Ziel erreicht. In der Nähe plätscherte sanft und einlullend ein Gewässer vor sich her. Sie lies sich auf dem steinernen Thron nieder und ein Lächeln umspielte ihre Züge. Sie hätte gern Halis Gesicht gesehen, wenn dieser davon erfuhr. Das hier war eigentlich etwas wovon er ihr immer vorschwärmte und sie ihm versuchte auszureden. „Es ist eine Erlösung.“ hatte Velyan zu ihr gesagt und dabei sehnsüchtig gelächelt. Sie hatte ihn an diesem Tag nicht verstanden, doch heute tat sie es.

Du wurdest gemessen. Mit einem einfachen Handgriff war die Flasche entkorkt. Du wurdest gewogen. Bittere Flüssigkeit umschmeichelte wohlwollend ihre Kehle. Du wurdest einstimmig für nicht gut genug befunden. Sie lehnte sich zurück und schloss die Lider. Sie lauschte ihrem regelmäßigen Herzschlag und spürte, wie das tödliche Gift in ihrem Leib zu arbeiten begann. Die Alte hatte Unrecht. Auch wenn die Imitate vernichtet waren, so hatten sie dennoch ihr Ziel erreicht. Valar morghulis, Reykja. Alle Menschen müssen sterben.


Nach oben
 Profil  
 
 Betreff des Beitrags:
BeitragVerfasst: 5.06.06, 18:58 
Altratler
Altratler
Benutzeravatar

Registriert: 9.12.01, 12:26
Beiträge: 11215
Wohnort: Dur´sches Imperium
Man schwebt nach oben, auf ein so helles, gleißendes Schimmern zu, dass die Augen zusammen gekniffen werden. Immer wieder taucht in der Dunkelheit das Gesicht eines Bekannten auf. Menschen, die man hasst, die man liebt oder die sich aus einem unerfindlichen Grund im Gedächtnis festgesetzt haben.
Ehe man das Licht erreicht, hat man das Gefühl sein Leben wie im Zeitraffer an sich vorbei fliegen zu sehen. Szenen aus der Kindheit, die besonders schön oder besonders grausam waren. Die Emotionen der ersten großen Liebe, wie sie einen von neuem durchfluten, aber auch die Ängste, die jede Seele in seinem Leben durchstehen musste.
Blickt man zurück sieht man sich selbst aus der Vogelperspektive reglos daliegen, umgeben von Menschen oder auch gänzlich allein gelassen in seinen letzten Minuten. Selbst wenn man aufbegehrt und versucht in seinen Leib zurück zu gelangen so ist der Sog doch stärker. Die Quelle der Helligkeit zieht einen unbarmherzig in seinen Bann und irgendwann gibt auch der Wehrhafteste seinen Widerstand auf. Meist dann, wenn er erkennt, dass er seinen Körper wie einen alten Mantel abgestreift hat und die grenzenlose Freiheit winkt. Ein anderer wiederum wird von dem Gefühl der Nähe zu den Göttern durchflutet, das seinem Widerstreben ein Ende setzt. Was kann es schöneres geben, als auf einer Woge des Wohlwollens hinfort getragen zu werden, fernab von all dem Kummer und dem Leid. Der Tod als Erlösung. Was sollte richtig daran sein gegen diese Macht aufzubegehren? Nichts, und dennoch gab es Wesen, die sich unverständlicherweise selbst den Klauen des Todes entrissen.

Delirium.
Ein Regenbogen gleicher wirbelnder Strudel tat sich vor ihrem inneren Auge auf. Gesichter, die sie kannte, strömten aus seiner Mitte hervor. Die einen lachten sie aus, die anderen blickten eher tadelnd auf sie herab und wiederum andere sahen sie einfach nur traurig an. Doch eins hatten all die Gesichter gemeinsam, sie waren auf beinahe lustige Art entstellt worden. Hier waren die Augen im Vergleich zum Rest überdimensional proportioniert, dort schlackerten die Ohren und bei einem anderen stach die Nase viel zu weit hervor. Eine besonders fette Gestalt, deren Kopf viel zu klein geraten war, schwirrte auf sie zu. Anstatt der langen roten Haare hingen ihm sich ringelnde Schlangen vom Kopf. „Du verlässt mich ohne dich zu rächen? Böse Akora, dabei liebe ich dich so sehr!“ rief er ihr zu, ehe er wie eine Fliege von zu einem bunten Farbklecks zerquetscht wurde. „Wir lieben dich alle!“ fingen die seltsam verschrobenen Gesichter spöttisch im Chor zu singen an, nahmen sich bei den Händen, die ihnen aus den Ohren wuchsen, und tanzten in einem Reigen, dass ihr schwindelig wurde, um sie herum.

„Ruhe!“ herrschte eine gebieterische Stimme ins Wirr War und die Gesichter und Stimmen verstummten. Die bunten Farben verliefen, als hätte schwerer Regen eingesetzt um sie fort zu spülen. Sie fand sich wieder auf einer Waldlichtung in deren Mitte auf einem Baumstumpf eine bucklige alte Frau saß. Eine Kapuze war ihr tief ins Gesicht gezogen und machte es unkenntlich.
„Warum hast du das getan, Reykja? Deine Zeit ist noch nicht gekommen.“ Begann die Frau mit sanftem Tone.
„Ich habe versagt. Ich habe der Mutter und uns allen Schande bereitet. Ich bin es nicht wert weiter ihre Gaben zu nutzen.“ Hörte sie sich selbst sagen.
„Du hast nicht versagt, du hast Erfahrung gesammelt.“ Entgegnete die Alte mit unverrückbarer Stimme „Versagt hast du erst, wenn du tot bist Reykja und du bist auf dem besten Wege dahin.“
„Aber…“
„Schweig! Du denkst, du wärst den Ansprüchen nicht gewachsen, weil eine andere die Dinge für dich in die Hand genommen hat. Aber wisse, es ist keine Schande, wenn wir uns gegenseitig unter die Arme greifen. Das macht unser Wesen aus und in deinem Inneren weißt du das. Auch wenn es dir so vorkommt, dass ein paar der anderen Hexen ohne jede Mithilfe ihre Problemchen bewältigen.“ Sie legte eine kurze Pause ein, ehe sie fortfuhr „Jede von uns hat eine andere Art IHR zu dienen und SIE um ihren Beistand zu bitten und allein SIE wird es sein, die dich spüren lässt, ob dein Tun richtig oder falsch ist und nicht deine anderen Brüder und Schwestern. Sollen sie doch sagen, wie sehr sie dich für unfähig erachten. Es ist SIE, die entscheidet, ob du unfähig bist. Und wärst du das wirklich, dann wärst du nie eine der unsrigen geworden. Aber du musst dich zusammen reißen, Reykja. Das wichtigste, das SIE dir gegeben hat, ist dein Leben und du willst es achtlos wie ein altes getragenes Paar Schuhe wegwerfen?“ die Alte schüttelte mitleidig ihren Kopf „Störe nicht eigenmächtig das Gleichgewicht zwischen Leben und Tod. Ein in saftigem Grün stehendes Eichblatt fällt nicht von alleine von seinem Träger ab. Stell dir vor, wo wir hinkämen, wenn so was zur Regel werden würde! Verstehst du worauf ich hinaus will, Reykja?“ Die Frau hob den Kopf und fixierte sie mit einem Blick, in dem die Weisheit ganz Tares zu liegen schien.
„Ich habe verstanden.“ Brachte sie hervor und die Alte stand auf und drückte ihren Zeigefinger gegen Akoras Stirn. „Valar dohaeris, Reykja!“


Sie zuckte heftig auf dem steinernen Thron zusammen, riss die Hände an ihre Kehle und murmelte die Rune der Entgiftung genau rechtzeitig ehe das Gift ihre Atmung lähmte. Es konnte sich nur um Sekunden gehandelt haben, die sie das Bewusstsein verloren hatte, sonst hätte das Gift schon längst seine Aufgabe erledigt. Es waren Sekunden, die ihr mehr Erkenntnis schenkten, als die ganzen letzten Jahre ihres Lernens und auf einmal kam ihr ihr Vorhaben nur noch unglaublich dumm und peinlich vor. So idiotisch, dass sie schwach darüber Grinsen musste. „Valar dohaeris.“ Intonierte sie leise und erhob sich.


