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 Betreff des Beitrags: Was einen Nortraven ausmacht ...
BeitragVerfasst: 19.09.07, 19:51 
Altratler
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Wohnort: Thüringen - und stolz drauf!
„Was war das nur wieder für ein Tag.“ sprach Ramgard Knatterholm, seines Zeichens Vertrauter Hetmann Wulfholds und Oberhaupt eines großen Clans an den westlichen Gestaden des Norlandes, und ließ sich auf einen eichernen und mit einem Bärenfell belegten Sessel fallen. Eine junge Nortravin kam sogleich herbei, fasst noch ein Mädchen – ganz nach Ramgards Geschmack, trugt ein gefülltes Methorn und eine Schüssel gebratener Hühnerbeine herbei. Sie war eine von vielen dienstbaren Clanmitgliedern, die im weitläufigen, wenn auch recht zugigen und rustikal gebauten Anwesen des alten Ramgard ihrem Tagwerk nachgingen. Wie sehr er diese zugigen Holzhallen verfluchte. Überall pfiff der Wind hindurch, alles war finster und ruchgeschwärzt von Fackeln, da man nur selten die schweren Felle von den Fenstern nehmen konnte, ohne schrecklich zu frieren. Auf seinen Ländereien jenseits des Norlandes, gelegen im nördlichen Vandrien, da gab es aus Stein gebaute große Häuser mit Sälen und Fenster, die mit Glas verschlossen waren! Die Wärme stieg von den Fußböden auf, die durch ein ausgeklügeltes System an Öfen von den unteren Geschossen aus beheizt wurden. Am Hof des Hetmanns erzählte man sich schon seit längerem, dass die Neubauten an seinem Herrschaftssitz durchaus solche Annehmlichkeiten erhalten sollen. Freilich würde er, der Tradition wegen, weiter in der großen Ratshalle die Abgesandten seines Volkes empfangen. Alles andere könnten ihm einige der sturen, ländlichen Clanchefs übel nehmen.

Genießend schlürfte er sein Met aus dem Kuhhorn, während die Magd, die eben noch mit Speis und trank aufwartete, bereits nebenan den Zuber für das heiße Bad herrichtete. Sie stammte aus einem kleinen Dorf, irgendwo an der Küste auf den Clanlanden. Die Böden dort waren karg, wenig gedieh dort im rauen Seeklima und der Fischfang konnte längst nicht alle Dorfbewohner ernähren. Kräftige und junge Burschen zogen daher aus, in die Ferne. Bestenfalls heirateten sie weiter im Landesinneren in Bauersfamilien ein, oder verdingten sich als Knecht bei Einem, der mehr Land bewirtschaftete als er selbst zu bestellen vermochte. Manche waren auch nach Süden gezogen, verdingten sich als Seemänner oder Söldner im Dienst wechselnder Herren. Nortravische Söldner waren auf Grund ihrer Kampfeskraft gefragt, freilich auch weil sie sich auch mit wenig zufrieden gaben und auf ihr Leben nicht sonderlich viel Acht gaben. Die jungen Frauen, so sie denn nicht im Dorfe einen der Männer heiraten konnten, zogen gleichfalls davon. Als Mägde auf Bauernhöfen und den Ansitzen derer, die mächtig und einflussreich waren in den Clans. Andere wiederum eiferten den Burschen nach und schwangen Axt und Speer. Und manche kamen so zu ihm, vorzugsweise auf das Anwesen in Eskandar. Natürlich nur die schönsten unter ihnen …

Am nächsten Tag, nach einer erfrischenden Nacht, begab sich Ramgard nach einem ausgiebigen Mahl von gebratenem Rebhuhn mit Kartoffeln und einer geheimnisvollen Soße aus Draconis (er glaubte, man ihr Name wäre ‚Draconaise’) - hinterdrein noch exotische Früchte aus Landen, die wärmer waren als das Norland, in die Thronhalle Wulfholds. Einiges gab es zu bereden, vor allem über das kleine Häufchen seines Volkes, dass sich auf der fernen Insel Siebenwind niedergelassen hatte. Wie man hinter vorgehaltener Hand erfahren konnte, schien Wulfhold alles andere als erbaut über die Dinge, die sich dort zutrugen. Einige von ländlicher und einfacher Herkunft schienen sich so zu benehmen, wie sie es unter den wachsamen Augen im Norland niemals gewagt hätten. Statt sich mannhaft und ehrvoll dem Wohl der Insel zu widmen, würden sie sich wie Feiglinge hinter Mauern verschanzen und das uralte Gebot der Gastfreundschaft gegen jedermann missachten. Einmal soll er sogar erbost sein prunkvoll verziertes Methorn einem Sendboten an den Kopf geworfen haben, dass dieser auf Tage hinaus nicht mehr zu sich kam. Es brauchte ja dann keinen zu verwundern, wenn die Mittelreichler sein Volk für rückständig und unzivilisiert hielten. Ramgard kannte natürlich die Gerüchte. Und wusste um die Botschaften, die zwischen Eskandar und Draconis hin und her liefen. Seit einigen Jahren waren die Beziehung zwischen dem Hof in Eskandar und dem Königshof herzlich geworden. Womöglich liegt das an der kleinen Landherrschaft, als deren Fürsten Hilgorad der Große Wulfhold gemacht hatte. Ein guter Teil Bernsteins sollte es sein. Sagte man.

Des Abends lauschte man dem Gesang eines Skalden, der von den Heldentaten längst vergangener Zeiten berichtete. Wulfhold war sichtlich erfreut ob der Unterhaltung, denn wieder einmal fand sich hoher Besuch aus dem Süden ein. Reiche Händler, die zunehmend Felle und Holzwaren gen Süden schickten. Ein Graf, der im Auftrag des Königs bei Wulfhold um einige Hundert Krieger nachsuchte, um in Vandrien einen neuen Feldzug zu starten. „Ganz brauchbar …“ dachte sich Ramgard, denn die Männer des Götzendieners, des Verderbers, der Zwietracht unter den Völkern säht, näherten sich unangenehm an seine kürzlich erworbenen Länderein an. Doch hier in der Halle wurde ausgelassen gefeiert und ein Sauflied nach dem anderen angestimmt. „Ha, diese Mittelreichler vertragen ja gar nichts!“ kam ihm beim Anblick des fahlen und unwohl dreinschauenden Grafen in den Sinn. Das Gelage dauerte noch Stunden und irgendwann müssen zwei seiner Wächter den alten Ramgard in sein Haus zurückgeschleppt haben.


[...wird fortgesetzt...]

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>Das ständige Nachgeben der Klugen begründet die Diktatur der Dummen.<


Graf Hagen Robaar von Saalhorn zu Siebenwind. - <<Charprofil>>
Abschied und Verrat. - Der Abschied Graf Hagen Robaars von Siebenwind ............ Ein (ehemaliger) Lehnsherr auf Sinnsuche ............. Hagens Rückkehr - Finsternis' Weg


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BeitragVerfasst: 19.09.07, 22:30 
Einsiedler
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Ein Zucken ließ ihn hellwach im gut gepolsterten Sessel aufschrecken. So tief wie er eben noch geschlafen hatte, so erschlug in die Klarheit förmlich von einem Moment auf den anderen und ließ ihn noch das Kribbeln des tiefen Schrecks genießen, dessen Grund schon wieder wie weggeblasen war. Ab und an schreckte er auf diese Art nach dem Einnicken im weichen Sessel auf, als verfolge der Jäger selbst ihn in der Ruhe. Vielleicht waren es auch die stillen Geister der Kinderaugen, die ihn immer noch verfolgten wie die Hunde das Wild. Er rieb sich seine Augen und sah sich verschlafen durch den vom Kamin schummrig und und unruhig, aber sehr warm erleuchteten Raum um, über die rustikalen Schränke und das leere Bett. Es war schon seltsam, wie er sich inzwischen an dieses Bett gewöhnt hatte. Obwohl eigentlich hatte er sich gar nicht daran gewöhnt, sondern sich nach und nach daran gewöhnen lassen. Nicht nur durch die Wärme, die ihm dort geschenkt wurde, sondern auch mit vielen Worten, Zusprüchen und der schweren Holzplatte, die der Strohmatratze des gut gebauten Bettes untergeschoben war, um es so einem leichter zu machen, der sein voriges Leben lang auf Stroh und Fell geschlafen hatte. Und nun schliefen sie kaum mehr dort, sondern auf dem Dachboden in den Fellen. Mit einem ruhigen Schmunzeln erhob er sich und schlug den dicken Raumteiler beiseite, um einen Blick in den Nebenraum dahinter zu werfen, der ebenso ruhig dalag wie das ganze Haus am Rande des stillen Waldes.

