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 Betreff des Beitrags: Den wahren Pfaden folgend
BeitragVerfasst: 12.09.06, 03:48 
Einsiedler
Einsiedler

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~~(| Mondtag, der 1. Carmer |)~~


"Mein Blut - Ein Opfer an Euch."
Modriger Geruch nach feuchtem, vom Salz des Meeres verkrustetem Holz hält sich beständig in ihrer Nase, plagt sie mehr denn die feinen Schnitte entlang der beiden größten Handlinien, welche bei jedem vollen wie auch neuen Silbermond aufs Neue der Spitze ihres Messers zum Opfer fallen.

"Mein Haar - Ein Band zu Euch."
Die hauchdünne Strähne, welche durch eben dieselbe Klinge aus ihrem lockeren Zopf getrennt wird, färbt sich augenblicklich in dunklem Rot, als sie mit beinahe liebevoll anmutender Sorgfalt über die Handfläche gezogen wird, das seidige Haar bewusst mit noch warmem Lebenssaft besudelnd.

"Mein Herz - Ein Tor zu Euch."
Ein wohlig beklemmendes Kribbeln breitet sich in ihrer Brust aus, kaum dass sie die kleine Opfergabe fest gegen diese drückt. Wie so oft, Mond um Mond, sind kurz Zweifel in ihr aufgekommen - Zweifel an der Sinnhaftigkeit, an diesem so barbarisch und sinnlos wirkenden Ritual fest zu halten, diesem längst schal gewordenen Relikt einer Kindheit, welche ihr nicht eine einzige lohnenswerte Erinnerung hinterlassen hat. Vor langer Zeit schon, in einem weit in der Vergangenheit liegenden Leben, hat sie dem erbärmlichen Kult ihrer Vorväter abgeschworen, um die wahren Pfade des Glaubens zu finden, und mit dieser Absagung hat sie auch ihre drögen Floskeln und Rituale abgelegt - und doch, niemals in all den Jahren hat sie es gewagt, diese zyklisch abgehaltene Ehrung des Herrn auch nur ein einziges Mal auszusetzen, wäre ihr dies doch trotz der fragwürdigen Herkunft der Zeremonie wie ein Verrat vorgekommen.

Ein knapper Blick über die Schulter bestätigt ihr, dass die Türe immer noch fest verschlossen ist, kein ungebetener Beobachter ihr zwielichtiges Treiben mit ansieht, um das ohnedies 'verdächtige Weib' den anderen Reisenden zu melden. Ohnehin haben sowohl Passagiere, als auch Besatzung, längst schon ein vorsichtiges Auge auf sie geworfen, ist sie doch während des Sturmes wenige Tage zuvor vom Schicksal vor die Wahl gestellt worden, ihre Tarnung aufzugeben oder ihr Lebenslicht verlöschen zu lassen. Für ihren Geschmack sind es viel zu viele Leute bereits, welche ihre wahre Berufung - wenn schon glücklicherweise nicht ihren tiefen Glauben - während dieser endlos langen Stunden zwischen Leben und Tod zu Gesicht bekommen haben. Sie fühlt die Blicke der anderen auf sich, bei jedem Schritt, den sie seither an Bord des Schiffes tätigt - nichts käme ihr da nun ungelegener denn ein neugieriger Gast, welcher sie beim Ausüben eines Blutrituales beobachtet.

Ohne ein weiteres Wort - und freilich ohne die wilden Tänze, das animalische Geschrei und den von allerlei Giften ausgelösten Rausch, welche ursprünglich das Ende der Zeremonie eingeläutet haben - beendet sie ihre alle sechs Wochen wiederkehrende Glaubensbekundung. Das rot verkrustete Haarbüschel wandert in eine kleine Tasche an ihrem Gürtel - später, in einem unbeobachteten Moment, wird sie an Deck gehen und dieses Beweisstück über die Reeling fallen lassen - und ihre verletzte Hand wird mit einem sauberen Tuch abgetupft. Ihr Mentor hat, als er zum ersten Mal in eines dieser Rituale hereingeplatzt ist, ihr einen Tiegel mit Wundsalbe überreicht, und selbige trägt sie nun mit besonderer Sorgfalt auf die frischen Wunden auf. Schließlich soll man die Schnitte später nicht an hässlichen Krusten - oder noch schlimmer - unschönen Narben erkennen können.


Zuletzt geändert von Erlösung: 12.09.06, 03:50, insgesamt 1-mal geändert.