Nach oben
 Profil  
 
 Betreff des Beitrags: Vergangenheit
BeitragVerfasst: 8.08.06, 21:06 
Altratler
Altratler
Benutzeravatar

Registriert: 9.12.01, 12:26
Beiträge: 11215
Wohnort: Dur´sches Imperium
Kühle modrige Luft schlug ihr entgegen als der alte Wärter die quietschende Eichentür aufsperrte, die den Zugang zu den Kerkern und Verliesen der Stadt Falkenstein frei gab. Ein rundes Gewölbe, das einzig und alleine eine in Stein gehauene, schlüpfrige Wendeltreppe beherbergte, tat sich vor ihr auf. Die ausgetretenen Stufen, die schon seit Jahrhunderten in regelmäßiger Benutzung standen, führten steil hinab in eine Finsternis, deren Ende nicht zu erahnen war. Der Wächter entzündete zischend seine Fackel an einer anderen und wandte ihr das pockennarbige Gesicht zu. „Bleibt immer hinter mir junge Frau, diese Sprossen sind tückisch und wenn Ihr stürzt, dann wird der alte Ben Euch schon auffangen!“ er präsentierte ihr ein zahnlöchriges Lächeln, das erkennen lies, dass ihm ein solches Malheur nicht ungelegen kommen würde. Ein Grund mehr für sie bei dieser Sache die Augen offen zu halten.

Mit einem unwohlen Gefühl in der Magengegend folgte sie dem spärlichen Fackellicht, das an dem glitschigen, mit Moos überwucherten Mauerwerk gespenstische Schatten warf. Schatten, die nicht da sein sollten und es vermutlich für die weniger Intuitiven auch nicht waren. Gebilde, die nun an den Wänden einen höhnischen Tanz vollführten, als wollten sie Akora und ihre Dummheit hier her zu kommen verspotten. Tatsächlich war sie mehr gezwungener Massen hier, denn freiwillig. Vor drei Tagen hatte sie die Stadt erreicht und wollte von hier aus weiterreisen nach Siebenwind, doch vorher war es nötig sich das Kleingeld für die Überfahrt im örtlichen Hospiz zu verdienen. Dank einiger netten Herren und eines tiefe Einblicke schenkenden Wamses hatte sie auch mehr als nötig zusammen gekratzt und wollte sich gerade daran machen ihre Sachen zu packen um sich nach einer Überfahrt zu erkundigen, als die Tür aufsprang und eine düster drein blickende Wache nach einem Arzt verlangte. Die anderen Heiler zögerten, lang genug, dass dem Soldaten der Geduldsfaden riss und er einfach den nächststehenden mitnahm, was zu ihrem Leidwesen Akora war. Sie hatte keine Ahnung, was die anderen zum Zaudern gebracht hatte, aber es bedurfte nicht der Hellsicht um zu wissen, dass ihr eine Aufgabe bevor stand, die keine Annehmlichkeiten versprach.

Es wurde heller und die Treppe fand abrupt ein Ende in einem ebenmäßigen, platt getrampelten Erdboden. Zur rechten Seite hin waren in gleichmäßigen Abständen Fackeln in Halterungen eingelassen und flackerten, von keinem Luftzug gerührt, müde vor sich her.
„Einfach gerade aus den Gang entlang und halte dich immer an der Wand Mädchen, sonst reißen dir die Hundsfötte die Kleider vom Leib, was ich ihnen nicht mal übel nehmen kann.“ Der alte Ben grinste sie lüstern an, wandte sich jedoch ab um mit einem schwerfälligen Grunzen den Aufstieg zu beginnen.
Sie nahm sich seinen Rat zu Herzen und hielt sich rechts, als sie den Bereich der Kerker erreichte. Der Geruch von Schweiß und Kloake strich ihr penetrant um die Nase, als sie den Bereich erreichte, an dem dicke Gitterstäbe eine Meute von, wie Tiere zusammen gepferchten, Gefangenen vom Weg trennte. Diebe, Schläger und Wegelagerer, die nichts so schlimmes verbrochen hatten, dass es eine Einzelzelle rechtfertigte und nach Absitzen einiger Monate wohl wieder auf freiem Fuß waren, schätzte sie.
„Hey Schönheit,“ vernahm sie die Stimme eines hageren Mannes, der sich an die Eisenstäbe drängte und sich durch die fettigen langen Haare strich „ich habe hier etwas besonders großes für dich, du brauchst nur herkommen und deinen Rock zu lupfen!“ er lies die schäbige Sackleinenhose herunter und präsentierte sein steil aufgerichtetes Glied, dass er mit eindeutigen Bewegungen zwischen den Gitterstäben vor und zurück schob. Akora hielt in sicherem Abstand inne, musterte erst den Mann mit einem Anflug von Erheiterung eingehend und dann ohne rot zu werden sein Gemächt. Einen kurzen Moment war trotz der vielen eingesperrten Menschen nur das Knistern der Fackeln zu hören, bis sie entgegnete: „Was auch immer du mit groß meinst, mein Liebster, das was du mir da gerade zeigst, ist es nicht.“
Sie schenkte dem Besitzer des verwelkenden Glieds ein bezauberndes Lächeln, während die Zeugen ihrer Worte in ein schallendes Gejohle verfielen. Einer, der es wagte dem Gedemütigten aufmunternd auf die Schulter zu klopfen bekam schmerzvoll die Faust von selbigem ins Gesicht und taumelte geradewegs in die Arme der Nächststehenden. Mit hochrotem Kopf und einem Blick, der töten konnte fauchte er zu Akora hin: „Warte bis ich hier raus komme, dann werde ich mir dich schnappen und dich so richtig durch f….!“ „Schweigt!“ unterbrach eine gebieterische Stimme das allgemeine Gemurmel „Ihr alle!“ Sofort erstarb das Gelächter. Die Insassen zogen sich in die Zelle zurück, als hätte der soeben herangetretene junge Mann eine ansteckend, tödliche Krankheit. Mit einem Ausdruck, der keinen Widerspruch duldete fixierte er die Gefangenen.
Der Umhang und der Wappenrock, die den Neuankömmling als Geweihten Bellums auswiesen, war das erste was ihr an ihm auffiel und erst sekundär das tadellose, schöne Antlitz und die penibel zurückgebundenen blonden Haare. Ein Mann, dem die Frauen zu Füssen lagen und der zweifelsohne nicht davor zurück schreckte vielen der Frauen dann auf die Beine zu helfen und sie dazu zu bringen sich woanders hinzulegen. Etwas unerbittlich Hartes lag jedoch in seinen Zügen, etwas, das vor keiner Grausamkeit der Welt zurück schrecken würde, wenn es dazu dienen konnte seinen Willen zu erfüllen.
„Dies ist nicht der richtige Ort für eine Dame!“ raunte er ihr zu, hakte bestimmend unter ihrem Arm ein und führe sie mit einem gewinnenden Lächeln den Gang weiter hinab. „Mein Name ist übrigens Gilbarath Dakorvian und der Eurige, Heilerin?“ „Lilia Arastis.“ Log sie ohne auch nur mit der Wimper zu zucken den Namen vor, den sie in diesem Ort benutzte und mit dem Wissen, dass alles was sie nun sagte und tat ihren Untergang bedeuten konnte.

Je tiefer sie in die unterirdischen Katakomben gelangten, umso stickiger wurde die Luft um sie herum. Der Untergrund war gesäumt von Pfützen, die sich wiederum von dem Wasser, das von der Decke tropfte, nährten. Der Weg führte sie vorbei an verschlossenen Kerkertüren, hinter denen die verschiedensten Laute zu hören waren. Der dem Wahnsinn nahe Singsang eines Kinderliedes aus männlicher Kehle. Kratzen von Fingernägeln über Schiefer. Von leisem Wimmern hin bis zu wütendem Gebrüll. Jeder Ton des Leidens war vertreten.
Sie erreichten eine massive eisenbeschlagene Tür, die Gilbarath rasselnd aufschloss. Noch weiter den Gang hinab war das Knallen einer Peitsche zu hören und das darauf folgende gepeinigte Schreien eines Menschen, das in ihren Ohren tierisch klang.

