Mit verschränkten Armen stand er auf den Zinnen der Stadtmauern, auf denen noch immer die unlängst verstärkten Wachmannschaften patroullierten und sah hinab über die noch schwelenden Trümmer der eingestürzten Viertelschenke, der sich weitere abgebrannte Hütten in ihrem Schicksal anschlossen. Er nickte, zufrieden, wenn auch nicht erfreut - zufrieden ob der Umsetzung, unerfreut ob der Tatsache, dass es überhaupt soweit hatte kommen müssen - aber wie hatte das geschehen können?
Er war gerade auf dem Weg zum Markt gewesen als die Frau Statthalter Aurora ihn alarmierte, dass im Südviertel eine Frau Waibel von den dortigen Bewohnern überfallen worden wäre - eine dreiste Tat schon für sich - und das bereits Soldaten auf dem Weg dorthin seien. Also bog auch er ab und kam unmittelbar vor dem Südtor gerade zu den Soldaten, die sich dort versammelt hatten.
Am Absatz der Steigung des Tores hatte sich eine kleine Gruppe aus drei oder vier schwer bewaffneten Südviertlern nebst einem ebenso bewaffneten Orken versammelt - und nur Augenblicke später traten hinter ihnen zwei weitere ebenso bewaffnete und gerüstete Orken aus dem Stadttor. Die Viere mochten wissen, wie sie es trotz der Proklamation der Baronin geschafft hatten durch die Stadt und mindestens zwei Stadttore zu gelangen.
Getreu dem Erlass Ihrer Durchlaucht wurde angeordnet die Orken ersteinmal in Richtung Kaserne umzugruppieren, wo man die Angelegenheit dann in Ruhe bereinigen würde - zumal die Orken bereits wieder anfingen zu diskutieren. Allerdings schafften sie es durchaus erfolgreich die Angelegenheit zu verzögern, denn nur kurz darauf wurden es mehr und mehr schwerst bewaffnete Orken und Südviertler, die aus der Schenke kommend am Absatz der Torrampe Aufstellung nahmen - am Ende mochten es gut zwei Dutzend von ihnen gewesen sein. Für ein genaues Nachzählen blieb jedoch keine Zeit - denn plötzlich, unvermittelt ohne Worte und Vorwarnung wurde der Großteil der Soldaten vom Aufflammen irgendeiner Hexerei niedergestreckt und ging verletzt zu Boden. Auch er wurde schwer getroffen, konnte sich jedoch auf den Beinen halten - nur um zu sehen wie einer der beiden Orken, die zuvor aus der Stadt getreten waren, ebenso zu einer Hexerei wider den Streitern der Krone ansetzte, während die Südviertler, geführt von Ralkjoff, empor stürmten um gegen die noch stehenden Soldaten vor zu gehen.
Er kam gerade noch dazu das Schwert zu ziehen und dem feuerschleudernden Orkhexer vor sich einen Hieb zu versetzen, als ihn irgendetwas traf, es schwarz um ihn wurde und er zu Boden ging.
... ... *
Als er wieder aufwachte, zerrte ihn einer der Soldaten gerade hinter das nunmehr geschlossene Südtor - er war noch benommen und bekam leidlich mit, wie die Frau Statthalter seine Wunden versorgte. Ihre Magie lies ihn wieder soweit genesen, dass er nach dem Fallgitter des Tores greifen und sich daran empor ziehen konnte. Noch etwas benommen ging der Blick vor das Tor, wo noch immer ein Rekrut und die Frau Waibel bewusstlos lagen während aus dem Viertel Worte wie "AUFSTAND!" zur Stadt empor drangen. Einer der Südviertler rannte in schierer Todesverachtung, anders konnte man es angesichts des von Schützen bemannten Tores nicht nennen, die Rampe hinauf und machte bei der bewusstlosen Waibelin halt um ihr die Armbrust an den Kopf zu halten und gen seiner Kumpanen zu tönen, ob er sie denn nun abschießen solle. Diese pfiffen ihn jedoch zurück - doch nicht um die Situation nicht noch schlimmer zu machen. Denn kaum war der Mann wieder die Rampe hinab verschwunden, da schlug ein Explosivgemisch zwischen den noch immer bewusstlosen Soldaten auf und verletzte diese schwerst - offenbar wollte man die Soldaten gezielt umbringen und brannte so nun gänzlich alle Brücken der Verständigung hinter sich ab.
Er wankte zur Mannpforte des Tores, öffnete jene, griff nach dem Umhang des Rekruten, der unmittelbar davor lag, und zog ihn hinein. Da die versammelten Schurken gerade dabei waren sich zu feiern und offenbar Überlegungen anstellten, auf anderem Wege in die Stadt einzudringen um jene zu verheeren, nutze er den Moment um mit einem freiwilligen Helfer und dem Priester Windflüsterer, die verwundete Waibelin in die Sicherheit des Tores zu ziehen, ehe die Mannpforte verriegelt wurde. Dankenswerterweise nahm sich die Frau Statthalter der beiden Verwundeten an und so konnte er zumindest dieser Sorge befreit wieder zu den versammelten Soldaten der Verstärkung unter Hauptmann Tionne treten, die mittlerweile aus der Kaserne eingetroffen waren.