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BeitragVerfasst: 18.09.06, 02:41 
Einsiedler
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~~(| Sonnentag, der 9. Carmer |)~~

In eine weite Robe gehüllt, deren Schnitt so offensichtlich nicht an ihren Körper angepasst war, dass der raue Stoff bei jedem Luftzug unangenehm über ihre von der Überfahrt ohnehin aufgeraute Haut scheuert, sitzt sie am Steg und blickt hinaus auf das wogende Schwarz des Meeres der Sieben Winde. Es ist nicht einfach gewesen, trotz des Zwischenfalles an Bord ihre Tarnung hier wieder aufzubauen, doch nun ist sie hier, innerhalb nur eines Tages wie selbstverständlich aufgenommen in eine Gemeinschaft, welche nur so strotzt vor geheuchelter Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft. Die Lügen des falschen Glaubens - Selbstlosigkeit, Opferbereitschaft, Mitleid und Nächstenliebe - haben sich längst schon tief in die Herzen der Bürger Siebenwinds gefressen, Maden gleich, welche sich nun daran machen, ihr Opfer von innen her zu zersetzen. Und mehr noch denn von Würmern verdorbenes Fleisch widert sie diese fromme Falschheit an, dank derer sie wie ein heimgekehrtes Familienmitglied in der Gemeinschaft Falkensees aufgenommen worden ist.

In der Ferne, irgendwo vor dem pechschwarzen Horizont, flackert gedämpft ein Licht auf - vermutlich ein weiteres Schiff, bereit, noch mehr dieser schwächlichen Brut an demütigen Vier-Götter-Gläubigen aus zu speien, diese Insel weiter mit den kränkelnden Seelen von an Gnade und Mitgefühl glaubenden Narren zu besudeln. Einen Moment lang wünscht sie sich tatsächlich zurück in ihre alte Heimat, zurück nach Ersont, wo die Mannen zwar ebenso (wenn nicht gar noch mehr!) dem falschen Glauben folgen, dies jedoch zumindest stets mit einem Schwert in Händen tun. Jederzeit bereit, für Glaube oder Vaterland das eigene Leben zu opfern.

Langsam erhebt sie sich, den kratzigen Stoff der Robe fest an den eigenen Körper gezogen, und ein letzter Blick streift das sich erbärmlich langsam nähernde Schiff. Die Gerüchte über diese Insel, Erzählungen über große Schlachten, über 'heldenhafte Kämpfe gegen das Böse' und über tapfere Männer und Frauen, welche sich tagtäglich den unzähligen Gefahren dieser ach so düsteren Insel entgegenzustellen hatten - all diese Geschichten müssen sich erst noch bewahrheiten, ehe sich dieses nagende Gefühl von beständig anhaltendem Ekel legen wird. Bisher sind es schwache Taugenichtse, liebestolle Weiber, übermäßig neugierige Schwachköpfe und ärmliche Kinder, welche ihr Bild von dieser Insel dominieren - die erbärmlichen Resultate einer Gesellschaft, in welcher nicht der Stärkere überlebt, sondern derjenige, der am Besten um Almosen betteln kann.

Es wird ein Leichtes sein, sich hier nieder zu lassen, sich einzugliedern in die Gemeinschaft und wie ganz natürlich darin zu verschwinden - aber wie unendlich schwer mag es wohl sein, hier die Spreu vom Weizen zu trennen, die Starken auf ihre Seite zu ziehen und gemeinsam mit ihnen die Schwachen als Mittel zum Zweck zu benutzen? Welch schier unerreichbare Aufgabe wird es wohl sein, aus diesem wirren Geflecht an sozialen Mißstrukturen fähige Männer und Frauen für die gerechte Sache zu begeistern, dieses verlogene Gebilde umzuwerfen und die Machtverhältnisse auf dieser Insel wieder den vom Schicksal auserkorenen Werten anzugleichen.

Aber man soll ein Pferd nicht von hinten aufzäumen...


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BeitragVerfasst: 22.09.06, 01:29 
Einsiedler
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~~(| Mondtag, der 21. Carmer |)~~

Regentropfen prasseln beständig auf sie herab, Myriaden winziger Nadelstiche auf einer Haut, welche jene ja doch nicht fühlen kann. Ihr Haar klebt feucht und ungezähmt an ihrer Stirn, ihren Wangen und im nur mäßig unter der viel zu weit geschnittenen Robe geschützten Nacken. Die damit verbundene Kälte - und jenes unangenehme Gefühl, welches empfindungsfähige Wesen normalerweise dazu bringt, vor der unangenehmen Feuchtigkeit zu fliehen - spürt sie nicht, nur ihr Verstand warnt sie vor der drohenden Erkältung.