Langsam ließ er sich auf dem Hocker am Schreibtisch nieder, die Pergamente, Bestellungen und Aufzeichnungen durchblätternd, die sich dort stapelten, und rieb sich über den Bart oder zumindest über das, was noch davon übrig war. Durch die glattrasierte Oberlippe kam er sich nach den vielen Jahren als Waldschrat, wie er einst von jemandem genannt wurde, der sich noch für Waldschrate interessierte, seltsam nackt vor. Von den Pergamenten sah er auf und drehte das Kohlenglas so, dass sich sein Gesicht sich fahl und verzerrt darin spiegelte. Zwischen Brauen, geflochtenen kurzen Bartzöpfe am Kinn und den beiden federbewährten Zöpfen, die vom Schlaf noch über seinen Ohren eingesteckt waren, sahen ihm zwei tiefliegende, und recht ernst aussehende graublaue Augen entgegen. „Geht ihr beiden zum Lachen in den Keller?“ schoss es ihm durch die Gedanken und sah fast schon wieder den blauen Nebel im Glas aufsteigen. „Wir haben keinen Keller,“ entgegnete er halblaut dem Glas und drehte es dann auch ebenso knapp wieder zurück. Er rieb sich mit beiden groben Pranken über die Augen, und nahm sie wieder auf die ausgebreiteten Pergamente. Unter dem hölzern beschnitzten Armband schob sich beim Blättern immer wieder leicht eine dunkle Spitze der darunterliegenden Innenarmtätowierung vor, die er erst dann noch einmal in Augenschein nahm, als nach einigem Blättern wohl immer noch nicht das gefunden war, was er suchte.

Unterbewusst schlichen sich wieder die Erinnerungen ein an das, was einmal war, was er einmal war. Ein junger Mann bepackt mit Idealen, die nicht nur die seines Volkes, sondern die seines Vaters waren. Und diese unterschieden sich so, wie Thjarek sich von Eydis unterschied, oder der Hirsch vom Wolf, nur unterschieden sie sich wirklich? Aber auch war der Junge bepackt mit solchen vielen Fragen und Unsicherheiten, auf die er Antworten gesucht hatte, doch welche ihm in all den Jahren verschlossen und verdeckt blieben. Früher hatte er sich zurückgezogen und gesucht nach dem Sinn und nach den Antworten, die ihm eigentlich doch niemand beantworten konnte. Und mit der Zeit wurden sie verdeckt, verdeckt wie das Holz von der weichen Matratzenauflage, wie die Tätowierung seiner Ahnen von dem Holzband, wie die Klingen seiner alten Waffen von sauber geriemten Fellen, wie der Name der Freundschaft von hohen Wehrmauern. War er genauso verdeckt, seine Herkunft, Tradition und Lehre desjenigen, der ihn als Sohn aufgezogen hatte? Während er damals Tage, Wochen, mit sich und seinen Geistern selbst diese Frage in Einsamkeit irgendwo ausdiskutierte und sich selbst hinterfragte, kostete ihm dieser Gedanke in diesem Moment gerade einmal den Blick auf das nächste hervorgegrabene Pergament. Er war eben nicht mehr derjenige, der damals in diese Gegend kam, vielleicht war er es auch nie gewesen. Und hier biss sich der Hund in den eigenen Schwanz, also genug der Gedankenspielerei. Er war der, der er jetzt war und er war zufriedener als je zuvor. Er überflog den niedergeschriebenen Text ein weiteres Mal und faltete das Pergament in der Mitte, um es zusammenzuklappen.

[... wird vielleicht fortgesetzt ...]


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 Betreff des Beitrags: Was einen Nortraven wirklich ausmacht - Episode 3
BeitragVerfasst: 21.09.07, 15:46 
Altratler
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... Khjelben ist mir immer noch ein Rätsel. Der alte Mann redet nicht viel, seine Handlungen verwundern mich meist immer noch, und ständig stelle ich mir die Frage, wie alt er denn wirklich sein mochte. Ich hörte schon öfters Gerüchte, er zähle nun fast 80 Winter. Doch wundere ich mich immer wieder, wie ein so alter Mann waffenlos mit einem Wolf ringt und auch zurückbeißt, ohne größere Blessuren davonzutragen, und sich dabei verhält, als wäre es das Natürlichste auf der Welt. Wie er es immer wieder schafft, reißende Gebirgsbäche zu durchschwimmen, im Winter allein mit einer leichten Wolldecke beschützt draußen zu übernachten oder eine angreifende Bärenmutter nur mit einem Blick in deren Augen zu einem friedlichen Haustier werden zu lassen. Genau kann ich beim besten Willen nicht sagen, wie alt er ist, doch er ist auf jeden Fall lebendiger als die meisten jungen Krieger, die ich bisher gesehen habe.

Heute kamen wir in Iskel Fjord an, ein kleines Dörfchen am Ende einer Bucht und Schauplatz einer der blutigsten Gemetzel des Krieges gegen das Königreich. Auch jetzt war Iskel Fjord noch immer das kleine und unbedeutende Nest, wenn man mal von der Trutzburg des Königreiches absah, die hier an der Grenzlinie zwischen den südlicheren Gebieten und den freieren nördlicheren Territorien errichtet wurde. Aufgrund der hiesigen Schwefelquellen maß das Königreich diesem Ort einen hohen Stellenwert zu und so war es kein Wunder, dass die Bewohner von Iskel Fjord der königlichen Besatzertruppe zahlenmäßig unterlegen waren. Die Art, wie Khjelben die Burg ansah, ließ mich für einen kurzen Moment erschaudern. Ich hatte gewiss schon Wut in seinen Augen zu sehen geglaubt, so dachte ich jedenfalls, aber das, was ich nun erkannte, musste etwas sein, das bloßen Hass bei weitem überstieg. Es war die Art, wie eine Mutter den Mörder ihres Kindes betrachtet, oder aber auch ein zu Unrecht Verurteilter seinen Folterknecht. Zu diesem Zeitpunkt wünschte ich mir, Khjelben würde lieber umkehren, doch er schien eher etwas anderes im Sinn zu haben.

