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 Betreff des Beitrags: Rosenhain
BeitragVerfasst: 7.03.07, 18:08 
Altratler
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Huhu,

die nachfolgende Geschichte ist dier Forsetzung zu meiner Geschichte Rosenblut. Ihr könnt sie hier im Forum, oder auf meiner Seite 7w-stories nachlesen.

Viel Spaß,
Tim

-----------

Rosenblut

Die kleine Lichtung erstrahlte im Lichte Felas. Begierig streckten sich ihr die Köpfe der Wiesenblumen entgegen. Es war ein angenehmer Frühlingstag. Ein Tag der bereits tausend Tage dauerte und noch weitere tausend dauern sollte. Er wäre perfekt gewesen, doch irgendetwas fehlte. Gedankenverloren sah sich die junge Frau um. Rien hatte gute Arbeit geleistet, dass musste sie zugeben. Dennoch machte sie diese Stille fast wahnsinnig. Sie war erdrückend. Ob sie mit ihren drei Brüdern darüber sprechen sollte?
In einer geschmeidigen Bewegung bückte sie sich hinab und zupfte eine Blume ab, um sie sich ins goldene Haar zu stecken. In diesem Augenblick fiel ihr Blick auf einen Strauch am Rand der Wiese. Etwas rotes zwinkerte ihr aus ihm hervor. Als sie näher trat, erkannte sie eine wunderschöne rote Blume. Ein berauschender Duft lag in der Luft. Schwer und doch zugleich sinnlich schien er ihr die Sinne rauben zu wollen. So glitt ihre Hand wie von selbst zu eine der Blüten. Dies musste die Königin der Blumen sein, von der Rien ihr erzählt hatte. Wie nannte sie dieses Meisterstück noch gleich? Rose. Allein diese Pflanze hatte es verdient ihr Haar zu schmücken! Ein schneller Handgriff trennte die Rose samt Stiel von dem Gestrüpp. Sie wollte die Blume eben zu ihrer Nase heben, da geschah es: Ein stechender Schmerz durchfuhr ihren Finger. Ein einzelner Blutstropfen bahnte sich seinen Weg aus dem Dornenstich. Noch bevor die Frau reagieren konnte, wurde ihr Schwarz vor Augen...

Tiefe Dunkelheit umgab sie. War da nicht eben ein rotes Aufblitzen gewesen? Da... schon wieder! Es schien als würde die Quelle des Lichts auf sie zukommen. Je näher es kam, desto mehr ähnelte es eben jener Rose, die sie eben noch in der Hand gehalten hatte. Doch irgendetwas schien nicht zu stimmen. Die Pflanze bestand aus rotem Kristall. Sie wollte ihre Hand danach ausstrecken, als der Kristall zerbrach. Von einem Augenblick auf den anderen war sie vom Chaos umgeben. Sie sah riesige Brände. Wesen, ähnlich ihren Brüdern und ihr, rannten voller Panik umher. Berge stürzten ein und Xans Reich ergoss sich über das Land. Und im Mittelpunkt des Chaos schien ein einzelne Person zu stehen. Doch sie wurde von einem Schatten verborgen.

Schwer atmend kam sie wieder zu sich. War dies eines jener Experimente gewesen, mit denen ihr Bruder Morsan sich seit kurzem beschäftigte? Einer dieser Träume? Nein, es hatte sich realer angefühlt. Es schien ihr als wäre es echt gewesen. Sie musste sich in Gedanken korrigieren: es schien so als würde es echt werden.
Ihr Blick fiel auf ihre Hand, mit der sie eben noch die Rose gepflückt hatte. Nun befand sich dort jene Rose aus ihrer Vision. Sie spürte die Macht, die von diesem ungewöhnlichen Kristall ausging. Es war ein Teil ihres göttlichen Wesens, dass nun dort gefangen war. Und doch wollte sie es nicht zerstören. Zu schön war der Anblick in ihren Augen. Und hatten ihr die Bilder nicht gezeigt, was dann geschehen würde? War sie gar jene Person im Mittelpunkt all’ dieser Zerstörung gewesen? Zweifel plagten sie. Die Rose musste versteckt werden. Und nicht nur das: Ein Wächter sollte jene jagen, die sie zerbrachen.

So erschuf sie ein namenloses Wesen ohne Seele. Einzig an seine Aufgabe gebunden sollte es jene verfolgen, die den Kristall zerstörten. Es sollte nicht zulassen, dass die Vision wahr wird. Doch bis dahin sollte der Wächter schlafen. Nachdem dies erledigt war, trug Vitama die Rose weit in den Süden Tares. Dorthin wo Sand das Land regierte und niemand je ihr Geheimnis finden würde...

Doch die Zukunft ist eine Macht denen selbst die Götter unterliegen.

Zeitalter später, auf einem Felsblock mitten in Endophal.

"Deine Zeit ist gekommen, Mensch."

Der gesichtlose Dämon hielt seine Hände vor sich, die Innenseiten einander zugekehrt. Ein Feuerball bildete sich zwischen ihnen. Panisch erkannte der Junge, wie sich das Geschoss von der Kreatur löste und auf ihn zu raste. Es würde ihn unweigerlich treffen. Seine Instinkte reagierten schneller als sein Kopf. Der eiserne Griff um Rosenblut lockerte sich - das Artefakt fiel.
Es kam Dalnas vor als würde die Zeit sich zu einer Ewigkeit dehnen. Mit angstgeweiteten Augen beobachtete er wie der Feuerball sich in Zeitlupe immer weiter näherte. Das Adrenalin schoss durch seine Adern. Er hörte seinen Puls in den Ohren dröhnen. Sein Gedächtnis schrie ihn laut an wegzulaufen, doch seine Beine versagten den Dienst. Nun war der Feuerball nur noch eine Armlänge von dem Jungen entfernt...
... und löste sich schlagartig in Luft auf. Im selben Moment drang ein Klirren an sein Ohr. Es hörte sich an, als hätte jemand einen Krug fallen gelassen, doch sehr viel heller. Rosenblut war zerstört.

Und der Wächter erwachte...

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Benion - vita et amor - Pater Brown Verschnitt, Häretiker und Lord der Vitamith - Geburtshelfer: 8 mal - Ehejahre-Rekordhalter
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BeitragVerfasst: 9.03.07, 19:32 
Altratler
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Die Gabe

Seufzend sah Dalnas auf die Erde. Seitdem er vor einem Mond in den Tempel zurückgekehrt war, schien alles schief zu laufen. Natürlich war die Mutter Oberin über sein Verschwinden und das des Buches sehr erzürnt gewesen. Einzig ihr Glaube an Vitama hatte sie wohl davon abgehalten ihm eine ordentliche Tracht Prügel zu verpassen. Stattdessen stand er nun hier im Garten und pflanzte Tulpen. Das war die Buße gewesen, die sie ihm auferlegt hatte. Sie und die anderen Geweihten hatten seine Geschichte nicht geglaubt. Es kam immer wieder vor, dass Anwärter oder Novizen vom Orden davonliefen. Das er zurückgekehrt war, bestätigte in ihren Augen nur seine Schuldgefühle. Schließlich hatte er es aufgegeben sie überzeugen zu wollen. Die Buße würde vorüber gehen und dann würde endlich wieder Normalität in sein Leben Einzug halten, so hoffte er.
Er griff sich eine Tulpenzwiebel aus dem Eimer und steckte sie in die Erde. Dann bedeckte er sie mit Erde. Die Mutter Oberin hatte gemeint, diese Gartenarbeit würde ihm zu mehr Bodenständigkeit verhelfen. Zum Glück war er als Sohn eines Bauern solcherlei Arbeit gewohnt. Wenn er nur nicht die ganze Zeit im prallen Felalicht sitzen müsste. Zwar spendete der Strohhut auf seinem Kopf etwas Schatten, aber trotzdem lief ihm der Schweiß in Strömen den Rücken hinab. Dabei hatte er bei seinem Abenteuer wirklich genug Sonne gehabt.
Mit der kleinen Schaufel grub er ein weiteres Loch. Was hatte er nun von seiner Reise gehabt? Seine heimliche Liebe war zwar wieder erwacht, aber sich ihr zu nähern wagte er nicht. Sie schien ihm unantastbar. Unwohl dachte er an vergangene Woche zurück. Er war gerade dabei die Blumen zu gießen, als sie plötzlich hinter ihm stand. Sein Herz hatte so laut geschlagen, dass er glaubte man könnte es bis nach Draconis hören. Wie froh war er gewesen, als Mutter Elera ihn zu sich gerufen hatte. Er brachte es einfach nicht über sein Herz mit Jolena zu sprechen. Nachts, wenn er allein in seinem Bett lag, dachte er oft an sie. Jedes Mal nahm er sich vor ihr am nächsten Tag endlich seine Liebe zu gestehen. Es mangelte ihm nicht an Gelegenheiten dazu, aber an Mut. Und so schob er das Geständnis vor sich her. Vielleicht sollte er ihr einen Brief schreiben?

„Dalnas? Dalnas!“

Blinzelnd sah der Anwärter hinüber zum schattigen Gang am Rande des Tempelgartens. Dort stand die Elfe Elera und winkte ihn zu sich. Was sie wohl jetzt wieder von ihm wollte? Eilig erhob er sich und ging zu ihr.

„Da bist du ja. Die Mutter Oberin hat mir aufgetragen einige Besorgungen auf dem Markt zu machen. Ich dachte mir du könntest etwas Abwechslung gebrauchen. Du siehst schon ganz mitgenommen aus. Geh in dein Zimmer und zieh dir etwas frisches an, dann treffe mich an der Tempelpforte.“

„Ja, Mutter.“

Mit einem Handwink entließ ihn die Geweihte und er beeilte sich ihren Wünschen nachzukommen. Keine der beiden bemerkte die Tulpen. In voller Pracht standen sie dort, wo Dalnas eben noch die Zwiebeln eingesetzt hatte.

Kurz darauf schlenderten beide über den Markt. Eigentlich schlenderte nur die Elfe, er versuchte ihr so gut es ging mit dem großen Korb hinterher zu kommen. Ab und zu blieb sie stehen und begutachtete die Waren. Der Markt von Falkenstein war der größte im ganzen Lehen. Egal ob exotische Gewürze, prächtige Stoffe oder glitzernder Schmuck. Hier wurde alles feilgeboten, was Endophal und Galadon zu bieten hatten. Man sagte, dass jemand nur genug Geld benötigte, dann konnte er oder sie auf dem Markt alles kaufen. In den ärmeren Vierteln sollte man angeblich sogar den Tod kaufen können. Die Stadt war die (inoffizielle) Heimat einer berühmten Assassinengilde. Aber über solche Themen sprach man nur hinter vorgehaltener Hand.

„Schläfst du schon wieder?“, schmunzelnd sah Elera zu Dalnas hinab.
„Ich habe gehört, dass heute morgen ein Schiff mit Kräutern aus Lichtenfeld gekommen ist. Meine Vorräte an Grünemmerlingen sind knapp geworden. Deshalb werde ich schnell zum Hafen gehen und sehen, ob ich ein paar ergattern kann. Bleib du bitte so lange hier.“

„Ja, Mutter.“

„Und mach keinen Ärger.“

„Ja, Mutter.“

„Vitama mit dir.“

Mit diese Worten verschwand die Elfe in der Menge. Nun war Dalnas allein auf dem Markt. Neugierig sah er sich um. Es war einige Zeit her, seitdem er ihn besucht hatte. Damals hatte er den Geweihten Mahndi getroffen, der ihn auf die Reise geschickt hatte. Seufzend dachte er an den Mann und seinen Vogel zurück. Erst später hatte er erfahren, dass es sich bei ihm um einen Geist gehandelt haben musste. Er war schon lange tot. Warum wohl gerade er ausgewählt worden war?
Ein Tierhändler in der Nähe zog seine Aufmerksamkeit auf sich. Neben Katzen, Hunden und Hennen, hatte er auch einige Tauben im Angebot. Ob es wohl stimmte, dass diese Vögel stets ihren Weg nach Hause fanden? Das wäre sicher praktisch, wenn man sich einmal in der Wildnis verlaufen würde. Neugierig trat er noch einige Schritte näher. Er hatte einige Mühe sich an den Menschen vorbei zu kämpfen, denn wie immer war der Markt überlaufen.
Als er neben sich etwas aufblitzen sah, zuckte er instinktiv zusammen. Es folgte ein greller Schrei. Erschrocken blickte er zur Seite. Ein Mann lag mit einer blutenden
Bauchwunde auf dem Pflaster, über ihm stand eine dunkle Gestalt. In der einen Hand hatte sie einen Dolch, die andere Hand klammerte sich um einen großen Geldbeutel. Noch ehe irgendwer reagieren konnte, rannte sie davon.
Wie vom Blitz getroffen starrte der Junge auf den Verwundeten. Dann war der Bann gebrochen. Erschrockene Rufe waren um ihn herum zu hören und schon begann sich eine Menschentraube zu bilden. Es wurde nach einem Heiler verlangt, doch es schien keiner in der Nähe zu sein. Wie benommen kniete sich Dalnas neben den Mann.
Aus dem Heilkundeunterricht wusste er, dass die Wunde schwer war. Würde dem Verletzten nicht bald geholfen werden, so konnten nur noch die Diener Morsans etwas für ihn tun. Verzweifelt sah er sich nach Mutter Elera um. Sie war eine Expertin auf dem Gebiet der Heilung und wüsste sicher was zu tun sei. Doch außer erschrocken dreinblickenden Passanten konnte er nichts sehen. Oh wenn die Wunde doch nur heilen würde!
In diesem Augenblick geschah das Unglaubliche. Vor seinen Augen begann der Blutstrom langsam zu versieben und die Wunde sich zu schließen. Er glaubte ein schwaches Glimmen erkennen zu können. Dann war nichts mehr von der Verletzung zu sehen.
Die Zuseher hatten die wundersame Heilung des Mannes bemerkt. Sie erkannten natürlich die Robe eines Anwärters Vitamas. Jubelnd priesen sie die Göttin des Lebens. Der Geheilte setzte eben zu einem Dank an, als Dalnas hart am Oberarm gepackt wurde. Als er sich herumdrehte sah er in das besorgte Gesicht der Elfe.

„Dalnas, was hast du getan?“

„I...ich? Ich war das n...“

„Ja, ja, schon gut, komm mit.“

Ohne ein weiteres Wort zu verlieren griff sie nach dem großen Korb und schob ihn vor sich her durch die Menschenmassen Richtung Tempel.

Niemand hatte die Tauben des Tierhändlers bemerkt, die tot in ihren Käfigen lagen.

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BeitragVerfasst: 11.03.07, 20:23 
Altratler
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Eine Reise beginnt

Rhythmisches Pochen hallte durch die Stollen der Goldmine tief unter dem Phoenix Gebirge. Die Luft war staubig. Um ihre Lungen vor dem ätzenden Staub zu schützen trugen die hier arbeitenden Zwerge feuchte Tücher vor dem Mund. Sie waren heute schon ein gutes Stück voran gekommen. Wenn sie Glück hatten, würde sie vielleicht schon heute Abend auf das andere Ende der Goldader stoßen. Die Ader war vor einer Woche von einem Arbeitstrupp in einem Stollen im Norden entdeckt worden. Wenn sie an zwei Stellen zu gleich arbeitenden, könnten sie erheblich an Zeit sparen.
Also trieb Rundal Bergfaust ein ums andere Mal seine Spitzhacke in das feste Gestein. Kleine Steinsplitter hatten sich in seinem Bart verfangen. Es würde ihn eine Ewigkeit kosten sie alle herauszubürsten. Grummelnd hielt er inne und nahm einen großen Schluck Met aus seiner Trinkflasche. Zum Glück war seine Schicht bald zu Ende. Erneut hieb er auf die vor ihm liegende Wand ein. Doch was war das? Hatte es gerade hohl geklungen? Das Phoenixgebirge war durchzogen von Hohlräumen. Einige waren nur Faust groß, in anderen hätte man ganze Häuser unterbringen können. Wenn man Pech hatte, war der Raum mit Wasser gefüllt. Erst vor einem halben Mond hatten sie drei ihrer besten Arbeiter bei einem solchen Unfall verloren. Es gab deshalb die Anweisung an alle Zwerge in solchen Fällen die Arbeit einzustellen und auf einen Vorgesetzten zu warten. Das würde aber auch bedeuten, dass sein Feierabend noch warten müsste. Schnell schickte er ein Bittgebet an Arkadon, dann schlug er wieder zu. Für einen Augenblick war ihm so, als würde ihm Wasser entgegen schießen. Das mussten seine überstrapazierten Nerven sein, redete er sich ein. Was war bloß mit ihm los? Nun wurde ihm auch noch schwindelig. Mit einer Hand stützte er sich schwer an dem grauen Fels ab. Zunächst hörte er den Kameraden gar nicht, der neben ihn getreten war. Es dauerte einige Zeit bis er sich auf die Worte konzentrieren konnte.

„... ist los? Dein Bart sieht ganz bleich aus. Hast’ wohl zu viel Staub eingeatmet, was?“

Ein kräftiger Schlag auf die Schulter brachte ihn ins wanken und vergrößerte die Sorgenfalten auf der Stirn des anderen Zwergen noch.

„Bei Arkadons Feuern, vielleicht solltest du doch einmal die Heiler aufsuchen.“

Ohne ihm zu antworten drehte sich Rundal herum und ging vorsichtig über den steinigen Weg zurück. Ihm war ganz komisch im Kopf. Die Dunkelheit im Stollen schien ihn erdrücken zu wollen. Normalerweise machte ihm das nichts aus. Er beschleunigte seine Schritte. Wenn er erst mal am Tageslicht war, dann würde es ihm besser gehen. Am Tageslicht? Was wollte er am Tageslicht? Die Heiler hatten ihre Unterkünfte wie alle anderen auch unter der Erde. Seufzend bog er nach rechts ab und blieb dann irritiert stehen. Dieser Weg würde ihn nach draußen führen. Kopfschüttelnd wandte er sich wieder um und ging in die entgegengesetzte Richtung. Er hatte zu lange gearbeitet.

Es dauerte einige Zeit, bis er endlich in der Bereitschaftshöhle der Heiler angekommen war. Immer wieder hatte er den falschen Abzweig genommen und musst umdrehen. Inzwischen war ihn ganz mulmig zu Mute. Er hatte Geschichten von Zwergen gehört, denen es ähnlich gegangen war. Irgendwann waren sie davon gelaufen und lebten unter den Menschen – in Häusern! Eine grausige Vorstellung. Ohne zu zögern trat er auf den Zwergen in der weißen Robe zu und beschrieb ihm sein Problem. Dieser schien ihm aufmerksam zuzuhören, doch so recht wollte er ihm wohl nicht glauben. Dennoch ging er zu einem Regal und holte ein großes Tongefäß herab. Aus ihm zog er eine bräunliche Wurzel hervor. Er steckte sie Rundal in den Mund und berührte dabei dessen Lippen. Die Wurzel schmeckte außerordentlich bitter, doch sie schien zu helfen. Von einem Augenblick auf den anderen verzog sich der Schwindel. Schon beinahe übermütig rutschte der Zwerg vom Steintisch, auf dem er eben noch gesessen hatte.

„Danke, ich fühle mich gleich schon viel besser!“

Erst jetzt bemerkte er, dass der Heiler sich mit einer Hand verkrampft an den Tisch klammerte.

„Alles in Ordnung?“

„Mh... wie?“, sichtbar desorientiert schaute der Angesprochene zu ihm auf. „Ich... ja. Mir ist nur eingefallen, dass ich noch neue Kräuter benötige. Ich... mhm... werde sie gleich sammeln gehen.“

Damit griff er sich eine große Umhängetasche und verschwand aus der kleinen Höhle. Verwirrt sah der Minenarbeiter ihm nach. Dann fiel sein Blick auf die unzähligen Regale, die mit verschiedenen Kräuter überfüllt waren.

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BeitragVerfasst: 15.03.07, 20:40 
Altratler
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Huhu,

hat etwas länger gedauert, dafür ist das Kapitel auch etwas umfangreicher.

Viel Spaß,
Tim

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Der wahre Glauben

Zurück im Tempel brachte wurde Dalnas von Elera in das Zimmer der Mutter Oberin gebracht. Beim Anblick des Zimmers wurde ihm unwohl. Das letzte Mal als er hier war hatte er das verhängnisvolle Buch gestohlen. Es war der Auftakt zu einer Reise, die ihn in das Herz Endophals getragen hatte und unzählige Abenteuer erleben lies.
Ohne an zu klopfen öffnete die Elfe die Türe und dirigierte ihn auf einen Stuhl nahe des großen Schreibtisches der Tempelvorsteherin. Diese sah ärgerlich zu ihren beiden Gästen auf. Offenbar war sie gerade in Arbeit vertieft gewesen, denn unzählige Pergamentrollen stapelten sich auf dem Tisch.

„Schwester Elera, ihr wisst doch, dass ich...“

„Ja, Mutter Oberin. Verzeiht, Mutter Oberin. Aber ich hielt es für sehr wichtig und nicht aufschiebbar.“

Seufzend steckte die ältere Geweihte den Federkiel, den sie in der Hand hielt, zurück in das Tintenfass. Sie strafte ihre Gestalt und lehnte sich dann in ihrem Stuhl zurück. Mit ihren klaren Augen fixierte sie Dalnas.

„Nun, wenn es denn sein muss. So berichte mir, Schwester.“

Fahrig strich sich Elera eine Strähne aus dem Gesicht.

„Wie ihr wisst, schicktet ihr mich auf den Markt um einige Besorgungen zu machen. Ich entschied mich, den Anwärter Dalnas mitzunehmen. Er arbeitete gerade im Garten und schien eine Pause gut vertragen zu können. Ich will euch nicht mit Kleinigkeiten langweilen, deshalb verzichte ich auf eine Beschreibung, was auf dem Markt los war. Jedenfalls entschied ich mich, nach den Kräutern zu sehen, die heute aus Lichtenfeld eingetroffen sein sollen. Ihr habt sicher auch davon gehört. Wie ihr wisst, sind meine Vorräte an Grünemmerlingen recht knapp geworden. Ich trug dem Anwärter also auf, mit unserem Einkaufskorb auf mich zu warten. Es dauerte nicht lange bis ich den Stand des Kräuterhändlers fand. Leider kam ich zu spät...“

„Und das ist so wichtig, dass ihr in mein Zimmer stürmen müsst?“, fragte die ältere Geweihte und sah skeptisch zur Elfe.