Und dennoch, sie bringt nicht die Kraft auf, sich zu erheben und unter den überstehenden Dächern Schutz vor dem Regen zu suchen, sich gar ins Innere der Taverne oder eines der restlichen öffentlichen Gebäude zu flüchten. Selbst der Reflex, sich notdürftig in den Kragen des kratzigen Kleidungsstückes zu kuscheln und die garstige Feuchtigkeit aus ihrem Nacken zu verbannen, verblasst in der gähnenden Leere ihrer Seele zu einer flüchtigen Erinnerung, einem fernen Gedankenfetzen, welcher keinerlei Beachtung wert ist. Das dunkle Loch in ihrem Inneren, die alles verschlingende Schwärze dort, wo einst ihr Herz gesessen hat, droht sie erneut von innen her aufzulösen, heftiger denn sonst und mit erbarmungsloser Zielstrebigkeit.

Es passiert nicht zum ersten Mal, und es wird vermutlich auch nicht der letzte dieser Tage sein. Irgendwann, wenn die selige Panik kommt und von ihr Besitz ergreift, wenn dieses letzte ihr noch gebliebene Gefühl langsam dazu übergeht, die Kontrolle über ihre Glieder zu erlangen, wird die Kraft zurückkehren, weiter zu existieren - Mond um Mond, Lauf um Lauf, wie seit jener längst vergangenen und doch so grausam unverfälscht in Erinnerung gebliebenen Zeit.

~~~

Kalt. Die von einem kristallinen Film überzogenen Gitterstäbe waren kalt, brannten auf ihrer Haut, wann immer sie auf der Suche nach einer halbwegs erträglichen Stellung den Fehler machte, das zugefrorene Eisen zu berühren. Der Versuch war ohnehin vergebens - viel zu klein war der nur knapp hüfthohe Käfig, als dass sie hätte eine Position finden könnten, in welcher ihr nicht nach kurzer Zeit schon die Beine zu kribbeln begannen, oder in welcher sie das letzte Fitzelchen Wärme ihres kleinen Körpers hätte bewahren können.

Nur das salzige Nass auf ihren Wangen wanderte in heißen Bahnen die gerötete Haut hinab, vermochte die eisige Kälte für eine Weile aus ihrem Gesicht zu bannen. Sie verstand nicht, was sie diesmal falsch gemacht hatte - weshalb die Großen sie nun wieder straften - doch sie war sich der Tatsache bewusst, dass ihre Tränen alles nur noch schlimmer machten. Weinen war ihr verboten, Weinen war schlimmer noch als Lachen, Schmollen, Freude oder Wut. Weinen war nicht bloß ein Ausdruck von Gefühlen - nein, schlimmer noch, es war ein Zeichen von Schwäche. Und Salvatira durfte nicht schwach sein. Denn Salvatira war die Erlösung.


~~~

Ihr Blick ist starr auf ihre linke Handfläche gerichtet, wo längst schon die beiden oberflächlichen Schnitte verheilt sind, nichts mehr vom letzten Ritual zeugt. Manch anderer würde nun den kleinen Dolch aus ihrem Hosenbund ziehen und die regenfeuchte Haut mit neuerlichen Wunden beflecken, den Schmerz suchen, um das in sich zu kollabieren drohende Loch in ihrem Herzen mit dieser göttlich erlösenden Empfindung zu füllen - aber selbst dieser Ausweg bleibt ihr verwehrt. Da ist nur noch die Angst, in welche sie sich flüchten kann, doch mit jedem dieser immer wieder kehrenden Tiefpunkte lässt sich dieses letzte, befreiende Gefühl länger Zeit, kauert sie länger apathisch irgendwo am Rande des Seins und wartet auf ein Ende - welcher Art auch immer.

Mehr denn je drängt sich ihr der Vergleich mit einem zerbrochenen, nutzlos gewordenen Werkzeug auf, und mehr denn je verlangt es sie nach einem fähigen Handwerker, um sie wieder zusammenzufügen, sie mit geschickten Fingern zu lenken und ihr wahres Potenzial zu Tage zu bringen. Jemand, in dessen fachkundigen Händen sie wieder dem Dunklen König dienen kann.