Wir gingen den steinigen Pfad zum Dorfplatz hinunter, an dessen einer Ecke das Burgtor lag. Gerade als wir den Platz erreichten, wurde das Burgtor geöffnet und eine kleine Schar bewaffneter Soldaten, angeführt von einem Hauptmann in polierter Plattenrüstung, betrat den Platz. Nach ein paar Kommandos des Hauptmanns, dessen Spitzbart von den meisten Bewohnern und auch mir als ziemlich lächerlich empfunden wurde, stellte sich die Schar in einer Reihe auf und präsentierte ihre unhandlichen Hellebarden. Mir fiel sofort auf, dass die unbehände Art, wie einige ihre Waffen hielten, und die Tatsache, dass einige jämmerlich zu frieren schienen, wohl darauf hindeutete, dass sie erst seit kurzem im Norland stationiert waren. Der Platz war schnell bevölkert von allerhand Nortraven des Dorfes und einigen Königreichlern. Als genügend Volk anwesend war, ließ der Hauptmann einen kleineren Soldaten mit besticktem Lederwams vortreten. Dann folgte ein „Aaaachtung“, wobei das Ende in einen halben Nieser überging, sich der Hauptmann danach die Nase rieb und den lustigen Spitzbart zwirbelte. Das jedoch veranlasste viele der umstehenden Nortraven zu einem fröhlichen Gelächter und Witzeleien. Im Gegenzug aber den Hauptmann zu abfälligen Blicken auf seine Spötter. Der kleinere Soldat räusperte sich kurz, holte tief Luft, entrollte ein Schriftstück und begann dann laut vorzulesen: „Hört! Hört! Seine Durchlaucht, der Baron Creon McTennan, gibt bekannt, dass sich das Volk von Iskel Fjord am morgigen Tage zur Feier seines Geburtstages im Burghof einfinden wolle. Als Zeichen seiner Gutmütigkeit und Großzügigkeit,“ – in diesem Moment flogen ein paar alte Fische aus den hinteren Reihen auf die Soldaten, zwei trafen den Vorlesenden. Der Hauptmann winkte vier seiner Männer in die Richtung, die sich dann im Laufschritt aufmachten, die Fischwerfer zu finden. Mit einem weiteren Zeichen wies er den kleinen Soldaten an weiterzulesen. - „Als Zeichen seiner Gutmütigkeit und Großzügigkeit„ – Missfallensrufe kamen jetzt von der anderen Seite des Platzes – „wird dem Volk gestattet, bei Wein, Gesang und einem gebratenen Ochsen dieser Feierlichkeit beizuwohnen.“ Danach rollte er das Pergament wieder zusammen und trat in seine Reihe zurück. Der Hauptmann ließ die Soldaten wieder durch das Burgtor marschieren, allerdings legten sie das letzte Drittel des Weges etwas zügiger zurück, da sie von faulendem Gemüse und noch weiteren Fischen eingedeckt wurden, begleitet von allerhand wüsten Beschimpfungen. Als sich das Burgtor langsam wieder schloss, begann auch die Menge den Platz zu räumen. Wir folgten dem größten Haufen der Menge, der sich in Richtung Hafen und wohl in Richtung der nächsten Taverne bewegte. Zumindest war das meine Hoffnung, welche auch prompt bestätigt wurde. Nach den letzten Strapazen unserer Wanderung sehnte ich mich mal wieder nach einem richtigen Bier - oder mehreren.

Die Taverne war recht groß für so ein kleines Dorf, aber schnell waren alle Tische besetzt. Khjelben schien jemanden im hinteren Bereich der Taverne entdeckt zu haben, ging geradlinig auf einen Tisch mit drei alten Männern zu und blieb davor vorerst stehen. Sie sahen heruntergekommen und ärmlich gekleidet aus, dennoch ließ ihre Art sich zu bewegen, die Axt, die der eine mit sich trug, oder die Goldkette, die bei dem anderen am Hals herauslugte, erahnen, dass die drei schon bessere Zeiten erlebt hatten. Als wir ankamen, redeten sie wohl über die Feierlichkeiten, wobei einer der Alten - er saß direkt am Kopfende des Tisches, gegenüber der Position, an der Khjelben stand - ziemlich aufgeregt war und gerade laut lachte, um uns sein fast zahnloses Maul zu präsentieren. Außerdem bemerkte ich etwas später, dass er auch nur einen Arm zu haben schien. Als er uns sah, musterte er mich kurz und schweifte dann mit seinem Blick zu Khjelben. Ein kurzes Funkeln schien in seinen Augen aufzukeimen, dann eine Art Ungläubigkeit. Er kniff die Augen zusammen und brach plötzlich mit einem Satz hervor, den ich mir in meinem ganzen Leben nicht zu Khjelben zu sagen gewagt hätte: „Khjelben du alter Mistbock, sag bloß, die Würmer haben dich immer noch nicht gefressen? Wie lange willst du deinen alten Körper den Viechern denn noch vorenthalten? Thjarek müsste doch wohl schon genug von dir haben. Soll er sich doch mal Jüngere für diesen Dienst aussuchen.“ Ein breites Grinsen brachte die wenigen Zähne des Einarmigen zum Vorschein. Ich hätte in diesem Moment fast jede Reaktion von Khjelben erwartet, aber nicht, dass er dem Alten um den Hals fiel und ihn wie einen Bruder begrüßte. Naja, fast wie einen Bruder: „Tjalf, du alter Hurensohn. Wenn du weiter so eine große Klappe hast, werden dir wohl auch noch die letzten Zähne ausgeschlagen werden oder ich werde dir auch noch deinen anderen Arm abschlagen müssen. Jetzt mach aber erst mal Platz, du verlauster Seeräuber, und lass den Jungen hier und mich dazusetzen.“

Der Abend wurde dann noch recht vergnüglich und ich lauschte gespannt den Erzählungen, die der Alte so zu erzählen wusste. Wie sich herausstellte, handelte es sich um Tjalf den Schwarzen, Anführer des Blutwolf-Clans. Einer der berüchtigsten Piraten, den diese Gegend hier gesehen hatte. Bis zu dem Tag, als ein junger Berserker namens Khjelben ihm seinen rechten Arm abschlug. Danach atmete die Region hier auf und man sah nur selten wieder eines der Blutwolfschiffe; bis zu dem Tag, als die Armee der Menschen ins Norland einfiel. Damals kämpfte der Blutwolf-Clan Seite an Seite mit den Mannen des Hetmanns um einen Gebirgspass hier ganz in der Nähe. Und es gelang ihnen, wochenlang diesen Pass gegen eine große Übermacht zu halten, bis sie schließlich nach zahllosen Angriffswellen das Feld räumen mussten. Kurz danach wurde auch Iskel Fjord von den Königreichlern besetzt. Irgendwann später am Abend machte ich dann wohl einen Fehler, indem ich die Frage stellte, ob die drei denn auch morgen zum Geburtstag des Barons erscheinen würden. Als ich die Frage fertig gestellt hatte, sah es auf den ersten Blick so aus, als würden mich alle auf der Stelle zu Mus verarbeiten wollen. Tjalf war der erste, der wieder mit mir sprach, und das auch nur, um mir eine Rede zu halten, die ich nicht so schnell vergessen sollte: „Das war doch jetzt hoffentlich ein Witz, oder? Sag mal, bist du noch bei Trost? Hat Dir Khjelben denn nichts beigebracht? Diese Leute sind Abschaum. Selbstgerechte und herrschsüchtige Lackaffen, die von Schweinen in bunten geschmacklosen Kleidern regiert werden, die nichts besseres zu tun haben, als sich für die Krone der zivilisierten Welt zu halten und alle anderen als minderwertig zu betrachten, und deshalb alle unterdrücken dürfen. Kaum einer von denen hat den Stolz und die Ehre, wie sie selbst jeder nortravische Bauer hat. Die Orks mögen zwar hier eingefallen sein und auch gegen uns Krieg geführt haben, aber gegen das, was die Königreichler hier anrichteten, sind die Orks noch ein anständiges und ehrenvolles Volk. Jaja, die Königreichler reden immer vom Guten, das sie uns bringen wollen, und dass sie nur friedliche Absichten haben. Aber jedes Mal, wenn sie etwas Gutes tun wollen, muss unser Volk darunter leiden und büßt einen Teil seiner Freiheit ein: Im Namen des Guten wurden unsere Dörfer verbrannt; im Namen des Guten wurden unsere Frauen geschändet; im Namen des Guten wurden Eltern die Kinder weggenommen und verschleppt; und im Namen des Guten wurden unsere Männer getötet oder zum Bau solcher Burgen wie der da draußen gezwungen. Und in all diesem Leiden müssen wir stets das Wappen des Königs sehen, das immer unserem Unheil beiwohnt. Und wenn du denkst, dass dieser Baron uns einlädt, um uns etwas Gutes zu tun, dann bist du falsch gewickelt. Das tut der nur, um uns in seiner überheblichen Art zu zeigen wie toll er doch ist und um uns in all seiner Pracht vorzuführen, dass seine Hunde das Jahr über etwas besseres zu Fressen bekommen als wir auf seinem Fest - dieser fettwanstige Drecksack. Aber dieses Jahr wird er ein unvergessliches Geburtstagsgeschenk erhalten. Die Spielereien haben jetzt ein Ende. So was macht er nicht mehr mit uns und nicht hier. Nicht im Lager der BLUTWÖLFE!“ Beim letzten Wort, das er in den Raum brüllte, stiegen plötzlich alle in der Taverne mit ein, und ein unheimliches lautes Wolfsheulen setzte in der Taverne an. Auch andererorts in Iskel Fjord fand das Heulen auf Erwiderung. Das erste Mal seit vielen Jahren fand dieses Heulen wieder an die nortravischen Küsten zurück, und es hatte nichts an seiner einschüchternden Wirkung verloren. Auch als es wieder still in der Taverne geworden war, hörte man vereinzelt draußen immer wieder Gruppen, die lauthals bekanntgaben, dass die Blutwölfe wieder mit ihrer Hatz begonnen hatten. Ich war teilweise eingeschüchtert und verwundert und wusste nicht recht, wie ich mich verhalten sollte. Aber schließlich fiel mein Blick auf Khjelben. Als ich ihn leicht schmunzelnd und zufrieden vor seinem Bierkrug sitzen sah, wusste ich, dass uns hier nichts passieren würde - uns nicht.