„Was? Wie? Oh, nein, Mutter Oberin! Für so eine Banalität hätte ich nie gewagt euch zu stören. Auch wenn der Grünemmerling sehr wichtig ist. Aber nein... Ich ging also zu unserem Treffpunkt zurück. Doch statt Dalnas fand ich eine große Menschenmenge vor. Ich kämpfte mich mühsam durch sie hindurch. Ihre Aufmerksamkeit war wohl ganz auf die Geschehnisse in ihrer Mitte gerichtet. Ich fürchtete schon unserem Anwärter sei etwas zugestoßen. Ihr wisst ja, wie rau es manchmal auf dem Markt zugehen kann. Doch statt ihn verletzt am Boden liegend zu finden, kniete er seinerseits über einem Verletzten. Und dann... mhm... na das erzählt er euch am Besten selbst.“

Die Aufmerksamkeit beider Geweihten richtete sich nun wieder auf den Jungen. Dalnas wünschte sich am Liebsten im Boden zu versinken. Er hatte immer noch nicht verstanden, was er falsch gemacht hatte. Glaubte die Elfe etwa, er hätte den Mann niedergestochen?

„Ich habe den Mann nicht niedergestochen!“, platzte es aus ihm hervor. Das rief eine tiefe Falte auf der Stirn der Mutter Oberin hervor. Elera legte ihm die Hand auf die Schulter.

„Nein nein, mein Junge. Das meine ich nicht. Erzähle einfach, was du erlebt hast.“

Zögerlich begann er zu erzählen. Er berichtete den beiden von dem Räuber und wie er hilflos neben dem Verletzten gekniet hatte.

„Ich wünschte mir so sehr, dass es dem Mann besser gehen würde. Und dann plötzlich fing die Wunde zu heilen an. Ich wusste gar nicht, wie mir geschieht. Die Passanten riefen den Namen unserer Herrin. Dann ergriff mich auch schon Mutter Elera und brachte mich hier her.“, beendete er seinen Bericht.

Während er erzählt hatte, hatte sich der Gesichtsausdruck der Tempelvorsteherin verändert. Er konnte ihn schwer deuten. War sie überrascht? In diesem Augenblick ertönte ein schüchternes Klopfen an der Türe. Es schien den Bann zu brechen. Alle drei sahen zur Türe. Dalnas Wangen röteten sich, als er Jolena erkannte.

„Verzeiht, Mutter Oberin. Ihr sagtet ich sollte euch zum fünften Zyklus aufsuchen...“

„Mhm, ja, natürlich. Komm herein und setz dich. Mutter Elera und ich müssen etwas vor der Türe besprechen. Es wird nicht lange dauern.“

Wie befohlen lies sich die Novizin auf einem Stuhl neben dem von Dalnas nieder. Dann verließen die beiden Geweihten den Raum und schlossen die Türe hinter sich. Kaum war sie ins Schloss gefallen, erhob sich Jolena in einer fließenden Bewegung und schlich sich zu ihr.

„Was hast du vor?“

Schockiert sah ihr Dalnas nach. Hatte sie etwa vor zu lauschen? Die Novizin drehte sich herum und hob ihren Zeigefinger an die Lippen. Dann kam sie ein paar Schritte zurück und flüsterte ihm zu.

„Ich bin schon seit einiger Zeit vor der Türe gestanden und habe deinem Bericht gelauscht. Elera und die Mutter Oberin schienen sehr beeindruckt davon gewesen zu sein. Ich will wissen, was die Ursache dafür war.“

Sie legte die restlichen Schritte zur Türe zurück und legte ihr Ohr an das Holz. Seufzend erhob sich der Anwärter. Es war verrückt. Dennoch interessierte auch ihn, was die Ursache für die Überraschung im Gesicht der Tempelvorsteherin gewesen war. Also trat er neben Jolena und legte ebenso sein Ohr an das Holz. Wäre die Situation nicht so merkwürdig gewesen, wäre ihm wohl unwohl dabei ihr so nahe zu sein. Doch so konzentrierte er sich ganz auf die Worte hinter der Türe.

„Es könnte ein Wunder gewesen sein.“, hörte er die Stimme der Mutter Oberin.

„Nein, das glaube ich nicht. Bedenkt, er ist erst Anwärter. Solche Wunder werden nicht einmal jedem Geweihten gewährt. Es schien irgendwie... anders.“

„Anders?“

„Ja. Ihr kennt das doch sicher. Wenn unsere Herrin ein Wunder wirkt, dann... fühlt man das. Es ist ein Gefühl des Geborgenseins... der Liebe. Es kommt einem vor, als wäre man noch einmal junge und könnte alles erreichen. In diesem Fall aber...“

Die Elfe zögerte.

„Es war anders. Chaotischer. Ich spürte dieses Gefühl von Liebe... doch da war auch. Mhm... Hochnäsigkeit. Prunksucht. So etwas habe ich noch nie erlebt. Außerdem... fehlte mir das göttliche. Es schien vielmehr, nun...“

„Nun?“

Elera seufzte leise.

„Wenn ich nicht wüsste, dass es nicht sein kann, würde ich behaupten der Junge hätte das Wunder gewirkt.“

Die Mutter Oberin erwiderte nichts darauf. Auch ohne ihr Gesicht zu sehen, konnte Dalnas ihre Skepsis spüren. Ihm war ganz komisch zu mute. Was sollte das heißen, er hätte das Wunder gewirkt? Er hatte sich gewünscht, dass die Wunde des Mannes heilen sollte, mehr nicht! Am Liebsten hätte er die Türe aufgerissen und es den beiden erklärt.
In diesem Moment hörte er eilige Schritte nahen.

„Mutter Oberin, Mutter Oberin!“

„Ja, Novize?“

„Mutter Oberin... an der Tür... Inquisitor Erasmus, Mutter Oberin. Er sagt er müsste mit euch und Dalnas sprechen, Mutter Oberin.“

Hatte er sich verhört? Hatte der Novize eben gesagt, dass Inquisitor Erasmus ihn sprechen wollte? Jolena sah ihn schockiert an. Ihm wurde spei übel. Jeder in Falkenstein kannte Inquisitor Erasmus. Er gehörte einem der Orden Bellums an und hatte sich der Jagd auf Ketzer verschrieben. Dabei war er mehr als erfolgreich. Man sagte im Umkreis von 10 Tagesreisen gäbe es keinen Diener des Einen. Ob das stimmte, wusste Dalnas nicht. Doch der Inquisitor war berüchtigt für seine Zielstrebigkeit und Befragungsmethoden. Es war kein gutes Zeichen, wenn er mit einem sprechen wollte. Und nun war er hier um mit ihm zu sprechen. Was hatte er nur getan? Er hatte dem Verletzten doch nur helfen wollen!
Jolena schien sich schneller wieder gefangen zu haben, denn sie packte ihn nun am Ärmel und schleifte ihn von der Türe fort.

„Komm schnell, du musst hier fort!“

„Was? Aber ich... ich bin doch unschuldig!“

„Meinst du, das interessiert Erasmus? Du kennst die Gerüchte über ihn! Du musst weg von hier.“

Schon hatte sie den kleinen Balkon erreicht. Unsanft stieß sie ihn an das Geländer.

„Nun mach schon. Er wird gleich hier sein.“

Ohne nachzudenken schwang sich Dalnas über die Brüstung und landete weich in der Wiese, die nur ein kleines Stück unterhalb lag. Erinnerungen an damals wurden wach. Auch da hatte er fluchtartig das Zimmer der Mutter Oberin verlassen müssen. Es schien als würde ihm der Raum kein Glück bringen.
Neben ihm landete die rothaarige Novizin im Gras.

„Was hast du vor?“, fragte er sie verdutzt.

„Na was wohl, du Dummkopf. Ich werde dich begleiten. So verdattert wie du aussiehst, rennst du vermutlich der nächsten Wache gleich in die Arme.“

„Aber du kannst doch nicht...“

„Klar kann ich.“

Sie strafte sich.

„Schließlich bin ich Novizin und du nur Anwärter. Und nun komm endlich. Es wird nicht lang dauern, bis sie bemerken, dass wir verschwunden sind.“

So verschwand das Paar in den Gassen Falkensteins. Aus dem Schatten eines Seiteneingangs trat eine dunkle Gestalt hervor. Eine Kapuze verdeckte ihr Gesicht. Sie sah den Flüchtenden nur kurz hinterher und verschwand dann in die andere Richtung.

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BeitragVerfasst: 22.03.07, 19:11 
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Flucht

Aus dem Schatten einer Seitengasse heraus lauschten Jolena und Dalnas den Worten des Ausrufers, der seit kurzem durch die Straßen Falkensteins zog.

„Bürger und Gesinde Falkensteins, lauscht den Worten der heiligen Inquisition der viergöttlichen Kirche Tares! Der Anwärter Vitamas Dalnas wird gesucht. Er ist ein siebzehnjähriger Mensch von mittlerer Größe. Seine Statur ist hager, jedoch nicht ohne Muskeln. Seine Haut ist braun gebrannt, seine Haare sind dunkel. Er wird des Paktes mit dem Einen und der Entführung der Novizin Vitamas Jolena beschuldigt. Sie ist etwas älter und kleiner als der Anwärter, von zierlicher Gestalt und hat rotes, wallendes Haar. Werden die beiden angetroffen, so sind sie festzuhalten und ein Vertreter der Inquisition zu holen. So ist es der Wille der Viere. Ihr Wille geschehe.“

Der Mann verstummte und verschwand aus dem Sichtfeld der beiden Gesuchten. Schwer seufzend lehnte sich Dalnas an die Lehmwand des Hauses neben dem sie standen. Er konnte es nicht fassen. Was hatte er nur getan? Jolena schien nicht viel glücklicher zu sein.

„Das beste ist, du gehst zurück zum Tempel, Jolena.“

„Nein.“

„Nein? Du hast den Ausrufer doch gehört, man glaubt ich hätte dich entführt. Sie geben dir keine Schuld!“

„Ich kann jetzt noch nicht zurück.“

„Du kannst nicht...?“

Dalnas wurde ärgerlich. Was glaubte sie eigentlich, was sie da tat? Sie wurde ja schließlich nicht von der Inquisition gesucht! War das ganze für sie nur ein Spaß?

„Was soll das heißen: du kannst nicht? Natürlich kannst du! Das hier ist kein Spaß!“

„So, das denkst du also? Du denkst ich halte das hier für einen Spaß? Ich bin mir durchaus der Lage bewusst in der du... wir uns befinden! Und ich werde bei dir bleiben.“

„Die Inquisition jagt mich! Ich muss fort von hier. Es ist besser wenn ich allein gehe, dann bin ich schneller und unauffälliger.“

„Du hältst mich für eine Last? Ohne mich würdest du immer noch im Zimmer der Mutter Oberin sitzen oder schon längst im Verlies!“

Dalnas hatte mühe seinen Zorn zu unterdrücken. Was glaubte diese Kuh eigentlich, wer er war? Er war ganz allein in das Herz von Endophal gereist und das nur für sie! Er wollte gerade zu einer Antwort ansetzen, als er von der Hauptstraße her Schritte gepanzerter Soldaten hörte.

„Ich muss hier weg. Es ist nicht gut, wenn ich mich zu lange an einem Ort aufhalte. Aber das ist nicht das letzte Wort!“

Damit stieß er sich von der Wand ab und lief tiefer in die Seitengasse hinein, dicht gefolgt von Jolena. Sie irrten einige Zeit durch die verwinkelten Straßen Falkensteins. Zum Glück achteten die meisten der Bewohner nicht sehr auf ihre Mitmenschen, weshalb sie unentdeckt blieben. Zweimal mussten sie einer Wachpatrouille aus dem Weg gehen und einmal wären sie fast von einem Pferdegespann überrollt worden. Schließlich waren sie zum Nordtor der Stadt gelangt. Was sie dort sahen, verschlechterte ihre Laune dramatisch. Das Tor wurde streng bewacht. Wer hindurch wollte, wurde genauestens kontrolliert. Auf diesem Weg würden sie die Stadt nicht verlassen können. Und wenn es an diesem Tor so aussah, dann vermutlich auch an den anderen. Blieb noch der Hafen. Doch auch er wurde von der Stadt durch ein Tor getrennt. Es war anzunehmen, dass auch dieses Tor inzwischen bewachte wurde. Offenbar saßen sie in der Falle.
Niedergeschlagen machten sie kehrt. Sie mussten wohl oder übel ausharren. Wenn sie glück hatten, wurden die Wachen mit der Zeit nachlässiger und dann würden sie fliehen können. Bis dahin mussten sie ein sicheres Versteck finden. Sie stritten sich beide gerade darüber, welches der sicherste Ort sei, da ertönte vor ihnen eine Stimme.

„Ja ist das nicht... Dalnas!“

Erschrocken sah der Anwärter auf. Ein Stück vor ihm befanden sich einige Pferdewagen. Auf dem vordersten saß ein großer blonder Mann und winkte in seine Richtung. Alles in ihm drängte darauf umzudrehen und wegzurennen. Doch seine Beine verweigerten im den Dienst. Irgendwoher kannte er den Mann. Dann fiel es ihm wieder ein: Es war Rogar der Riese, der Anführer der Schaustellergruppe, die ihm auf dem Weg nach Endophal geholfen hatten. Kurz blickte er sich um. Keiner der Passanten schien sie zu beachten.

„Dalnas, wer ist das?“, fragte Jolena nervös.

„Ein Freund. Komm.“

Ohne abzuwarten ging er auf den Wagen zu. Rogar sprang vom Bock herab und sah den beiden lächelnd entgegen.

„Das ist ja eine Überraschung dich zu sehen! Wie lange ist es her? Ach... und eine Freundin hast du auch mitgebracht.“

„Es tut gut dich zu sehen, Rogar. Ich wusste nicht, dass du mit deiner Gruppe in Falkenstein bist.“

„Wir sind nur auf der Durchreise. Ein paar Dinge einkaufen. Wir wollen weiter nach Yota. Da wird in einem Monat ein Fest stattfinden. Da müssen wir unbedingt dabei sein. Aber erzähl... wie ist es dir ergangen?“

„Das ist gerade etwas ungeschickt, Rogar. Jolena und ich haben ein kleines Problem. Genau genommen eigentlich nur ich, aber sie hat sich in den Kopf gesetzt mich zu begleiten.“

„Ein Problem, mh?“, Rogar lachte auf. „Na du scheinst Probleme ja förmlich anzuziehen. Was ist es diesmal? Hat ein Dieb versucht dich zu bestehlen?“

Dalnas seufzte. „Ich wünschte es wäre nur das. Na schön, wenn du es wissen willst: Die Inquisition sucht mich wegen Ketzerei.“

Der große Mann runzelte die Stirn. „Und bist du ein Ketzer?“

„Nein! Natürlich nicht! Aber sie werden mir das sicher nicht glauben, wenn ich ihnen das erklären will. Ich weiß ja noch nicht mal, was ich ketzerisches getan haben soll!“

„Ich glaube ich verstehe dein Problem langsam. Was hast du vor?“

„Zunächst einmal muss ich hier weg. Vielleicht fällt mir irgendein Weg ein, sie von meiner Unschuld zu überzeugen. Aber bis dahin dürfen sie mich nicht in die Finger kriegen. Ihre Befragungsmethoden sind nämlich sehr... überzeugend. Nur leider sind die Stadttore stark bewacht.“

Nachdenklich strich sich Rogar über sein bärtiges Kinn.

„Ich glaube da können wir dir behilflich sein. Unser Wagen hat etwas zusätzlichen Stauraum. Da könntet ihr euch verstecken. Wird zwar etwas eng, aber sollte gehen.“

„Rogar, ich sagte doch, dass die Tore bewacht werden. Sie werden deine Wagen sicher gründlich kontrollieren.“

Nun erschien ein Grinsen auf dem Gesicht des Mannes.

„Es ist kein normaler Stauraum. Weißt du, manchmal möchten wir gewisse Waren mitnehmen. Leider sieht nicht jede Stadt das gern und verlangt recht hohe Zölle. Das können wir uns nicht leisten. Aber wenn sie davon nichts wissen, dann können sie auch keine Steuern erheben.“

Der Blonde sah sich kurz um.

„Hier ist mir etwas zu viel los. Wartet in der Seitengasse da vorne auf uns. Wir kommen mit dem Wagen dort hin und dann könnt ihr einsteigen.“

Wenig später zwängten sich Jolena und Dalnas durch ein enges Loch in einen Raum unter dem Wagen. Er war wirklich ziemlich eng und beide mussten sich dicht aneinander drängen um überhaupt hinein zu passen. Als Dalnas das gesehen hatte, hatte er sie nochmals gebeten zum Tempel zurückzukehren, doch sie war stur geblieben. Insgeheim fragte er sich, ob alle Frauen so dickköpfig waren. Wenn ja, dann müsste er sich das mit der Liebe noch mal überlegen. Er versuchte sich etwas zu bewegen, um in eine bequemere Lage zu kommen.

„Au!“

„Entschuldige, aber ich musste...“

„Psst, sonst hört man uns!“

„Aber du hast doch...“

„Psst!“

Grummelnd verstummte Dalnas. In diesem Augenblick fuhr der Wagen wieder an. Es war ihm als würde er jeden Stein auf der Straße spüren. Er presste seine Zähne fest aufeinander, damit sie nicht ununterbrochen zusammenschlugen. Es dauerte einige Zeit, dann hielten sie wieder an. Eine Stimme ertönte unweit des Wagens.

„Den Vieren zum Gruße, Reisender. Wohin des Weges?“

„Wir wollen nach Yota“, antwortete Rogar.

„Habt ihr etwas zu verzollen?“

„Nein.“

„Habt ihr Personen gesehen, die diesen beiden ähnlich sehen? Der da wird der Ketzerei beschuldigt und soll sie entführt haben.“

Angespannt hielt Dagnas die Luft an. Hoffentlich hatte er sich in seinem Helfer nicht getäuscht.

„Nein, die haben wir nicht gesehen. Gibt es noch etwas oder können wir jetzt weiter?“

„Tut mir leid, aber wir werden eure Wagen durchsuchen müssen.“

„Ich sagte doch, wir haben nichts zu verzollen.“

„Wollt ihr euch gegen die Stadtwache Falkensteins richten?“

„Nein...“

„Dann verlasst den Wagen und tretet beiseite, während wir eure Wagen durchsuchen.“

Dalnas hörte es über sich rumoren. Dann ertönten schwere Schritte. Dinge wurden umhergeschoben. Immer wieder wurde an das Holz gepocht. Dann war wieder die Stimme der Wache zu hören.

„Seht ihr, so schlimm war es doch gar nicht. Gut, ihr könnt passieren.“

Erleichtert atmete Dalnas auf. Der Wagen begann wieder zu rollen. Da hörte er den Ruf der Wache.

„Halt! Was ist das dort unter dem Wagen?“

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BeitragVerfasst: 24.03.07, 18:12 
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Kapitel 6: Der Jäger

Unruhig rutschte sie auf ihrem Stuhl hin und her. Bei dem Gedanken daran wer ihr dort gegenüber saß, lief ihr ein kalter Schauer den Rücken herab. Natürlich hatte sie auch die Gerüchte gehört. Und jetzt wo Erasmus ihr gegenübersaß, war sie bereit sie alle zu glauben. Er trug eine auch Hochglanz polierte Eisenrüstung, die mit feinen geätzten Bildern übersäht war. Schaurige Gestalten tummelten sich auf dem Panzer: Drachen, bocksbeinige Ungeheuer und Tierwesen, für die sie keine Namen hatte. Dabei hätte er einer solchen Verzierung gar nicht bedurft. Er sah auch so schon furchteinflößend genug aus. Die Mutter Oberin schätzte ihn auf fast zwei Schritt Größe. Der Holzstuhl auf dem er Platzgenommen hatte wirkte gegenüber ihm lächerlich klein. Wie zum Hohn trug er über seinem Brustpanzer eine weiße Tunika, dazu einen ebenso weißen Umhang und hautenge Handschuhe in der selben Farbe. Letztere zupfte er sich nun von den Fingern.

„Es ist bedauerlich, dass er entkommen ist, Schwester.“

Die Mutter Oberin hatte Mühe sich zu beherrschen. Wie konnte ein solches Ungeheuer es nur wagen sie in solch einem vertrauensvollen Tonfall anzusprechen. Sie schürzte ihre Lippen, was bei ihm jedoch nur ein berechnendes Lächeln hervorrief.

„Wie ich sehe, seid ihr darüber genau so verdrossen. Aber macht euch keine Sorgen. Ketzer sind wie Ratten und wir sind die Rattenfänger.“

Die Dienerin Vitamas holte tief Luft. Glaubte der Mann eigentlich was er sah?

„Ja, ich weiß, was ihr jetzt denkt. Ich habe die Gerüchte auch gehört. Ihr glaubt sie doch nicht etwa, oder? Aber das sind alles Lügen, verbreitet durch die Anhänger des Einen. Wir Handeln aus Liebe. Wir wollen die Seelen der Verblendeten reinigen, damit sie die Gnade der Viere erfahren. Zweifelt ihr daran?“

„Ich muss doch sehr bitten, ich bin eine treue Dienerin Vitamas!“

Das Lächeln auf dem Gesicht des Inquisitors wurde noch ein Stück breiter. Eine Narbe an der linken Wange verunzierte sein stoppeliges Kinn. Wenn er lächelte, schien sie seinen Mund zu vergrößern. Es sah... dämonisch aus.

„Aber das weiß ich doch, Schwester. Ansonsten würden wir wohl kaum hier so gemütlich beieinander sitzen und plaudern, nicht wahr? Wisst ihr was... eurem... Anwärter vorgeworfen wird?“

Die Art wie er festgestellt hatte, dass Dalnas unter ihr im Orden gedient hatte, war bedrohlich. Ob er wohl versuchte ihr etwas anzuhängen? Sie würde vorsichtig sein müssen, was sie sagte.

„Nein, dass weiß ich nicht. Er war immer ein guter Diener der Mutter.“

„Wirklich? Ich hörte er sei vor einiger Zeit für ein paar Monate verschwunden gewesen.“

Sie schwieg.

„Wisst ihr, was er in dieser Zeit unternommen hat?“

„Nein. Er erzählte eine recht wirre Geschichte von einem Artefakt der Mutter und einem Dämon...“

„Ach wirklich?“, Erasmus klang interessiert.

Die alte Geweihte konnte sich Ohrfeigen. Warum hatte sie sich auch verplappern müssen? Sie war überzeugt, dass der Anwärter unschuldig war. Aber wenn sie so weitermachte, dann würde sie den Verdacht nur noch verschärfen.

„Und was für ein Dämon soll das gewesen sein?“

„Das weiß ich nicht.“

„Tatsächlich? Bedauerlich. Nun es wird euch schon wieder einfallen. Wie ihr vielleicht wisst, verfolge ich seit einiger Zeit eine Gruppe Ketzer hier in Falkenstein. Ein sehr übler Haufen. Ihre Seele ist schwarz wie die Nacht. Angeblich sollen sie an einen Propheten des Einen glauben. In ihrem Wahn scheinen sie jeden Bezug zur Wirklichkeit verloren zu haben. Ich vermute, dass euer Anwärter zu ihnen gehört und diesen Orden unterwandert hat. Vielleicht hat er hier sogar weitere arme Seelen für seine Sache gewonnen?“

Die Frage schwebte wie eine Anschuldigung im Raum. Die Mutter Oberin wusste nicht recht, was sie darauf antworten sollte. Sie musste unbedingt verhindern, dass er weitere Ordensmitglieder „befragt“. Aber könnte er Recht haben? Sie beschloss erst einmal nicht auf die Frage einzugehen.