Ihr Herz machte einen Aussetzer, als sie erkannte, was sich in der Zelle vor ihr offenbarte. Eine Frau lag dort auf verwanztem Stroh, ausgemergelt und man hatte sich nicht die Mühe gemacht ihren nackten Leib mit was auch immer zu bedecken. Wie ein verendendes Tier, dessen Tod besiegelt war, das aber nicht von allein sterben konnte und für das der Schlachter noch keine Zeit gefunden hatte, lag sie da. Die roten Haare waren büschelweise ausgerissen und da wo einst volle Lippen den anmutigen Gesichtszügen ein zauberhaftes Lächeln verliehen war nur nicht eine blutige Masse übrig geblieben.
Die Schultergelenke waren ausgekugelt, was darauf schließen lies, dass man sie mit auf den Rücken gebundenen Armen hatte aufziehen lassen. Weiß schimmerten die Knöchel an den Stellen hervor, wo Finger von den Händen abgetrennt worden waren, während beide Daumen augenscheinlich Bekanntschaft mit einer Daumenschraube geschlossen hatten. Rote Striemen auf dem Oberkörper zeugten stumm von der Geißelung durch eine Rute. Die Symbole der Vier waren ihr mit einem scharfen Messer tief in die milchig weiße Haut geschnitten worden und die Beine trugen die Merkmale eines zuvor getragenen endophalischen Stiefels.
Akora wandte den Blick ab. Sie hatte Verwundete von Schlachtfeldern gezogen, heraus quellende Gedärme wieder an die dafür vorgesehenen Stellen positioniert und war nicht gerade zimperlich, aber bei dem Anblick von dieser bewusst zugefügter Grausamkeit verschlug es sogar ihr den Atem. Wer war zu so etwas in der Lage? Die Kirche. Sie kannte die Antwort noch ehe Gilbarath sie aussprach.

„Die peinliche Befragung hat die Wahrheit aus dieser Hexe heraus gelockt,“ begann er mit verächtlicher Stimme zu erzählen „sie hat gestanden und wird noch viel mehr gebeichtet haben, wenn ich mit ihr fertig bin. Mit den Dienern des Einen hat sie es des Nachts, als sie sich unbeobachtet wähnte, getrieben, die Dirne.“ Er löste die Verschränkung seiner Arme, trat in die Zelle hinein und ging in die Hocke. Zärtlich, wie ein Geliebter strich er der Gepeinigten mit den Fingerkuppen über die Haut. Die Frau begann am ganzen Leib vor Angst zu zittern. Ihr Blick starr vor Entsetzen und Hilflosigkeit auf Akora gerichtet. Sie mochte alles sein, aber eine Hexe war die vor ihr Liegende nicht, wie Akora nur zu gut erkennen konnte. Gilbarath fuhr fort ohne das Augenmerk von seinem Opfer abzuwenden „Sie hat sich beschmutz, als ich sie aufziehen lies. Hat immer wieder unwürdig gekreischt und geschrieen, während sie gestanden hat jungen Müttern die Kinder aus der Wiege gestohlen zu haben um sie mit dämonischen Wechselbälgern auszutauschen. Oh, wie sie geweint hat, als sie erzählte, wie sie letzten Bellum die Ernte mit einem riesigen Unwetter vernichtet hat und doch lag keine Reue in den Tränen der Hexe. Sie weinte vor Freude!“ vollendete er den letzten Satz empört und schlug der Wehrlosen, das Jochbein zertrümmernd, die Faust ins Gesicht, was der Gefolterten das Bewusstsein raubte.

Er stellte sich hinter Akora, legte ihr in einer Geste der Überordnung die Hände auf die Schultern. Ein eiskalter Schauer ran ihren Rücken hinab, als sie seinen warmen Atem in ihrem Nacken spürte, als er sich ihrem Ohr näherte um leise, als gälte es ein Kind zu beruhigen fortfuhr „Sie hat die Männer verhext mit ihrer Schönheit. Ihre Lenden zum Kochen gebracht mit einem einzigen Lächeln. Wohin sie kam hat sie Streit gesät. Doch die Vier werden ihr in ihrer unendlichen Gnade vergeben, wenn wir ihren sündigen Körper erst den reinigenden Flammen übergeben haben.“ Er schwieg andächtig und zog sie enger an sich heran. Sie wollte ihn wegstoßen, ihm eine saftige Ohrfeige geben, doch ihr Gefühl sagte ihr, dass sie so enden würde, wie die Frau in der Zelle, wenn sie es tat.
Tarnung ist alles. Sie wandte sich ihm zu mit dem hinreißendsten Lächeln, das sie zu bieten hatte. „Ihr seid ein großartiger Mensch, uns alle so hingebungsvoll von dieser Hexenplage zu befreien.“ Säuselte sie liebreizend, obwohl sie ihm lieber ins Gesicht gespuckt hätte. Er gab ihr einen Klaps auf den Po, was ihr ein vorgegaukeltes, verlegenes Weiberkichern entlockte, aber innerlich rief sie die alten Mächte an um ihn zu verfluchen. Impotenz für die Ewigkeit war noch eine viel zu milde Strafe, aber die Einzigste, die sie mittels eines Kusses auf seine Lippen anbringen konnte.

Er schob sie mit einem erhabenen Gesichtsausdruck von sich. „Erst die Arbeit, dann das Vergnügen, meine Liebe. Ich möchte, dass Ihr tut, was in Eurer Macht steht um sie zu heilen. Sie soll in einer Woche erneut verhört,“ bei diesem Wort umspielte ein hämisches Lächeln seine Züge „werden und ich gedenke noch sehr viele weitere Geständnisse aus ihr heraus zu bringen. Tu also was du kannst, damit ihr Körper weitere Torturen ertragen kann. Wie es einer Hexe gebührt.“ „Alles was Ihr wünscht, Hochwürden.“ Intonierte Akora mit gekonnt gespielter Unterwürfigkeit.

Wie es einer Hexe gebührt. Sie kniete sich auf den Boden und nahm aus der alten braunen Umhängetasche diverse Ampullen, Verbände und sonstige Utensilien, die augenscheinlich der Heilung dienten. Unter den fachunkundigen Augen des Geweihten behandelte sie die Wunden, renkte die Glieder wieder ein, bestrich die Blessuren mit wohl duftenden Salben und flösste der Frau, als sie es das normalste der Welt, das Gift ein, das sie in vier Tagen von ihrem Leid erlösen würde. Das sie vor weiterer Folter und vor der Hölle am lebendigen Leib verbrannt zu werden, bewahren würde. Vier Tage. In vier Tagen war sie weit fort von hier. „Ich habe meine Arbeit getan, Hochwürden!“ Wie es einer Hexe gebührt.

_________________
„Probleme können nicht von den Personen gelöst werden, die diese erst verursacht haben.“


Zuletzt geändert von Thara: 8.08.06, 21:07, insgesamt 1-mal geändert.

Nach oben
 Profil  
 
 Betreff des Beitrags:
BeitragVerfasst: 12.05.07, 21:15 
Altratler
Altratler
Benutzeravatar

Registriert: 9.12.01, 12:26
Beiträge: 11215
Wohnort: Dur´sches Imperium
Pharalis Avistur. Wann immer sie diesen Namen hörte regte sich in ihr ein Gefühl von Verachtung wie sie es nur für die wenigsten Menschen auf dieser Insel empfand. Ein Name, der den Geschmack von niederträchtigem Verrat in sich trug und allein beim Gedanken an ihn ihren ganzen Körper und Geist mit Unwillen und Abneigung erfüllte, wie es keine dämonische Kreatur vermochte. Pharalis Avistur. Hätte sie sie damals nur zurückgewiesen, als Pharalis darum bat in den Löwenorden aufgenommen zu werden, der ihretwillen nun drauf und dran war, alles zu verlieren, was sich der Orden in seiner Gesamtheit mit Schweiß und Blut hart erkämpft hatte. Hätte sie an jenem verregneten Tag im Sekar geahnt, was für ein manipulatives Miststück ihr gegenüberstand, sie hätte sie davon gejagt, wie man es üblicherweise mit verwanzten Straßenkötern tat. Doch zu diesem Zeitpunkt wusste sie noch nichts von der hinterhältigen Ränkeschmiedin, die sich hinter einer Maske aus höflicher Freundlichkeit und nüchterner Zurückhaltung versteckte bis der Tag gekommen war an dem sie sich, ausgezeichnet durch ihre ausdauernde Arbeit am Wall, zur Waffenmeisterin aufgeschwungen hatte. Sie hatte alle getäuscht. Toran, Cendaric und bis zu jenem denkwürdigen Ereignis auch Akora, die bis dahin weder im Guten noch im Schlechten viel mit der aufstrebenden Pharalis zu tun hatte.