Der folgende Abend verlief dann noch recht lustig. Wir verbrachten einige Zeit damit, Karten zu spielen und weitere Bierkrüge zu leeren, während den ganzen Abend lang immer wieder kleinere Gruppen von Nortraven die Taverne betraten, ihre Anwesenheit mit einem leichten Nicken zu einem der drei alten Männer an unserem Tisch bekanntgaben und auf die selbe Weise auch von den Dreien zurückgegrüßt wurden. Bei einigen der Neuankömmlinge war ich mir ziemlich sicher, dass es sich um erfahrene Krieger handeln musste. Die Art, wie sie sich bewegten, ihre vernarbten Arme und die Weise, sich in dem Raum umzublicken und die Lage zu sondieren, waren eindeutig.

Der Tag des großes Festes war gekommen. Die ersten schwachen Strahlen der Sonne bahnten sich mühsam durch die grau-tristen Nebelschwaden des kleinen Dorfes, die neben dem immer wieder ansetzenden Wolfheulen die Nacht beherrscht hatten. Der Nebel verzog sich langsam und machte einigen kleinen Grüppchen von Nortraven Platz, die in ihrer nicht gerade prunkvollen Kleidung aus grobem Leinen und Fellen in Richtung Burg zogen. Das Burgtor war geöffnet und drei Doppelwachen kontrollierten alle, die zum Geburtstag des Barons erschienen. Gruppe für Gruppe des ankommenden Volkes wurde durchsucht und in den Burghof weitergeschickt, wo einfache Holztische und Bänke aufgebaut worden waren. In der Mitte war ein großes Feuer errichtet und darüber brutzelte ein ganzer Ochse an einem Spieß. Diener des Barons waren damit beschäftigt, den Leuten im Hof billiges Bier auszuschenken oder immer wieder etwas vom Ochsen zu bringen. Es war schließlich von allem genügend da; nicht einmal die Hälfte der Bevölkerung schien der Einladung des Barons gefolgt zu sein und so waren viele der aufgebauten Tische unbesetzt. Den Wachen schien das Ganze nur recht zu sein. Sie waren es gewohnt, dass das Volk von Iskel Fjord sie nicht mochte, und jedes Mal, wenn zu viele Nortraven auf einem Haufen beisammen waren, mussten die Wachen darauf vorbereitet sein, dass es Ausschreitungen gab. Dass an diesem Tage nicht damit zu rechnen war, stimmte auch die Wachen vergnüglicher, und ihre Anspannung sank. Einige ließen sich in der Folge auch dazu hinreißen, sich selbst ein Bier zu gönnen oder ein Schwätzchen mit der holden Weiblichkeit, den Töchtern von galadonischen Händlern oder den beschäftigten Mägden, zu führen. Auch der Baron selbst schien sich auf seinem Balkon, über dem ganzen Innenhof thronend, mit zwei Mätressen, seinem Berater, drei Junkern und dem Hauptmann der Wachen in seiner Begleitung, köstlich zu amüsieren - bis zu einem gewissen Vorfall.

Ein Heulen im Dorf setzte an, das dann auf vielfache Erwiderung stieß, und auch einige Nortraven im Burghof setzten mit ein. Furcht zeichnete sich im Gesicht des Barons ab, der dieses Heulen wohl noch aus dem Krieg sehr gut zu kennen schien. Auch einem der Junker und dem Hauptmann merkte man an, dass sie wussten, mit wem sie es zu tun hatten. Auf einen Wink des Hauptmanns hin rannten zwei Gardisten in Richtung der Wachbrücke, um das Tor zu schließen. Kurz, nachdem sie die Torbrücke betreten hatten, wurden ihre blutigen Körper aus den Fenstern der Wachbrücke zwischen die Bänke und Tische des Innenhofs geworfen. Drei große vermummte Gestalten lösten sich aus den Schatten der Wachbrücke und zeigten sich an den Fenstern, blutige Äxte in ihren Händen. Die drei legten ihre Umhänge ab, sodass jeder sie erkennen konnte. Es waren die drei Patrone des Blutwolf-Clans mit Tjalf dem Schwarzen in ihrer Mitte. Langsam erhob er seine Axt und deutete auf den Baron, der ihm direkt gegenüber auf dem Balkon saß. Der Innenhof und die umherstehenden Soldaten wirkten wie angefroren, keiner war zu irgendeiner Aktion fähig. „Duuu!! Du hast zum letzten Mal deinen fetten Körper auf unsere Kosten vollgestopft. Das ist unser Land hier und kein Königreichler wird das jemals ändern können.“ Langsam wie geworfene Äxte verließen diese Worte Tjalfs Mund, die blutige Kampfaxt immer noch erhoben und auf den Baron gerichtet. Jedes dieser Worte traf den Baron und ließ ihn fester in seinen gepolsterten Stuhl sinken. Tjalf blickte noch eine Weile zornig auf den Baron und auf den Balkon mit den restlichen namhaften Königreichlern, bevor er wieder zu einem Heulen ansetzte, das nun etwas einleitete, was der Baron wohl in seinen schrecklichsten Träumen nicht zu sehen gewagt hatte. Bei diesem Heulen stiegen die anderen zwei Patrone mit ein, die Nortraven im Burghof heulten mit, und eine große Meute von Nortraven stürmte wild heulend und brüllend aus mehreren Richtungen auf das Burgtor zu. Die wenigen Nortraven im Burghof hatten sich inzwischen schon provisorisch bewaffnet und begannen auf die noch etwas erschreckten Wachen einzustürmen, während Tjalf und seine zwei Begleiter die Wachbrücke hielten und das Schließen des Tores verhinderten. Lange mussten sie dort auch nicht ausharren, denn die wenigen Wachen am Tor wurden schnell erschlagen und eine gut bewaffnete und kampferprobte Schar Nortraven - zumeist Blutwolf-Piraten - kontrollierte den Burghof, hatte bald sämtliche Wachen dort mit gezielten wuchtigen Hieben niedergemäht und jagte laut grölend Königreichler durch die Burg.

Bald war die gesamte Burg in nortravischer Hand, bis auf die letzten paar Räume unten im Verlies, in die sich der Baron und einige wenige seiner Leute verkrochen hatten. Immer wieder krachte ein dicker Balken, der als Rammbock diente, von außen gegen die schwere Eichentür, bis sie schließlich nachgab und den Blick auf den kümmerlichen Rest der galadonischen Obrigkeit freigab. Ein Junker, der Hauptmann und der Baron, aneinandergekauert wie Ratten in der hintersten Ecke des Verlieses. An dem Ort, an dem zahllose Nortraven hatten leiden müssen und gefoltert wurden, weil sie den Namen Thjareks aussprachen oder vor dem Baron nicht niederknien wollten. Bedrohlich schoben sich immer mehr nortravische Männer in den Raum, ihre Gesichter bespritzt mit dem Blut galadonischer Wachen, Schweißperlen auf der Stirn, und schwer atmend ihre Waffen haltend. Jeder von ihnen wirkte, als wolle er dem jämmerlichen Haufen Königreichler jeden Moment das Leben nehmen. Tjalf schob sich langsam durch seine schnaubenden Männer, bis er vor dem Baron stand, welchen jetzt anscheinend wieder ein Funke des Mutes überkam. „Denkst du Verbrecher, du kommt damit durch? Das Königreich wird Verstärkung schicken und euch alle töten lassen. Wenn euch Barbaren soviel daran liegt, uns zu schaden, dann tötet uns doch, aber das Königreich wird zurückschlagen und jeden eurer Hiebe dreifach vergelten.“ Tjalf begann bei den Worten des Barons langsam finster zu lächeln. „Soso, wird es das, das Königreich. Wir fürchten uns ja schon schrecklich“ – Gelächter erfüllte den düsteren Raum – „bedauerlicherweise hat ein Erdrutsch den Pass unpassierbar gemacht und im letzten Sturm gingen die beiden großen Schiffe deines Grafen plötzlich unter - Blubb, Blubb. Wenn also irgendwer überhaupt mitbekommen wird, was hier vor sich ging, dann nicht vor dem kommenden Frühjahr. Und keine Angst, töten werden wir euch nicht. Ihr habt den Tod nicht verdient. Eure Männer da draußen haben gekämpft, haben sich uns in den Weg gestellt. Die hatten den ehrenhaften Tod verdient. Ihr aber werdet das gleiche Ende finden wie viele Nortraven und auch mein Sohn, den ihr zum Bau dieser Burg gezwungen habt. Ihr werdet so lange schuften, bis eure Körper nur noch schmerzende, wunde Klumpen sind, und bis ihr euren Bellum verflucht, dass er eure Füße jemals hierhergelenkt hat. Willkommen an Bord, meine RUDERSKLAVEN!“ Wieder setzte ein lautes Gelächter an, das aber in das Heulen der Blutwölfe überging und bald schon das ganze Tal erfüllte.