„Wie kommt ihr zu diesem Verdacht?“

„Ein Informant beobachtete heute Nachmittag auf dem Markt, wie der Anwärter den Einen um Hilfe bat.“

„Den Einen? Das kann ich nicht glauben!“

„Das solltet ihr aber. Als Gegenleistung nahm sich der Eine die Seelen von einem Dutzend Tauben. Die Untersuchung der Leichen ergab sein Wirken. Sie waren so von dunkler Macht durchzogen, dass sie beinahe fühlbar war.“

Das Gewicht der Jahre schien die alte Geweihte niederdrücken zu wollen. Langsam lehnte sie sich in ihrem Stuhl zurück. Dalnas sollte den Einen um Hilfe gebeten haben? Er war doch stets so unauffällig. Andererseits... er hatte sich nach seiner Flucht verändert. Nein... sie konnte und wollte das nicht glauben. Nicht so lange sie nicht selbst die Gelegenheit hatte ihn dazu zu befragen. Die Inquisition durfte ihn nicht in die Finger bekommen. Andernfalls würde sie vermutlich nie wieder die Gelegenheit bekommen mit ihm zu sprechen. Vielleicht war es ja alles nur ein großes Missverständnis. Ihre Aufgabe war es das Leben unter allen Bedingungen zu schützen.

„Ich fürchte ich kann euch nicht weiterhelfen, Inquisitor.“

Die rechte Augenbraue des Mannes hob sich an.

„Tatsächlich nicht? Schade, ich hatte gehofft ihr wärt etwas kooperativer.“

In diesem Moment klopfte es an die Türe.

„Herein!“, rief Erasmus. Wut machte sich in der Mutter Oberin breit. Was glaubte er eigentlich, wo sie hier waren? Noch war das ihr Raum! Sie wollte gerade zu einer bissigen Entgegnung ansetzen, da öffnete sich auch schon die Türe. Sie schluckte ihren Zorn hinunter, als eine Wache der Inquisition eintrat.

„Den hochheiligen Vieren zum Gruße, Inquisitor!“

Der Soldat salutierte zackig.

„Ihnen zum Gruße, Hauptmann. Was habt ihr zu berichten?“

„Herr, wir haben den Flüchtigen gefangen genommen!“

„Sehr gut, Hauptmann. Ich werde euren Einsatz nicht vergessen. Wartet draußen auf mich.“

Der Soldat verneigte sich kurz zu den beiden und eilte davon. Die Türe lies er offen stehen. Erasmus drehte sich zur Mutter Oberin herum, die ganz blass im Gesicht geworden war.

„Wie es aussieht, bedarf die Inquisition nicht länger eurer Hilfe, Schwester. Uns entkommt niemand.“

Er erhob sich von seinem Stuhl und griff nach seinen Handschuhen.

„Ehre den Vieren! Mögen sie bis in alle Ewigkeit herrschen!“

Ohne eine Antwort abzuwarten, marschierte er zur Tür hinaus. Die Mutter Oberin begann zu beten.

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BeitragVerfasst: 27.03.07, 18:18 
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Überraschung

„Ich habe halt gesagt!“

Mit einem Ruck kam der Wagen wieder zum Stehen. Angestrengt lauschte Dalnas, was außerhalb seines Verstecks geschah. Neben ihm bewegte sich Jolena unruhig hin und her.

„Dort ist eine Klappe. Was transportiert ihr in dem Fach?“, fragte die Wache.

„Das ist nur Stauraum für Krempel, nichts weiter.“

„Krempel? Das werde ich mir einmal ansehen...“

Schwere Schritte näherten sich dem Versteck. Der Anwärter hörte, wie die Hand an den Eisenring gelegt wurde, mit der die Klappe angehoben werden konnte. Sein Herz schlug rasend. Hätte die Wache sie doch niemals entdeckt! Sie waren schon beinahe vorbei gewesen. Würde sie doch bloß aufhören und sich nicht weiter um das Versteck scheren! Jeden Augenblick würde sie das Geheimnis entdecken...
In diesem Moment hörte Dalnas ein würgendes Geräusch. Die Hand wurde von dem Eisenring genommen. Eilige Schritte näherten sich.

„Ist euch nicht gut, Feldwebel? Ihr seht ganz blass aus!“, rief ein zweiter Mann, vermutlich ebenfalls eine Wache.

„Das geht schon...“, sagte der Feldwebel. Dann wieder das würgende Geräusch.

„Ich werde einen Heiler rufen lassen, Feldwebel. Kommt mit, ich bringe euch in die Wachstube.“

Es folgte eine kurze Pause, dann ertönte die Stimme etwas leiser und offenbar an jemand anderen gerichtet.

„Ihr könnt passieren!“

Rumpelnd setzte sich der Wagen in Bewegung. Dalnas schloss die Augen und dankte stumm Vitama.



***



„Habt ihr keine Augen im Kopf, Hauptmann?!“, brüllte Erasmus den Soldaten an. Dieser versuchte sich so klein wie möglich zu machen.

„Der gesuchte hat dunkle Haare. Sagt mir welche Haare der Mann hier hat!“

„Blonde, Herr...“

„Richtig, Blonde! Was hat man euch an der Akademie beigebracht? Offensichtlich nichts! Und nun geht mir aus den Augen und sucht weiter!“

Er konnte sehen, wie froh der Mann war, als er zackig salutierte und das weite suchte. Wie konnten die Viere ihn nur so strafen? Sein Blick fiel auf den eingeschüchterten jungen Mann, der in der Zelle saß. Mit einem Wink befahl er ihn freizulassen und verließ den Raum. Wo versteckte sich der Anwärter nur? Erasmus war überzeugt, dass Dalnas Mitglied dieses abartigen Kultes war. Es lag etwas in der Luft, wie vor einem Gewitter. Und er war sich sicher, dass der erste Blitz nicht mehr lange auf sich warten lassen würde.
Er trat vor die Karte Falkensteins und betrachtete sie. Überall waren inzwischen Patrouillen unterwegs. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis er den Anwärter und die Novizin festgesetzt hatte. Und wer weiß... vielleicht würde der junge Mann in der Befragung ja auch gestehen, dass noch mehr Diener des Vitamaordens in die Machenschaften des Kultes verstrickt sind. Er erlaubte sich ein selbstgefälliges Lächeln. Dieser Orden war ihm ohnehin schon viel zu lange ein Dorn im Auge. Das war die Gelegenheit ihn zu beseitigen. Er würde...
Hinter ihm ertönte ein zögerliches Räuspern. Er wandte sich nicht herum, um seine Frage zu stellen.

„Was ist?“

„Ehrm... Herr. Es gibt einen Zwischenfall, Herr.“

Nun drehte er sich doch herum. Vor ihm stand ein junger Rekrut der Stadtwache.

„Einen Zwischenfall, Rekrut?“

„Ja, Herr.“

Erasmus sah den Rekruten stumm an. Es dauerte eine Weile bis er begriff, dass er fortfahren sollte.

„Ein Feldwebel ist zusammengebrochen, Herr. Er...“, dem Rekruten schien sichtlich unwohl zu sein.

„Rekrut, ich habe nicht den ganzen Tag Zeit. Sprecht, oder muss ich eure Zunge erst durch meinen Foltermeister lockern lassen?“

Der Soldat wurde noch eine Spur blasser, beeilte sich aber weiter zu sprechen.

„Herr, er erbricht Würmer, Herr!“

„Würmer?“

„Ja, Herr!“

„Wo?“

„Am Nordtor, Herr!“

Der Inquisitor nickte und griff nach seinem Umhang. Das Klang ganz nach der Spur, die er gesucht hatte. Eiligen Schrittes verließ er den Wachraum.



***



Fela verschwand langsam hinter den Baumwipfeln. Die kleine Schaustellergruppe hatte ihre Wagen auf einer Lichtung abgestellt und bereitete sich auf die Nacht vor. Holz wurde herbeigeschafft und ein Lagerfeuer entzündet. Wenig später saßen alle um das Feuer versammelt. Dalnas hatte es sich neben Rogar gemütlich gemacht und tauschte mit ihm Neuigkeiten aus.

„Wo ist eigentlich Elaya? Ihr habt euch doch hoffentlich nicht zerstritten?“

Der große Mann lachte auf.

„Nein nein, keine Sorge, Dalnas. Elaya geht es gut. Sehr gut sogar. Wir haben vor einiger Zeit geheiratet. Sie befindet sich zusammen mit unserer Tochter in Torfeld.“

„Eurer Tochter? Aber Rogar, dass ist ja wunderbar!“

Rogar nickte.

„Ja, sie bedeutet mir wirklich viel. Aber sie ist noch so klein. Deshalb haben wir entschieden, dass sie und Elaya zunächst bei Verwandten bleiben. Deshalb werden wir nach dem Fest in Yota auch gleich nach Torfeld zurückkehren.“

Dalnas sah sich in der Gemeinschaft um. Kurz fiel sein Blick auf Jolena. Sie hatte nach dem Vorfall am Stadttor kein Wort mehr mit ihm gesprochen. Nun saß sie bei zwei ihm unbekannten Männern und unterhielt sich angeregt mit ihnen. Ein kleiner Stich durchfuhr sein Herz.

„Wie du siehst sind wir größer geworden.“

„Mhm?“, Dalnas sah verwirrt zu seinem Nachbarn. Dann nickte er. „Ja, einige Gesichter sind mir unbekannt. Andere vermisse ich.“

„Wir hatten nach unserer letzten Begegnung viel Glück. Unsere Gruppe ist auf 15 Leute angewachsen. Das war dem guten Mergret wohl etwas zu viel. Er hat sich verabschiedet und ist zu seinem Volk zurückgekehrt.“

Dalnas erinnerte sich. Mergret der Zwerg war ein erstaunlich guter Messerwerfer gewesen. Und er war bekannt für seine Trinklieder.

„Wie geht es Scyria?“

„Scyria? Du kennst sie doch. Sie verschanzt sich immer noch in ihrem Wagen. Wenn du mich fragst, ist sie noch ein wenig absonderlicher geworden. Aber das liegt sicher an ihrem Alter. Bevor wir nach Falkenstein kamen, sagte sie mir, dass wir dort eine Überraschung erleben würden. Das du das bist, hätte ich nicht gedacht.“

Lachend klopfte er dem jungen Mann auf den Rücken, so dass dieser Mühe hatte Sitzen zu bleiben. Noch eine ganze Weile unterhielten sich die beiden, bis sie sich schließlich alle schlafen legten. Rogar übernahm die erste Wache.
Den Schatten am Rand der Lichtung bemerkte er jedoch nicht.

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BeitragVerfasst: 1.04.07, 14:41 
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Holpernd fuhr der Wagen über die staubige Straße. Dalnas saß vorne auf dem Bock und starrte die vorrüberziehende Landschaft an. Es waren knapp zwei Wochen vergangen, seitdem sie Falkenstein so fluchtartig verlassen hatten. Zum Glück schienen die Wachen ihre Spur verloren zu haben. Dennoch fand der Anwärter keine Ruhe. Nachdem sie die Grenze zu Herder überschritten hatten, begegneten ihnen Immer wieder Militärpatrouillen. Zwar versicherte Rogar ihm, dass dies für das Fürstentum normal sei, aber er verschwand dennoch jedes Mal im hinteren Teil des Wagens. Er wünschte sich das Gemüht Jolenas zu haben. Sie verbrachte den ganzen Tag auf einem der hinteren Wagen und lachte mit den anderen Gaukler über deren derbe Scherze. Noch immer hatte sie kaum ein Wort mit ihm gewechselt. Wehmütig betrachtete der junge Mann ein kleines Wäldchen, als Rogar ihn ansprach.

„Was liegt dir auf dem Herzen, Dalnas? Na komm, du kannst es dem großen Rogar doch erzählen.“

„Mhm?“

„Es ist wegen Jolena, nicht wahr?“

Dalnas nickte zögerlich.

„Wirklich eine prachtvolle junge Frau. Meinst du ich sollte sie für meine Truppe abwerben?“

Der Blonde wartete einige Augenblick, aber als von dem Anwärter keine Reaktion kam, fuhr er fort.

„Du liebst sie, oder?“

Als Antwort bekam er nur ein schwaches Schulterzucken.

„Weißt du, lass dir was über Frauen sagen...“

Damit begann er Dalnas alle möglichen Weisheiten über das weibliche Geschlecht aufzuzählen, doch dieser hörte kaum zu. Seine Gedanken waren noch immer bei seiner rothaarigen Begleiterin. Liebte er sie wirklich? Es gab eine Zeit, da war er sich ganz sicher gewesen. Doch nun...
Sie schien ihm aus dem Weg zu gehen. Vielleicht sollte er ihr seine Liebe einfach gestehen. Nur was, wenn sie nicht das selbe wie er empfand? Oder wenn sie ihn gar auslachen würde? Warum sollte sie sich überhaupt mit ihm einlassen? Er war nichts weiter als ein einfacher Anwärter, nicht einmal besonders gut aussehend. Solche Frauen wie Jolena gaben sich nicht mit Männern wie ihm ab. Warum sollten sie auch – schließlich konnten sie jeden haben, den sie wollten.
Schließlich musste Rogar seinen Redeschwall wohl beendet haben, denn er spührt seinen fragenden Blick auf sich liegen. Ihm fiel nichts besseres ein, als leicht zu nicken. Das schien den Gaukler zufrieden zu stellen, denn er nickte ebenfalls und richtete seinen Blick dann wieder auf die Straße.

Am Abend machten sie in der Nähe eines kleinen Dorfes halt. Eigentlich hatten sie vor direkt daneben zu lagern, doch eine Gruppe aufgebrachter Bauern hatte es ihnen verboten. Offenbar fürchteten sie um das Wohl ihrer Töchter.
So formten sie wie jeden Abend mit den Wagen einen kleinen Kreis und entzündeten in der Mitte ein Lagerfeuer. Nach dem gemeinsamen Mahl sammelte Dalnas all seinen Mut zusammen und setzte sich neben Jolena. Es dauerte eine Weile, bis sie ihn bemerkte.

„Ah, Dalnas...“

„Jolena... ich... ähm...“

„Wir sollten entscheiden, was wir jetzt tun.“

„Ähm... ja... sicher.“

„Ich habe mir in den letzten Tagen ein paar Gedanken gemacht. Ich finde immer wir sollten versuchen deine Unschuld zu beweisen.“

Unruhig rutschte der Anwärter auf seinem Platz hin und her. Eigentlich war das nicht das Thema, das er hatte besprechen wollen.

„Ach Jolena... wie soll das denn gehen? Sie werden uns niemals glauben.“

„Aber du kannst doch nicht so einfach aufgeben! Wenn du das tust, dann kannst du nie wieder nach Falkenstein zurück. Willst du wirklich dein ganzes bisheriges Leben wegwerfen?“

„Es gibt ja noch so viele andere Orden Vitamas...“

„Also willst du fortlaufen.“

Wieder stieg der Zorn in ihm auf. Wieso musste er sich vor ihr eigentlich rechtfertigen? Während er quer durch Endophal gewandert war, hatte sie nichts besseres zu tun als zu schlafen!

„Und wenn? Das ist doch immer noch meine Entscheidung!“

„Und mein Leben ist dir wohl egal?!“

„Dein Leben? Was? Nein! Ich sagte doch, dass du zurück gehen sollst!“

„Das kann ich nicht, versteh das doch...“

„Ja wie auch? Du schweigst mich ja die ganze Zeit an! Du gehst mir aus dem Weg! Stattdessen scherzt du lieber mit den anderen. Was findet ihr denn so lustig den ganzen Tag? Lacht ihr über mich? ‚Oh, schaut den dummen Anwärter da vorne an. Er rennt lieber weg als sich von der Inquisition umbringen zu lassen.’ Findest du das witzig? Ich jedenfalls nicht!“

Damit sprang Dalnas auf und eilte davon. Er achtete nicht auf die Blicke der anderen Gaukler. Jolena sah ihm verwirrt nach.

In seinem Zorn merkte er nicht, dass er geradewegs auf Scyrias Wagen zugesteuert war, der wie immer ein wenig abseits stand. Unschlüssig sah er zur Türe hinauf. Vielleicht konnte sie ihm ja helfen? Zögerlich erklomm er die Stufen und klopfte an.

„Komme herein, Dalnas!“, ertönte es schwach aus dem Inneren.

Er bekam eine Gänsehaut. Woher hatte sie nur gewusst, dass er zu ihr kommen würde? Langsam öffnete er die Türe und trat ein. Die Alte saß hinter einem Tisch. Wie immer war ihr Gesicht durch eine Kapuze verborgen.

„Ich dachte mir schon, dass du zu mir kommst. Dein Streit mit deiner Begleiterin war kaum zu überhören.“

Mit einem Handwink bedeutete sie ihm Platz zu nehmen.

„Ich fürchte in Dingen der Liebe kann ich dir keinen Rat geben, dass ist schon zu lange her...“

„Ich bin nicht verliebt!“, beeilte sich Dalnas zu sagen. Ein heiseres Lachen ertönte unter der Kapuze.

„Vielleicht bist du es, vielleicht nicht. Du hast dich seit unserer letzten Begegnung verändert. Etwas neues umgibt dich... ein Licht, das zugleich Schatten zu sein scheint. So etwas habe ich noch nie gesehen... Gib mir deine Hand!“

Irritiert sah der Anwärter die Wahrsagerin an. Ein Licht, das zugleich Schatten war? Und es sollte ihn umgeben. Er hob seine Hand und betrachtete sie. Doch so sehr er sich auch anstrengte, er konnte weder Licht noch Schatten sehen. Schließlich streckte er ihr seine Hand entgegen.
Der Kopf der Alten beugte sich tief hinab. Lange Zeit herrschte Stille in dem mit Teppichen verhangenen Wagen. Mit einem missmutigen Krächzen beendete sie ihre Untersuchung.

„Was auch immer es ist... ich mag es nicht zu deuten. Es scheint... etwas fremdes und altes zu sein. Etwas was dir nicht vorausbestimmt ist. Du musst es loswerden, sonst droht dir großes Unheil!“

Beklommen lauschte er ihren Worten. Was hatte das alles nur zu bedeuten?

„Und... wie werde ich es wieder los?“

„Das weiß ich nicht. Aber ich kenne jemanden, der dir vielleicht helfen kann. Ein alter Freund. Sein Name ist Hegos. Er lebt am Fuße des Dabusgebirges, in der Nähe der Quelle des Flusses Herder. Ich hoffe jedenfalls, dass das noch der Fall ist. Ich habe ihn schon seit Jahren nicht mehr gesehen.“

Sie machte eine Pause und schien ihren eigenen Gedanken nachzuhängen, ehe sie fortfuhr.

„Ich werde versuchen dir eine Karte zu zeichnen. Mein Gedächtnis ist nicht mehr das beste, aber so ungefähr sollte ich das schaffen. Und nun verlasse mich... ich muss über einiges nachdenken.“

„Danke, Scyria...“

Dalnas erhob sich und verließ den Wagen wieder. Kaum hatte er die Türe hinter sich geschlossen, versteifte sich Scyria auf einmal. Bilder erschienen vor ihrem inneren Auge und verschwanden wieder. Gefühle übermannten sie... Zorn, Hass, aber auch Liebe und Sanftmut. Krämpfe schüttelten sie. Dann plötzlich war alles vorbei. Worte hatten sich in ihren Kopf gebrannt. Ohne zu zögern griff sie nach Pergament und Papier und notierte sie.

Wenige Tage später erreichte die Gauklertruppe eine kleine Stadt am Ufer des Herder. Dalnas hatte Jolena am Tag nach seinem Gespräch mit Scyria von ihren Worten berichtet. Gemeinsam waren sie zu dem Entschluss gekommen, dass sie ihren Freund aufsuchen sollten. Der Anwärter war froh, dass sie nun ein Ziel hatten. Trotzdem behagte es ihm nicht, dass die Rothaarige ihn begleiten würde. Aber so sehr er es auch versuchte, sie ließ sich nicht davon abbringen.
Nun war der Tag des Abschieds gekommen. Die Gruppe würde von hier aus weiter nach Yota reisen, während die beiden dem Fluss aufwärts folgen würden. Wie sich herausstellte, würde sich ihre kleine Reisegemeinschaft noch vergrößern. Lepedias, der Magier ohne jegliches magisches Talent, würde sie begleiten. Er hatte entfernte Verwandte im Dabusgebirge, die er besuchen wollte. Dalnas vermutete dahinter die Idee Rogars ihn als Aufpasser mitzuschicken, aber dieser stritt das vehement ab. Letztendlich hatte er gegen einen weiteren Gefährten nichts einzuwenden. So musste er sich wenigstens nicht die ganze Zeit mit Jolena unterhalten.
Kurz bevor sie loszogen erschien Scyria. Es machte ihn etwas stutzig, dass sie ihren Wagen verlassen hatte. Sie drückte ihm zwei Pergamentstücke in die Hand. Auf dem einen fand er die versprochene Karte, dass andere war jedoch versiegelt. Sie bläute ihm ein das Siegel erst zu öffnen, wenn der richtige Zeitpunkt gekommen sei. Er würde wissen, wenn es soweit war.
Mit einem herzlichen Händedruck verabschiedete er sich von Rogar, dann brach die kleine Gemeinschaft auf.

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BeitragVerfasst: 9.04.07, 18:35 
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Tavernengeschichten

Nervös sah der Wirt zu den beiden Gestalten in Weiß. Der mit dem verzierten Brustharnisch hatte ihm gegenüber Platz genommen, während sein Begleiter neben ihm stehen geblieben war. Er hatte noch nie mit der Inquisition zu tun gehabt, aber schon das ein oder andere gehört. Fahrig spielte er mit Tuch, dass er eben noch zum Trocknen der Gläser verwendet hatte. Der Blick des Sitzenden schien ihn zu durchbohren. Gemächlich zupfte er seine weißen Handschuhe von den Fingern. Diese reichte er dann an den Stehenden weiter, der sie ohne Kommentar entgegen nahm. Er verschränkte die Finger und legte seine Hände auf den Tisch.

„Nun...“

„Ich war den Vieren immer treu!“, platzte es aus dem Wirt heraus. Ein wölfisches Lächeln erschien auf dem Gesicht des Inquisitors.

„Niemand ist ohne Sünde, Wirt. Aber ich kann euch versichern, dass ich nicht in diese kleine Taverne am Herder gekommen bin um deinen Glauben zu prüfen. Bis jetzt jedenfalls nicht.“

Die kleine Pause, die diesem Satz folgte, machte dem Wirt eins klar: Wenn seine Antworten den Inquisitor nicht zufrieden stellen würden, dann könnte sich der Grund seiner Anwesenheit schnell ändern. Ein leichter Schauder lief über seinen Rücken.