Nun saß sie da, Pharalis, zusammen mit ihren Schoßhündchen Aren und Rhodan und verkündeten gemeinschaftlich ihren Austritt aus dem Löwenorden mit dem Zusatz, dass sie, Pharalis, früher oder später gedachte, ihren eigenen Orden zu gründen und beteuerte, dass dies kein Konkurrenzorden zum Löwenorden werden sollte. Unter anderen Umständen hätte Akora, die in Form einer Ratte verborgen in den ausladenden Taschen der Robe ihres Vaters, das Gespräch belauschte, laut gelacht, Pharalis einen Blumenstrauß in die Hand gedrückt, auf die Schultern geklopft wie es bei guten Witzen üblich ist und ihr viel Erfolg gewünscht bei dem Unterfangen eine weitere Gilde auf die Beine zu stellen, die die Insel nicht brauchte. Aber die Umstände waren nicht anders, nein, die Umstände waren ganz und gar nicht mehr so einfach. Der Abgang einiger Mitglieder wäre ein Rückschlag für den Löwenorden gewesen, aber kein Genickbruch. Pharalis aber hatte mit ihrer vergifteten Zunge hinter dem Rücken aller anderen Löwen ihre Schäfchen bei der Ritterschaft ins Trockene gebracht und nun waren es die Ritter, die dem Löwenorden alle, schon vor Pharalis’ Zeiten, erarbeitete Anerkennung und allen Respekt absprachen und behaupteten dieser Entzug der Gunst lag einzig und allein in Akoras Person begründet und könne mit einer Entfernung Akoras aus dem Orden wieder in den vorherigen Stand zurück versetzt werden. So, oder so ähnlich, hatte sich zumindest Solos gegenüber Toran geäußert.

Akora sah von den Papierstapeln auf, die sich im Ordenshaus in Brandenstein stapelten und nach Sortierung schrien. Ihr Blick wanderte zum Fenster hin gegen das ein stattlicher Regenguss trommelte. Wie konnte das alles nur so weit kommen? Sie rief sich die Minuten nach dem 13. Konvent ins Gedächtnis zurück, jenen Momenten, die den Beginn des großen Zickenstreits einläuteten. Es war eigentlich eine von Grund auf banale Sache, aber die an diesem Abend frisch ernannte Waffenmeisterin Pharalis hatte schlichtweg eine andere Vorstellung von Gehorsam, als sie. Akora sah keine Tragik darin anstatt der von Steiner erlaubten fünf Schlüssel für das Ausfallstor am Wall zehn Kopien anzufertigen. Akora hatte ihren Leuten vertraut und sie hatte kein Problem darin gesehen jedes Ordensmitglied ab dem Rang eines Streiters mit einem Schlüssel auszustatten. Pharalis hingegen war wenig begeistert, als sie erfuhr, dass Akora ungehorsam war und anstatt das Problem ordensintern zu klären, verriet sie Akora an die Ritterschaft. Freilich behauptete Pharalis im Nachhinein, dass ein Ritter „ausversehen“ mitbekommen habe, dass etwas mit den Schlössern nicht stimmte und Pharalis sich genötigt sah dem nachhakenden Ritter Rede und Antwort zu stehen. Die Frage wieso Pharalis, nachdem sie dem Ritter angeblicherweise beichten musste , nicht zu Akora gekommen war um dies ihr mitzuteilen, auf das Akora den Rittern ihr Verhalten sofort hätte erklären können, wurde abgetan mit der Behauptung „es wäre ja alles so kurzfristig“ gewesen. Aber kurzfristig fand man keinen Schlosser, der Schlösser auswechselte. Pharalis musste es tagelang gewusst haben und lies sie nun ins offene Messer rennen.

Akora hatte aber allen Grund an dieser Version der Geschichte zu zweifeln, da es nur zwei Personen gab, die von ihrem ungehorsamen Vergehen wussten, namentlich Pharalis und Benedikt. Da Pharalis es selbst zugab, dass die Ritter es von ihr wussten, fiel Benedikt schon in einem recht frühen Stadium als Opfer eines eingehenden Verhörs aus. Die Frage nach dem „wie es der Ritter erfahren hat“ umschifften Pharalis als auch Caeden mit nebulösen Verallgemeinerungen. Akora konnte sich aber beim besten Willen nicht vorstellen, dass ein Ritter von alleine auf die Idee kam sich nach der korrekten Ausführung seiner Befehle bei solch einer Bagatelle zu erkundigen, insbesondere wenn dieser Ritter nicht mal derjenige war, der die Anweisung gegeben hatte. Zu der Vermutung, dass etwas mit der Vergabe der Schlüssel nicht stimmte, musste Caeden eindeutig durch einen äußeren Einfluss gekommen sein und dieser äußere Einfluss hatte nur einen Namen, Pharalis.

Akora schwirrten dutzende von Mutmaßungen durch den Kopf, wie es dazu kommen konnte, dass die eigene Ordensschwester sie verraten hatte, aber nur ein paar kamen in die engere Auswahl: Akora aus lauter Missgunst zu denunzieren, die eigene Macht zu mehren, die einzig ernsthafte Opposition im Orden loszuwerden und dabei sich noch von der Ritterschaft ein Leckerlie abholen, gleich einem dressierten Hund, den man darauf konditioniert hatte Kunststücke vorzuführen, für die es im Gegenzug feine Schleckereien gab. Pharalis war in Akoras Augen eine Person, die nicht blind, aber mit kalter Berechnung alle Befehle ausführte, die ihr von den über ihr Stehenden erteilt wurden. Sie ging den Weg des geringsten Widerstandes solange, bis sie selbst genug Macht hatte um anderen ihren Weg vorzugeben. Sie hatte es im Löwenorden so gehandhabt, sie würde es weiterhin so praktizieren, bis… ja bis wann eigentlich? Vermutlich bis man sie zur Ritterin ernannte. Sollte sie nur Ritterin werden, dann würden die Ritter schon selbst merken, welche Natter sie an ihrer Brust gesäugt hatten, spätestens dann, wenn sie alle gegeneinander ausspielt, hier und dort jemanden verpetzt und sich soweit hochgearbeitet hatte, dass man sie nicht mehr einfach rauswerfen konnte ohne das es größeren Schaden nach sich zog. Das alles natürlich getarnt mit geheucheltem bekümmertem Habitus und der dienstbeflissenen Art, dass man hinter her nur ungläubig fragen konnte „was soll sie getan haben?“, sich dann brüskiert abwandte und erst eines besseren belehrt wurde, nachdem man selbst im Netz ihrer Intrigen gelandet war.

Die ganze Sache an sich war das aberwitzigste, was Akora je in ihrem Leben erlebt hatte. Die Einmischung der Ritterschaft in den Streit zweier Frauen, den man im Fachjargon als Zickenstreit deklarieren würde, setzte dem Ganzen noch das Sahnehäubchen der Absurdität auf. Nur zu gut schwirrten ihr noch Steiners Anklagen im Kopf. Ein Mann, der in seinem ganzen Leben nicht mehr als fünf Sätze mit ihr gewechselt hatte und sich dennoch anmaßte seine Einschätzung über sie zum Besten zu geben und den vergifteten Worten einer Freien mehr Glauben schenkte oder schenken wollte , als denen eines Hochmagiers. Es war ohnehin abstrus, dass man Toran als Ordensmeister des Löwenordens vor mehr oder weniger vollendete Tatsachen stellte und bei ihm die Dinge, die von Pharalis der Ritterschaft zugetragen wurden, nicht einmal hinterfragte und als Faktum darstellte. Das Pharalis mit der Ritterschaft, oder zumindest mit Steiner kokettierte, gab dieser selbst in verharmlosender Form im Gespräch, das Akora wieder in Form einer verborgenen Ratte belauschte, mit Toran zu. Dort hieß es auf Torans Nachfrage hin, wieso er denn vor ihm von Avisturs Austritt aus dem Orden wusste, Pharalis habe sich im anvertraut … nein … er hatte nicht das Wort „anvertraut“ verwendet, Akora konnte sich nicht mehr genau daran erinnern welches Wort es war, aber es war eine Bezeichnung, die zumindest sinngemäß dem entsprach. Es war in jedem Fall ausreichend genug um zu wissen, dass Pharalis sich erneut zur Verräterin gemacht hatte, da auf dem letzten Konvent beschlossen wurde, auch mit Pharalis Stimme, die Ordensprobleme intern zu belassen. Wenn sie sich nun bei Steiner über die ach so böse Akora und den ach so bösen Orden, der Akora ja voll unterstützen würde, was absolut nicht der Fall war, ausheulte, hatte sie abermals Wortbruch begangen. Aber was konnte man schon von so einer erwarten?