Khjelben und ich waren schon wieder am Aufstieg und setzten unsere Reise fort, als jenes Heulen unsere Blicke wieder auf das Dorf und die Burg lenkte. Laute Gesänge waren aus dem Tal zu vernehmen und einige dunkle Rauchsäulen stiegen aus der Burg empor. Hinter der Landzunge im Nordwesten tauchten fünf große Weise Segel auf, in deren Mitte jeweils ein roter Wolfskopf prangte. Majestätisch schwammen die fünf großen Drachenboote in den Hafen, den sie wohl seit mehreren Jahren nicht mehr gesehen hatten. Iskel Fjord gehörte wieder den Blutwölfen. Dann fiel mein Blick wieder auf Khjelben, wie er die Burg betrachtete. Diesmal jedoch lag Zufriedenheit und Wohlwollen in seiner Miene. Mit einem leichten Nicken wandte er sich ab und gab mir ein Stück von dem gebratenen Ochsen, die andere Hälfte behielt er für sich. Er biss einmal herzhaft ab und sagte dann noch mit halbvollem Mund: „Ragnar, langsam kommt wieder etwas Leben in den alten Norddrachen.“ Khjelben hielt kurz inne und mampfte, bevor er weiter sprach „Bald wird es an der Zeit sein, dass wir ihn wecken ... aber das wird dann nicht mehr meine Aufgabe sein. Thjarek wird das einen anderen machen lassen. Und er hat seine Wahl schon getroffen.“ Ich nahm das Stück Fleisch und aß. Khjelbens Worte schwirrten noch die ganze Nacht in meinem Kopf, ergaben aber so gut wie keinen Sinn ... genauso wenig, wie es Sinn gehabt hätte, ihn zu fragen. Er hätte sich nur noch komplizierter und umständlicher ausgedrückt, wenn es um Thjarek und seine Vorsehungen ging. Irgendwann würde er mir schon zeigen, was er damit meinte; das hatte er bisher auch immer getan.

Quelle: Ragnars Tagebücher

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„Probleme können nicht von den Personen gelöst werden, die diese erst verursacht haben.“


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BeitragVerfasst: 22.09.07, 21:30 
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Wohnort: Dur´sches Imperium
... das Land wurde zunehmend grüner und fruchtbarer, je weiter wir in den Süden zogen. Zwar gab es hier weder saftige grüne Weiden noch dichte Laubwälder, aber zumindest war der Süden des Norlandes so fruchtbar, dass man hier vernünftig Ackerbau oder Viehzucht treiben konnte, ohne immer am Rande des Hungerleidens stehen zu müssen, wie es die Bauern im Norden taten. Unsere Stimmung war seit einigen Tagen recht gehoben. Hjarssa, eine Gauklerin, war seit zwei Tagen an unserer Seite und wollte uns ein Stück unseres Weges begleiten. Auch wenn sie nicht direkt zur Stimmung beitrug, sondern mehr ruhig da saß oder Khjelben - den „Mythos“, wie sie ihn anfangs nannte - mit großen Augen musterte. Doch trug sie schon durch ihre bloße Anwesenheit zur Heiterkeit der Situation bei, während wir durch den Süden wanderten. Es war ziemlich erfrischend, ihre weichen runden Formen und ihre fast zierliche Gestalt abends im Schein des Lagerfeuers zu betrachten, ihre wallenden roten Haare und ihre anmutigen Bewegungen, wenn sie ein wenig abseits des Lagers ihre Jonglier- und Akrobatikkünste übte. Sie war ohne Frage eine wunderschöne Frau und ich meinte selbst in den uralten Augen Khjelbens noch das Feuer der Erregung gesehen zu haben, als er sie betrachtete.

Auch wenn unser Weg durch eine für mich prachtvoll grüne Landschaft führte, welche ein galadonischer Bauer immer noch als karge Einöde bezeichnet hätte, so fiel uns bald auch auf, dass sich eine bedrückende Stille über die meisten Bewohner dieses Landstrichs gelegt hatte. In Dörfern des Nordens wurden wir offen empfangen, Kinder tobten um uns herum, die Türen standen offen, falls nicht gerade Winter war, und oft wurden uns schon derbe Sprüche oder Witzeleien an den Kopf geworfen, kaum dass wir ein Dorf betreten hatten. Gut, Kinder säumten hier auch unseren Weg und sie hatten meist nichts von ihrer Fröhlichkeit verloren, aber in den Augen der meisten Erwachsenen lag oft eine seltsame Melancholie. Die Häuser hier waren oft durch schwere Türen gesichert, obwohl es hier doch auch im Winter viel wärmer als im Norden war. Als ich später Khjelben drauf ansprach, meinte er, es wäre der Verlust der Freiheit, der diese Nortraven am meisten belastet. Die Freiheit zu tun was sie wollen, die Freiheit zu glauben was sie wollen und die Freiheit zu sagen was sie wollen, all das habe man ihnen genommen. Sicher gäbe es Ausnahmen - Leute die sich gegen den schlechten Einfluss wehren würden - aber darunter hatten dann oft andere zu leiden. Bei diesen Worten deutete er auf die staubige Straße vor uns, auf der ein paar Kinder „Ritter gegen Berserker“ spielten. Es erschreckte mich zu sehen, wie drei Kinder, welche Bratpfannen vor ihre Brust gebunden hatten auf einen in Fell gekleideten Jungen einschlugen, bis dieser am Boden lag und blutete, ehe sie ihn dann als „nortravischen Feigling“ beschimpften. Die drei „Ritter“ rannten in ein großes Haus, an dem das galadonische Wappen prangte, als Hjarssa einschritt und dem Kleinen hochhalf. Bei einigen der Nortraven, die in der Nähe standen, erkannte ich schon Erleichterung oder Hoffnung in den Mienen, andere sah ich aber auch irgendwie ängstlich in Richtung des Hauses schielen. Zur gleichen Zeit murmelte Khjelben neben mir etwas in den Bart, was mir noch lange in den kommenden Tagen im Kopf schwirrte: „Sie spielen das nach, was ihre Eltern Tag für Tag erleben.“