Heftiges Zittern begleitet die Frage, ob sie rechtzeitig fündig werden wird, heißkalte Angst schwappt mit unverhoffter Kraft aus dem dunklen Abgrund ihres Bewusstseins, durchflutet ihren taub gewordenen Körper und lässt sie einen Moment lang freudig-entsetzt nach Luft schnappen. Sie schließt die Augen und gibt sich bebend dem unnachgiebigen Schwall hin, umarmt beinahe zärtlich das herbeigesehnte Gefühl von Panik.

Endlich.


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BeitragVerfasst: 30.09.06, 06:05 
Einsiedler
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~~(| Wandeltag, der 27. Carmer |)~~

Der Himmel über ihr erstrahlt in tiefstem Blau, hämisch wolkenfrei lacht er auf sie herab, verspottet ihr Missgeschick mit bedrückend freundlichem Sonnenschein. Das ausgelassene Zwitschern der Vögel erscheint ihr wie eine bösartige Kakophonie der Schadenfreude und man mag beinahe glauben, das ferne Lachen auf dem Marktplatz gelte ihr. Freilich ist die Vorstellung absurd, doch gleiten ihre Gedanken nun bereits seit Stunden immer mehr in selige Bedeutungslosigkeit ab, was schert sie da die Widersinnigkeit ihrer Überlegungen?

Falsch. Die Untätigkeit wird sie noch gänzlich in den Wahnsinn treiben, dessen ist sie sich sicher.

Doch ihre Verletzung hält sie hier an diesen Ort gefesselt - Fluch über diese unüberwindliche Schwäche, Fluch über jene, denen sie es zu verdanken hat, dass sie sich immer wieder selbst verletzt, ohne es zu merken. Wären sie nicht wohl längst schon alle den ach so reinigenden Flammen der Verblendeten zum Opfer gefallen, würde sie nicht einen Moment lang zögern, diese Dummköpfe bis ans Ende der Welt zu jagen und für ihre Taten büßen zu lassen.

Sie schließt die Augen und quittiert ihre ungewohnt irrationalen Überlegungen mit einem leisen Seufzen. »Niedere Rachegedanken? So weit bist du also gesunken, Salvatira?« Geschwächt, verletzt und von animalischen Bedürfnissen getrieben - ist es das, wozu sie sich auf dieser Insel entwickeln wird? Die Hochburg galadonischer Verblendung hat sie einst ihre Heimat genannt, doch dieser Ort der Falschheit, an welchem Hilfsbereitschaft und Nächstenliebe die Gedanken der Bewohner zu dominieren scheinen, soll es schließlich sein, welcher ihre zutiefst verinnerlichten Ideale nun ins Schwanken bringt? »Nein. Nicht die Insel ist es. Nicht ihre Bewohner.«

Vor ihrem geistigen Auge flackert das Bild ihres Mentors auf, jenes Mannes, welcher Weisheit und Stärke so selbstverständlich in sich vereint, welcher Wissen und Glaube in ihrer reinsten Form gelebt hat und beides bereitwillig mit ihr zu teilen imstande gewesen ist. Der feine Hauch einer Gefühlsregung rührt sich in ihrem Inneren, wie es immer der Fall gewesen ist, wenn er den Raum betreten hat - diese zarte Andeutung von Respekt, nein, Bewunderung. Umso tiefer die Scham, wenn sie nun über ihre derzeitige Situation nachdenkt. »Erbärmlich, was aus Eurer Schülerin geworden ist.«

Kaum einen Moment später steht sie neben der Sitzbank, die Gefahr ignorierend, ihre Wunde könne sich dadurch verschlimmern. Sie ist kein altes Waschweib, das bei jedem Wehwechen zum nächsten Kräuterkundigen läuft, das Herz einer stolzen Kriegerin schlägt in ihrer Brust, und trotz aller Vernunft darf sie sich von einer solchen Kleinigkeit keinesfalls unterkriegen lassen. Solange ihre Beine sie tragen und ihre Hände den Griff eines Schwertes umfassen können, wird sie sich nicht weiter auf den geheuchelten Almosen der anderen ausruhen. Es ist an der Zeit, ihr Training weiterzuführen, dort wieder einzusetzen, wo sie vor ihrer schicksalhaften Abreise aufgehört hat. Ihr Lehrmeister mag nicht mehr an ihrer Seite weilen, seine Lehren hingegen werden immer in ihren Gedanken weiterleben - und momentan sind es nur Rügen, welche jene ferne Stimme in ihrem Unterbewusstsein für sie übrig hat.