Viel mehr war die Frage, was konnte man von so einem wie Steiner erwarten? War er Pharalis’ Marionette zur Macht oder war sie sein Werkzeug für Dinge, die außerhalb Akoras Vorstellungsbereichs lagen? Oder hatte Akoras Paranoia in den letzten Tagen einfach nur stark zugenommen? Sie hatte mit diesem Ritter nie wirklich etwas zu tun gehabt und auf einmal hing er sich an einer Nichtigkeit auf, als hätte sie das größte Verbrechen auf ganz Tare begangen. Natürlich hatte sie gegen seinen sinnfreien Befehl mit der Begrenzung der Schlüssel gehandelt. Als ob der Löwenorden nicht in der Vergangenheit genug beweisen hätte, dass er dem Vertrauen der Ritter würdig gewesen wäre, aber dennoch sollten nur die „wichtigsten“ Personen einen Schlüssel für eine Ausfallstür haben, die genau genommen nur der Bequemlichkeit und nichts anderem diente. Wenn da mal Pharalis nicht wieder ihrer Fingerchen im Spiel hatte. Sie hatte aus ihrer Abneigung gegen jene aus dem Orden, die nicht so diensteifrig ihre Wallwache verrichteten wie sie, ja nie einen Hehl gemacht. Tyrus und Lantea fielen da ihren Lästerattacken mit besonderer Häufigkeit zum Opfer. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie in der Garde der Ritterschaft, der sie nun angehörte, - vermutlich hatte Steiner ihr die Idee eines eigenen Ordens tüchtig ausgetrieben, weil er die Verhältnisse auf der Insel besser kannte und wusste, dass sie beim Aufbau eines neuen Ordens kläglich scheitern würde -, das Mäkeln über weniger aktive Mitglieder anfing und sie subtil versuchen würde eine Benachteiligung für jene zu bewirken. Genauso hatte sie es ja auch im Löwenorden mit dieser ganzen Schlüsselaffaire getrieben.

Was auch immer die Intentionen für Pharalis und Steiners Verhalten waren, Akora konnte nur mutmaßen und erwartete nicht in einem Gespräch die ehrlichen Antworten zu erfahren. Vielleicht interpretierte sie in diese ganzen Dinge auch einfach zu viel hinein oder ihre persönliche Wahrnehmung litt unter der Abneigung, die sie gegen Pharalis entwickelt hatte. Es wäre jedenfalls besser ihre Gedanken und Taten von Pharalis abzuwenden und sich wieder mehr auf den Löwenorden zu konzentrieren und das wieder aufzubauen, was Pharalis zerstört hatte. Und wie hatte letztendlich Cendaric voller Überzeugung gesagt: „Die Götter sehen alles.“


Zuletzt geändert von Thara: 12.05.07, 21:18, insgesamt 1-mal geändert.

Nach oben
 Profil  
 
 Betreff des Beitrags:
BeitragVerfasst: 10.07.07, 21:53 
Altratler
Altratler
Benutzeravatar

Registriert: 9.12.01, 12:26
Beiträge: 11215
Wohnort: Dur´sches Imperium
Verloren. Wegen ein paar verfluchten fehlenden Stimmen verloren. Der Nebel hing tief und feucht an diesem frühen Morgen über dem Waldboden des Lehens Greifenwald und tauchte die Umgebung in bleierne Grautöne, die sich nicht gerade erheiternd auf ihr zermürbtes Gemüt auswirkten. Aber was hatte sie auch erwartet? Gegen Letarien, den Kandidaten der Kirche und der Ritterschaft bestehen zu können? Ja, das hatte sie erwartet und die knappe Niederlage gab ihr Recht, dass die Chance den Willen des Adels und des Klerus mit den Stimmen der Freien und Bürger auszustechen nicht unmöglich war. Die Frage war nur, ob Letarien tatsächlich soviel Erfolg gehabt hätte, wenn sie nicht bei dieser Wahl als Konkurrentin teilgenommen hätte. Sie brauchte keine Spitzel um zu wissen, wie ihr Stand bei der Obrigkeit war und das die Herrschenden lieber jeden Posten mit unfähigen Tölpeln besetzen würden, als mit ihr. Nicht, dass sie ihn für einen Mann jener Gattung hielt, im Gegenteil. Sie glaubte, wenn sie Letarien nur unter anderen Umständen kennen gelernt hätte, hätten sie sich durchaus gut verstehen können ... aber glauben hiess bekanntlich ja nicht wissen.

Allen voran Steiner. Jener Mann, der sich als privat rächender Ritter der Ordensverräterin Pharalis aufgeschwungen hatte und seit Übernahme der Vergeltungssucht seines Schützlings alles daran setzte Akora zu boykottieren, wo er nur konnte. Sei es mit dem Verbot sie im Rathaus als Schreiberin arbeiten zu lassen oder beim Manipulieren von Wahlen. Denn dass bei diesen Wahlen etwas nicht in der Ordnung war lag in der Luft wie ein lautloser, in einer Menschenmenge losgelassener fauler Furz. Man wusste nicht von wem er kam, aber das gärende Vorhandensein konnte keine Nase leugnen. Nur Leute mit einem feineren Riechorgan konnten der Spur folgen und den Übeltäter ausfindig machen, aber diese zogen es vor dann nur die Nase zu rümpfen, es aus Höflichkeit zu ignorieren oder ihre eigenen Darmwinde hinzuzufügen um die eigentliche Duftnote zu verfälschen.

Sie wusste nicht woher die Abneigung der Obrigkeit auf dieser Insel gegen sie kam, hatte sie sich doch stets darum bemüht so wenig wie möglich mit dieser in Kontakt zu kommen und jene ihrer Taten, die diese Antipathie wirklich rechtfertigten, sollten dort nicht bekannt sein, zumindest glaubte sie das. Sie war sich sicher, dass Steiner sie sofort hätte einsperren lassen, wenn er von ihren weniger ruhmreichen Handlungen Kenntnis hätte und die Tatsache, das dies noch nicht geschehen war, war eigentlich Beweis genug. Die Suche nach der Antwort ging also weiter. Sie hatte mehr Schlüssel für eine Tür am Wall nachgemacht, als erlaubt waren. War das ein Grund? Nein, es gab ehemalige Schwarze Reiter, die Banneristen umgebracht hatten und nach einiger Zeit als Unfreie selbst in den Schoß des Banners aufgenommen worden waren. Dagegen war unerlaubtes Schlüsselnachmachen eine Lapalie.
Ob es an den dann und wann nicht sonderlich freundliche Bemerkungen über die Obrigkeit lag? Die waren jedoch eigentlich nicht in solch ausprägendem Maße, dass es einen selbstbewussten Ritter, der stolz auf das sein konnte, was er in seinem bisherigen Leben vollbracht hatte, auch nur im kleinen Zeh jucken sollte. Es sei denn natürlich diese Aussagen wurden in einer solch entstellten Art und Weise weitergegeben, dass sie selbst sich nicht mal mehr als die Urheberin der Worte erkannte. Würde man ihr wenigstens die Chance zur Rechtfertigung geben… wobei es fraglich war, ob sie mit ihrem losen Mundwerk und dem gravierenden Mangel an Diplomatie die Situation dann nicht nur noch verschlimmerte.