Ein kurzer Blick aus dem Tor, wo noch immer eine blutlüsternde und schwerst bewaffnete Meute tobte. Das waren keine "Armen". Bei den Vieren nicht. Wer sich über und über in bronzenes Rüstwerk zu hüllen vermochte und mit seinen Dukaten in Form von Explosivgemischen, die vereinzelt auch weiterhin vor dem Tor einschlugen, um sich warf, der war gewiss nicht arm zu nennen. Er hatte in der Vergangenheit, in der es schon öfters so weit gekommen war, dass die Leute aus dem Viertel scheinbar aus purem Vergnügen Übergriffe auf die Stadt wagten, gewiss ein halbes dutzend Mal mit den Anführern Jäger und Toran gesprochen - ihnen deutlich gemacht, dass ein Verbrecherviertel vor der Hauptstadt der Kronmark nicht zu tolerieren ist und das in letzter Konsequenz das gesamte Viertel entfernt werden müsste, wenn sich dies etablieren würde. Ihnen wurde nahegelegt dafür zu Sorgen, dass ihre Mannen es nicht übertrieben. Im Gegenzug würden sie die Probleme im Südviertel selbst lösen können ohne das permanent die Stadtwache, nun das Regiment, das Viertel durchkämmen musste.
Leider war von Jäger in den letzten Wochen nichts mehr zu sehen gewesen und jener Toran schien ebenso nicht mehr mäßigend auf die Viertelbewohner einzuwirken. Statt dessen hatten die vom Südviertel ausgehenden Verbrechen in den letzten Tagen einen neuen Höhepunkt erreicht. Genug, um selbst die Zwerge unter Traim Eisenblut dazu zu bringen, hartes Vorgehen gegen das Viertel zu fordern, wurden diese in letzter Zeit doch vermehrt Opfer von Überfällen seitens der Südviertler.
Sie waren gewarnt gewesen - soviel stand fest. Aufstand wider der Viere und Seiner Majestät Ordnung war ohnehin nicht zu tolerieren. Und gerade jetzt, wo die Schlacht gegen die Orken für die Krone verhältnismäßig ungünstig ausgegangen war, durfte keine Schwäche gezeigt werden. Es musste deutlichst etwas unternommen werden - ein Nichtstun wäre ein Zeichen der Schwäche und ein Zeichen dafür, dass die Ordnung schon an den Stadttoren Falkensees ihr Ende hatte und das Umland der Stadt durch die Südviertler verheert würde. Auch die Brücke des Gesprächs war seitens der Viertler abgebrochen wurden, als diese unvermittelt begannen die Soldaten vor dem Tor anzugreifen und einen Aufstand zu proklamieren. Es blieb nur mehr eines zu tun - wo Vernunft und Zurückhaltung nichts mehr auszurichten vermochten, da musste die Stählerne Hand walten und den Feinden der Krone begegnen, jene davon abbringen weiter ihre Schandtaten zu verüben.
So ordnete er der Frau Hauptmann an, dafür zu sorgen dass die Südviertelschenke abgebrannt würde, wurde diese doch als Treffpunkt, Hort und Hauptquartier der Aufwiegler erkannt - immerhin waren aus jener allerlei bewaffnete Viertler und Orken geströmt. Freilich wies er das Regiment ebenso an zu verhindern, dass das Feuer auf die Bauten Unbeteiligter, wie das Obdachlosenheim, oder gar den Schrein der Vitama übergriff. Es mochte nicht zu verhindern sein, dass vielleicht eine Hütte eines Unbeteiligten in Brand geriet, auch wenn das Regiment Befehl hatte in diesen Fällen rasch zu löschen, doch angesichts der Masse an Aufständischen waren jene in einer in dieser Situation bedauerlicherweise zu vernachlässigenden Minderheit. Konflikte dieser Art konnten leider nie gänzlich sauber geführt werden - und sollte wider Erwarten ein Unschuldiger geschädigt werden, so würde ihm freilich mit Nahrung, Dukaten und Kleidung geholfen werden.
Während er noch so nachgesonnen hatte, schlug der erste Brandpfeil im hölzernen Gebälk der Viertelschenke ein. Die Niederschlagung des Aufstandes wider der Krone hatte ihren Lauf genommen - ein Reich konnte nicht mit Worten alleine geschaffen und erst recht nicht aufrecht erhalten werden.
Leider.
Später wandte er den Blick wieder von den Trümmern ab - für eine derartige Maßnahme war der Ablauf zufrieden stellend gewesen. Die Hütten der Aufständischen waren nebst der Schenke in Brand gesetzt worden. Die Hütten der Unbeteiligten verschont geblieben und zur Not aktiv geschützt und gelöscht worden. Zumindest die meisten von ihnen. Bei Maßnahmen in diesem Maßstab war Kollateralschaden in der Tat nicht zu vermeiden gewesen, doch war, den Vieren sei Dank, kein Unschuldiger ums Leben gekommen - und wie Hochwürden Sandelholz versichert worden war, würde für diese gesorgt werden. Niemand der ohne Schuld war sollte hungern oder frieren müssen nur weil die Masse dem Wahn verfallen war, der dem Einen selbst entsprungen zu sein schien.
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I don't speak destiny.
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