„Ich werde euch alles sagen, was ich weiß!“

„Dessen bin ich mir sicher, schließlich seid ihr ja ein guter Gläubiger. Aber eigentlich bin ich nicht an allem interessiert, wenn ihr versteht was ich meine. Mir geht es vielmehr um etwas ganz spezielles. Habt ihr in den letzten Tagen irgendetwas... merkwürdiges bemerkt?“

„Etwas merkwürdiges, Herr?“

Der Mann in Weiß nickte sachte. Angestrengt versuchte sich der dicke Wirt an die letzten Tage zu erinnern.

„Also, mhm...“

Dann erschien ein Lächeln auf seinem Gesicht. Er erinnerte sich ganz deutlich.

„Ja, also vor ein paar Tagen war ein Händler hier.“

„Ein Händler.“

„Ja, ein Händler. Er schien ziemlich verwirrt. Kam hier rein und schnüffelte herum. Ich habe ihn gefragt ob er etwas zu Essen oder Trinken haben wollte, aber er sah mich nur aus glasigen Augen an. Ich dachte mir er könnte krank sein. Vielleicht hat er sogar den atmenden Tod gehabt. Manchmal kommen Leute aus Morthum hier her und erzählen davon. Da hab ich ihn davon gejagt.“

Der Inquisitor schien nicht sehr begeistert von der Geschichte zu sein. Eine einzelne Schweißperle tropfte von der Stirn des Dicken hinab. Als er nicht weiter redete, erhob der Mann in Weiß wieder das Wort.

„Ein Händler also. Und sonst nichts?“

„Ich... äh... hm... nun... zwei Tage davor schlich eine dunkle Gestalt um die Taverne. Mir wurde ganz flau im Magen. Neulich hat eine Räuberbande den Bauernhof von...“

„Genug!“, schlagartig erhob sich der Inquisitor von seinem Stuhl. Der Wirt zuckte zusammen.

„Verwirrte Händler und Diebe interessieren mich nicht. Wenn das alles ist, was ihr mir sagen könnt...“

„Was? Wie? Nein, Herr, nein! Da ist noch... ähm...“

Unruhig rutschte der Dicke auf seinem Stuhl hin und her. Irgendetwas musste den Inquisitor doch zufrieden stellen können...

„Eine Reisegruppe! Ja genau! Es waren... wie viele waren es noch. Mhm... vier... nein drei! Zwei Männer und eine Frau. Wenn ihr mich fragt“, der Wirt beugte sich etwas vor und flüsterte, „die beiden waren sicher schwul oder so etwas. Und das ist doch gegen die Lehre der Viere oder? Ist doch so?“

Der Mann in Weiß hielt in seiner Bewegung inne und sah nun deutlich interessiert zu dem Schwitzenden hinab.

„Sprecht weiter...“

Und so erzählte ihm der Wirt von der merkwürdigen Reisegruppe. Natürlich baute er hier und da etwas aus. Eigentlich glaubt er auch nicht, dass die beiden Männern schwul waren. Besonders der Jüngere hatte die Rothaarige immer so komisch angesehen. Aber irgendetwas mussten die drei ja verbrochen haben, ansonsten wäre der Inquisitor nicht so interessiert! Und so redete er sich die Seele aus dem Leib. Er berichtete wie die drei Abends zusammengesessen hatten und ihre Köpfe zusammen gesteckt hatten. Wie sie dann am Morgen noch vor Sonnenaufgang weitergezogen waren. Sie waren wohl flussaufwärts unterwegs gewesen.
Als er fertig war, ließ er sich erschöpft in seinen Stuhl zurücksinken. Der Inquisitor löste einen kleinen Beutel und warf ihn auf den Tisch. Ein paar Dukaten kullerten daraus hervor.

„Dies ist für deine Mühen. Die heilige Inquisition ist sich deiner Dienste bewusst und sie werden nicht vergessen werden. Mögen die Viere ewig herrschen!“

Damit wandten sich die beiden Männer um und verschwanden aus der schäbigen Taverne. Der Wirt bekam das kaum noch mit. Er hatte nur noch Augen für das Geld.

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BeitragVerfasst: 15.04.07, 17:46 
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Was die Vergangenheit erzählt

Fast drei Wochen dauerte es, bis sie zu Hegos Hütte kamen. Zuletzt mussten sie sich bei einigen Bauern durchfragen. Fast immer ernteten sie abschätzende Blicke. Offenbar hatte er keinen all zu guten Ruf in der Gegend.
Die Hütte lag einen halben Zyklus vom nächsten Dorf entfernt in einem kleinen Wäldchen zu Fuße des Dabusgebirges. Majestätisch erhoben sich die Gipfel der Ausläufer über den Baumkronen. Dalnas und Jolena kamen aus dem Staunen gar nicht heraus. Selbst Lepedias’ Versicherung, dass es sich bei dem Dabus um eines der kleineren Gebirge handelte, konnte ihre Ehrfurcht nicht mindern. Erst als die kleine Reisegruppe unmittelbar vor Hegos Heim stand, kehrten Dalnas’ Gedanken zu seiner Aufgabe zurück. Er wollte gerade die Hand heben, um an die schwere Holztüre zu klopfen, da wurde sie von innen geöffnet. Vor ihm stand ein gebeugter alter Mann mit grauen, ungeordnetem Haar. Sein ebenso grauer Bart hing schlaff über die dreckig braune Robe hinab, die seinen Körper bedeckte. Zwei hellblaue, klare Augen betrachteten abschätzend die drei Reisenden, ehe ihr Besitzer zu einer Frage ansetzte.

„Dem Allsehenden zum Gruße. Was kann ich für euch tun?“

Seine Stimme klang rau und gebrechlich. Als Dalnas nach einigen Augenblicken nicht antwortete, setzte der Alte nach.

„Noch nie einen alten Mann gesehen?“

„Ähm... nein... doch!“

Hegos seufzte.

„Also wenn ihr nichts von mir wollt, dann geht wieder. Stehlt einem alten Mann nicht die Zeit, denn davon hat er zu wenig.“

Er machte Anstalten die Türe zu schließen, als sich Dalnas wieder daran erinnerte, warum er hier war.

„Verzeiht. Scyria schickt mich. Ich suche einen Mann Namens Hegos.“

„Scyria? Mhm... mhm... ich habe diesen Namen lange nicht mehr gehört.“

„Dann seid ihr Hegos?“

„So ist es.“, sagte der gebeugte Mann und öffnete die Türe weiter. „Kommt herein.“

Dalnas trat ein. Es dauerte einige Zeit, bis sich seine Augen an die Dunkelheit im Inneren der Hütte gewöhnt hatten. Sie war nicht sehr groß. Der zur Verfügung stehende Platz wurde zusätzlich von den vielen Regalen beschränkt, die mit einer schier endlosen Zahl von Pergamentrollen und Büchern vollgestopft waren. Hinter Dalnas lies Lepedias einen leisen Pfiff ertönen. Der Trickmagier wandte sich an ihre Gastgeber.

„Ihr habt eine beeindruckende Sammlung von Schriften, Herr Hegos.“

Die Brust des alten Mannes schwoll an.

„Ach, das ist gar nichts. Ihr solltet mal meinen Keller sehen!“

Mit seinem krummen Zeigefinger deutete der Alte auf eine Falltüre.

„Es hat mich Jahrzehnte gekostet, sie alle zusammenzutragen. Für die selteneren von ihnen, habe ich ein Vermögen hingelegt. Dazu musste ich kreuz und quer über Falandrien reisen. Ich könnte euch Geschichten erzählen. Damals bei den Nortraven...“

Dalnas räusperte sich.

„Verzeiht, Herr Hegos...“

„... das war vielleicht etwas. Mhm, wie? Oh, verstehe, wie unhöflich von mir. Nehmt bitte Platz.“

Er deutet drei Bücherstapel und lies sich selbst dann in einen großen, aber ziemlich heruntergekommenen, Ohrensessel sinken.

„Ich bin schon ganz gespannt zu hören, wie es meiner alten Freundin geht. Aber sie wird euch doch wohl kaum ohne Grund zu mir geschickt haben, oder?“

„Nein, leider nicht.“, murmelte Dalnas und lies sich seufzend auf einen der Stapel nieder. Dann begann er mit seiner Geschichte. Der alte Mann hörte ihm still zu, bis er fertig war.

„Und so sitzen wir nun vor euch.“

„Na da hat Scyria genau richtig gehandelt. Der einzige der euch helfen kann, ist ein Vergangenheitsmagier und zufällig sitzt so einer gerade vor euch!“

„Vergangenheitsmagier...?“, Dalnas hatte Mühe nicht all zu viel Skepsis in seine Stimme zu legen. Auch seine Gefährten schienen nicht sehr überzeugt zu sein.

„Pah... habt ihr denn noch nie etwas von den Vergangenheitsmagiern von Lafay’s Stab gehört? Wann immer es darum geht, Nachforschungen in der Geschichte anzustellen, werden wir gerufen. Viele Fürstenhäuser bezahlen uns horrende Summen, damit wir ihren Stammbaum bis in die zwanzigste oder dreißigste Generation zurückverfolgen. Na ja... was wundert es mich. Die Vergangenheitsmagie ist natürlich nicht so beeindruckend wie die Hellseherei. Dabei ist sie so viel deutlicher in ihrer Aussage. Es gibt nur eine Vergangenheit, aber unendlich viele Zukünfte. Ich sage immer: Wenn du etwas über deine Zukunft erfahren willst, musst du deine Vergangenheit kennen.“

Seufzend lies sich Hegos in seinen Sessel zurücksinken.

„Wie dem auch sei. Nun seid ihr hier und wenn Scyria euch den ganzen weiten Weg zu mir schickt, dann muss es dringend sein. Also komm her zu mir, Junge, damit ich dich ein wenig genauer untersuchen kann.“

Es dauerte einige Zeit, während Hegos immer wieder unverständliche Worte vor sich hin murmelte und ihn dabei gründlich untersuchte. Immer wieder musste er den Arm heben oder sich im Kreis drehen. Er hatte keine Ahnung, wozu das gut sein sollte. Seine Erfahrung hatte ihn aber gelehrt, dass man besser auf Magier hörte. Also lies er alles still über sich ergehen. Auch als der Alte mit einer merkwürdigen Gerätschaft daher kam, in der eine Linse aus blauem Kristall eingesetzt war.
Schließlich lies sich Hegos wieder in seinen Sessel sinken.

„Ja... ich sehe ganz deutlich was Scyria gemeint hat.“

„Also könnt ihr ihm helfen?“, fragte Jolena hoffnungsvoll aus dem Hintergrund.

„Das habe ich nicht gesagt, Mädchen. Ich sagte, dass ich weiß weshalb Scyria so beunruhigt war. Mhm... ich werde ein paar Nachforschungen anstellen müssen. Das könnte ein paar Tage dauern. So lange könnt ihr bei mir bleiben, aber richtet keine Unordnung an!“

Dalnas sah sich um und betrachtete die umherliegenden Bücher. Es würde schwer werden, es noch unordentlicher zu machen.

Einige Tage später saßen Dalnas und Jolena draußen auf einer alten Holzbank und ließen sich das Licht Felas ins Gesicht scheinen. Vor kurzem war Lepedias aus dem nahen Dorf zurückgekehrt. Er hatte frische Nahrungsmittel mitgebracht. Die Vorräte des Alten waren nicht auf so viele Münder ausgelegt.
Dalnas hatte die zurückliegenden Tage genossen. Endlich konnte er sich etwas erholen und konnte über das Geschehene nachdenken. Die Stimmung zwischen ihm und Jolena hatte sich gebessert. Ab und zu konnte er ihr sogar ein Lächeln entlocken. Unauffällig betrachtete er sie in ihrem neuen Kleid. Auf der Reise den Herder aufwärts hatten sie sich neue Kleidung zugelegt. Jolena konnte von einer Bäuerin ein abgetragenes rotes Kleid aus rohem Leinen erstehen. Es passte sehr gut zu ihrem roten Haar, wie der Anwärter fand. Jedes Mal wenn sie ihn mit ihren Smaragdgrünen Augen ansah, durchlief ihn ein Schauer. Und trotzdem brachte er es nicht übers Herz, ihr seine Liebe zu gestehen. Er wollte gerade wieder die Augen schließen und sein Gesicht der Sonne zuwenden, als neben ihm die Türe aufgestoßen wurde. Hegos trat ins Freie und streckte seinen krummen Rücken. In den vergangenen Tagen hatten sie ihn nur zum Frühstück und zum Abendbrot gesehen. Dazwischen war er in seinem Keller verschwunden. Er hatte ihnen strengstens Verboten diesen zu betreten. So war alles, was sie von seiner Arbeit mitbekamen, ein blaues Leuchten, das gelegentlich seinen Weg durch die Ritzen im Holzboden fand. Jetzt aber wandte sich der Magier den beiden Sitzenden zu.

„Ich denke ich habe die Lösung für dein Problem gefunden, Junge. Kommt beide herein, dann will ich es euch erklären. Lepedias wartet schon drinnen.“

Kurz darauf waren sie alle in der Hütte versammelt. Wie am ersten Tag, hatte Hegos wieder in dem Ohrensessel Platz genommen. Er wartete, bis alle ihren Platz gefunden hatten, dann begann er zu berichten.

„Es hat mich viel Mühe gekostet. Ich musste einige sehr schwere Zauber wirken und mich durch eine Reihe sehr alter und kostbarer Bücher arbeiten. Doch ich denke ich weiß, was dich plagt. Doch bevor du jetzt in überschwänglicher Freude ausbrichst, wisse eins: wenn es stimmt, was ich herausgefunden habe, dann hast du ein großes Problem.“

Unruhig rutschte Dalnas auf seinem Bücherstapel hin und her. Die Worte des Mannes beunruhigten ihn.

„Ich wurde fündig in den Aufzeichnungen des Abtes eines Vitamaordens, der schon seit Jahrhunderten vergangen ist. Es war ein sehr alter und einflussreicher Orden. Das Schriftstück aber stammte aus den Anfangszeit des Ordens. Nur damit ihr einen ungefähren Eindruck bekommt, wie alt das Buch ist. Nur ein mächtiger Zauber bewahrt es davor, augenblicklich zu Staub zu zerfallen.
Jedenfalls... berichtet der Abt darin von einer Vision, die ihm Vitama zukommen ließ. Es geht darin um eine Prophezeiung, die Vitama selbst getroffen haben soll, als Tare noch jung war. Jedenfalls glaube ich das. Das Buch war in einem sehr alten Dialekt geschrieben und ich hatte einige Mühe ihn zu übersetzen. Da ich nicht weiß, wie genau ich dabei war, möchte ich es nur grob zusammenfassen:
Am Anfang der Zeit, noch vor Schöpfung der Elfen, Zwerge, Menschen und sonstige Wesen Tares, stach sich Vitama an einer Rose. Dadurch ging ein Teil ihrer Macht auf diese Rose über, die zu einem Kristall wurde. Aber ich schätze diesen Teil der Geschichte kennst du schon, oder, Junge?“

Dalnas war ganz bleich im Gesicht geworden und auch Jolena neben ihm hatte sich verkrampft. Einzig Lepedias schien nicht viel damit anfangen zu können. Der Anwärter nickte schwach.

„Ja... Rosenblut.“

„So ist es. Rosenblut. Ein Artefakt von unheimlicher Macht. Aber was erzähle ich dir das. Wenn ich mit meiner Vermutung richtig liege, weißt du sehr genau wovon ich spreche. Ich finde es bedauerlich, dass du mir nicht davon erzählt hast. Das hätte meine Arbeit sehr viel verkürzt.“

„Rosenblut ist zerstört... ich dachte nicht, dass es noch von Belang ist.“

Der Magier seufzte.

„Siehst du Junge, genau darin liegt das Problem. Es ist mehr von Belang für dich, denn je. Die Geschichte geht nämlich noch weiter. Als sich Vitama in den Finger stoch, hatte sie eine Vision. Sie handelte von Leid und Schmerz, die jener über Tare bringen würde, der Rosenblut zerstört. Nun sag mir eines, Junge: Hast du Rosenblut zerstört?“

„Ja“, kam es kleinlaut von Dalnas.

Langsam ließ sich der Magier zurücksinken.

„Dann hatte ich also Recht.“

„Aber... wie soll das gehen? Seht ihn euch an, Hegos, er ist doch nur ein Anwärter... ein Mensch. Die Mutter muss sich geirrt haben!“, warf Jolena ein und erntete davon von Dalnas einen ärgerlichen Blick. Was sollte das jetzt wieder heißen? Nur ein Anwärter? Aber Unrecht hatte sie nicht. Wie sollte er Verderben über Tare bringen?

„Er hat Rosenblut zerstört, Mädchen. Göttliche Macht ist etwas, was nicht einfach so verpufft. Als sie aus ihrem Gefängnis befreit wurde, musste sie irgendwohin verschwinden. Und da wählt sie den nächstbesten Ort.“

„Soll das heißen...“, Dalnas sah verwirrt zum Alten.

„Ja, du trägst einen Teil der Macht Vitamas in dir. Ist dir in letzter Zeit nicht etwas merkwürdiges passiert? Wunder oder etwas in der Art?“

„Der Vorfall am Marktplatz...“, flüsterte Jolena.

„Du hast dich sicher gefragt, wie das passieren konnte. Die Antwort ist ganz einfach: Du warst das. Doch die Macht Vitamas – wie wir sie heute kennen – würde sicher nicht irgendwelches Verderben heraufbeschwören. Jetzt kommt der unangenehme Teil. Als Rosenblut geschaffen wurde, war der Eine noch nicht geboren. Seine Bosheit war noch Teil Vitamas. Und so wurde sie mit in Rosenblut übertragen. Als das Artefakt von dem Böse missbraucht wurde, gewannen die Teile des Einen in Rosenblut noch an Macht. Und diese Macht hast du nun geerbt... den guten wie den schlechten Teil. Wenn der schlechte Teil jedoch die Kontrolle über dich gewinnt... dann sind die Folgen nicht auszudenken.“

Dalnas war schwindelig. Zitternd sah er auf seine Hände hinab. Konnte es wahr sein, was Hegos da sagte? Hatte er wirklich göttliche Macht erhalten? Vor seinem inneren Auge schienen sich schier endlose Möglichkeiten aufzutun. Er könnte als Heiler durch die Lande ziehen und alle Gebrechen heilen. Oder er würde seine Macht benutzen um Kriege zu verhindern. Doch wieso sollte er sie nur verhindern? Er könnte sie genau so gut kontrollieren. Er hatte Macht! Er war ein Gott! Eine steile Falte bildete sich auf seiner Stirn. Hatte er das eben gedacht? Oder war das der verderbte Teil gewesen, von dem Hegos gesprochen hatte. Ängstlich sah er zu Jolena hinüber und bemerkte jetzt erst, dass sie ein Stück von ihm fortgerutscht war. Er wurde traurig. Nein, er wollte kein Gott sein. Entschlossen sah er wieder nach vorn.

„Kann ich... diese Macht wieder loswerden?“

Der Magier zögerte.

„Hegos?“

„Es ist möglich... aber...“, er seufzte, „du musst Rosenhain aufsuchen. Das ist der Name des Platzes, an dem sich Vitama in den Finger gestochen hat. Ihre ersten Diener errichteten ihr zu Ehren dort einen Schrein. Allerdings... ist dieser Ort während der Amulettkriege verloren gegangen. Es gibt heute keinen Hinweis mehr auf seine Position.“

„Heißt das... ich muss ganz Galadon nach ihm absuchen?“

„Ganz Tare trifft es wohl eher, fürchte ich. Und selbst dann wäre es nicht garantiert, dass du ihn finden würdest. Unzählige Abenteurer vor dir waren schon auf der Suche nach ihm – und keiner hatte Erfolg.“

„Aber... ich könnte doch meine Kräfte einsetzen?“

Der Magier schüttelte energisch den Kopf.

„Nein, das darfst du nicht. Du musst sehr vorsichtig sein. Bei allem was du tust, wirst du etwas Gutes durch etwas Böses erkaufen. Und je mächtiger das Gute ist, dass du tust, desto mächtiger wird das Böse. Irgendwann wird es dich dann kontrollieren. Du darfst deine Kräfte auf keinen Fall einsetzen, hörst du? Sonst... wird sich die Prophezeiung erfüllen.“

„Also ist es aussichtslos?“

„Nein... nein, ich denke nicht. Nichts verschwindet spurlos... außer vielleicht meinen Socken. Es muss noch Hinweise auf die Position Rosenhains geben, die bisher noch nicht gefunden wurden. Und zufällig weiß ich sogar, wo ihr am Besten mit der Suche beginnt. Ihr müsste nach Titanfels. Der dortige Tempel stammt aus der Zeit kurz nach den Amulettkriegen. Damals könnte das Wissen um den Ort Rosenhains noch nicht ganz verschwunden sein. Wenn ihr Glück habt, entdeckt ihr etwas, dass euch hilft.“

„So ist es beschlossen... wir müssen nach Titanfels.“

„Es gibt da noch etwas, dass ihr wissen solltet. Vitama ergriff eine Vorsichtsmaßnahme. Sie...“

In diesem Augenblick pochte es kräftig an die Türe. Jolena zuckte kräftig zusammen und der Magier unterbrach sich. Alle sahen sie zur Türe.

„Aufmachen! Hier ist die heilige Inquisition. Wir möchten euch im Namen der Viere sprechen!“

Dalnas wurde noch ein Stück bleicher, als er es ohnehin schon war.

„Wie konnten sie uns nur finden?“, flüsterte Jolena.

Der Magier erhob sich erstaunlich gewandt aus seinem Sessel.

„Aufmachen sage ich!“

„Einen Augenblick bitte, ich komme gleich!“, rief Hegos zur Türe. Dann wandte er sich leiser an Dalnas und seine Begleiter.

„Schnell, klettert in den Keller. Wenn ihr unten seid, folgt dem langen Gang. Es ist ein alter Bergbauschacht. Er führt euch tief ins Gebirge, doch so weit müsst ihr nicht. Nach etwa fünfhundert Schritten gibt es an der Seite eine Leiter. Die klettert ihr hinauf. Oben angekommen müsst ihr die Holzplatte beiseite schieben, dann kommt ihr wieder ans Licht. Schnell, beeilt euch!“

Hastig beeilten sich die drei durch das Kellerloch zu klettern. Die Falltüre hatte sich gerade geschlossen, da splitterte Holz und die schwere Türe flog nach innen auf. Zwei kräftige Hände packten den Magier und zogen ihn hinaus ins Licht. Ein Mann, dessen Rüstung mit grausamen Fratzen verziert war, baute sich vor ihm auf.

„Wo sind Dalnas und seine Gefährten?“

„Ich weiß nicht wovon ihr redet...“

Der Mann nickte einem der beiden Bewacher des Alten zu, der ihm darauf einen Schlag ins Gesicht verpasste.