Letztendlich war es auch egal was immer sie tat. Es war wohl eine Art Naturgesetz, das alle negativen Dinge fünf Mal schwerer wogen, als die Positiven, die sie vollbrachte. Sie konnte Ritter in ihrem Turm gesund pflegen, dabei helfen, dass ein Ritter seine Liebe nicht verlor und sie war es gewesen, die den Löwenorden, nachdem Aekoric und Vane so kläglich versagt hatten, zu dem gemacht hatte, was er ist, oder besser gesagt was er bis zum Intrigenspiel einer bestimmten Person gewesen war. Sie war die einzige, die den Orden noch zusammenhielt und weder sie noch Toran machten sich da etwas vor. Der Orden würde zerfallen, wenn sie, oder gar beide den Orden aufgeben würden. Manchmal wünschte sie sich das. Einfach diese Verpflichtung abgeben. Es war ohnehin eine Arbeit, die ihr nie gedankt wurde und ihre eigentlichen Ziele würde sie damit auch nicht erreichen können. Sie konnte aber nicht einfach so abdanken. Sie musste beweisen, dass es sie es war, die den Orden am Leben hielt und das dieser mit einer erzwungenen Entfernung von ihr zerfallen würde. Ein Niedergang, an dem sie keine Schuld trug. Einen freiwilligen Abgang konnte sie sich nicht erlauben.

In ruhigeren Momenten fragte sie sich, wie wohl für Pharalis die Erkenntnis schmecken musste zu machtlos zu sein um sich selbst rächen zu können und stattdessen Mächtigere einspannen zu müssen, die ihre Vendetta gegen Akora ausfochten. Aber hatte Akora nicht selbst auch versucht eine mächtige Person für sich zu gewinnen um das Gleichgewicht in diesem Kampf wieder herzustellen? Ihr Vater, die Person, der sie am meisten vertraute. Die Person, die ihr zu verstehen gab, dass sie von ihm in dieser Streitfrage am wenigsten Hilfe zu erwarten hatte, wo er doch der war, der ihr am meisten helfen konnte und in seiner Funktion als Vater auch sollte. Toran war ein logischer Denker, der sich seinen aufgebauten Status des angesehenen Hochmagiers nicht verderben würde, indem er sich von Emotionalitäten gegenüber seiner Tochter leiten lies. Ob er ihr Vater war oder ein Fremder, sie zog keinen direkten Vorteil daraus. Er hatte kein Rückrat, unterschätzte die Macht, die er hatte oder wollte es wegen seiner Tochter einfach nicht auf eine Machtprobe ankommen lassen. Vielleicht fehlte bisher auch nur der ihm geeignet scheinende Anlass dazu, zu intervenieren. Sie konnte es nicht mit Bestimmtheit sagen. Neuerdings wachte sie nachts von Albträumen geplagt auf, in denen sie sich nackt an den Pranger gestellt vorfand. Peitschenhiebe zerrissen ihr den Rücken und die Menge begaffte das spitzende Blut, während Toran seine Pfeife stopfte, locker die Schultern hob und mit gleichgültiger Miene verkündete, dass dies kein Krieg war, den man gewinnen konnte, weshalb er nicht gedenke sich einzumischen.
Doch woher sollte er wissen, wie aussichtsreich die Siegeschancen waren, wenn er sich nicht mal ein Scharmützel in diesem Krieg erlaubte?
Davon mal abgesehen. Sie war für ihre Taten selbst verantwortlich. Sie war kein kleines Kind, das sich schutzsuchend an den Rockzipfel ihres Vaters hängte und darauf hoffte, dass er die bösen Nachbarskinder vertrieb. Sie hatte ihre eigenen Methoden und es lag an ihr Gebrauch davon zu machen, wenn es hart auf hart kam. Aber wenn sie sich nicht auf Torans Hilfe verlassen konnte, und Hilfe brauchte zweifellos jeder Mensch früher oder später, auf wessen Hilfe denn dann?

Früher war das alles viel einfacher. Früher, als sie frei war zu gehen wo immer sie ihre Füße hin trugen. Als ihr Besitz nur aus einem schweren Rucksack bestand, der in wenigen Sekunden auf den Rücken geschnallt werden konnte. Als sie nie länger als ein paar Monde in einem Ort geblieben war. Hier ging das nicht so einfach. Sie hatte immer geglaubt, sie wäre frei und nun musste sie feststellen, dass es zu viele Dinge auf der Insel gab, die sie nicht einfach aufgeben wollte. Optimisten würden sagen sie hatte etwas gefunden, wofür es sich zu kämpfen lohnt. Auch wenn es offensichtlich war, dass sie unter Steiners Boykott nichts mehr erreichen würde, so hatte sie in den letzten Jahren mehr erarbeitet, als andere in ihrem gesamten Leben.

Gearbeitet, das hatte sie in den letzten Tagen ohnehin genug. Sie hatte geahnt, dass es knapp werden würde und musste um jede Stimme kämpfen. Stundenlang stand sie sich auf dem auf dem Markt die Beine in den Bauch mit einem Lächeln im Gesicht, dass die innere Anspannung in keinster Weise nach aussen trug und hatte alle möglichen Leute versucht zur Wahl für sie zu animieren. Etwas, was Letarien ihr als Intrigenspiel auslegen wollte. Doch wenn irgendeiner intrigierte, dann war es eher er, als sie. Schließlich hingen nicht über Letarien Hetzpamphlete aus. Wenn sie allerdings eins bei dieser Wahl gelernt hatte, dann war es die Erkenntnis sich noch mehr anstrengen zu müssen. Dies hatte zwar keiner ihrer Gegenkandidaten überhaupt groß getan, aber keiner von denen hatte auch Steiner inoffiziell zum Gegner. Es war Rodran gewesen, der ihr auf die Frage, warum Steiner sie nicht einfach in Ruhe lassen konnte, antwortete "er hält dich vielleicht einfach für zu gefährlich."


Zuletzt geändert von Thara: 10.07.07, 21:58, insgesamt 1-mal geändert.

Nach oben
 Profil  
 
 Betreff des Beitrags:
BeitragVerfasst: 14.07.07, 14:55 
Altratler
Altratler
Benutzeravatar

Registriert: 9.12.01, 12:26
Beiträge: 11215
Wohnort: Dur´sches Imperium
„Mach kein Theater, das ist eine Einladung, keine Verhaftung.“ hatte Toran gesagt, als der Gardist Lucius Gropp die seltsam verschwörerisch geflüsterte „Einladung“ überbrachte. „Steiner wird vieles tun, aber nicht mich zum Teekränzchen einladen, alter Narr!“ hätte sie am liebsten entgegnet, verkniff es sich dann aber, weil das die Situation nicht besser machen würde. Kurze Zeit später, in der Burg angekommen, öffnete sich die Kerkertür für sie. „Man sollte meinen die Ritter hätten ein anderes Verständnis von Gastfreundschaft.“ gab sie mit vor Ironie triefender Stimme von sich und lies sich mit der ich-habe-es-dir- doch-gesagt Resignation und einem bedeutungsvollen Blick zu Toran widerstandslos in die Zelle führen. Was hätte sie sich auch schon groß wehren sollen, mal ganz abgesehen davon, dass sie neugierig war, welches ihrer kleinen Geheimnisse Steiner entdeckt hatte.

Sie tockte mit dem Kopf gegen die Wand, als Steiner anfing sie über die Verhaftungsgründe aufzuklären. Laaaannnnggggweilig. Gib dir ein bisschen mehr Mühe, Bursche. Dass ich über Pharalis gelästert habe weiß die ganze Insel. Zeitgleich war sie allerdings auch erleichtert, dass es sich „nur“ darum drehte, mal wieder. Die böse Akora, die die liebe Pharalis verunglimpfte. Hatte Steiner denn nicht irgendwelche Staatsangelegenheiten um die er sich kümmern musste? Ritter hatten eindeutig zu wenig zu tun, wenn sie soviel Zeit dafür fanden ihre Gardisten in kleinen Privatfehden zu unterstützen. Aber gut, die Lästereien gegenüber Pharalis waren eigentlich seit Wochen abgeklungen, wieso kam er ausgerechnet jetzt wieder damit an? Steiner musste ihre Gedanken gehört haben und war so frei auf die unausgesprochene Frage die Antwort zu geben „Da nun aber eine "Tavernenpostille" aufgetaucht ist…“ er sprach an dieser Stelle natürlich weiter, jedoch schaltete Akora ab, was nun kam waren ohnehin schon dutzendfach vernommen worden. Wiederholungen, die sich lediglich in der Art der Formulierung unterschieden.

