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~~(| Mittentag, der 3. Carmar |)~~
Der Absatz ihrer Stiefel klackert auf dem harten Steinboden. Jeder Schritt bricht sich an den blank polierten Wänden aus schwarzem Marmor, hallt vielfach davon zurück und kündigt ihr Nahen schon von Weitem an. Jeder Versuch, die verräterischen Laute zu dämpfen, ist von Anfang an zum Scheitern verurteilt, selbst das sanfteste Aufsetzen ihrer Füße durchzuckt die gierig jedes kleine Geräusch aufnehmende Stille als lautes Donnerhallen. »Sie wissen es. Sie wissen, dass du kommst. Sie wissen, wer du bist.«
Und all das umsonst, sie wird das Ende des düsteren Korridors ohnehin niemals erreichen - viel zu lange folgt sie dem fernen Licht an dessen Ende nun bereits, um noch darauf hoffen zu können. Sie ist in die Falle getappt. Die Erkenntnis läuft ihr in heißkalten Schauern den unbedeckten Rücken hinab, als sie ihre Hände gegen den kalten Stein presst. Einen süßen Augenblick lang scheint es nahezu, als wolle die Wand unter ihrem Drängen nachgeben, doch was eben noch wie eine Möglichkeit zu entkommen gewirkt, stellt sich nun wieder als unerbittliches und unüberwindliches Hindernis dar. Ja, sie ist in die Falle getappt.
"Vielleicht folgst du nur dem falschen Licht." Reflexartig wirbelt sie herum, ihr Schwert kampfbereit erhoben, um der unbekannten Gestalt hinter sich entgegen zu treten, doch das schwarzgerüstete Wesen steht ihr nur reglos gegenüber und scheint sie zu mustern. Wieder kann sie sich des Eindrucks nicht erwehren, einer Falle zum Opfer gefallen zu sein, auch wenn es keine körperliche Gefahr ist, welche von jenem bewegungslosen Schemen ihr gegenüber ausgeht. "Auch wenn man nur Schatten erkennt, so bin ich doch Licht - du hingegen bist Dunkelheit, verborgen hinter gleißender Helligkeit."
Die Worte brennen auf ihrer Haut, denn obgleich sie ohne Spott und Hohn gesprochen, kann sie ihnen doch nichts Gutes abgewinnen. Es kostet sie unheimlich viel Kraft, das flackernde Leuchten in ihren Händen aufrecht zu erhalten, und dennoch erscheint ihr diese Lichtquelle nunmehr kalt und verräterisch, eine tief versponnene Lüge, deren zartes Gleichgewicht mit jedem verstrichenen Moment zu zerbersten droht. Wo sie sich doch aber sicher ist, das Licht zum Erreichen ihrer Ziele zu brauchen, denn immer noch hat sie eine Aufgabe vor sich liegen. "Ich bin Salvatira - ich bin die Erlösung."
Ein schallendes Lachen durchbricht die Stille, pflanzt sich an den unnatürlich glatten Wänden fort und wird aus der Dunkelheit wieder zurückgeworfen, lauter und schriller denn das ursprüngliche Geräusch. Ruckartig presst sie die Hände gegen die Ohren, als das Echo zu einem unerträglichen Kreischen an schwillt, feine Risse den Boden unter ihren Füßen zu durchziehen beginnen. Der verräterische Geruch von Schwefel begleitet das ohrenbetäubende Knacken und Knirschen des dunklen Steins, als sich die Spalte langsam mit glühender Lava zu füllen beginnen. "Du bist nicht die Erlösung, du bist nur schleichendes Gift."
"Heilsames Gift." Die groß gewachsene Gestalt zu ihrer Rechten streckt ihr einladend eine Hand entgegen, doch trotz der Aussicht, mit einem einzigen Griff der unbarmherzigen Hitze unter sich zu entgehen, wendet sie sich angewidert ab. Lieber verglüht sie in den Fängen dieser Falle, denn den wohligen Lügen Glauben zu schenken. Wenn sie Gift ist, so sollen all jene an ihr zugrunde gehen, welche sich Ihm in den Weg stellen - wenn es ihr Schicksal sein soll, eine Spur der Vernichtung hinter sich her zu ziehen, so soll es geschehen.
"Fein." Er steht ihr gegenüber, ungeachtet des glühend roten Bodens und offenbar ungerührt vom bestialischen Gestank nach Schwefel, Tod und Endgültigkeit. "Heute beginnt dein neues Leben, Weib." Sie blickt an sich hinab, auf den entblößten Körper, welcher trotz des rötlichen Lichtes in giftigem Grün zu schimmern scheint. "Nein!" ruft sie ihm entgegen. "Nein, ein neues Leben beginnt stets mit dem Feuer, welches das alte verzehrt!"
"Aber es brennt doch längst, siehst du es denn nicht?" Die Stimme ihres Mentors säuselt hämisch an ihrem rechten Ohr, doch als sie herumwirbelt ist da nur ein wager Schemen, ein schwarzer Schatten mit leblosen Augen und faltigen Lippen, verzogen zu einem schadenfrohen Grinsen, wie es ihr Lehrmeister nie hätte aufgesetzt. Doch die unbekannte Gestalt spricht die Wahrheit, schon haben die ersten Vorhänge Feuer gefangen, gierig lecken die Flammen an den farbenfrohen Stoffbahnen empor. Sollen sie doch brennen, alles vernichten, sie und ihn, die Fremden, das unheilvolle Licht. Sie gibt sich dem tröstenden Gedanken hin, schon bald als Asche in alle Himmelsrichtungen verstreut zu enden, als sie die Erkenntnis durchzuckt, dass sie ihre Aufgabe noch nicht erfüllt hat. Sie kann nicht sterben, nicht jetzt!
"NEIN!"
Mit einem leisen Schrei erwacht sie.
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