Kapitel 2 – Von Vandris nach Skapenskyr
Der Gong aus dem Glockenturm am Gänsemarkt schlug fünfmal, um den Bewohnern der Stadt zu verkünden, dass der 5. Zyklus angebrochen sei, die Mitte des Tages, aber in den Straßen herrschte ein so trübes Licht, als ob der nächste Dunkelzyklus schon nahte. Dichte, graue Wolken hingen schwer über den Dächern, Wasser troff daraus wie aus einem nassen Wollgespinst. Es wehte kein Wind, die Wolken zu vertreiben, und so fielen die schweren Tropfen schnurgerade dem Boden entgegen. Sie zeichneten lange wässrige Striche in der Luft, zerplatzten auf den glänzenden Pflastersteinen, liefen zusammen zu stetig wachsenden Pfützen, kleinen Seen, auf denen Wellenringe sich zerschnitten und große Blasen trieben. Auch der zerzauste Hund am Brunnen hatte die Hoffnung auf ein Ende des Regens aufgegeben. Mit gesenktem Kopf und halb geschlossenen Augen hockte er neben dem steinernen Abbild eines gewaltigen Hirsches der von einer Meute Jagdhunde eingekreist und angekläfft wurde, reglos als wäre er ein Teil dieser Statue. An anderen Tagen jagten ihn die Straßenjungen gerne mit ihren Schleudern und lachten wenn er winselnd das Weite suchte, aber heute war kein Tag für eine Pirsch. An einem Tag wie diesem blieb jeder, wenn er es nur irgendwie einrichten konnte, daheim und dankte den Vieren, dass sie ihm ein festes Dach über dem Kopf geschenkt hatten. Die Erkenntnis hatte sich voller Bitterkeit auch bei den Markthändlern eingestellt, die auf dem weiten Geviert des Gänsemarktes hinter ihren Ständen ausharrten und wider besseren Wissens auf ein Ende des Regens und die Ankunft der Kundschaft hofften. Ganz ähnlich des Hundes hatten sie die Köpfe zwischen die Schultern gezogen und waren sorgsam darauf bedacht, sich möglichst wenig zu bewegen, um ein Verrutschen der tropfnassen Kleider auf der Haut zu vermeiden. So standen sie stocksteif und mit leicht abgespreizten Armen da und sahen zu, während ihnen das Wasser von Hutkrempen und Hauben tropften, wie ihnen der Regen die zarten Blumen zerschlug und die frischen Backwaren verdarb, wie er durch die Tuchbahnen der Baldachine sickerte, um auf die voller Sorgfalt am Morgen ausgebreiteten Stoffballen und Lederwaren zu tropfen. Der Regen trommelte auf die Fässer der Fischhändler und füllte spritzend die Teller und Schalen der Töpfer, er tränkte die Felle der Zugtiere, die mit hängenden Köpfen am Rande des Platzes standen und lustlos an nassen Heuballen rupften. Hier und da rann er zu Bächen zusammen, die quer über den Gänsemarkt strömten, dunkle Schwaden von Tierdung, Heuhalme und Blütenblätter mit sich führend, um sich glucksend in der breiten Gasse vor der „güldenen Feder“ an der Stirnseite des Platzes zu vereinen. „Mach die Tür hinter dir zu, Junge! Es zieht!“ Der junge Ritter zuckte mit den Schultern und trat mit dem Seesack hinaus in den Regen. Seine Kleider waren schon nach wenigen Sekunden vollkommen durchnässt und klebten an seinem Körper während er weiter durch die Wasserlachen auf dem Pflaster stakste wie ein Storch im Salat. Sein Weg führte ihn quer über den Markt bis zum Pier zurück. Kapitän Aro hatte ihm versichert, dass er für eine gute Unterbringung seiner Stute sorgen würde und dass er sie heute zum 5. Zyklus würde abholen können. Er wollte den Matrosen am Tag zuvor nicht weiter im Weg sein und so hatte er sich sofort auf den Weg zum nächsten Gasthaus gemacht. Er löste die Stute aus und schon wenige Minuten später war er aus dem Stadttor geritten und in Richtung Pas an der Grenze zu Ersont aufgebrochen. Der Regen hatte nicht nachgelassen und er ließ die Stute in ihrem eigenen Tempo laufen. Seine Gedanken trieben dahin und er nahm kaum die verwaschene Landschaft um sich herum wahr. Auf seiner Reise in Richtung Siebenwind vor ziemlich genau zwei Jahren war er auch auf dieser Straße gereist. Er erinnerte sich kaum mehr daran. Damals war er mit den Gedanken noch weiter weg gewesen als nun. Wie würden ihn die Bewohner von Skapenskyr aufnehmen? Damals hatten sie ihn töten wollen. „He, Kleiner! Runter vom Pferd und Hände hoch oder wir holen dich mit der Armbrust vom Pferd!“ mit dem Ruf wurde der junge Mann aus den Gedanken gerissen und er sah voraus. Ein wuchtiger Mann von fast 2 Schritt Größe stand gute 6 Schritt vor ihm auf dem Weg und hatte die Pranken in die Hüfte gestemmt. Sein linkes Auge war unter einer speckigen Augenklappe aus Leder verborgen und eine tiefrote Narbe zog sich noch bis hinab über seine Wangen bis zu seinem Mundwinkel der grässlich entstellt war, aufklaffte und eine Reihe ungepflegter und teilweise schwarz fauliger Zähne offenbarte. Langsam stieg er ab und löste dabei das Schwert aus der Scheide an seiner Seite. Zum Glück hatte er den Waffengurt heute früh umgebunden, auch wenn es auf einem langen Ritt unbequem war, so war eine Waffe in der Hand in einer Situation wie dieser ein nicht zu unterschätzender Vorteil. Er zog die Klinge gänzlich heraus und fasste sie fester um den lederumwickelten Griff. Sein Blick lag weiter aus diesem Ungetüm von einem Mann und mit Verblüffung sah er dessen erschrockene Miene. Der Hüne gab einige hastige Handzeichen zu beiden Seiten und Laske hörte eilige Schritte von mehreren Leuten, welche sich hastig in das Unterholz seitlich des Weges zurückzogen. Der Mann selbst hob die Arme und ging langsam rückwärts während er stammelnd einige Worte über die Lippen brachte „Nichts... für ungut, euer Wohlgeborn... dass iss uns den Ärger nich wert... gute... äh... Weiterreise.“ Bevor er sich dann umdrehte und wie vom Einen gejagt hinter dem nächsten Gebüsch verschwand. Laske stand da und krauste die Stirn. Er sah auf sein Schwert, dann wieder auf die Stelle an welcher der Räuber verschwunden war und dann wieder auf sein Schwert. Er blinzelte verwirrt und schüttelte den Kopf. Er war eindeutig nicht mehr auf Siebenwind. Eindeutig. Die weitere Reise verlief beinahe ereignislos. Er ritt jeden Tag so weit er konnte und übernachtete in den kleinen Gasthäusern am Rande des Straße. Die Grenze nach Ersont erreichte er am 5. Tag seines Ritts und nach weiteren 6 Tagen schließlich gelangte er auf den Bergpfad der sich in ewigen Windungen hinauf in die Ausläufer der Skapen zog und welcher ihn in einigen Zyklen nach Skapenskyr führen würde. Nach Hause...
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