Die Tavernenpostille… ja… jenes Dokument war auch ihr in die Hände gefallen, kurz nach der Wahl und sie hatte sich darüber gefreut, dass es noch jemanden auf der Insel gab, der ihre Abneigungen teilte. Sie war so närrisch gewesen das zu glauben und jetzt ging ihr ein Licht auf aus wessen Feder das Pamphlet stammte. Oh, du gerissener Hund! Sie betrachtete den weisshaarigen Ritter, der immer noch dabei war über Akoras Verhalten zu lamentieren mit ganz neuen Augen. Wie groß konnte sein Hass gegen sie nur sein, dass er selbst seine Ritterehre vergas um gegen sie vorgehen zu können? Auslöser für diesen Haftbefehl musste die Tavernenpostille gewesen sein, denn ihre letzten Spöttereien gegen Avistur lagen eine ganze Weile zurück und sie hatte diese eigentlich nach der ersten Drohung von Steiner auf „höchstprivate“ Ebene konzentriert. Die Tavernenpostille war nur ein von Steiner selbstverfasster Wisch, in dem er sich als Sympathisant Akoras darstellte und großzügig ein paar von ihr gestreute Gerüchte verbreitete. Sie hätte laut auflachen wollen bei der Erkenntnis, dass sich Steiner seine „Auslöser“ selbst fälschte. Aber würde Steiner so etwas tun? Die Indizien sprachen eindeutig dafür. Wenn jemand den Verfasser eines gegen ihn gerichteten Schreibens nicht kannte, so würde er Fragen stellen. Steiner hatte sich nicht damit aufgehalten sie dahingehend zu befragen oder sie sogar selbst mehr als in einer „was wäre wenn“ Art zu verdächtigen, obwohl sie doch eigentlich Verdächtige Nummer Eins sein müsste.

„Ihr untersteht meiner Strafgewalt. Dafür habe ich heute bei der Tafelrunde gesorgt. Zumal Die Ritterschaft mit meiner Meinung übereinstimmt, wenngleich freilich nicht so ereifernd.“ Erklärte Steiner ihr auf ihren Wunsch hin, dass sich ein anderer Ritter ihrer annehmen würde und nicht einer, der offensichtlich nicht neutral genug war und das auch unumwunden zu gab. Schon allein die Beteuerung „Etwaige Konsequenzen beruhen nicht auf persönlicher Abneigung“ lag in vollkommenem Widerspruch zu „auch wenn ich freilich zugeben muss, dass ich Euch alles andere als freundlich gesinnt bin.“ Wie konnte man nur so bigott sein? Wie konnten die anderen Ritter nur so blind sein und nicht erkennen, das Steiner vollkommen befangen war und jeden objektiven Blick zu den Gegebenheiten verloren hatte? Ein tiefes Gefühl von Enttäuschung durchfuhr sie. Die Ritter waren nie ihre besten Freunde gewesen und sie war sich ihrer dortigen Unbeliebtheit sicher, aber dennoch glaubte sie, dass ein Funken von Gerechtigkeitssinn in ihnen wohnte, der es ihnen verbat jemanden in einer Angelegenheit richten zu lassen, in der sich der Richter selbst als maßgebliches „Opfer“ ansah. Das zwischen Pharalis und Steiner mehr war als nur ein Ritter-Gardistenverhältnis dürfte ihnen doch nicht entgangen sein. Steiners war Pharalis in Pharalis vernarrt wie es auffälliger nicht sein konnte. Aber nun ja, getroffene Hunde bellten bekannter Weise. Deswegen saß sie hier und zu Steiners tiefem Wuffen gesellte sich nun noch Pharalis geifernde Kläfflaute, die aufzählten was für Gerüchte sie alles in die Welt gestreut hatte. Gerüchte, die wohlgemerkt nicht vollkommen aus dem Nichts gegriffen waren. Auch wenn es Akora doch wunderte, dass einige in der Auflistung vorhandenen Gerüchte niemals von ihr mehr als nur in Gedanken geäußert wurden. Scheinbar gab es unter den "glaubwürdigen" Informanten, die nie namentlich genannt wurden tatsächlich Gedankenleser.

Es schien eine halbe Ewigkeit zu dauern bis Steiner und Toran nach eingehender Beratschlagung betreffend eines Urteils wieder aus dem unteren Kerker zurückkamen. Wenigstens wurde aus der Urteilsverkündung kein langatmiges Drama gemacht und Steiner kam schnell zur Sache „Einerseits werdet Ihr einen öffentlichen Widerruf nebst Entschuldigung für diese Gerüchte verfassen, den wir freilich dann auch bei Bedarf im Boten bringen können. Er sollte also zusagend sein. Jedes einzelne Gerücht dabei widerrufen und entschuldigen. Des Weiteren werdet Ihr für einen Mond zur Unfreien erklärt. Ihr könnt froh sein Euren Vater als respektierten Magus als Unterstützung zu haben, denn sonst wären es zwei geworden.“ Sie gab ein abfälliges Schnauben von sich, als sie die Worte vernahm. Ein Urteil, als wäre sie eine Schwerstverbrecherin und ihr Vater stand daneben und war vermutlich noch zufrieden mit dem, was er für sie „rausschlagen“ konnte, zufrieden mit der Demütigung, die man seiner Tochter antat und erwartete wohl noch Dankbarkeit für seinen unermüdlichen Einsatz. Vielleicht war sie undankbar. Vielleicht überschätzte sie einfach nur seinen Einfluss oder er unterschätzte den seinen. Er hätte mehr für sie tun können, dessen war sie sich sicher. Eine schwere Tür war einrastend ins Schloss gefallen und sie spürte die sich auftuende Kluft zwischen ihr und ihrem Vater, die sie für unmöglich zu kitten glaubte.

Unfrei. Sie hatte sich schon länger gefragt, wie es sein mochte den Kragen um den Hals zu spüren und als sich mit einem einrastenden Klacken der Mechanismus schloss, wusste sie es. Ekel durchfuhr sie und ihr Magen sandte eine Woge der Übelkeit die Speiseröhre hinauf. Sie wusste dass dieses Gefühl nicht vom Kragen verursacht wurde. Dieser lag lediglich kühl um ihren Hals und schnürte ihr die Kehle zu. Es war die Person, die ihr den Kragen umlegte, die diese Art von Unwohlsein hervor rief. Die Tatsache, dass sie sich beherrschen musste um nicht mit der Hand vorzuschnellen und sich in dem von Brandnarben gezeichneten Gesicht festzukrallen um ihr einen Fluch entgegen zu schleudern, der Pharalis im wahrsten Sinne des Wortes alle Sinne raubte. Stattdessen blieb sie still. Sperrte sich ihrer Emotionen aus und wandte den Blick nicht von den Augen ihrer Kontrahentin ab, die jedoch nicht sonderlich darauf erpicht zu sein schien sie mehr als nötig anzusehen. Nein, diesen Moment würde sie mit vollem Bewusstsein und mit jeder Faser ihres klaren Verstandes auskosten. Sie würde sich ihn einprägen und jeden Tag aufs Neue abrufen. Jede einzelne Bewegung würde in ihrem Gedächtnis bleiben. Rationale Klarheit statt Wutausbrüche. Gefühle würden ihr Erinnerungsvermögen trüben und das wollte sie nicht, nein. Diese ganze Szene im Kerker der Burg sollte ihr unvergessen bleiben bis zum Tag an dem sie sich rächen würde. Dieser Tag würde nicht heute kommen. Nicht morgen, nicht übermorgen. Vermutlich nicht mal diesen Mond oder dieses Jahr, aber er würde kommen und sie würde es genießen, aber vorerst musste sie die Füsse still halten, soviel war klar.

_________________
„Probleme können nicht von den Personen gelöst werden, die diese erst verursacht haben.“


Nach oben
 Profil  
 
 Betreff des Beitrags:
BeitragVerfasst: 22.12.07, 13:21 
Altratler
Altratler
Benutzeravatar

Registriert: 9.12.01, 12:26
Beiträge: 11215
Wohnort: Dur´sches Imperium
Manchen Dingen konnte man nicht entgegenwirken. Dem Wetter zum Beispiel, der Ungerechtigkeit der Welt oder das Personen zu Beerdigungen kamen, an denen sie nur aus Gründen der gesellschaftlichen Verpflichtung teilnahmen und weil sie einen guten Schein vorgaukeln wollten. Es war einer der Gründe, dass sie wartete, bis der Friedhof geräumt und alle ehrlich und weniger ehrlich trauernde Gäste das Feld geräumt hatten. Es gab Angelegenheiten, die gingen niemanden etwas an. Es gab Gefühle, die konnte man in der Öffentlichkeit zeigen und welche, die man für sich behalten sollte, weil sie angreifbar machten. Trauer war so eine Emotion, die empfindsam und anfällig machte. Nichts von dem, was sie spüren wollte und doch war der Kummer kurz davor sie zu übermannen, als sie mit glasigen Augen gegen die brennenden Tränen ankämpfte, die beim Anblick von Tyans Leichnam ihren Weg ins Freie suchten und nie finden sollten.