„Sie waren hier, also lüg mich nicht an! Tendalf hier ist sehr gut darin, Leute wie dich zum Sprechen zu bringen und ihre Sünden gestehen zu lassen. Er wird sich sicher freuen, dir seine Künste zu zeigen.“

Benommen sah Hegos auf. Er zitterte vor Angst.

„Nein... nein, bitte nicht! Ich werde euch alles sagen! Ich... argh!“

In diesem Augenblick durchfuhr ihn ein heißer Schmerz. Als er seinen Blick senkte, sah er das gefiederte Ende eines Pfeils, der in seiner Brust steckte. Ihm wurde schwarz vor Augen. Sein Lebenslicht verlosch.
Unter den Soldaten brach Hektik aus. Erasmus brüllte einige kurze Befehle und sie schwärmten aus, um den Schützen zu suchen. Tendalf zog den Pfeil aus der Brust des toten Magiers, der nun schlaf in seinem Griff hing. Prüfend betrachtete er die Pfeilspitze.

„Gift.“

„Bedauerlich. Dabei war er doch gerade so gesprächig geworden. Hoffen wir, dass die Viere ihm Gnade gewähren. Vergrabt ihn hinter dem Haus und dann durchsucht seine Hütte. Der Ketzer kann sich nicht einfach in Luft aufgelöst haben. Er muss etwas großes Planen, wenn er dafür alte Männer umbringt. Und findet mir den Schützen! Sein Wissen wird hilfreich sein.“

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BeitragVerfasst: 24.04.07, 14:58 
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Die Hütte

„Komm schon, wir müssen weiter.“

Jolena nickte schwach und gab der Aufforderung von Dalnas nach. Drei Tage waren seit der Flucht aus Hegos’ Hütte vergangen. In dieser Zeit hatten sie kaum Ruhe und noch weniger Schlaf bekommen. Obwohl es bisher keine Anzeichen auf Verfolger gab, trieb sie Dalnas unermüdlich an. Er war überzeugt davon, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis die Inquisition ihre Spur finden würde. Sie kamen nicht schnell voran. Noch mehr sorgte ihn jedoch die Entscheidung, die sie bald zu fällen hatten. Lepedias hatte ihnen erzählt, dass weiter nördlich das Dabusgebirge nach Osten ausschwenkte. Dort hätten sie die Wahl dem Ausläufer zu folgen oder ihn zu überqueren. Eine Umrundung wäre vernünftiger. Der Bellum kam näher und die Nächte wurden kühler. Das würde oben auf den Pässen noch deutlicher zu spüren sein. Doch die Zeit war knapp. Dalnas hatte keine Zweifel, dass Hegos der Inquisition das Ziel ihrer Reise verraten hatte – wer hätte das nicht?
Er musste kein Hellseher sein um zu wissen, dass sie über Pferde verfügten. Nicht zuletzt deshalb führte er die Gruppe ja über die steinigen Wege an den Hängen der Berge entlang. Damit waren sie den Flüchtenden in der Geschwindigkeit weit überlegen. Durch die Abkürzung über die Pässe hoffte Dalnas die nötige Zeit gewinnen zu können. Er hoffte bloß, dass seine Begleiter das genau so sehen würden.
Jolena hatte sich scheinbar von den Schock der Offenbarung erholt. Zwar warf sie ihm ab und zu noch besorgte Blicke zu, doch ansonsten ließ sie sich nichts anmerken. Und Lepedias... nun bei ihm war er sich nicht ganz sicher. Seit dem verhängnisvollen Tag in Hegos’ Heim war er sehr verschlossen. Er sprach nur wenn es nötig war und schien die ganze Zeit seinen Gedanken nachzuhängen. Deutlich konnte man ihm die Strapazen der Flucht ansehen, doch er beklagte sich nicht.
Damit ging es ihm wohl besser als Dalnas. Seine Füße taten weh und er litt an Schlafmangel. Wären er nicht durch seine Abenteuer in Endophal gestärkt, hätte er wohl schon längst aufgegeben. Er musste sich ein Schmunzeln verkneifen. War es nicht merkwürdig? Jetzt wo er die Macht eines Gottes hatte, stolperte er über raue Steine hinweg. Die Verlockung war groß zu erproben, wie weit seine Macht reichte. Ob er die ganze Gruppe wohl mit einem einzigen Schnippen nach Titanfels bringen konnte? Oder nach Draconis? Das einzige was ihn davon abhielt waren die mahnenden Worte des alten Magiers gewesen. Und was wenn er sich geirrt hatte?

„Dalnas, sieh nur, da vorne steigt Rauch auf!“, rief Jolena hinter ihm. Aus seinen Gedanken aufgeschreckt sah er sich um. Zunächst konnte er nichts erkennen, doch dann sah er die grauen Wolken hinter der nächsten Biegung aufsteigen.

„Was meinst du, was das ist?“, sagte die Rothaarige und trat neben ihn.

Hilflos zuckte er mit den Schultern.

„Ich werde mir das mal ansehen.“, meinte Lepedias und eilte voraus. Die beiden Diener Vitamas sahen ihm nach. Nach etwa vierhundert Schritte drehte er sich um und winkte den beiden zu. So schnell wie es der raue Untergrund zuließ folgten sie ihm. Als sie sich ihm näherten, erkannten sie die Ursache des Rauches. Hinter der Biegung duckte sich eine kleine Holzhütte zwischen einigen größeren Felsen. Ein Maultier stand daneben und blickte träge in ihre Richtung.

„Wer da wohl wohnen mag?“, fragte Jolena.

„Hirten vielleicht.“, meinte Lepedias. „Wer es auch ist... vielleicht haben sie etwas zu Essen. Mein Magen bringt mich um, wenn er nicht bald etwas bekommt.“

Dalnas fühlte sich nicht wohl bei der Sache. Jede Person die sie trafen, konnte die Inquisition auf ihre Spur locken. Aber er musste Lepedias recht geben. Ihr Aufbruch war überstürzt gewesen. In den letzten Tagen hatten sie nicht mehr als ein paar Früchte und Beeren verdrückt und Quellwasser getrunken. Zumindest davon gab es in den Bergen mehr als genug. Trotzdem sehnte er sich nach etwas anderem – und wenn es nur ein Brotkanten war. Also schlug er seine Bedenken in den Wind.

„Gut, lasst uns nachsehen. Vielleicht hat man ein Stück Brot oder sogar Fleisch für uns.“

Kurz darauf stand die kleine Gruppe vor der Türe und Lepedias klopfte an.

„Ich hoffe jemand ist zu Hause.“, meinte er über die Schulter, da wurde auch schon die Türe geöffnet. Vor ihnen stand ein schäbig gekleideter Mann mittleren Alters. Eine lange Narbe verunzierte seine rechte Gesichtshälfte. Er stank nach schweiß. Einen kurzen Augenblick musterte er die drei, dann fragte er barsch: „Was wollt ihr?“

Lepedias setzte sein bestes Unschuldslächeln auf und deutete eine Verbeugung an, was von den Mann offenbar belustigte.

„Verzeiht, der Herr. Wir sind drei Reisende: Durch eine Felsrutsch verunglückte unser Lasttier und riss unser Proviant mit sich. Drei Tage ist das nun her, in der wir keiner Menschenseele begegnet sind. Wir wollten schon verzagen, da sahen wir das Feuer aus eurem Schornstein wallen. Voller Hoffnung kamen wir hier her. Ob ihr wohl etwas Brot für drei vom Unglück verfolgte Reisende erübrigen könntet?“

Der Mann kniff die Augen zu und unterzog die Reisegruppe einer zweiten, sehr viel genaueren Musterung.

„Was treibt euch in diese Gegend?“

„Wir sind Händler, der Herr.“

Ein Grinsen erschien auf dem Gesicht des vermeintlichen Hirten und entblößte seinen fast zahnlosen Mund.

„So... Händler also... na dann kommt mal herein.“

Er trat beiseite und ließ die kleine Gruppe eintreten. Die Luft in der Hütte war stickig und von Rauch durchsetzt. Dalnas hustete einige Male und blinzelte. Seine Augen tränten leicht. Noch ehe sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, hörte er ein metallisches Schaben. Dann erst erkannte er die Ursache: Lepedias, Jolena und er waren von vier Männern umringt, die rostige Schwerter in ihren Händen hielten. Auch der Mann an der Türe trug nun ein solches in der Hand.

„Ich glaube das sind keine Hirten.“, meinte Lepedias leise zu den anderen beiden.

Der Narbenträger, scheinbar der Anführer der Schwertträger, lachte laut auf.

„Habt ihr das gehört? Die haben uns tatsächlich für Hirten gehalten!“

Die anderen fielen in das Gelächter ein.

„Nein nein... Hirten sind wir keine. Ich würde uns eher als Wölfe bezeichnen.“

Wieder lachten seine Kameraden rau auf. Der Anführer machte einen Schritt auf Dalnas und seine Freunde zu und hob fordernd seine freie Hand.

„Und nun gebt uns euer Geld, dann lassen wir euch vielleicht am Leben.“

„Geld? Wir haben kein Geld! Das ist mit unserem Lasttier verschwunden!“, meinte Lepedias. Man konnte ihm seine Nervosität deutlich anhören.

„Kein Geld? Ein Händler der kein Geld bei sich trägt? Märchen könnt ihr euren Kindern erzählen. Und nun heraus damit, sonst kommt ihr nicht mehr dazu welche zu zeugen!“

„So glaubt ihm doch!“, flehte Jolena.

Der Narbige zuckte mit den Schultern.

„Wenn das so ist, werden wir es uns eben mit Gewalt nehmen. Los Männer, schnappt sie euch. Aber verschont das Mädchen – mit der habe ich schon etwas ganz besonderes vor.“, ein dreckiges Grinsen untermalte und den letzten Teil seiner Worte und ließen keinen Zweifel an die Art seines Vorhabens. Die übrigen Männer traten unterdessen einen Schritt vor und hoben drohend ihre Schwerter. Die drei Flüchtlinge drängten sich ängstlich zusammen. Der Räuber vor Dalnas machte Anstalten nach ihm zu greifen.

NEIN!

Wie ein Blitz durchzuckte es Dalnas. Ihm kam es vor als hätte sich eine verborgene Türe in ihm geöffnet. Plötzlich hatte er das Gefühl, als ob ihn eine große Kraft durchströmte. Gleißend hell schien sie jede seiner Muskelstränge zu erfüllen. Ein Schaudern lief ihm den Rücken hinab. Fühlten sich so Götter? Der Mann vor ihm zögerte. Neben sich hörte er Jolena kreischen. Die Kraft in ihm begann zu pulsieren. All die angestaute Wut und der Zorn brachen den Damm und überfluteten sein Herz. Und die Kraft in ihm veränderte sich. War sie eben noch hell und strahlend, so wurde sie nun dunkel und bedrohlich. Sie schien sich an seinem Zorn zu laben und ihn zu stärken. Er richtete seinen Blick auf den nahen Räuber. Dieser zog sich unsicher zurück.

„Lasst uns in Ruhe.“

Tief und voller Kraft ertönte die Dalnas Stimme. Etwas uraltes schien in ihr zu liegen – etwas tödliches. Die Räuber wurden unruhig. Nervös feuerte ihr Anführer sie an.

„Nun macht schon, ihr Idioten. Kümmert euch um den Jungen und dann um die anderen.“

Dalnas schloss die Augen. Die Kraft in ihm verlangte danach frei gelassen zu werden. Kurz noch zögerte er, dann gab er nach. Schlagartig verdunkelte sich der Raum. Mit der Dunkelheit kam die Kälte. Innerhalb von Sekunden waren die Wände von einer Schicht Raureif überzogen. Das Feuer im Kamin erlosch. Einer der Räuber schrie auf und ließ das Schwert fallen, das polternd zu Boden fiel. Der Mann vor dem Anwärter hob in einem letzten Aufbäumen sein Schwert und schlug damit in Richtung seines Kopfes. Doch noch ehe das rostige Eisen die Haut berührte, zerfiel es zu Staub. Der Vorgang setzte sich rasend schnell über das ganze Schwert und dann über den Arm des Angreifers fort. Der Mann war nicht einmal mehr dazu fähig einen Schrei auszustoßen, da lag er auch schon als ein Häufchen Staub auf dem Boden. Der Verfall griff nun auch auf die anderen Räuber über. Schließlich blieben nur noch Dalnas, Jolena und Lepedias übrig.
So schlagartig wie sie gekommen war, verschwand die Dunkelheit wieder. Mit ihr ging auch die Kälte. Nur die kleinen Staubhaufen und der Raureif an den Wänden zeugte noch von den Geschehnissen. Schwer atmend stützte sich Dalnas auf seine Knie auf. Das Gefühl der Kraft hatte sich wieder hinter seine Tür zurückgezogen, doch ein Schatten war geblieben.
Schockiert sahen Jolena und Lepedias zu ihm hinab.

„Es wäre besser, wenn wir nun gehen.“, meine Dalnas schwach. Seine Begleiter wagten es nicht Widerspruch einzulegen. Sie hatten ohnehin keine Lust irgendetwas zu essen, was sich an diesem Ort aufgehalten hatte. Mit deutlichem Abstand folgten sie dem jungen Mann.

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BeitragVerfasst: 1.05.07, 18:44 
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Über die Pässe

Am Abend des Tages hatte die Gruppe eine kleine Höhle gefunden. Lepedias entfachte am Eingang aus vertrockneten Ästen und Gestrüpp ein kleines Lagerfeuer. Wortlos aßen sie ein paar Himbeeren aus ihrem mickrigen Vorrat. Dann bot sich der Schausteller an, die erste Wache zu übernehmen und lies die beiden Diener Vitamas allein. Dalnas hing in seinen Gedanken noch immer den Ereignissen in der Hütte nach, als Jolena ihn ansprach.

„Dalnas...?“

„Mhm?“

„Wie... geht es dir?“

Er zuckte mit den Schultern.

„Weißt du, das heute war ziemlich furchteinflößend.“

„Ach ja?“

„Ich hatte richtig Angst... jetzt wissen wir, was Hegos meinte.“

„Hmpf.“

„Du solltest vielleicht in Zukunft...“

„Das ist mein Problem!“, fuhr Dalnas sie an. Was glaubte sie eigentlich, wer sie war? Immer musste sie sich einmischen! Wer von ihnen hatte denn die Probleme am Hals?
Ohne ein weiteres Wort zu verlieren legte er sich auf den harten Boden und drehte ihr den Rücken zu. Von diesem Verhalten überrascht, schwieg Jolena. Wenig später hörte er, wie sie sich ebenfalls hinlegte.
Sie hatte Recht. Hegos hatte ihn vor diesem Verhalten gewarnt. Er hatte ihm gesagt, dass er seine Kräfte nicht gebrauchen durfte. Aber es war so... befreiend gewesen. Er hatte sich stark gefühlt. Ein Gefühl, dass ihm so noch nie widerfahren war. Seit er sich zurückerinnern konnte, wurde er immer nur getrieben. Zuerst bestimmten seine Eltern über sein Leben, später der Orden. Als dann die Sache mit Rosenblut geschah, wurde er von dem Geist eines längst verstorbenen Geweihten dazu angetrieben gegen einen Dämon zu kämpfen. Und als er zurückkehrte war er wieder unter der Fuchtel des Ordens. Er hatte nie selbst bestimmen können, was er machen wollte. Doch nun... diese Kraft heute war sein Willen gewesen. Er hatte nicht gewollt, dass man ihm etwas zu leide tut und es ist nicht geschehen. Was also sollte an dieser Macht schlecht sein? Sollte nicht jedes Wesen danach streben Herr über sich selbst zu sein? Ihm würde nie wieder jemand etwas vorschreiben können. Und nicht nur das... er könnte dieses Geschenk auch den anderen bringen. Er könnte dafür sorgen, dass jeder das machen könnte wozu er gerade Lust hat. Sicher, ein paar Opfer müssten dafür gebracht werden. Aber war es nicht das höhere Ziel, das zählte? Und wenn er dafür den dämonischen Teil seiner Kräfte freisetzen müsste, was würde es schon ausmachen? Wichtig war doch wozu man die Kräfte einsetze, nicht woher sie stammten. Und wozu er sie einsetze, war ganz allein seine Entscheidung. Er war schließlich ein Gott!
Dann glomm der Zweifel in ihm auf. War es nicht genau das, wovor ihn Hegos gewarnt hatte? War es nicht diese Versuchung, die vom Einen selbst ausging? Würde er damit nicht gegen die Herrin Vitama handeln?
Schließlich war die Erschöpfung stärker als er. Langsam sank er in einen unruhigen Schlaf.

Wenige Tage später war der Tag, vor dem Dalnas sich insgeheim gefürchtet hatte, gekommen. Schon gestern hatten sie gesehen, dass die Berge vor ihnen nach Osten hin ausscherten. Nun standen sie an einem Hang auf halber Höhe. Vor ihnen erhob sich ein hoher Berg und nach Osten zogen sich die Gipfel der Bergkette, wie an einer Perlenschnur aufgereiht, bis an den Horizont weiter. Zum Glück hatten sie erst vor kurzem ein paar Bauern getroffen, denen sie etwas zu Essen und ein wenig warme Kleidung abschwatzen konnten. Das würde es leichter machen Lepedias und Jolena von seinem Vorhaben zu überzeugen.
Anfangs reagierten sie abweisend. Auch wenn der Weg um die Ausläufer herum viel weiter war, so erschien er beiden doch sicherer. Aber nach langer Diskussion hatte er sie schließlich überzeugt. Sie würden den schwierigeren Weg über die Pässe nehmen und so hoffentlich noch vor der Inquisition in Titanfels ankommen. Dalnas hatte Lepedias sogar angeboten, dass er von hier aus seinen eigenen Wegen folgen könnte, doch dieser hatte abgelehnt. Er meinte er hätte Rogar versprochen auf sie aufzupassen. Der junge Anwärter konnte nicht leugnen, dass er froh darüber war. Der Schausteller konnte ihnen mit seiner Erfahrung und seiner Fähigkeit Menschen zu überzeugen noch behilflich sein. So machten sie sich gemeinsam an den Aufstieg zum ersten Pass.

Es war schlimmer, als er befürchtet hatte. In den luftigen Höhen des Dabusgebirge war der Bellum schon weiter vorangeschritten. Die Nächte wurden empfindlich kalt. Noch dazu konnten sie über der Baumgrenze kaum brennbares finden. So mussten sie die Nächte oft ohne Lagerfeuer verbringen. Hätten sie nicht die warme Kleidung von den Bauern bekommen, wären sie wohl längst erfroren. Doch Dalnas trieb die Reisegruppe unermüdlich weiter voran. Zwei Pässe hatten sie inzwischen schon hinter sich gelassen. Wie viele es noch waren, wussten wohl bloß die Götter. Und vielleicht nicht einmal die, sonst wüsste er es ja auch, dachte Dalnas.
In einer besonders kalten Nacht, als Jolena zitternd auf etwas Moos unter einem Felsvorsprung lag, kam er zu ihr gerutscht.

„Geht es?“, fragte er sie besorgt.

„Ja... es muss gehen. Ich bin nicht so weit gelaufen um hier zu erfrieren.“

„Lass mich dir helfen... ich könnte ein wenig von meinen Kräften...“

„Nein!“, erschrocken rutschte sie ein Stück von ihm fort und sah ihn an. „Nein, Dalnas, du darfst das nicht! Wenn du sie weiter einsetzt, dann werden sie dich kontrollieren. Das will ich nicht.“

„Ach... das ist doch nur dummes Geschwätz. Ich habe die Kräfte eines Gottes. Sie sind nichts lebendiges, was mir einen Willen aufzwingen könnte.“

„Nein... bitte nicht.“, klang sie beinahe schon flehend. Er zuckte nur mit den Schultern und rutschte zurück zu seinem Platz. Ihre Ablehnung hatte ihn wie einen Schlag ins Gesicht getroffen. Eine kleine Stimme in ihm flüsterte, dass sie sicher nicht so abweisend gewesen wäre, wenn er Lepedias gewesen wäre.
So zitterten sie sich durch die Nacht.

Drei Tage später konnten sie im Licht der aufgehenden Sonne zum ersten Mal das andere Ende der Ausläufer erkennen. Nur ein einziger Pass trennte sie nun noch von der Ebene hinter den Bergen, die bis nach Titanfels verlief. Doch gerade dieser Pass schien ihnen zum Verhängnis zu werden. Schon seit einiger Zeit waren sie auf einem schmalen Weg am steilen Berghang entlang gegangen. Links von ihnen erstreckte sich eine hohe Felswand, rechts von ihnen ein ebenso tiefer Abgrund. Bisher war es ohne Probleme möglich gewesen, zu dritt nebeneinander her zu laufen. Doch seit einiger Zeit wurde der Weg immer schmaler. Zuletzt mussten sie hintereinander gehen. Vorsichtig tasteten sie sich an der Felswand entlang: Dalnas voraus, gefolgt von Jolena, die zwischen den beiden Männern ging, und Lepedias. Zu allem Unglück lag zunehmend mehr Geröll auf dem Weg und an manchen Stellen war er leicht abschüssig.
Es war an einer dieser Stellen, als Dalnas hinter sich das poltern eines Steins und den erschrockenen Aufschrei Jolenas hörte. Er bekam einen leichten Stoß in den Rücken und taumelte einen Schritt vorwärts, dann hörte er Jolena um Hilfe rufen. Blitzartig drehte er sich herum und sah gerade noch, wie der Kopf Jolenas hinter der Felskante verschwand. Er dachte schon, er hätte sie verloren, aber da sah er die beiden Hände, die sich verzweifelt in den Fels krallten. Der Rest ihres Körpers baumelte über dem tiefen Abgrund.
Lepedias reagierte als erster und griff nach ihren Armen. Doch er war nicht stark genug sie heraufzuziehen. Verzweifelt rief er nach Dalnas, doch der stand wie versteinert da. Die Stimme in ihm war wieder aufgetaucht und flüsterte ihm ihr Gift ins Herz. Jolena war doch selbst Schuld, dass es so weit gekommen war. Hätte sie sich von ihm helfen lassen, dann wäre das gar nicht erst passiert. Mit seinen Kräften hätte er sie alle sicher über diesen Pass führen können. Aber nein, sie hatte ja seine Hilfe nicht haben wollen. Doch jetzt hatte sie ihre Meinung geändert. Sollten die beiden sehen wie sie zurechtkamen. Er war ja nur ein schwacher dummer Anwärter. Vielleicht sollte er Lepedias sogar noch einen Schupps geben? Er hatte doch die Blicke gesehen, mit denen er Jolena angeschaut hatte!
Immer schwärzer wurden seine Gedanken. Doch dann regte sich das Gute in ihm. Wie konnte er nur so etwas denken? Die beiden waren seine Begleiter und würde er dort baumeln, dann würden sie nicht zögern ihm zu helfen!
Konnte er sich da so sicher sein?
Ja, er konnte sich da so sicher sein! Für sie gab es keinen Grund so weit mit ihm zu kommen. Ohne zu klagen hatten sie die kalten Nächte in den Bergen hingenommen! Sie vertrauten ihm!
Vertrauen war doch nur etwas für Schwächlinge...
Vertrauen war die Basis jeder Freundschaft und das dort waren seine Freunde!
Die Stimme in ihm verstummte und die Versteinerung fiel von ihm ab. Schnell eilte er zu Lepedias und gemeinsam gelang es ihnen Jolena in die Höhe zu ziehen. Oben angekommen schlang sie weinend ihre Arme um den Hals von Lepedias, der sie zu trösten versuchte. Noch einmal meldete sich die Stimme in Dalnas.
Das hast du nun davon.