»Zeit, wieder ich selbst zu werden.«


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BeitragVerfasst: 2.10.06, 06:59 
Einsiedler
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~~(| Wandeltag, der 2. Carmar |)~~

Geduldig wartet sie auf ein Zeichen.

Über ihr rauscht das sterbend rote Blätterdach, harscher Wind peitscht durch die Äste der sich längst in ihr alljährliches Schicksal fügenden Bäume, doch Salvatiras Blick ist starr auf den Boden zu ihren Knien gerichtet, lauernd, wartend. Bewusst hat sie diese Stelle gewählt, den Mittelpunkt zwischen jenen bedeutungsträchtigen Orten, welche sie an nur einem Tag ihrem Schicksal so unaufhaltsam näher gebracht haben. Im Westen die Ritualstätte, jenes Fleckchen Erde, an welchem sie auch an diesem Monatsersten erneut in Seinem Namen ihr Blut vergossen. Im Nordosten die Stelle, an welcher sie wenig später zum ersten Mal seit langem Seine Antwort vernommen - und als solche erkannt - hat. Im Südosten zuletzt jener Weg, welchen sie zuletzt beschritten hat, geleitet von einer beinahe schon vergessenen Lüge, welche nun zu neuem Leben in Seinem Willen erwacht ist.

So vieles ist geschehen, durchdrungen ist der gestrige Tag gewesen von Seiner Macht und des von ihm gelenkten Schicksals, Seine Nähe beinahe körperlich fühlbar gewesen, sodass sie sich einen Herzschlag lang gar versucht gefühlt hat, jegliche Vorsicht beiseite zu schieben und arg- wie sorglos die Hand auszustrecken nach der zum Greifen nahen Zukunft. Verführerisch vor ihr ausgebreitet ist die Möglichkeit zu ihren Füßen gelegen, den langen und beschwerlichen Weg ihrer Suche zu verlassen und in einem Augenblick der Unvorsichtigkeit auf direktem Wege ihrem Ziel entgegen zu springen. Sie hätte alles erreichen können - aber auch tief fallen.

Zu tief.

Nein, Er hat sie in solch kurzer Zeit ihrer Bestimmung viel näher kommen lassen, als sie es jemals zu hoffen gewagt hat, viel zu nah, um Seinen Plan durch einen unbedachten Schritt zu gefährden. Es gibt Zeiten, da Zögern die größte aller Sünden ist, doch ist sie sich sicher, dass es nun vor allem eine überstürzte Handlung wäre, welche das mühsam aufgebaute Konstrukt ihres Schicksals zum Einsturz bringen würde. Ein Konstrukt, ohne welches sie vollkommen nutzlos für Ihn wäre, auf ewig das zerbrochene Werkzeug.

Also wartet sie weiter auf ein Zeichen.


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BeitragVerfasst: 3.10.06, 12:48 
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~~(| Mittentag, der 3. Carmar |)~~

Der Absatz ihrer Stiefel klackert auf dem harten Steinboden. Jeder Schritt bricht sich an den blank polierten Wänden aus schwarzem Marmor, hallt vielfach davon zurück und kündigt ihr Nahen schon von Weitem an. Jeder Versuch, die verräterischen Laute zu dämpfen, ist von Anfang an zum Scheitern verurteilt, selbst das sanfteste Aufsetzen ihrer Füße durchzuckt die gierig jedes kleine Geräusch aufnehmende Stille als lautes Donnerhallen. »Sie wissen es. Sie wissen, dass du kommst. Sie wissen, wer du bist.«

Und all das umsonst, sie wird das Ende des düsteren Korridors ohnehin niemals erreichen - viel zu lange folgt sie dem fernen Licht an dessen Ende nun bereits, um noch darauf hoffen zu können. Sie ist in die Falle getappt. Die Erkenntnis läuft ihr in heißkalten Schauern den unbedeckten Rücken hinab, als sie ihre Hände gegen den kalten Stein presst. Einen süßen Augenblick lang scheint es nahezu, als wolle die Wand unter ihrem Drängen nachgeben, doch was eben noch wie eine Möglichkeit zu entkommen gewirkt, stellt sich nun wieder als unerbittliches und unüberwindliches Hindernis dar. Ja, sie ist in die Falle getappt.