Unser Weg führte uns nach Echjol’s Borg, einer etwas größeren Stadt im Süden. Hier gab es einige mehrstöckige Häuser, die man schon weit aus der Ferne sehen konnte, und in der Mitte der Stadt türmte sich die alte Burg auf, auf der nun ein fremdes Banner mit den Farben des galadonischen Königs prangte. Hjarssa freute sich schon auf die Stadt, wollte sie hier doch auftreten und so für eine Auffüllung ihrer Reisekasse sorgen. Also schritten wir direkt auf den großen Marktplatz im Zentrum von Echjol’s Borg zu, auf dem geschäftiges Treiben herrschte. Hier war Hjarssa plötzlich verschwunden. Eben stand sie noch hinter uns, und nun konnte ich sie nicht mehr entdecken. Auch Khjelben war verwundert und starrte mal hier- und mal dorthin, doch konnten wir Hjarssa nicht entdecken. Wir liefen sogar noch ein Stück des Wegs vom Marktplatz zurück - nichts, Wie vom Erdboden verschluckt. Von ihr war nichts zu sehen, dafür konnten wir bald von ihr hören. Mitten auf dem Marktplatz war bald das Klappern von Schellen und das Schlagen eines Tambourins zu hören. Viel Volk lief zusammen und scharte sich inmitten des Marktplatzes um eine spärlich bekleidete, junge Frau, die am ganzen Körper bunte Bemalungen zeigte - Hjarssa. Sie stolzierte dort unter rhythmischem Schlagen und Scheppern mit dem Tambourin im Kreis und versammelte so die Leute um sich. Sie war einfach wunderbar anzusehen, und wie sie zu Beginn tanzte, veranlasste die meisten der umstehenden Männer dazu, zu schwitzen oder mit offenem Mund gaffend dem Treiben völlig gebannt zuzusehen. Bald schon hatte sich die Kunde dieser besonderen Darbietung wie ein Lauffeuer im Städtchen verbreitet und ständig stürmte mehr Publikum auf den Marktplatz. Irgendwann, als Hjarssa gerade dabei war, eine Parodie der alten Legende von „Bolthar und der Trollhäuptling“ zum Besten zu geben, drängte sich von der Burg her eine Schar Hellebardiere auf den Platz, gefolgt von einem Reiter auf einem weißen Schimmel, einem kleinen dunkelhaarigen Mann mit einem rotem, viel zu warmen Wams, grünen Samthosen und hohen, glänzenden Reiterstiefeln. Das Volk machte dem ganzen Tross etwas widerwillig Platz, es gab schließlich nur wenig Raum um auszuweichen, aber letzten Endes drängte sich der Reiter doch in die vorderste Reihe der Schaulustigen, ohne von seinem Reittier herabzusteigen. Seine Hellebardiere schafften Platz um ihn herum. Hjarssa war in dem Moment gerade dabei, die Legende von Bolthar zu beenden: „... und so stolzierte der Hüne Bolthar aus der Höhle und wart fortan als Führer einer dumpfen Bande von Trollen gefürchtet.“ Dabei zeigte sie auf den Reiter und seine Mannen, sodass in der ganzen umstehenden Menge Gelächter und überschwängliches Gejohle ausbrachen. Der Reiter wurde etwas rot im Gesicht und legte ernste Miene auf, betrachtete aber Hjarssa’s weitere Vorstellung mit einem funkelnden Ausdruck in seinen Augen bis zum Ende. Lautes Geklatsche und „Bravo“-Rufe folgten dem Ende von Hjarssa’s Vorstellung, bei dem sie mit brennenden Fackeln jongliert hatte. Es war atemberaubend. Viele der Zuschauer und auch ich waren noch wie gebannt, als sie schon wieder ihren Fellumhang um sich legte und begann, mit ihrem Tambourin etwas Geld einzusammeln. Kaum einer hatte bemerkt, wie mehr Soldaten langsam auf den Platz gekommen waren und sich am Rande verteilt hatten. Jene, die sie aber bemerkt hatten, begannen sich vom Marktplatz zurückzuziehen.

Hjarssa hatte viel mehr eingenommen als sie erwartet hatte, lief am Ende ihrer Sammelaktion freudig lächelnd auf mich zu und fiel mir überraschenderweise um den Hals. Damit hatte ich wirklich nicht gerechnet. Ich sah sie verwundert an und wusste gar nicht, was ich tun sollte. „Ragnar, wo ziehen wir als nächstes hin?“ gab sie quietschvergnügt von sich und gab mir einen Kuss auf die Wange. Ein Flattern im Bauch und ein Glücksgefühl stieg in mir auf, als sie mich so umarmte, und ich war gar nicht in der Lage schnell etwas zu sagen - doch das tat dann an dieser Stelle auch schon ein anderer. „Du ziehst nirgends hin, Tänzerin. Du wirst diese Nacht mit mir verbringen. Und mir eine ganz besondere Vorstellung bieten“ sprach der Reiter mit einem fiesen Grinsen im Gesicht. Die Leute, die bis jetzt noch auf dem Platz waren, begannen sich schleunigst zu verziehen. Hjarssa fuhr erschrocken herum und sah den Mann an, wie auch ich in diesem Moment. In diesem Augenblick ergriffen auch schon zwei Hellebardiere ihre Handgelenke und zerrten sie in Richtung des Reiters. Sie fluchte und schimpfte, konnte aber gegen die zwei Gardisten nichts ausrichten. Ich fasste mich sehr schnell wieder, sprang auf die beiden zu und schubste den einen kräftig beiseite, sodass dieser einige Meter weiter vortaumelte und schließlich flach im Dreck landete. Schnell griff ich nach Hjarssa’s Hand, welche auch zugleich meine Hand stark festhielt, während sie mich verzweifelt ansah. Im Nu zeigten ein halbes Dutzend Hellebarden an meine Kehle. Hjarssa wurde weiter in Richtung Burg weggeschleppt, den Kopf noch immer zu mir gedreht und mich mit großen, traurigen Augen anblickend. Dann verlor ich sie aus meiner Sicht und wandte mich wieder meiner eigenen Situation zu. Um mich herum standen ein halbes Dutzend Hellebardiere, die ihre Waffen auf meinen Hals richteten, ein weiteres Dutzend direkt bei dem kleinen Mann auf dem Pferd und über den Marktplatz verteilt noch weitere vier Dutzend. Vom normalen Volk war nun kaum jemand mehr anwesend. Selbst Khjelben konnte ich nicht mehr entdecken, doch muss ich eingestehen, dass ich auch nur wenig Spielraum hatte, um mich umzublicken. Der eine Gardist war vom Boden aufgestanden, trat vor mich hin und schlug mir seinen Panzerhandschuh ins Gesicht, worauf sich ein metallisches Gefühl in meinem Mund ausbreitete. Mir wurde kurz schwindlig, ich hielt mich aber weiter aufrecht. Der kleine Königreichler stieg von seinem Ross und trat langsam näher. „Und was haben wir hier? Einen weiteren dummen nortravischen Bauern. Ihr Bastarde lernt wohl nie, wie man sich seinem Stadtoberhaupt gegenüber zu benehmen hat?“ Mit hasserfülltem Gesicht sah ich den kleinen Mann an, dem die aktuelle Situation offensichtlich Genuss bereitete. Einer der Gardisten griff an meinen Kragen und versuchte mich nach unten zu ziehen. „Willst du seine Durchlaucht, den Junker von Echjol’s Borg nicht grüßen, wie es sich für einen braven Untertanen gebührt?“ Ich widerstrebte, blieb widerwillig stehen und brummte ihn nur an. Der Griff einer Hellebarde wurde mir in den Magen gerammt, dann donnerte etwas von hinten in meine Kniekehlen und ich ging zu Boden. Der Junker trat einige Schritte vor und stellte sich vor mich. Auch voll aufgerichtet war er gerade eine Elle größer als ich kniend. „Aber, aber. Du bist aber ein ungezogener Nortrave. Hat man dir denn kein Benehmen beigebracht?“ witzelte der kleine Junker in albernem Tonfall. Ich kochte vor Wut: „Benehmen? Bei Thjarek, das sagt der Richtige. Schließlich hast Du Hjarssa ...„ Weiter kam ich nicht, denn schon wieder donnerte mir der Panzerhandschuh eines Gardisten in das Gesicht. Blut lief mir aus der Nase und dem Mundwinkel. „Bellum. In dieser Stadt wird mit "Bellum zum Gruße" gegrüßt. Euer verlauster Piratenkapitän Thjarek hat hier nichts verloren“ grinste mich der Junker amüsiert an. „Aber ihr Barbaren lernt ja nicht so schnell. Vielleicht brauchst du einfach etwas Übung. Also, versuchen wir es noch einmal. Grüß mich, wie es sich gebührt!“ Alles was er von mir erhielt waren wieder hasserfüllte Blicke. „War wohl etwas zu schwierig? Sind ja auch drei Worte auf einmal, die du lernen müsstest“ – die umstehenden Gardisten lachten – „versuchen wir es einfacher. Als Zeichen deiner Unterwürfigkeit und deiner treuen Ergebenheit zum König sei dir nun gestattet meinen Stiefel zu küssen.“ Er hielt seinen blankpolierten Stiefel vor. Ich spuckte das Blut, das sich in meinem Mund angesammelt hatte auf seinen Stiefel. „Thjarek wird euch alle ...“ war alles, was ich danach noch sagen konnte. Der Panzerhandschuh traf mich wieder voll ins Gesicht, von hinten donnerte etwas gegen meinen Kopf und der Junker trat mir zwischen die Beine. Es wurde schwarz.