Es dauerte einige Zeit, bis sie nach diesem Schock weitergehen konnten. Zum Glück wurde der Weg bald darauf deutlich besser. Mehr noch: Gegen Abend waren sie bereits am Abstieg vom Pass. Am nächsten Morgen würden sie die Ebene erreichen und könnten von dort aus ihren Weg fortsetzen. Beinahe beschwingt verbrachten sie ihre letzte Nacht in den Bergen.

In der Ebene kamen sie gut voran. Sie ließen sich, trotz der Gefahr erkannt zu werden, immer wieder auf Karren mitnehmen. In einem kleinen Dorf konnte Lepedias mit seinen Tricks etwas Geld verdienen und so hatten sie genug um die Nacht in einem Gasthaus zu verbringen. Von der Inquisition war weit und breit keine Spur zu sehen.
So erreichten sie nach einer weiteren Woche scheinbar unbemerkt die Tore von Titanfels. Ein Schatten in einer kleinen Nebengasse wartete bereits auf sie.

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BeitragVerfasst: 6.05.07, 17:54 
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Im Zeichen der Rose

Es war nicht schwer den Tempel zu finden, der das Zentrum der Stadt dominierte. Trotz seines Alters war er in einem bemerkenswerten Zustand, wie Dalnas fand. Lepedias erklärte im darauf, dass an dem Tempel beinahe ununterbrochen gebaut werden würde. War man an einem Ende fertig, so begann die Arbeit am anderen Ende von neuem. Und tatsächlich: An der Westseite des Gebäudes sahen sie einige Holzgerüste, auf denen Menschen wie Ameisen umherwuselten. Arbeitsgeräusche tönten über den ausgedehnten Marktplatz zu ihnen hinüber.
Dalnas fasste neuen Mut. Noch waren sie keinem Diener der Inquisition begegnet. Offenbar hatten sie es tatsächlich geschafft vor ihnen hier einzutreffen.

„Wie geht es nun weiter?“, frage Jolena an seiner Seite. Hilflos zuckte der junge Anwärter mit den Schultern.

„Hegos sagte, dass wir im Tempel suchen sollten. Also schätze ich, dass wir dort hin gehen sollten. Vielleicht wissen die Geweihten dort ja etwas.“

„Meinst du nicht, dass sie uns an die Inquisition verraten könnten?“

Dalnas sah sich nochmals prüfend um, dann schüttelte er den Kopf.

„Nein, ich denke nicht. Wenn die Inquisition schon hier gewesen wäre, dann hätten wir es längst bemerkt. Und ich habe nicht vor hier zu bleiben bis sie eintreffen. Wenn sie der Inquisition also etwas verraten, dann sind wir schon längst über alle Berge – hoffe ich.
Wenn wir sie andererseits nicht fragen, dann müssen wir uns selbst auf der Suche nach einer Spur machen. Sieh dir den Tempel doch einmal an. Er ist riesig. Selbst wenn man uns erlauben würde ihn zu durchsuchen – was ich für unwahrscheinlich halte – würde des der Suche nach der Nadel im Heuhaufen gleichen. Deshalb müssen wir es wohl einfach wagen.“

Jolena wusste auf diese Argumente nichts zu erwidern. So standen sie wenig später im Vorraum des Tempels, wo sie von einem Novizen Astraels freundlich begrüßt wurden.

„Willkommen im Tempel der heiligen Viere zu Titanfels! Ihr seht aus, als währet ihr weit gereist. Seid ihr wegen des Tempels gekommen? Es handelt sich dabei um einen der ältesten Tempel in ganz Galadon.“

„Vitama zum Gruße, ehrwürdiger Novize. Ja, wir sind in der Tat wegen des Tempels hier. Man berichtete uns von seinem Alter und...“, ergriff Dalnas das Wort, wurde aber sogleich von dem geschwätzigen Novizen unterbrochen.

„Oh wunderbar, wunderbar! Ja, ich sehe gleich, dass ihr euch für Architektur interessiert. Ihr werdet euch sicher schon gefragt haben, warum der Tempel trotz seines Alters so gut aussieht. Wir geben uns Mühe ihn im besten Zustand zu halten – natürlich zu Ehre der Viere! Über die Jahrhunderte hinweg wurde er ständig vergrößert. Deshalb könnt ihr hier auch jegliche Bauformen seit dem Ende der Amulettkriege bestaunen. Interessiert ihr euch vielleicht für den Iamesstil? Der Ostflügel wurde in der Zeit von König Sazana dem I. errichtet. Ihr solltet euch unbedingt das Gewölbe dort ansehen. Die geschwungenen Formen aus dieser Zeit erinnern an die Lieblichkeit Vitamas. Oder interessiert ihr euch gar für den Raanstil? Wenn ja, dann müsst ihr unbedingt die Krypta besuchen. Sie zählt zu den ältesten Teilen des Tempels. Mir persönlich sagt diese Bauform aber nicht zu. Ich finde die Formen zu hart und nüchtern. Ihnen fehlt jegliche Kunst. Ich tendiere mehr zu...“

„Danke, aber eigentlich interessieren wir uns nicht für Architektur...“, unterbrach Dalnas mühevoll den Redeschwall des Novizen.

„Nicht? Oh Schade...“

Der Diener Astraels wirkte nun sichtlich enttäuscht und ließ die Schultern hängen.

„Aber vielleicht könntet ihr uns trotzdem helfen.“

„Wirklich?!“, ein Hoffnungsschimmer zeigte sich in seinen Augen.

„Ja. Wir sind auf der Suche nach Hinweisen über einen Ort, der sich Rosenhain nennt.“

Der Mann in der blauen Robe schürte die Lippen. „Also wenn ihr auf der Suche nach Blumen seid, kann ich euch gern eine Dienerin Vitamas holen. Sie kennen sich in solchen... Dingen... besser aus.“

„Es hat nichts mit Blumen zu tun. Na ja, irgendwie schon, aber nicht mit gewöhnlichen. Habt ihr denn noch nie von diesem Ort gehört? Oder von einem Artefakt das sich Rosenblut nennt?“

Der Novize schüttelte hilflos dreinblickend den Kopf.

„Wisst ihr denn, wer uns da weiterhelfen könnte?“

„Vielleicht Vater Uteckles... aber er befindet sich zusammen mit den anderen Tempeloberen auf einer Reise nach Draconis.“

„Und sonst? Ist denn sonst niemand hier?“

Wieder ein leichtes Kopfschütteln des Diener Astraels. „Nein. Nur zwei Geweihte Bellums und eine Geweihte Vitamas. Aber Geschichte ist nicht gerade ihre Stärke...“

Verzweifelt rieb sich Dalnas über sein Gesicht. Sollten sie den ganzen Weg umsonst gegangen sein?

„Hat der Tempel denn eine Bibliothek?“, fragte Jolena an seiner Seite.

„Natürlich hat sie das!“

„Könnten wir vielleicht einen Blick dort hineinwerfen?“

Das Gesicht des Novizen versteinerte sich. „Die Bibliothek fasst bedeutende Werke der galadonischen Geschichte. Nur Gelehrten oder Dienern ab dem Rang eines Geweihten ist der Zutritt erlaubt. Nicht auszudenken was für ein Schaden entstehen könnte, wenn man falsch mit diesen Büchern umgeht!“

Seufzend sah Jolena zu Dalnas, dieser nickte nur schwach und bedankte sich bei dem Novizen. Der sich sogleich an den Mann wendete, der gerade eben zur Türe herein kam. Jener schien den Novizen zu kennen, denn er setzte einen genervten Gesichtsausdruck auf.
Gemeinsam verließen die drei Reisenden wieder den Tempel.

„Und was machen wir jetzt?“, fragte Jolena und ließ ihren Blick über den Markt schweifen.

„Also ich weiß nicht was ihr macht, doch ich werde mich jetzt erst einmal umhören, wo wir in dieser Stadt einen Schlafplatz finden.“, meinte Lepedias, der bislang geschwiegen hatte.

„Ist gut, Lepedias. Wir treffen uns zum kommenden Dunkelzyklus wieder hier. Ich glaube ich habe eine Idee wo wir mit der Suche beginnen.“

Seine Mitreisenden sahen Dalnas überrascht an.

„Und wo?“, platzte es aus Jolena hervor.

„Habt ihr dem Novizen nicht zugehört? Er sagte die Krypta sei der älteste Teil des Tempels. Wenn wir also eine Spur finden, dann dort.“

So trennten sich die drei. Während Lepedias in dem dichten Gedrängel auf dem Markt verschwand, betraten die beiden Diener Vitamas wieder den Tempel. Zum Glück schien der Novize Astraels gerade mit etwas anderem beschäftigt zu sein, denn von ihm war keine Spur zu sehen. So betraten sie kurz darauf unbehelligt die Krypta.
Dunkel und stickig war es dort unten. Die Luft war erfüllt von dem Rauch der Fackeln, die alle paar Schritte an der Wand aufgehängt waren. In den Wänden befanden sich immer wieder Nischen, in denen schwere Steinsärge aufgestellt waren. Die beiden folgten dem Gang, bis sie in einen großen Raum gelangten. Er fungierte wohl als Andachtsraum, denn überall waren Bänke aufgestellt. Zu allen Seiten führten Gänge in weitere Räume. Hilflos sah Dalnas sich um. Wo könnte hier wohl ein Hinweis auf Rosenhain versteckt sein?
Sie einigten sich darauf die anderen Räume im Uhrzeigersinn abzusuchen. Doch schon bald zeigte sich, dass es aussichtslos war in dem Gewirr der Gänge etwas zu finden. Schließlich kamen sie in den Andachtsraum zurück und ließen sich erschöpft auf eine der Bänke sinken. Nachdenklich betrachtete Dalnas die Wand vor sich, auf dem ein Relief eine Szene aus irgendeiner Legende darstellte. Irgendetwas störte ihn an diesem Bild, aber er wusste nicht was. Langsam erhob er sich und trat an die Wand heran.

„Was ist?“, frage Jolena hinter ihm.

Der Anwärter betrachtete die dargestellte Szene nun genauer. Auf der einen Seite sah man die Fratze eines Dämons, halb vom Schatten verdeckt. Ihm gegenüber stand ein Ritter in voller Rüstung, Schwert und Schild zum Angriff erhoben. Und auf dem Schild prangerte eine Rose.

„Dieses Wappen hier... die Rose... sie kommt mir bekannt vor.“

Er streckte seine Hand aus und befühlte vorsichtig die Kanten des in den Stein gehauenen Wappens.

„Hier sind feine Ritzen, als ob...“

„Als ob was? Dalnas, was machst du?!“

Vorsichtig drückte der junge Mann mit seinem Daumen auf die Rose. Zuerst schien es, als hätte er sich getäuscht, doch dann gab der Stein nach und ließ sich schabend in die Wand schieben. Er hörte ein leises Klicken, dann begann sich das Wandbild schabend zur Seite zu schieben und legte einen finstren Gang frei. Hinter sich hörte Dalnas Jolena erschrocken einatmen. Kurz entschlossen ging er zur nächsten Wand und nahm sich eine der Fackeln aus der Wandhalterung.

„Komm, ich glaube wir sind auf dem richtigen Weg.“

Vorsichtig betraten die beiden den Gang. Sie mussten sich ihren Weg durch mehrere Spinneweben bahnen. Doch dann, nach vielleicht hundert Schritt, erreichten sie endlich eine kleine Kammer. In der Mitte stand ein großer steinerner Altar, der dick mit Staub bedeckt war. Interessiert betrachtete Dalnas die bemalten Wände, während Jolena sich dem Sockel zuwendete. Was er sah, ließ ihm den Atem stocken. Zunächst sah er eine wunderschöne Frau, deren Gesicht nicht ausgemalt worden war. Dabei musste es sich um Vitama handeln, die in einem Garten wandelte. Besonders hervorgehoben war ein Rosenbusch. In der nächsten Szene hatte die Frau eine einzelne Rose von diesem Busch gepflückt und hob sie zur Nase. Deutlich sah man, wie ein Dorn der Rose in ihren Finger stach. Darauf wurden die Bilder dunkler und verworrener. Man sah Blitze und Überschwemmungen, feuerspeiende Berge und Erdbeben. Doch alle Bilder hatten eines gemeinsam: In ihrer Mitte war der Schatten eines Menschen abgebildet. Dalnas hatte Mühe seinen Blick von diesem Schatten zu lösen, als Jolena nach ihm rief.

„Hier Dalnas, sieh dir das einmal an!“

Mit ihrem Ärmel hatte sie den Altar vom gröbsten Staub befreit. Darunter war ein weiteres Relief zum Vorschein gekommen. Als der Anwärter heran trat, erkannte er, dass es sich dabei um eine Karte Tares handelte. Die großen Gebirge waren als leichte Erhebungen dargestellt, die Flüsse und Seen als Vertiefungen. Hier und da war ein Namen in den Stein gehauen worden. Doch ganz besonders tat sich das Bild einer Rose hervor, die etwas weiter nördlich von Titanfels gelegen war. Es bestand kein Zweifel: Das musste der Standort von Rosenhain sein. Er wollte sich schon zu Jolena herumdrehen und sie freudig in die Arme schließen, als der Gang vor ihnen plötzlich mehrere vermummte Gestalten ausspuckte. Noch bevor er reagieren konnte, versetzte ihm eine der Personen einen Schlag auf den Kopf. Während ihm langsam schwarz vor den Augen wurde, konnte er noch sehen wie es Jolena neben ihm nicht anders erging. Dann umfing ihn die Dunkelheit...

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BeitragVerfasst: 13.05.07, 19:39 
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Der Abgesandte des Gottkönigs

Das erste was er wieder bewusst wahrnahm war das dumpfe Pochen im Kopf, dicht gefolgt von den stechenden Kopfschmerzen. Nur langsam kam seiner Erinnerung zurück. Er wagte es noch nicht die Augen zu öffnen, also ertastete er zunächst vorsichtig sein Umfeld. Offenbar lag er auf einem Bett. Schließlich wagte er es doch die Augen zu öffnen und wurde prompt dafür bestraft. Obwohl der Raum in dem er sich befand nur von einer einzelnen Kerze erhält wurde, brannte sich das Licht in seine Netzhaut. Es brauchte einige Zeit, bis er sich daran gewöhnt hatte. Als nächstes prüfte er vorsichtig seinen Körper. Es schien noch alles heil zu sein, bis auf die dicke Beule an seinem Hinterkopf. Ein vorsichtiger Druck darauf ließ ihn scharf die Luft einziehen.
Eine halbe Ewigkeit später fühlte er sich stark genug, sie im Bett aufzusetzen. Seine Augen hatten sich mittlerweile an das Licht gewöhnt und so konnte er seine Umgebung genauer untersuchen. Er befand sich in einem kleinen Raum ohne Fenster. Die Wände waren aus großen Steinklötzen zusammengesetzt. Neben dem Bett gab es nur einen kleinen Tisch, auf dem die Kerze brannte. Daneben stand ein Teller mit Brot und ein Krug. An der Wand gegenüber befand sich eine schwere beschlagene Holztüre, die sich in diesem Augenblick öffnete.
Instinktiv wich er etwas zurück, als eine große dunkle Gestalt in den Raum eintrat. Trotzdem hatte er keine Angst. Angesichts der Tatsache, dass er gewaltsam aus einer geheimen Kammer entführt worden war und die Inquisition ihn verfolgte, erschien ihm das ungewöhnlich. Doch ganz im Gegenteil: Abgesehen von den Kopfschmerzen ging es ihm gut. Er fühlte sich fast... heimisch.
Die dunkle Gestalt hatte inzwischen die Türe wieder hinter sich geschlossen und stand nun einfach da. Ihr Blick schien wachsam, aber Dalnas konnte keine hinterlistigen Gedanken darin erkennen. Und noch etwas fiel ihm auf: Irgendwoher kannte er diese Person. Dieser Blick... die dunkle Haut... da fiel es ihm wie Schuppen von den Augen: Vor ihm stand der Dieb vom Marktplatz in Falkenstein, mit dem dieses ganze Unglück seinen Anfang genommen hatte. Fassungslos starrte er den Mann an.

„Scheinbar erkennt ihr mich, Ashrum Mahid.“, sagte der Fremde mit einer tiefen Stimme und setzte ein kantiges Lächeln auf. Lässig lehnte er sich an die Türe.
„Es freut mich zu sehen, dass ihr erwacht seid. Bitte verzeiht mir die Unannehmlichkeiten, aber wir hatten nicht viel Zeit und wollten uns nicht auf lange Diskussionen einlassen. Außerdem waren wir uns nicht sicher, wie gefestigt euer Glaube ist.“

Noch immer starte Dalnas den Mann an. Was hatte das alles zu bedeuten? Er versuchte seine Gedanken zu ordnen. Schließlich entschloss er sich dafür, dass es das wichtigste wäre, zunächst herauszufinden wo er sich befand.

„Wo bin ich hier? Was mache ich hier? Und wer seid ihr? Und warum nennt ihr mich so?“

Ein raues Lachen erschall aus dem Hals des Fremden.

„Langsam, langsam, Ashrum Mahid. Ich will all’ eure Fragen beantworten, aber schön nacheinander. Zunächst muss ich mich wohl vorstellen. Man nennt mich Arum, oder auch Schatten. Und ja, ich bin jener, den ihr auf dem Markt in Falkenstein gesehen habt, wie ich dieses Problem beseitigen wollte. Leider habt ihr mir da einen Strich durch die Rechnung gemacht. Aber macht euch deswegen keine Sorgen, zu diesem Zeitpunkt wusstet ihr es ja noch nicht besser.“

Er legte eine kurze Pause ein und wartete offenbar darauf, dass Dalnas etwas erwiderte, doch dieser war immer noch zu verwirrt. Als die erwartete Entgegnung ausblieb, zuckte Arum mit den Schultern und sprach weiter.

„Eure anderen Fragen sind etwas schwerer zu beantworten, da sie unmittelbar zusammenhängen. Deshalb werde ich euch zunächst eine Geschichte erzählen:
Am Ende der Amulettkriege erhielt ein Priester des Gottkönigs eine Vision. Sie erzählte von der Mutter des Gottkönigs, wie sie durch einen Garten wandelte und in ihrer überheblichen Art eine Rose pflückte. Wie sie es verdient hatte, stach sie sich an dieser Rose in den Finger. In diesem Moment erblickte sie die Zukunft. Sie sah einen Mann, der über die Gewalten der Natur gebot. In ihrer Naivität begriff sie nicht, dass es sich dabei um einen Abgesandten ihres ungeborenen Sohnes handelte. Sie war eifersüchtig auf diese Gestalt und so erschuf sie einen mächtigen Geist, den Wächter. Das Artefakt, dass durch ihre Macht entstanden war und diesen Mann hervorbringen sollte, versteckte sie. Der Priester des Gottkönigs begriff die Tragweite dieser Vision. So rief er einen Bund ins Leben, der sich der Auffindung dieses einen Mannes verschrieb. Auch sollte der Bund ihn vor dem Wächter beschützen, der den Auserwählten zweifellos jagen würde.
Ich denke ihr kennt diese Geschichte nach eurem Besuch bei dem Magier im Dabusgebirge, wenn auch in einer anderen Fassung. Natürlich erfuhr Vitama von der Vision des Priesters und gab so gleichzeitig eine andere Fassung an ihre Jünger weiter. Wie immer glaubten sie blind ihren Lügen und folgten ihren Worten.
Das ist auch schon die Erklärung für den Namen, den ich euch gab: Ashrum Mahid – die Pforte des Herren. Ihr seid das Tor, durch das der Gottkönig zu uns spricht. Und deshalb seid ihr hier in unserer Zuflucht am Rande von Titanfels. Wir werden euch vor dem Wächter und den Jüngern der Viere beschützen, damit ihr die Worte des Herren verbreiten könnt.“

Er verstummte und betrachtete Dalnas, der völlig verwirrt auf dem Bett saß. Er sollte ein Abgesandter des Einen sein? Wie sollte das möglich sein? Er war ein Anwärter Vitamas! Sein ganzes Leben lang hatte man ihn im Glauben an sie erzogen. Er hatte gelernt selbstlos zu sein. Und nun erzählte man ihm, dass er nicht einfach nur an die falsche Gottheit geglaubt hatte, sondern sogar ein Abgesandter des Gottes des Bösen war. Doch so unglaublich es war, irgendetwas regte sich in ihm. Die leise Stimme, die er in letzter Zeit immer öfter gehört hatte, meldete sich wieder zu Wort: War es nicht genau das, was er verdient und immer gewollt hatte? Er war etwas besonderes! Nicht nur ein einfacher namenloser Anwärter in einem Tempel am Rande des galadonischen Reiches, nein... ein Diener des Einen selbst! Und er hatte Macht, viel Macht. Diese Leute hier verboten ihm nicht sie zu nutzen, sie baten ihn darum. Sie wussten ihn zu schätzen, brachten ihm Respekt entgegen.
Nach all’ der Zeit des Zweifelns war diese Erkenntnis für ihn eine Erleuchtung. Warum sollten ihm die Götter diese Macht schenken, wenn er sie nicht verwenden sollte? Sie hatten gewollt, dass er sie verwendet. Er war der Abgesandte des Gottkönigs. Sollte dieser Wächter doch kommen... er würde ihn zerquetschen!

Lächelnd beobachtete Arum die Veränderung, die in dem jungen Mann vorging. Er hatte ihn lange verfolgt und war stets wie ein Schatten an ihm geklebt. Leider hatte er ihn aus den Augen verloren, nachdem er den Magier am Fuße des Dabusgebirges umgebracht hatte, bevor dieser den Trotteln von der Inquisition alles erzählen konnte. Umso mehr hatte er sich gefreut, als er ihn später in Titanfels ankommen sah.
Die anderen hatten Zweifel geäußert, als er ihnen von ihm erzählte hatte. Doch die Anzeichen waren deutlich gewesen. Hieß es in der Prophezeiung nicht „Wenn der Frieden stirbt, wird ein Sohn der Hure das Zeitalter des Gottkönigs bringen.“? Und waren Tauben nicht ein Zeichen des Friedens? Und doch schien der Sitzende noch so jung und naiv. Er kam ihm vor wie ein Stück ungeformtes Eisen. Eisen, dass durch seine Hände geformt werden würde. Wenn er ihm gut zuredete, konnte er sich vielleicht zum Stellvertreter des Abgesandten aufschwingen. Vor ihm lagen goldene Zeiten.