Sie war erleichtert und zugleich auch enttäuscht gewesen, als sie bemerkte, dass er eine andere gefunden hatte. Verehrer, die ein „Nein“ nicht akzeptieren konnten und mit Gedichten und Geschenken immer von neuem ihr Glück versuchten, waren für sie ein Graus. Männer, die sich eine für immer anhaltende Liebe mit solcher Intensität einbildeten, dass man sie am liebsten mit Ohrfeigen auf den Boden der Realität zurück holen wollte, so ein Mann war Tyan gewesen. Sie hatte ihm jedes mal gesagt, er würde eine andere finden und sie wäre dann vergessen. Er hatte es bestritten und als ihre Prophezeiung sich wieder einmal bestätigte, wünschte sie sich im Unrecht gewesen zu sein. Egoismus? Nein. Nur die traurige Bestätigung, dass es keine ewige Liebe gab, trotz aller Versprechungen, die sich Menschen machten und esoterischen Glaubens, der ihnen inne wohnte.

Schneeflocken tanzten vom Wind getragen auf den toten Körper herab. Es war Zeit Abschied zu nehmen und es zu Ende zu bringen. Sie hatte alles gesagt, was sie ihm sagen konnte und doch zu wenig, als angemessen gewesen wäre. Manche Worte waren nicht einmal für die Ohren der Toten bestimmt. Der, wie in Zeitlupe auf den Leichnam fallende Nelkenstrauß nur die Symbolik eines sich schließenden Kapitels. Sie griff nach der Schaufel und füllte das Grab mit Erde. Jeder Spatenstich war verbunden mit schmerzhaften Erinnerungen. Sein Lachen. Seine Melancholie. Seine Hoffnung. Seine Sturheit. Seine Freundschaft. Peitschenhiebe auf den Rücken der Seele. Er kehrte zurück, wo auch immer dieses zurück sein mochte und überließ die Welt anderen. Ihr. Es gab nur noch eins, das sie für ihn tun konnte, wo sie in allem anderen so schrecklich versagt hatte.


Nach oben
 Profil  
 
 Betreff des Beitrags: Re: Auch regelmäßiges Versagen zeugt von Zuverlässigkeit
BeitragVerfasst: 17.06.08, 22:46 
Altratler
Altratler
Benutzeravatar

Registriert: 9.12.01, 12:26
Beiträge: 11215
Wohnort: Dur´sches Imperium
Freiheit hatte ihren Preis. Den einen mochten sie nur Dukaten kosten, dem anderen Verluste in Sachen Ansehen, Ruhm und Ehre einbringen und wiederrum andere waren am besten damit bedient der Freiheit gänzlich zu entsagen und sich einer stupiden Befehlsstruktur unterzuordnen, weil sie mit der damit verbundenen Verantwortung nicht umzugehen wussten. Der Preis, den sie für ihre Freiheit bezahlen musste war Einsamkeit. Freiheit und Liebe war so gegensätzlich wie Feuer und Wasser. Man konnte nicht frei sein und gleichzeitig lieben. Die Liebe erforderte eine Verpfändung des eigenen Lebens und den Zwang der Anpassung der eigenen Bedürfnisse auf die des Partners. Aufopferungen, die sie nicht geben konnte wollte sie auch nicht entgegengebracht bekommen. Es wäre als würde man eine Person, die einem viel bedeutete, übers Ohr hauen.

Warum mussten Männer auch die Dinge immer komplizierter machen als sie waren? Anfangs war es alles so einfach gewesen. Dieser riesige dürre Kerl, namens Hendrick. Von einer Leichtlebigkeit was die Frauen betraf beseelt, dass die Bezeichnung „Weiberheld“ noch untertrieben war. Er hatte zu ihr gepasst, wie die Faust aufs Auge. Keine Verpflichtungen, keine übermässige Gefühlsduselei, keine Einschränkungen, jede Menge Leichen im Keller und vorallem hatte sie bei ihm nicht das Gefühl, er würde eines Tages ernsthaft solche Emotionen für sie entwickeln, die man allgemein hin der Liebe zuordnete. Es war nicht die erste Täuschung, die sie sich in ihrem Leben eingestehen musste.

Sie hatte versucht mit seinen Worten der absoluten Zuneigung umzugehen. Zum Beispiel, dass er keine andere neben ihr mehr haben wollte, nicht jetzt und auch nicht in Zukunft, was auch immer diese bringen würde. Es waren Geständnisse um die so manche Frau sie beneidet hätte, aber warum fühlte sie sich dennoch jedes Mal belogen und warum kam anstatt Freude nur verhärmte Verbitterung auf? Erfahrung. Soviele Männer hatten ihr das Selbe erzählt und sich nach ihrer Zurückweisung (oder anderen sich ergebenden Umständen) anders orientiert und von der hochheiligen ewig geschworenen Liebe war nicht mehr viel übrig geblieben als dann und wann ein unverbindlicher Plausch. Wieso sollte es also bei Hendrick anders sein? Er würde über sie hinwegkommen und eine andere finden, der er die gleichen realitätsfernen Schwüre vortragen konnte. Es war wie sooft alles nur eine Frage der Zeit. Blieb zu hoffen, dass die andere dies mehr zu würdigen wusste als sie.

Es war nicht Hendrick, der sie mit seiner Liebe erstickte. Es war das Wissen darum, was er alles für sie aufgab und wovon sie glaubte es ihm allein aus Respekt gegenüber seinen Gefühlen gleich tun zu müssen. Er hatte nie von ihr verlangt sich einzuschränken und dennoch tat sie es aus eigenem Willen.Genau hier begann das Dilemma der Unvereinbarkeit von Liebe und Freiheit. Wenn sie sich für jemanden einschränkte war sie nicht frei. Frei weniger im Sinne von häufig wechselnden Bettpartnern sondern eher frei von der Auflage für mehr Personen als sich selbst verantwortlich zu sein. Auf einmal war es gar nicht mehr so schwer Verständnis dafür aufzubringen, dass ihr Vater all die Frauen, die er geschwängert hatte, hatte sitzen lassen. Die Flucht vor sozialen Bindungen mochte in der Familie liegen.

Sie entschied sich für die Freiheit, aber zu welchem Preis? Es war, als hätte sie sich selbst eine Niere herausgeschnitten. Sie würde diese Trennung überleben, aber die entstandenen Narben würde sie nicht vergessen können. Sein Anblick war wie glühende Dolchstoße ins Herz, die sie immer wieder an ihre Feigheit und das was sie verschmäht hatte, obwohl sie es sich doch wünschte, erinnerte. Hendrick war mehr geworden, als ein einfacher Liebhaber. Mehr, als sie zulassen durfte. Die Gefahr in den Ketten der Liebe versklavt zu werden war zu groß. Sie musste es beenden. Besser früher als später. Besser jetzt, als wenn es für beide zu spät geworden wäre.

Alles hatte seinen Preis. Em Ende stellte sich nur die Frage, ob der Preis es wert gewesen war bezahlt zu werden.

_________________
„Probleme können nicht von den Personen gelöst werden, die diese erst verursacht haben.“


Nach oben
 Profil  
 
Beiträge der letzten Zeit anzeigen:  Sortiere nach  
Ein neues Thema erstellen Auf das Thema antworten  [ 16 Beiträge ] 

Alle Zeiten sind UTC + 1 Stunde [ Sommerzeit ]


Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 1 Gast


Sie dürfen keine neuen Themen in diesem Forum erstellen.
Sie dürfen keine Antworten zu Themen in diesem Forum erstellen.
Sie dürfen Ihre Beiträge in diesem Forum nicht ändern.
Sie dürfen Ihre Beiträge in diesem Forum nicht löschen.

Suche nach:
Gehe zu:  
cron

Powered by phpBB © 2000, 2002, 2005, 2007 phpBB Group
Deutsche Übersetzung durch phpBB.de