Ich erwachte in einem dunklen Raum ohne Fenster. Eine einzelne Fackel erhellte das Gemäuer und ich konnte mich nicht bewegen. Meine beiden Hände waren mit Ketten an der Decke befestigt. Eine schwere Holztür war die einzige Öffnung des Raumes und das einzige, was sich sonst noch im Raum befand, war ein kleiner Holztisch, auf dem eine seltsame Peitsche, kleinere Tonschälchen und merkwürdige Messer lagen. Von draußen konnte ich immer wieder Wimmern und Schluchzen hören. Es mussten wohl noch andere das gleiche Schicksal mit mir teilen. Dann folgte eine Zeit, die wie ein schlimmer Alptraum in meine Gedanken eingebrannt ist. Ich kann nicht mehr sagen, wie lange es war. Ob es Stunden oder Wochen waren. Nacht oder Tag. Der Junker besuchte mich immer wieder mit vier Kerkerwärtern. Ich wurde immer wieder aufgefordert, mit "Bellum zum Gruße" zu grüßen, doch kein Wort verließ meine Lippen. So wurde ich mit der Neunschwänzigen - so nannten sie die Peitsche, deren neun Enden mit kleinen Metallteilen bestückt waren - geschlagen. Immer wieder wurde ich aufgefordert zu grüßen, immer wieder bekam ich Schläge. Am Ende streuten sie mir jedes Mal Salz aus einem der Tontöpfchen auf meinen von der Peitsche aufgerissenen Rücken. Bald schon war ich immer weniger wach, verlor jeden Sinn für das Gleichgewicht, nahm alles um mich herum nur noch verschwommen war, meinte aber festzustellen, dass bei den folgenden Folterungen der Junker nicht mehr anwesend war, sondern nurmehr die vier Kerkerwärter allein ihre sadistischen Spielchen mit mir trieben. Mein Körper schmerzte nicht mehr und bald kam mir alles nur mehr wie ein Traum vor. Die Stimmen, die an mich heranhallten, meine unterdrückten Schreie, die auf die Schläge folgten, mein Körper, der sich nach jedem Schlag aufbäumte, all das wurde immer weniger real. Immer ferner trieb all das aus meinem Geist, immer öfter wurde es Nacht und immer öfter roch ich das Meer, hörte die Wellen und die Möwen, spürte eine steife Brise im Gesicht, Schneeflocken auf meiner Haut. Ich weiß auch bis heute nicht, ob all das Folgende denn nun auch ein Traum war, oder ob es real gewesen ist, aber irgendwann tänzelten Schneeflocken durch den Spalt in der Zellentür, als meine Peiniger wieder dabei waren, mir ein "Bellum zum Gruße" zu entlocken. Draußen hörte man berstendes Holz, gequälte und jämmerliche Schreie. Dumpfe Schläge und ... das Brüllen eines Bären. Einer der Kerkerwärter drehte sich mit erhobener Peitsche zur Tür, als diese unter donnerndem Krachen aus den Angeln gefegt wurde, quer durch den Raum flog und den Kerkerwärter an der gegenüberliegenden Wand zerquetschte. Ich nahm all das nur wie in Trance wahr und verlor auch schnell wieder die Besinnung. So wusste ich nicht, ob es ein Traum gewesen war oder was in den darauf folgenden Momenten passiert ist. Wieder huschten Bilder meiner Heimatstadt durch meinen Geist. Der Hafen von Sturmbach, Hagen das Walross wie er mich schalt, meine Freunde und ich wie wir am Kai spielten - dann änderte sich der Träum. Immer wirrer und verquerer wurden die Bilder. Ich schwebte in tiefer Dunkelheit unten im Meer, weit oben entfernt war ein Lichtschein, auf den ich langsam zuschwamm, immer näher und näher. Als ich näher war, konnte ich das Licht sehen. Es war, als schiene etwas sehr helles durch eine dicke Eisdecke, die Eisdecke welche mir die Luft verwehrte. Ich bekam keine Luft. Ich strampelte, klopfte dagegen. Immer verzweifelter, immer schneller. Und erschlaffte. Vor mir donnerte eine riesenhafte Faust mit einem Hammer durch die Eisdecke und ich schlug die Augen auf. Vor mir sah mich schmunzelnd ein altbekanntes Gesicht an, blutbespritzt, alt und faltig. Khjelben legte mir die Hand auf die Stirn und redete beruhigend auf mich ein „Ist wieder alles gut, bist in Sicherheit. Schlaf.“ Meine Augen schlossen sich wieder.

Hjarssa hatte sich das Leben genommen; schon kurz nachdem sie in der Burg in eine Kammer gesperrt wurde und lange bevor dieser verfluchte Junker auch nur einen Finger an sie legen konnte. Unter Khjelbens Fürsorge waren meine Wunden schnell verheilt, doch bis heute zeugen die großen Narbenstriemen auf meinem Rücken von diesem Tag und ein "Bellum zum Gruße" bringt all den Hass und Schmerz wieder in mir auf, den ich niemals vergessen werde ... NIEMALS!

Quelle: Ragnars Tagebücher


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BeitragVerfasst: 3.10.07, 08:06 
Einsiedler
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Wie fast jeden Mandag war auf den Straßen Eskandars das geschäftige Treiben zu beobachten. Händler, Krieger und Handwerker liefen umher, lieferten sich Wortgefechte oder lachten zusammen. Oben auf der Brüstung von Garoaar brachte der Wind nur ab und an die Schläge der Schmieden vorbei, alles andere wurde durch den kühlen Windzug zerrissen und Lacher gab es am heutigen Tage kaum. Beide Hände auf die Brüstung gestützt, in schwere Dunkelbärrüstung und einen dichten Umhang gehüllt, stand dort ein Mann im Schatten des Drachenturms und sah hernieder auf die Stadt.

"Noch ist es ruhig. Die ersten werden in den nächsten Tagen erst den Weg herfinden.", sprach eine Stimme aus dem Schatten des großen Turmes zu dem an der Brüstung, von dem hierauf nur ein knappes Nicken folgte. Langsam wanderte dieser einige Schritt auf der Brüstung, die Arme vor sich verschränkend, sodass die beiden aus bronzefarbenem Metall geschmiedeten und mit Runen verzierten Armreife sich zeigten. "Ich glaube auch nicht, dass die Ruhe Eskandars gestört wird. Diese Festung steht so wie Thjareks Hammer im Stein und nichts wird sie erschüttern." Ein leises und beherrschtes Lachen kam vom anderen, der immer noch im Schatten stand. "Bei den Göttern, Wulfhold hat nicht schlecht daran getan, auch dich in die Wache aufzunehmen", auch der andere trat nun aus dem Schatten heraus, einige Sommer älter, mit angegrautem Haar und verflochtenem Bart, doch schienen sich die beiden ähnlich in den Zügen und Statur. "Noch sieben Tage und wir werden nach Mittenwald marschieren, mit denen, die sich uns unter der Götter Blick noch zur Seite stellen, ...", sein Blick dagegen wandte sich entschlossen und direkt über die strohbedeckten Dächer Eskandars hinweg nach Südosten, "... und mit ihnen zusammen Thjarek dort die Ehre und Stärke erweisen, die ihm gebührt." Er zog langsam sein Schwert aus der Hüfte und streckte es gen Süden aus. "Ehre den Göttern, Ehre dem Hetmann, Ehre der Heimat und Ehre den weißen Wölfen von Eskandar!", rief er aus, ehe er mit einem einzelnen Schwung aus der Schulter heraus die Klinge herumriss. Klirrend wurde sie von der des anderen aufgefangen und strich eisern scharrend am glänzenden Blatt hinab. "Ehre den weißen Wölfen, Vater," grinste der blonde, bartlose noch einmal den faltenunterlegten Augen seines älteren Abbildes entgegen, ehe die beiden Schwerter ihren Kampf unter den Drachenaugen Garoaars austrugen.