„Wo ist meine Begleiterin?“, frage Dalnas plötzlich.

„Die? Was wollt ihr mit dieser Vitamahure? Wir haben sie in einen Raum gesperrt. Sie erwartet nur noch euren Richtspruch. Ich empfehle euch etwas langsames und qualvolles.“

„Etwas langsames und qualvolles?“

„Wie sie sterben soll, meine ich.“

Dalnas sah ihn geschockt an. Er sollte Jolena zum Tode verurteilen? Doch da meldete sich wieder die leise Stimme in ihm. Warum eigentlich nicht? Sie hatte seine Kräfte nicht zu schätzen gewusst. Stattdessen hatte sie sich an diesen Lepedias geworfen.
Seine ganze Enttäuschung über die nicht erwiderte Liebe kam zu Vorschein und bündelte sich in einer Welle aus Wut und Zorn auf Jolena. Sie war an allem Schuld, dafür gab es nun keinen Zweifel mehr. Sie hatte die ganze Zeit nur mit ihm gespielt und ihn wie ein Stück Dreck behandelt. Sollte sie sterben!

Wieder lächelte Arum. Alles verlief genau so wie in der Prophezeiung beschrieben: „Die Liebe muss sterben, um den gerechten Zorn zu gebären.“

„Wir haben für heute Abend ein kleines Ritual vorbereitet, um eure Ankunft gebührend zu feiern, Ashrum Mahid. Das wäre der richtige Zeitpunkt zum Vollzug eures Urteils.“

Dalnas nickte. „So soll es sein.“

Kurz darauf verließ Arum das Zimmer und Dalnas entschied, sich noch ein wenig hinzulegen. Doch der Schlaf wollte nicht kommen, dazu war er zu aufgewühlt. Immer wieder drehten sich seine Gedanken um die Worte des Mannes und um Jolena. Schließlich fiel er in einen unruhigen Schlaf.
Wie lange er geschlafen hatte, konnte er nicht sagen, aber als er erwachte, stand Arum neben seinem Bett. Er sagte ihm, dass alles für das Ritual vorbereitet sei und sie nur noch auf ihn warten würden. Davor sollte er sich jedoch etwas frisches anziehen. Er hatte dafür einige Kleider besorgt. Neugierig betrachtete Dalnas sie. Sie war in einem dunklen Rot gehalten. Als Arum das Zimmer verlassen hatte, zog er sich schnell um. Der Stoff schmeichelte seiner Haut. Staunend stellte er fest, dass es sich dabei um Seide handelte. Sein neues Leben als Abgesandter des Gottkönigs begann ihm langsam zu gefallen.
Er öffnete die Türe und trat zu Arum, der auf ihn gewartet hatte. Dieser führte ihn durch ein verworrenes Geflecht von Gängen. Er erzählte ihm dabei, dass die Unterkunft unter einer alten Ruine am Stadtrand von Titanfels liegen würde. Die Stadtbewohner glaubten, dass die Ruine verflucht sei und erzählten von Geistern – was mehr oder weniger auch stimmte, wie Arum mit einem stolzen Lächeln hinzufügte. Sollte sich doch einmal jemand hier her verirren, dann verschwand er spurlos. So hatten sie ihre Ruhe und in den letzten hundert Jahren war ihnen bisher noch niemand auf die Schliche gekommen.
Schließlich erreichten die beiden einen größeren Raum, der mit Menschen gefüllt war. Dalnas schätzte die Ausmaße auf etwa 50 mal 50 Schritt. Das Raunen, dass sie schon von weitem gehört hatten, verstummte Augenblicklich als er eintrat. Alle Augen waren auf ihn gerichtete und eine Gasse öffnete sich. Sie gab den Blick auf einen erhöht stehenden Altar frei, auf den Jolena gebunden worden war. Während Arum den Abgesandten nach vorne führte, flüsterte er ihm leise ins Ohr:

„Ich habe mir die Freiheit genommen, die Pläne etwas zu ändern. Ich denke es ist ein gutes Zeichen für meine Brüder, wenn eure Ankunft mit einem Opfer für den Gottkönig beginnt. Ich hoffe ihr werdet mir dies verzeihen.“

Dalnas nickte nur schwach. Als er Jolena so dalagen sah, geknebelt und verzweifelt an ihren Fesseln ziehend, überkamen ihn leise Zweifel. Doch er tat sie schnell als Überbleibsel seines alten Lebens ab. Sie hatten nun keine Bedeutung mehr für ihn. Er würde dem Gottkönig die Ehre erweisen und ihm so seinen Dank für die Gabe zollen. Außerdem brauchten diese Männer ein Zeichen, das fühlte er deutlich.
Vorne angekommen, drückte ihm Arum ein Opfermesser in die Hand und erhob dann sein Wort.

„Willkommen, Brüder und Schwestern im rechten Glauben! Seid froh, denn der Abgesandte des Gottkönigs ist gekommen. Er wird das Reich unseres Herren errichten und unser Anführer sein. Als Beweis dafür, wird vor euren Augen die letzte Strophe der Prophezeiung in Erfüllung gehen: Die Liebe wird sterben, um den gerechten Zorn des Gottkönigs zu gebären!“

Dann wandte er sich Dalnas zu und nickte ihm auffordern zu. Dieser packte das Messer mit beiden Händen und hob es auf seinem Kopf. Er spürte die gespannte Aufregung, welche die Leute vor ihm erfasst hatte. Die Worte Arums hallten ihm in den Ohren nach. Die Liebe wird sterben. Sein Blick fiel auf das Gesicht Jolenas, die ihn aus schreckensweiten Augen ansah. Ein stilles verzweifeltes Flehen lag darin, doch dafür hatte er in seinem Herzen keinen Platz mehr. Der Griff um den Dolch verfestigte sich, dann stieß er hinab.
Die Zeit schien wie in Zeitlupe zu vergehen. Er sah wie das Messer seine glänzende Bahn durch die Luft zog. Wieder hörte er Arums Worte in seinem Kopf. Die Liebe wird sterben. Plötzlich sah er Jolena vor sich, wie er ihr am ersten Tag begegnet war. Seine Eltern hatten ihn im Tempel abgegeben und er hatte sich furchtbar allein gefühlt. Während er von einer Geweihten herumgeführt wurde, hatte er in einem der Klassenräume Jolena gesehen, wie sie da saß und sich kichernd mit ihrer Nachbarin unterhalten hatte. Er hatte sie damals schon schön gefunden, doch mit der Zeit war daraus mehr geworden. Sein Herz hatte immer einen kleinen Hüpfer gemacht, wenn er ihr einmal über den Weg gelaufen war. Dann war diese Sache mit Rosenblut passiert und obwohl er ihr seine Liebe nie gestanden hatte, war er durch die Wüste Endophals gezogen, um ihr zu helfen.
Etwas in ihm veränderte sich. Die leise Stimme, die bis eben noch in seinem Kopf von seiner prachtvollen Zukunft erzählt hatte, war verstummt. Stattdessen war etwas anderes an ihre Stelle getreten: etwas warmes und helles. Und plötzlich sah er klar. Kurz bevor der Dolch Jolena berührt, lenkte er ihn ab und er bohrte sich tief in das Holz des Altars anstatt in ihr Fleisch.
Der Augenblick verging und die Zeit begann wieder schneller zu fließen. Die Menge schien noch nicht begriffen zu haben, was geschehen war, denn einige begannen zu Jubeln und den Gottkönig zu preisen. Arum, der neben ihm stand und alles beobachtet hatte, starrte den Dolch an. Er schien verwirrt, als Dalnas sich zu ihm herumwendete.

„Nein.“, war alles was er sagte. Dann warf er sich auf die zitternde Jolena und flüsterte ihr leise ins Ohr: „Vertrau mir und mach die Augen zu.“

Sie gehorchte ihm ohne Widerrede. Arum streckte seine Hand aus, um nach dem Opferdolch zu greifen. Wieder einmal öffnete Dalnas das kleine Türchen in ihm und ließ den dort eingeschlossenen Kräften freie Bahn. Schlagartig ging die Luft über Dalnas in Flammen auf. Ein Feuerwalze bahnte sich ausgehend vom Altar den Weg durch den Raum. Jeder der von ihr erfasst wurde, ging sofort in Flammen auf. Gequälte Schreie hallten durch den Raum, dann war alles vorbei. Ruhe kehrte in den Raum ein. Kleine Haufen von Asche war das einzige, was von den Menschen und Möbeln in diesem Raum zeugte. Einzig der Altar mit Jolena und Dalnas waren unversehrt geblieben.
Mit zittrigen Händen nahm er ihr den Knebel aus dem Mund. Sie schien das ganze noch immer nicht verarbeitet zu haben, denn sie sah ihn nur stumm an. Doch Dalnas hatte so lange geschwiegen... er konnte nicht noch länger warten.

„Jolena, ich liebe dich.“

Dann küsste er sie sanft auf die Lippen. Zuerst zögerte sie, dann aber öffnete sie die ihren und erwiderte den Kuss. Leise flüsterte sie:

„Ich liebe dich auch.“

Schließlich löste sich die angestaute Spannung und sie vergrub weinend ihr Gesicht in Dalnas’ Schulter.

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Jagdgefährten

Nachdenklich sah Erasmus auf die vor ihm liegenden Landkarte hinab. Wo konnten sie nur sein? Er hatte fest damit gerechnet die Flüchtigen in der Hütte des Magiers vorzufinden. Doch niemand war dort. Es hatte einige Zeit gedauert, bis sie den Fluchttunnel gefunden hatten. Seitdem hatte er keine Spur mehr von ihnen. Selbst seine Späher waren erfolglos geblieben. Zornig rammte er seinen Dolch in das Holz des Tisches. Noch niemand hatte es geschafft ihm zu entkommen und er hatte nicht vor das nun zu ändern.
Er hatte ein Gasthaus an den östlichen Ausläufern des Dabusgebirge zu seinem Kommandoposten erwählt. Von hier aus konnte er innerhalb kürzester Zeit nach Titanfels oder Lafay’s Stab gelangen. In einer der beiden Städte mussten sie doch irgendwann auftauchen! Und wenn nicht? Wenn sie die großen Städte meiden würden? Oder waren sie vielleicht doch nach Westen gezogen? Nein, solche Zweifel durfte er sich nicht erlauben. Er war ein Inquisitor der Heiligen Viergöttlichen Kirche und von den Vieren selbst zu diesem Amt berufen. Er würde den Ketzer finden und läutern und wenn er ihm dafür über ganz Tare folgen müsste. Nicht umsonst hatte die Inquisition ein riesiges Netz von Spitzeln aufgebaut.
Mürrisch wandte er sich von dem Tisch ab und sah durch das milchige Fenster hinaus. Der Bellum rückte immer näher. Es wurde zusehends kälter und die Flüchtigen würden eine warme Unterkunft gebrauchen. Vielleicht sollte er die Dörfer rund um das Dabusgebirge durchsuchen lassen...
Während er noch so da stand und seinen Blick grübelnd über die Dächer des Dorfes schweifen lies, erregte ein Reiter seine Aufmerksamkeit, der die Dorfstraße herabgeprescht kam. Er zügelte sein Pferd vor dem Gasthof und verschwand dann, als er das Haus betrat, aus dem Blickfeld des Inquisitors. Kurz darauf klopfte es an seiner Türe. Zackig drehte er sich herum und bat den unerwarteten Gast herein. Der Reiter öffnete die Türe und salutierte.

„Den Hochheiligen Vieren zum Gruße, Inquisitor!“

Erasmus nickte ihm zu. „Ihnen zum Gruße. Kommt herein und schließt die Türe hinter euch.“

Der Mann tat wie Befohlen und nahm dann wieder Haltung an.

„Wer seid ihr und was wollt ihr?“

„Leutnant Begha von der dritten Brigade der Heiligen Viergöttlichen Inquisition, Herr. Ich bringe Kunde aus Titanfels.“

„Aus Titanfels? Lasst hören, Leutnant.“

„Ein Spion der Inquisition hat uns gemeldet, dass die gesuchten Ketzer in Titanfels angekommen sind, Herr. Wie es euer Befehl war, haben wir sie nicht festgesetzt. Sie stehen aber unter Beobachtung.“

Die Laune des Inquisitors verbesserte sich schlagartig. Offenbar konnte das doch noch ein ganz guter Tag werden.

„Das sind hervorragende Neuigkeiten, Leutnant. Lasst meine Männer zusammenrufen und die Pferde satteln.“

„Wie ihr wünscht, Herr.“

Der Leutnant salutierte nochmals und verließ dann im Laufschritt das Zimmer. Zufrieden zog Erasmus den Dolch aus dem Tisch und steckte ihn zurück in seinen Platz am Gürtel. Dann rollte er die Karte langsam zusammen. Diesmal würden sie ihm nicht entwischen. Hoffentlich hatten die Verantwortlichen vor Ort nicht die Geduld verloren und selbst versucht diesen Dalnas festzunehmen. Dies war ganz allein seine Aufgabe. Seine Beute.
Er griff nach seinem Reisegepäck, sah sich noch einmal prüfend im Raum um und stieg dann die Treppe zur Gaststube hinab. Auf der Treppe hinab stand ihm ein besoffen dreinblickender Bauer im Weg, den er ohne Rücksicht beiseite rempelte. Plötzlich war ihm schwummrig zu Mute. Mit Mühe taumelte er die letzten Stufen hinab und klammert sich dann am Treppengeländer fest. Einer seiner Soldaten eilte herbei und redete auf ihn ein, doch er verstand nicht was er ihm sagte. Langsam schloss er die Augen...
Der Wächter öffnete die Augen und sah sich träge um. Er hatte viel gelernt, seitdem der Zwerg ihn aus seiner Gefangenschaft im Berg befreit hatte. Oft musste er den Wirt wechseln. Die letzte Strecke war er in dem schwachen Körper eines alten Bauern gereist. Sein Geist war schwach gewesen und leicht zu kontrollieren. Doch diese Hülle war anders. Er spürte die starke Präsenz des Wesens. Sie wirkte vertraut auf ihn. Es war der Geist eines Jägers. Darauf ausgelegt seine Beute zu finden und zu erlegen – genau das was er die ganze Zeit über gesucht hatte. Noch einmal begehrte der Geist der Hülle auf, dann konnte er ihn ganz unterdrücken. Er griff auf die Erinnerungen der Hülle zurück. Auch das hatte er in den letzten Wochen gelernt. Inzwischen konnte er seine Wirte problemlos steuern. So hatte er Ehefrauen und Freunde getäuscht. Der Mann neben ihm redete immer noch auf seinen Wirt ein.

„Herr? Herr? Alles in Ordnung?“

Der Wächter übernahm auch noch Kontrolle über die restlichen Körperfunktionen und nickt dem Soldaten sachte zu.

„Danke Soldat. Vielleicht etwas zu viel von dem Wein.“

Als der Wächter weiter in die Gedanken des Mannes eintauchte, konnte er sein Glück kaum fassen – wenn er so etwas Glück empfinden hätte können. Sein Instinkt hatte ihn nicht getäuscht. Diese Hülle war auf der Jagd nach der selben Beute wie er. Und nicht nur das: Er schien auch ihren Aufenthaltsort zu wissen. Scheinbar war er gerade auf dem Weg dort hin gewesen.

„Sind die Pferde gesattelt?“, frage der Wächter den Soldaten mit Erasmus’ Stimme.

„Ja Herr, wir sind bereit.“

„Dann lasst uns reiten.“



---



Es dauerte einige Zeit bis Dalnas und Jolena ihren Weg aus der Zuflucht der Diener des Einen gefunden hatten. Sie waren auf ihrem Weg niemandem begegnet. Offenbar, waren alle Jünger in dem Raum gewesen um dem Ritual beizuwohnen. Nach ihrem Liebesgeständnis hingen nun beide ihren Gedanken nach und schwiegen. Erst als sie wieder den Marktplatz von Titanfels betraten, brach Jolena das Schweigen.

„Wir müssen Lepedias suchen.“

Dalnas nickte schwach. Doch wo anfangen? Die Stadt erschien ihm riesig und er war erschöpft. Schließlich kam ihnen der Zufall zur Hilfe. Sie schlenderten gerade die Straße entlang, als Dalnas durch eines der Fenster Lepedias Gesicht sah. Froh darüber, ihren Freund wiedergefunden zu haben, stürmten die beide in die Taverne. Als Lepedias sie sah, ließ er vor Schreck beinahe den Becher fallen und verschluckte sich obendrein. Schnell eilte Dalnas an seine Seite und klopfte ihm lachend auf den Rücken.

„Wir sind ja auch froh dich zu sehen, Lepedias.“

„Was? Wie? Wo kommt ihr denn her? Ich habe am Tempel auf euch gewartet, aber ihr kamt nicht. Da dachte ich schon ihr wärt ohne mich weitergezogen.“

„Das ist eine lange Geschichte... Wir werden sie dir auf dem Weg erzählen.“

„Auf dem Weg...?“, fragte ihr Reisegefährte beinahe schockiert. „Heißt das ihr wisst, wo sich Rosenhain befindet?“

„Hm na ja...“, Dalnas rieb sich über die Stirn. Die Erinnerung an seine Erlebnisse in der Krypta waren nur noch sehr schwach und verschwommen. Wenn er sich doch nur an die Karte erinnern könnte. Doch Jolena sprang für ihn ein.

„Ja, ich weiß es noch.“, meinte sie lächelnd.

Zufrieden nickte Dalnas. „Gut, dann sollten wir sofort...“

„Wollt ihr nicht erst etwas essen?“, unterbrach ihn Lepedias. „Ihr seht hungrig aus.“

„Du weißt doch...“, Dalnas beugte sich noch etwas näher an ihn heran. „Die Inquisition...“

Lepedias wurde noch etwas bleicher im Gesicht. „Die Inquisition ja... aber wenn ihr vor Hunger umkippt, brauchen sie uns nicht mehr zu verfolgen, nicht wahr?“

Da musste der junge Mann seinem Begleiter recht geben. Schließlich hörte er auf seinen Magen und gemeinsam mit Jolena setzte er sich an den Tisch.

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BeitragVerfasst: 29.05.07, 18:08 
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Rosenhain

Am nächsten Tag brachen sie Richtung Norden auf. Die Torwache lies sie ungehindert passieren, was sie neuen Mut schöpfen lies. Nun da er wusste wo Rosenhain lag, wurde Dalnas zunehmend nervöser. Das Ende der Reise kam mit jedem Schritt näher. Doch ein Teil in ihm sträubte sich dagegen.
Seit den Ereignissen im Versteck der Diener des Einen hatte die leise Stimme in seinem Inneren zwar geschwiegen, aber er spürte noch deutlich ihre Präsenz. Es bedurfte nicht viel und sie würde wieder hervorbrechen, das wusste er. Nur die Liebe zu Jolena verhinderte schlimmeres, wie ihm inzwischen klar geworden war.
Lächelnd sah er zu der Rothaarigen, die neben ihm lief. Sie erwiderte sein Lächeln und drückte ihm flüchtig einen Kuss auf die Wange. Dann blickte Dalnas wieder gedankenverloren nach vorn.
Am ehesten konnte man es wohl mit einer Waage vergleichen. Auf der einen Seite war die Verlockung der Macht, die in ihm wohnte. Auf der anderen Seite lagen seine Gefühle für Jolena. Derzeit schwankte die Waage hin und her, aber wie lange würde das noch so bleiben?

Auf ihrem Weg nach Norden kamen sie gut voran. Sie folgten der Handelsstraße nach Borast. Um diese Jahreszeit war nicht mehr so viel los auf den Straßen wie im Astrael und so war die Gefahr erkannt zu werden gering. Sie durchquerten mehrere kleinere Dörfer und Abends schliefen sie in einem Rasthaus. Es schien als hätten sie die Inquisition entgültig abgehängt. Vielleicht waren sie auch auf die Zuflucht der Diener des Einen gestoßen und dachten sie wären im Feuer umgekommen, wie Dalnas heimlich hoffte.

Als er am Morgen des zweiten Tages nach ihrem Aufbruch aus Falkenstein aufstand, war ihm komisch zu Mute. Wenn die Karte in der Krypta gestimmt hatte, dann mussten sie Rosenhain jetzt schon sehr nahe sein. Doch wie fand man etwas, das unsichtbar zu sein schien? Warum sollten gerade sie den Weg zu dem Ort finden, den schon so viele vor ihnen vergeblich gesucht hatten? Er trat an das einzige Fenster ihres kleinen Zimmers heran. Hinter ihm schliefen Lepedias und Jolena noch friedlich in ihren Betten.
Der Wirt hatte ihm gestern Abend gesagt, dass sie innerhalb eines Tagesmarsches den Fluss erreichen würden, der von dem kleinen Gebirge im Westen in den Warsee floss. Er konnte sich erinnern diesen Fluss auf der Karte gesehen zu haben. Der Schrein war deutlich auf dieser Seite des Gewässers eingezeichnet gewesen. Er hätte wohl noch weiter gegrübelt, wenn er in diesem Augenblick nicht leise Schritte von hinten gehört hätte. Im nächsten Moment legten sich Arme um seine Taille und er spürte einen warmen Atem im Nacken.

„Schon wach?“, flüsterte Jolena leise.

Lächelnd drehte er sich herum und schloss sie ebenfalls in die Arme.

„Ich konnte nicht schlafen... ich denke wir sind Rosenhain jetzt sehr nahe.“

Verstehend nickte sie. „Möchtest du aufbrechen?“

„Ja... ich denke wir sollten das so schnell wie möglich hinter uns bringen.“

„Gut, dann werde ich Lepedias wecken.“

Eine kleine Mahlzeit später verließen sie das Gasthaus und setzten ihren Weg auf der Handelsstraße fort.
Als sie gegen Mittag ein Waldstück durchquerten, verspürte Dalnas ein seltsames Kribbeln im Körper. Jolena, der das nicht entgangen war, wollte wissen was los sei, doch er schüttelte nur den Kopf und ging weiter. Keine zehn Schritte später fühlte er auf einmal einen unheimlichen Sog auf sich wirken. Es war als würde er in einem Fluss mit starker Strömung baden. Und die Strömung riss ihn geradewegs in den Wald hinein. Seine Begleiter hatten Mühe ihm zu folgen. Je weiter er in den Wald vordrang, umso stärker wurde der Sog und umso schneller seine Schritte. Er achtete schon gar nicht mehr auf die Äste, die sich in seiner Kleidung verfingen und durch sein Gesicht kratzten. Nun rannte er beinahe durch das dichte Gestrüpp. Ab und zu stolperte er über eine Wurzel, doch es schien als würde der Sog ihn sogar am Hinfallen hindern.
War da vorne nicht Licht? Tatsächlich, kurz darauf brach er durch die Büsche und trat auf eine helle Lichtung hinaus. Wenig später kamen auch Lepedias und Jolena hinzu. Doch was sie sahen, enttäuschte sie: Keine Spur von einem Schrein, nicht einmal eine einzelne Rose war zu sehen. Seufzend lies Dalnas die Schultern hängen. Sobald er seinen Fuß auf die Lichtung gesetzt hatte, war der Sog verschwunden. Was nun? Hatte er sich alles nur eingebildet? Seine rothaarige Begleiterin legte ihm tröstend die Hand auf die Schulter.