"Vielleicht folgst du nur dem falschen Licht." Reflexartig wirbelt sie herum, ihr Schwert kampfbereit erhoben, um der unbekannten Gestalt hinter sich entgegen zu treten, doch das schwarzgerüstete Wesen steht ihr nur reglos gegenüber und scheint sie zu mustern. Wieder kann sie sich des Eindrucks nicht erwehren, einer Falle zum Opfer gefallen zu sein, auch wenn es keine körperliche Gefahr ist, welche von jenem bewegungslosen Schemen ihr gegenüber ausgeht. "Auch wenn man nur Schatten erkennt, so bin ich doch Licht - du hingegen bist Dunkelheit, verborgen hinter gleißender Helligkeit."

Die Worte brennen auf ihrer Haut, denn obgleich sie ohne Spott und Hohn gesprochen, kann sie ihnen doch nichts Gutes abgewinnen. Es kostet sie unheimlich viel Kraft, das flackernde Leuchten in ihren Händen aufrecht zu erhalten, und dennoch erscheint ihr diese Lichtquelle nunmehr kalt und verräterisch, eine tief versponnene Lüge, deren zartes Gleichgewicht mit jedem verstrichenen Moment zu zerbersten droht. Wo sie sich doch aber sicher ist, das Licht zum Erreichen ihrer Ziele zu brauchen, denn immer noch hat sie eine Aufgabe vor sich liegen. "Ich bin Salvatira - ich bin die Erlösung."

Ein schallendes Lachen durchbricht die Stille, pflanzt sich an den unnatürlich glatten Wänden fort und wird aus der Dunkelheit wieder zurückgeworfen, lauter und schriller denn das ursprüngliche Geräusch. Ruckartig presst sie die Hände gegen die Ohren, als das Echo zu einem unerträglichen Kreischen an schwillt, feine Risse den Boden unter ihren Füßen zu durchziehen beginnen. Der verräterische Geruch von Schwefel begleitet das ohrenbetäubende Knacken und Knirschen des dunklen Steins, als sich die Spalte langsam mit glühender Lava zu füllen beginnen. "Du bist nicht die Erlösung, du bist nur schleichendes Gift."

"Heilsames Gift." Die groß gewachsene Gestalt zu ihrer Rechten streckt ihr einladend eine Hand entgegen, doch trotz der Aussicht, mit einem einzigen Griff der unbarmherzigen Hitze unter sich zu entgehen, wendet sie sich angewidert ab. Lieber verglüht sie in den Fängen dieser Falle, denn den wohligen Lügen Glauben zu schenken. Wenn sie Gift ist, so sollen all jene an ihr zugrunde gehen, welche sich Ihm in den Weg stellen - wenn es ihr Schicksal sein soll, eine Spur der Vernichtung hinter sich her zu ziehen, so soll es geschehen.

"Fein." Er steht ihr gegenüber, ungeachtet des glühend roten Bodens und offenbar ungerührt vom bestialischen Gestank nach Schwefel, Tod und Endgültigkeit. "Heute beginnt dein neues Leben, Weib." Sie blickt an sich hinab, auf den entblößten Körper, welcher trotz des rötlichen Lichtes in giftigem Grün zu schimmern scheint. "Nein!" ruft sie ihm entgegen. "Nein, ein neues Leben beginnt stets mit dem Feuer, welches das alte verzehrt!"

"Aber es brennt doch längst, siehst du es denn nicht?" Die Stimme ihres Mentors säuselt hämisch an ihrem rechten Ohr, doch als sie herumwirbelt ist da nur ein wager Schemen, ein schwarzer Schatten mit leblosen Augen und faltigen Lippen, verzogen zu einem schadenfrohen Grinsen, wie es ihr Lehrmeister nie hätte aufgesetzt. Doch die unbekannte Gestalt spricht die Wahrheit, schon haben die ersten Vorhänge Feuer gefangen, gierig lecken die Flammen an den farbenfrohen Stoffbahnen empor. Sollen sie doch brennen, alles vernichten, sie und ihn, die Fremden, das unheilvolle Licht. Sie gibt sich dem tröstenden Gedanken hin, schon bald als Asche in alle Himmelsrichtungen verstreut zu enden, als sie die Erkenntnis durchzuckt, dass sie ihre Aufgabe noch nicht erfüllt hat. Sie kann nicht sterben, nicht jetzt!

"NEIN!"

Mit einem leisen Schrei erwacht sie.


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