Scheppernd und klirrend trafen die Schwerter wieder aufeinander von lautem, kehligen Gelächter begleitet. Ein kurzer Schwung, und der Metkrug flog aus der Hand des Jüngeren direkt zwischen zwei am Boden liegende tote galadonische Wachen, zwischen denen sich der Inhalt dann ergoss. "HEJ, die brauchen hier unten nichts mehr zu trinken!", er bleckte grinsend die Zähne und hob von einem Ächzen begleitet den Krug wieder auf, um sich noch die letzte Neige in den Mund träufeln zu lassen. Mittenwald war gefallen, das Norland frei und geeint. Das Met ergoss sich in den Norden bis in alle Landesteile, um dies zu feiern, und die beiden weißen Wölfe saßen direkt an der Quelle. "Am heutigen Tag erfüllst du mich mit großem Stolz, mein Sohn. Alles, was ich dich gelehrt habe, war recht und hat sich heute ausgezahlt. Wir sind endlich wieder frei ...", der Alte setzte sich nieder, stützte sich auf den Knauf seines großen Schwert und wischte sich mit der blutigen Hand die nun nicht nur vom verblassenden Kampfrausch und dem damit einhergehenden Spüren der Wunden die vor Tränen feuchten Augen.

Das Bild dieses Gesichtes wurde langsam von schmalen, konzentrischen Wellen durchzogen. "HE, mach hinne!", wieder donnerte die Faust ein paar Mal auf den Tisch, "wach aus deinen Tagträumen auf und schenk' das Met hier lieber aus, bevor du auf die Idee kommst, es im Traum selbst zu saufen." Noch einmal sah er in den Humpen, diesmal sein eigenes Bild erblickend, leicht angegrautes Haar und Falten im Gesicht, wie sein Vater zu Zeiten Mittenwalds. Doch statt Tränen vor Stolz, rieb er sich den Schweiß aus den Augen und trug die Humpen zu einem der Tische, ehe er dem Wirt durch das Geraune in der gefüllten Taverne zubrüllte "Ich werde mich noch um Jalld kümmern, er ist gestern vom Dach gefallen." Kurz nahm er das beiläufige Nicken des Wirtes zur Kenntnis und wandte sich hinaus, auf die dunklen Straßen Eskandars. Sein Blick wanderte immer wieder einmal hinauf in Richtung der Wachtürme der Stadt, die sich vor seinem inneren Auge mit den Drachenköpfen Garoaars verwebten, wo er damals Dienst getan hatte unter dem Befehl seines eigenen Vaters, der inzwischen an Thjareks Tafel speiste. So wie sie damals in Mittenwald gefeiert hatten, so freudig der Tag auch war, so wenig waren heute noch die Krieger von damals gefragt, welche einst ihr Blut für dieses Land gegeben hatten. In Tavernen zwar, um von alten Tagen zu erzählen, aber kaum noch am Schwert. Wie Wulfhold selbst hatte er im Laufe seiner besten Männertage sich aus den Schlachten, eigentlich auch nur aus Nutzen daran, möglichst schnell wieder das Schwert schwingen zu können, mit Wundversorgung, Knochenbrüchen oder anderen Mitteln der Schmerzbekämpfung befasst, sodass es ihm in der darauf folgenden "Friedenszeit" zu etwas anderem Nutzen gereichte. So war er wieder nach Eskandar zurückgekehrt, wo das Feuer seiner Kampfleidenschaft langsam in Erinnerungen verschwamm und heute nur noch leicht flackerte. Jalld, dem Jungen, der im Stall der Taverne aushalf, hatte er recht schnell mit Eiswasser abgefüllt und ihm die Schulter wieder eingekugelt, ohne dass der Junge bewusst davon mitbekam. So war eben seine Art und so ging es auch immer am besten: bis oben hin abfüllen und zusehen, dass die Wunde geschlossen, der Knochen gestützt oder das Gelenk eingerenkt wurde. Aber was waren das für "Wunden" ... Stalljungen, die von Dächern fielen, Mägde, die durch das schwere Tragen der Waren oder andere Verränkungen einen verspannten Rücken hatte ... ja, die Mägde ... er schüttelte sich kurz ... nicht, dass diese Gedanken nicht angenehm wären, aber wenn er an die Schlachten damals zurückdachte. Er seufzte tief auf, ließ den Jungen im Stroh seinen tiefen Rausch ausschlafen und ging wieder in die Taverne, um seinem Freund, dem Wirt, wieder beim Ausschank zu helfen.

Er hatte schon so oft daran gedacht, das alte Leben unter dem wachenden Blick der Drachen wieder einmal aufzunehmen und einen Ort aufzusuchen, wo es noch echte "Wunden" zu versorgen gab, wo noch ehrvolle Taten geschrieben und voller Stolz erzählt wurden, wo auch er einmal so niedersitzen konnte wie sein Vater in Mittenwald, mit seiner Prüfung unter beider Götter Augen abgeschlossen. Das Feuer loderte in Momenten wie diesen stets leicht auf, bis es wie an so vielen Tagen zuvor in der Taverne schließlich von genug Arbeit, einem großen Met, und einem tiefen, traumlosen Schlaf über einem der Ecktische wieder in Vergessenheit geriet ...

[... wird vielleicht fortgesetzt ...]


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 Betreff des Beitrags: Re: Was einen Nortraven ausmacht ...
BeitragVerfasst: 19.01.12, 07:12 
Ehrenbürger
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"Endlich..." dachte er sich als er die Frosstahlklinge mit einem Lappen polierte und sich erinnerte, wie damals die Gerüchte die Runde machten, das die Nortraven Siebenwinds im Ansehen des Hetmanns ziemlich schlecht dastanden. Das Blatt hat sich gewendet und die Dorfbewohner haben endlich ihren Wert bewiesen und ganz Eskandar würde gut von ihnen sprechen. Doch war die Meinung des Hetmanns nicht die einzige die sich änderte mit der Zeit ...Auch seine Meinung gegenüber den Rittern, die er damals so verachtet und gehasst hat, wandelte sich in Respekt und Hochachtung. Ihr eigener König nahm ihnen die Allmacht auf der Insel und dennoch halten sie treu ergeben ihre Stellung und erwiesen sich als gute Verbündete.

Doch dachte er daran zurück, wie er als junger Hitzkopf noch gerne gegen die Ritter rebellierte und welche Folgen dies mit sich brachte...ein unzufriedener Hetmann und ein schlechtes Bild über die Nortraven. Erst seitdem er anfing die Politik des Hetmanns auf Siebenwind ebenso zu führen wie auf dem Festland, indem Festlandbündnisse und Abkommen gehalten werden...falscher Stolz weggesteckt und nach Vernunft zu handeln, zumindest was Nortraven unter Vernunft verstehen, schien es nicht nur dem Dorf besser zu gehen. Seine taten und die der Dorfbewohner, reichten endlich bis zum Norland hin und seine Nachfahren würden eines Tages mit stolz auf sein Andenken blicken und kann erhobenen Hauptes in Thjareks Hallen als Berserker und Jarl eintreten. Das große Schwert legte er nun beiseite und lehnte sich in den gemütlichen Thron der Thinghalle zurück und schwelgte weiter in Erinnerungen. So vieles hatte sich geändert...so vieles könnte sich noch ändern. Doch eines war fürs erste sicher: Jetzt heißt es nicht nur die politische Lage des Norlandes auf Siebenwind weiter auszubauen und zu stärken, sondern auch dafür zu sorgen, das man den Rittern, den Dwarshim und den Hobbits dabei hilft, die ihre zu stützen und zu festigen.

Was macht also schon einen Nortraven aus...wenn nicht die Tatsache und der Beweis das ein Bündnis mit einem Nortraven unbezahlbar und wichtig ist und sich nicht auf die jüngsten Erfolge ausruht, sondern erst recht die nächsten anstrebt.

_________________
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"... und fortan einte sie ein düsteres Geheimnis."


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