„Rosenhain ist schon lange nicht mehr gefunden worden... vielleicht ist es über die Zeit hinweg einfach verfallen? So wie mit alten Häusern, die leer stehen...“

Schwach schüttelte der junge Mann den Kopf. „Nein, das darf nicht sein. Wenn Rosenhain nicht mehr ist, wie soll ich dann jemals wieder ein normales Leben führen?“

„Vielleicht ist Rosenhain ja einfach nur nicht hier?“, meinte Lepedias.

„Aber ich habe diesen Sog gefühlt... so als würde mich etwas hier her ziehen...“

Nachdenklich trat Dalnas weiter auf die Lichtung hinaus. Blinzelnd sah er zur Seite. Hatte er nicht gerade im Augenwinkel ein Stück Mauer gesehen? Nein, da war nichts. Und da am Baum war doch eben noch ein großer Rosenbusch gewesen? Hektisch sah Dalnas hin und her.

„Hier ist irgendetwas...“

Seine Begleiter warfen sich einen skeptischen Blick zu. War der Anwärter Vitamas nun verrückt geworden? Doch dieser ließ sich durch die skeptischen Blicke nicht beirren. Einer Intuition folgend ging er in die Hocke und strich mit seiner Hand durch das trockene Gras. Als seine Hand die Erde berührte, begann sich die Lichtung zu verändern. Wie aus dem Nichts schienen Mauern aus dem Boden zu wachsen, Büsche rankten sich in die Höhe und die Lichtung wurde in ein goldenes Licht eingetaucht. Als die Verwandlung abgeschlossen war, stand Dalnas staunend wieder auf. Vor ihm erhob sich ein Mauerring aus weißem Marmor, der regelmäßig unterbrochen wurde. Die Durchgänge wurden von ebenfalls weißen Torbögen überspannt. Von einem Dach war jedoch keine Spur zu sehen.
Als er einen Blick durch einen der Zugänge warf, konnte er in der Mitte des Steinkreises einen zeitlosen Rosenbusch erkennen, der von dem goldenen Licht beleuchtet wurde.

„Rosenhain...“, war alles was er sagen konnte.

Schließlich überwanden auch Lepedias und Jolena ihre Verblüffung und traten an seine Seite.

„Wirklich erstaunlich.“, ertönte eine raue dunkle Stimme vom Rand der Lichtung.

Erschrocken drehten sich die drei Reisenden herum und sahen zu den Soldaten und dem großen Mann in der Eisenrüstung hinüber.

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BeitragVerfasst: 10.06.07, 14:05 
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Seelenkampf

„Ihr seid also gekommen um diesen Schrein Vitamas zu schänden. Hatte ich es mir doch gleich gedacht...“, meinte Erasmus und betrachtete selbstzufrieden die drei Reisenden.

Jolena drängte sich an Dalnas vorbei.

„Ich bin eine Novizin Vitamas, wie könnt ihr es wagen...?“, weiter kam sie nicht, denn sie wurde so gleich von dem Inquisitor unterbrochen: „Natürlich bist du das, Mädchen. Und ich bin Inquisitor der Heiligen Viergöttliche Kirche.“

Jolena setzte zu einer garstigen Antwort an, doch Dalnas legte ihr beruhigend seine Hand auf den Arm. Erasmus schmunzelte leicht und wandte sich seinen Soldaten zu.

„Soldaten, ergreift die drei. Und bringt den Jungen zu mir!“

Auf sein Wort hin traten die Soldaten mit gezückten Waffen näher. Dalnas wurde von einem der Männer am Arm gepackt und zum Inquisitor geschleppt. In seinem Rücken hörte er Lepedias rufen.

„Ihr macht einen großen Fehler!“

Dann stand der Anwärter Vitamas vor dem Gerüsteten. Dieser beugte sich dicht zu ihm heran und flüsterte.

„Endlich habe ich dich, Rosenzerbrecher.“

Kurz funkelte etwas im Auge des Inquisitors auf. Er streifte einen seiner Handschuhe ab. Seine Hand griff nach Dalnas Gesicht. Als sie die Haut des jungen Mannes berührte, wurde dem Anwärter plötzlich dunkel vor Augen...

Als er die Augen wieder öffnete, waren der Schrein, seine Freunde und die Soldaten verschwunden. Er befand sich auf einer von Bodennebel bedeckten Ebene. Der Himmel war wolkenverhangen. Alles wirkte irgendwie... falsch. Es dauerte bis sich seine Augen an das trübe Zwielicht gewöhnt hatten, dann erkannte er vor sich eine Gestalt. Im ersten Augenblick hielt er sie für den Inquisitor, doch dann sah er sie klarer. Es handelte sich weniger um einen Menschen, als viel mehr um eine Wolke in Menschengestalt. Es schien als wäre sie dem Nebel selbst entwachsen. Dort wo bei einem Menschen die Augen saßen, funkelten zwei rote Lichter. Als das Wesen zu sprechen begann, schien die Stimme von überall zu kommen.

„Ich habe lange auf dich gewartet. Nun wird sich meine Bestimmung erfüllen.“

Was war dieses Wesen? Dalnas dachte angestrengt nach. Dann fielen ihm die Worte des Diener des Einen ein. Das Ding vor ihm musste der Wächter sein, der von Vitama erschaffen wurde um ihn aufzuhalten. Eine andere Frage drängte sich nach oben.

„Wo sind wir hier?“

Wieder ertönte die Stimme aus allen Richtungen: „Erkennst du es nicht wieder, Rosenzerbrecher? Das hier ist ein Abbild deiner Seele. Und so dunkel wie deine Seele ist es auch hier. Aber fürchte dich nicht. Ich werde sie bald gereinigt haben.“

„Aber du täuscht dich, so bin ich nicht!“

„Denkst du? Ich werde es dir beweisen.“

Ohne weitere Vorwarnung sprintete das Wesen auf ihn zu und holte mit etwas, das wohl eine Faust sein sollte, nach seinem Gesicht aus. In diesem Augenblick meldete sich Dalnas innere Stimme zu Wort, lauter als bisher. Und er lies es geschehen. Sie übernahm die Kontrolle über seine Muskeln und fing den Schlag des Wächters mühelos ab. Im selben Moment zuckte ein Blitz über den grauen Himmel, dicht gefolgt von einem gewaltigen Donnerschlag.
Das Wesen zog sich wieder einige Schritte zurück.

„Siehst du? Es beherrscht dich. Doch das kann ich nicht zu lassen. Ich werde meine Aufgabe erfüllen.“

Ein funkelndes Schwert erschien in der Hand des Wesens, dann setzte es erneut zum Angriff an. Wut erfüllte Dalnas. Er war nicht so weit gekommen, um sich kurz vor dem Ziel von diesem Ding töten zu lassen. Leise flüsterte ihm die Stimme ins Ohr, dass er seine Kräfte benutzen sollten und ohne nachzudenken ging er darauf ein. Im nächsten Augenblick erschien in seiner Hand ebenfalls ein Schwert. Er dachte sich noch: Aber ich kann doch gar nicht kämpfen. Doch die Stimme in seinem Kopf antwortete: Götter können alles.
Ohne Mühe parierte er den ersten Schlag des Wächters und glitt unter dessen Arm hindurch. Mit einem gekonnten Rückhandschlag versuchte er das Wesen im Rücken zu Treffen, aber es schien schon damit gerechnet zu haben und fing das Schwert ab. Über den beiden braute sich ein Sturm zusammen. Immer wieder zuckten Blitze vom grauen Himmel herab und brannten sich in den Boden.
Je mehr sich Dalnas der Stimme öffnete, desto besser wurde sein Kampfstil. Aber auch das Wesen schien immer stärker zu werden. Nach einem Schlagabtausch, der eine halbe Ewigkeit gedauert haben musste, zogen sich die beiden Gegner wieder voneinander zurück. Schwer atmend stütze sich der junge Mann auf seine Knie. Es schien, als könnten sie noch ewig so weiter kämpfen. Er bemerkte nicht, wie sich die Landschaft um ihn herum verändert hatte. Überall stießen zackige Felsen durch den Boden und kleine Tümpel mit einer braunen Masse hatten sich gebildet. Das Gewitter tobte nun mit voller Wucht.
Wieder setzte der Wächter zu einem Angriff an. Dalnas hatte Mühe den Schlag abzuwehren. Dadurch öffnete sich eine Lücke in seiner Verteidigung, die das Wesen nutzte um ihm einen kräftigen Tritt zu verpassen. Er segelte einige Meter durch die Luft und prallte dann hart auf den Boden. Sein Schwert wurde ihm aus der Hand geprellt und er hatte Mühe Luft zu holen. In diesem Augenblick fiel sein Blick auf ein Stück Papier, dass scheinbar aus seiner Hosentasche gefallen war. Zunächst war er verwirrt, doch dann erinnerte er sich an Scyria. Sie hatte ihm diesen Zettel gegeben und ihm gesagt, er wüsste, wann er ihn lesen sollte. Da dachte er sich: Wenn jetzt nicht der Augenblick gekommen ist, wann dann?
Ein kurzer Blick zur Seite sagte ihm, dass der Wächter noch abwartend da stand. Also ergriff er das gefaltete Papier und öffnete es. Darauf stand:

„Der Wächter ist ein Spiegel.“

Stirnrunzelnd lass Dalnas sich nochmals die Worte durch. Was hatte die alte Frau ihm damit sagen wollen? Ihm war es herzlich egal, was der Wächter war, so lange er versuchte ihn umzubringen. Dann aber begriff er: Er war hier in dem Abbild seiner Seele und so war auch alles, was hier existierte, ein Abbild seiner Seele. Das musste auch für den Wächter gelten. Das bedeutete allerdings, dass er ihn niemals würde besiegen können, da er gewissermaßen sein Spiegelbild war.
Seine Gedanken wurden unterbrochen, als er den Wächter erneut heranstürmen sah. Mühevoll rappelte er sich auf. Wenn er schon sterben sollte, dann zumindest nicht im Liegen.
Ein Spiegel... Was bedeutete es ein Spiegel zu sein?
Noch zehn Schritte trennten das Wesen von ihm. Es hatte sein Schwert hoch erhoben.
Ein Spiegel tat alles, was man selbst auch tat.
Sieben Schritte trennten Dalnas noch von seinem Schicksal.
Und wenn man hasste, dann hasste es auch.
Vier Schritte... Die Atmung des jungen Mannes beschleunigte sich.
Doch wenn man liebte, dann liebte es auch.
Zwei Schritte.
Jolena! Beinahe hätte er sie vergessen. Der Zorn auf das Wesen hatte seine Sinne benebelt, doch jetzt erinnerte er sich wieder an sie. Er konzentrierte sich ganz auf seine Liebe zu ihr.
Der Wächter war heran und lies sein Schwert herab sausen. Kurz bevor der Stahl sich in Fleisch bohrte, löste er sich in Luft auf. Das Wesen schien verdutzt zu sein. Bevor es selbst noch etwas sagen konnte, erging es ihm wie dem Schwert. Der Wächter verging. Im selben Moment wurde Dalnas schwarz vor Augen...

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BeitragVerfasst: 17.06.07, 17:59 
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Erlösung

Blinzelnd schlug Dalnas die Augen auf. Er hatte das Gefühl der Boden unter ihm würde schwanken. Die Sonne schien inzwischen untergegangen zu sein. Es dauerte einige Augenblicke bis er begriff, dass es Jolenas war, die sein Gesicht beschattete. Besorgt dreinblickend hatte sie sich über ihn gebeugt. Ächzend setzte er sich auf. Im selben Moment halfen auch einige der Soldaten dem Inquisitor auf die Beine. Fragend sah der Anwärter zu der Rothaarigen.

„Was... ist geschehen?“

„Der Inquisitor berührte dich, darauf seid ihr beide in Ohnmacht gefallen.“

Immer noch besorgt dreinblickend strich sie ihm durch sein Haar.

„Und... wie lange?“

„Nur ein paar Augenblicke. Oh Dalnas, ich habe mir solche Sorgen gemacht!“

„Genug!“, sagte Erasmus. Er hatte das ganze wohl besser verkraftet, denn er stand wieder fest auf den Beinen. „Ich weiß nicht was du mit mir gemacht hast, Junge, aber es beweißt deinen Pakt mit dem Einen! Aber hab keine Sorge, ich werde dir den Dämon schon austreiben.“
Damit machte er einen entschlossenen Schritt auf den Sitzenden zu. Doch bevor er sein Ziel erreichen konnte, schob sich Lepedias vor ihn und verstellte ihm den Weg. Entschieden hob er die Hände: „In einem Punkt habt ihr Recht, Inquisitor, es ist genug!“

Verblüfft starte sein Gegenüber den Schausteller an. „Wie kannst du es wagen?! Wer bist du, dass du einem Inquisitor der Heiligen Viergöttlichen Kirche den Weg verstellst?“

Lepedias griff in seine Hosentasche und zog daraus einen Ring hervor, den er an seinen Finger steckte. „Inquisitor Lepedias Theodicus von der Brigade des Wanderfalken aus Draconis.“

Augenblicklich kehrte Stille ein. Dalnas Gedanken überschlugen sich. Sein Weggefährte sollte ein Inquisitor sein? Hatte er sie die ganze Zeit über bespitzelt?
Auch Erasmus wirkte überrascht: „Ein Inquisitor wollt ihr sein? Das ich nicht lache!“
Um seine Worte zu untermauern lachte er kurz kehlig auf. Deutlich war die Unsicherheit darin zu hören.
Der vermeintliche Inquisitor aus Draconis blieb ruhig. „Mein Vorgesetzter ist Vater Djanis. Die Parole dieses Mondlaufs ist: Maynagh. Zwingt ihr mich noch weitere Interna auszuplaudern oder ist euch dies endlich Beweis genug?“

Eramus’ Selbstbewusstsein bröckelte deutlich, doch so einfach wollte er sich nicht geschlagen geben. Mit einem kräftigen Ruck stieß er den nun seinerseits verblüfften Lepedias beiseite. „Es ist mir eine Freude euch kennenzulernen, Inquisitor Theodicus. Und nun tretet beiseite und beobachtet wie ich diese Ketzer reinige. Dies hier ist meine Jagd.“
Mit einem metallischen Schaben zog er das Schwert aus der Scheide. Dalnas war noch immer so durcheinander von den Ereignissen der letzten Minuten, dass er einfach sitzen blieb. So griff Jolena nach seinem Arm und zerrte ihn in die Höhe. Leise flüsterte sie ihm ins Ohr: „Komm mit, ich habe einen Plan.“
Erasmus beobachtete das Geschehen amüsiert. „Ihr glaubt doch nicht, dass ihr mir jetzt noch davon laufen könnt?“
Inzwischen hatte die Rothaarige ihren Begleiter auf die Beine gebracht und trat nun zwischen den Portalen des Schreines hindurch. Beinahe augenblicklich spürten die beiden die beruhigende Wirkung der heiligen Stätte. Sie taumelten noch einige Schritte voran, dann wandte Jolena sich um. Ihr Verfolger schien keine Anstalten zu machen seine Jagd abzubrechen.

„Bei Vitama, bleibt zurück, Inquisitor!“, rief sie ihm zu. Er aber warf ihr nur einen verächtlichen Blick zu. „Beschmutze nicht den Namen einer der Viere!“

Dann trat er mit erhobenen Schwert über die Grenzen des Schreins hinweg. Jolena hielt die Luft an. Sie konnte nur beten, dass ihr Plan funktionieren würde. Es begann ganz langsam. Erasmus taumelte zwei Schritte voran. Er sah auf seine Stiefel hinab, die eine graue Färbung angenommen hatten. Langsam breitete sie sich nach oben aus. „Was... was geschieht hier?“, stieß er panisch hervor. „Ich spüre meine Beine nicht mehr!“
Die Verwandlung ging immer schneller voran. Schnell wandte Jolena ihr Gesicht ab. Es ertönte ein heißerer Schrei. Langsam wandte sie ihm wieder ihr Gesicht zu. An der Stelle des Inquisitors stand nun eine steinerne Statue. Es schien als würde sie den Schrein bewachen. Seufzend blickte sie zum Himmel auf und zeichnete einen nach unten gerichteten Halbkreis vor sich in die Luft. Vitama hatte sie an ihrem Ort beschützt.
Erst jetzt bemerkte sie, dass Dalnas nicht mehr an ihrer Seite war. Erschrocken sah sie sich um. Er stand einige Schritte hinter ihr vor dem Rosenbusch.

„Ist er nicht wunderschön?“, fragte er. Langsam trat sie neben ihn.

„Ja, das ist sie.“

„Und dennoch ist es merkwürdig... das so eine Pflanze die Gabe besitzt die Kräfte der Götter zu binden.“

„In jeder Pflanze steckt etwas göttliches, Dalnas. In einigen mehr, in anderen weniger. Aber nun wird es Zeit...“

„Ich hätte mit meinem Kräften viel Gutes vollbringen können.“

Zärtlich strich die Rothaarige ihm über sein Gesicht. „Das hättest du. Aber die göttlichen Kräfte sind nun mal nicht für uns bestimmt. Und ich bin mir sicher, dass du auch so viel Gutes tun wirst.“

„Wirst du mir dabei helfen?“

Jolena nickte lächelnd. Dalnas erwiderte und griff dann nach eine der Rosen. Vorsichtig zupfte er sie vom Busch. Tief holte er Luft und presste dann seinen Zeigefinger auf einen der Dornen. Im nächsten Augenblick war er von einem goldenen Licht umfangen. Vor seinen Augen kristallisierte die Rose. Dann war alles vorbei. Eine Hand legte sich sanft auf seine Schulter.

„Wie fühlst du dich?“, fragte Jolena.

„Normal.“

Wenig später verließen sie gemeinsam den Schrein, dabei einen großen Bogen um die steinernen Statue machend. Draußen wurden sie schon von Lepedias und den Soldaten erwartet. Als er die beiden sah, breitete er lächelnd seine Arme aus: „Also ist es endlich vollbracht? Wunderbar!“

Dalnas griff die Hand der Rothaarigen und drückte sie. Er hatte Angst vor dem, was nun folgen würde: „Du hast uns also die ganze Zeit belogen?“

Seufzend ließ ihr Weggefährte seine Arme sinken. „Ich wünschte ich könnte das Verneinen. Schau, Dalnas: Ich gehöre zu einem Teil der Inquisition, der sich heimlich unter das Volk mischt. Aus diesem Grund habe ich mich Rogars Truppe angeschlossen. So komme ich viel herum und niemand würde einen Schausteller verdächtigen. Ich hörte in Falkenstein von den Vorkommnissen. Als du und deine Freundin kurz darauf zu uns stießen, war mir klar, dass da mehr dahinter steckte. Also beschloss ich euch zu folgen. Bis vor kurzem dachte ich, dass die Mächte die in Rosenblut steckten dich übermannt hätten. Und so führte ich unsere Verfolger“, er deutete mit einer weitschweifigen Bewegung über die Soldaten, die unbeteiligt in der Gegend herum standen, „immer wieder auf unsere Spur zurück. Doch je näher wir dem Schrein kamen, umso mehr wurde mir bewusst, dass ich mich getäuscht hatte. Leider kam diese Erkenntnis etwas zu spät. Inquisitor Erasmus war bereits dicht hinter uns.“

„Ja... Erasmus...“, meinte Jolena und trat unruhig von einem Bein auf das andere. Lepedias lächelte nur.

„Keine Sorge, Jolena. Ich habe beobachtet was geschah. Erasmus war ein Narr, der von seiner Jagd besessen war. Letztendlich wurde ihm sein Leichtsinn zum Verhängnis, in dem er durch sein gezogenes Schwert diese heilige Stätte zu entweihen drohte. Euch trifft keine Schuld.“

„Und... was geschieht jetzt?“, fragte Dalnas zögerlich.

„Wir stehen vor einem Problem.“, meinte der Inquisitor ernst. Seine beiden Reisegefährten ließen die Schultern hängen. „Nein, nein, nicht das was ihr denkt.“
Er nickte knapp auf die Kristallrose. „Dieses Artefakt muss sicher verwahrt werden. Eine große Macht steckt in ihm und es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Diener des Einen versuchen werden es wieder an sich zu bringen. Ich würde euch ja anbieten es an mich zu nehmen. Jedoch... ich habe noch einiges in Falkenstein wieder gut zu machen. Ich kann nicht für seine Sicherheit garantieren. Darum möchte ich euch um einen Gefallen bitten...“

Als die beiden Diener Vitamas von dem Plan des Inquisitors erfahren hatten, willigten sie zögerlich ein. Sie sollten das Artefakt mit in den Norden des Landes nehmen und dort einen sicheren Platz suchen. Dafür würde Lepedias sie mit genügend Geld ausstatten. Doch der Preis war hoch: Sie durften nie wieder nach Falkenstein zurückkehren. Ihr Weggefährte würde sie dort für tot erklären lassen, um unangenehme Fragen zu vermeiden. Nur so konnte er verhindern, dass die Diener des Einen auf ihre Spur kamen.

Und so trennten sich ihre Wege am Abend. Während Lepedias mit seinen Soldaten nach Süden zog, brachen Dalnas und Jolena auf nach Norden in eine ungewisse Zukunft...




Epilog

Als Vitama aus dem Süden des Kontinents zurückgekehrt war, kehrte sie zu der Stelle zurück, an der sie sich in den Finger gestochen hatte. Ein Gefühl sagte ihr, dass dies einmal ein mächtiger Ort werden würde. Sie ahnte noch nichts von den Wesen, diese viele Jahrhunderte gemeinsam mit Bellum, Astrael und Morsan schaffen würde.
Schon bald waren ihre Gedanken bei ganz anderen Dingen. Doch in ihr hatte begonnen etwas zu keimen: etwas dunkles, das dereinst in dem Gott Angamon eine Hülle bekommen sollte. Diese dunklen Mächte waren es, die ihr die Vision geschickt hatten. Sie hatten ihr vorgegaukelt, dass der Rosenzerbrecher Unheil über Tare bringen würde. Und sie gaben einen Teil von sich an Rosenblut weiter. Noch ahnten sie nicht, dass sie zu Angamon werden würden. Aber sie spürten, dass ihnen eine glorreiche Zukunft zu Füßen lag. Es war ihnen gelungen die Göttin über den Verlauf der Zukunft zu täuschen.

Dabei sah die Wahrheit ganz anders aus...


~ ENDE ~

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