12. Duler des Jahres 8 nach Hilgorad / eine Kleinstadt in Sae
### Ich sollte meine Gedanken aufschreiben. Weil ich sie so ein Stück von mir ablegen kann. Mit jemanden darüber zu sprechen geht nicht. Muss mir mehr Hadernblätter besorgen. ###
Eher ungewöhnlich für das Kind armer Leute, die bis vor ein paar Jahren noch unfreie Tagelöhner oder jegliche Hoffnung auf ein besseres Leben waren, wurden die drei Söhne der Familie zur Schule geschickt. Der Vater selbst konnte nur bruchstückhaft lesen und schrieb außer seinem Namen niemals irgendetwas, hingegen war rechnen eine seiner Stärken und der Umgang mit Geld war ihm sehr wichtig, bildete er doch den Grundstock für die Freiheit seiner Familie. Dennoch hätte er nie das Schulgeld von 200 Dukaten für jeden Sohn und jedes halbe Jahr aufbringen können, geschweige denn für die drei überlebenden Töchter. Diese bräuchten sowieso nur das zu lernen, was später als treues Eheweib und Mutter möglichst vieler Kinder nützlich wäre. Und das, so dachte sich der Alte, könne seine Frau den Mädchen doch auch beibringen. Zudem waren den Männern doch sowieso Frauen lieber, die nicht zu viele Flausen im Kopf trugen, die sie ja zweifelsohne von einem Schulmeister eingepflanzt bekommen würden. Kochen, Backen, Stopfen, Putzen, Stricken, Schweinefüttern, Ofen feuern, Kinderaufzucht ... das war wichtig. Dazu hatte sich eine gute Ehefrau immer gutmütig um ihren Mann zu sorgen und die Pflichten treu zu erfüllen, die ihr nun mal zu eigen waren. Sie müsste Mutter der vielen Kinder sein, von denen sowieso nur ein Teil alt genug werden würde, um selbst eine Familie zu gründen und die eigenen Eltern im Alter zu versorgen. Männer hingegen hatten durch harte Arbeit die Familie zu ernähren, die wichtigen Entscheidungen des Lebens zu treffen und ihren Teil dazu beizutragen, dass sich die Kopfzahl der Familie mehre. Dafür, so war es dem alten Vater auch klar, genügt es schon, wenn Einer gut lesen, schreiben und rechnen könne, wisse wie man ein vieregefälliges Leben führt und zudem noch weis, dass man der Obrigkeit und der Geweihtenschaft stets zu gehorchen habe. Alles andere würde einen echten Mann doch nur verweichlichen, so wie diese Bürgersöhnchen, die einem etwas von Idealen und den Vorzügen der edlen, sich selbst genügenden Liebe vorschwafelten, diese Dummschwätzer! Die einzigen die SEIN Vater noch mehr verachtete, waren Frauen die ihren Platz in Familie und Gesellschaft nicht akzeptierten und diese verderbten, liederlichen und auf ewig in Verdammnis schmorenden (weil sie zweifelsohne niemals in Morsans Hallen aufgenommen würden) Schwächlinge, die sich wider die Natur wandten und ihresgleichen liebten. Diese Scheusale!
Das alles gab er seinen Kindern mit auf den Weg und schärfte es ihnen. Bei Bedarf auch mit der flachen Hand, einem derben Stock oder dem Gürtel. Alle seine Kinder sollten stets beherzigen, was er sie lehrte und er ihnen vorlebte.
### Alle haben sich sehr gefreut, als ich heute nach meiner Wanderschaft wieder zuhause ankam. Besonders die Mutter, aber auch der Vater hat mich herzlich begrüßt. Es gab zur Feier Zampone, wegen mir haben sie ein Schwein geschlachtet. Sogar Wein gab es zu trinken, den Meister Ruscoli gebracht hat. Musste alles erzählen, was mir auf meiner Reise passiert ist. Die Mutter hat mich auch gefragt, ob ich viele schöne Mädchen gesehen habe. Und ob eine dabei war, die man heiraten könne. Unwohles Gefühl dabei. Habe leider auch erfahren, dass Profallo an einem Fieber gestorben ist, während ich weg war. Vater fehlt nun eine Hand zum helfen, die ich nun geben muss. ###
Nach dem Ende seiner Lehrzeit hatte ER in der Schreinerei des Meisters Ruscoli gearbeitet. Er hatte dem alten, fröhlichen und korpulenten Meister sehr viel zu verdanken – nicht nur hatte er damals die ganze Familie aufgenommen und ihnen die zwei Zimmer zu einem sehr günstigen Preis überlassen, ihnen Arbeit gegeben und sich um sie gekümmert – er hatte auch das Schulgeld für die Jungen übernommen. So war es eine Selbstverständlichkeit, dass Ifranco, Profallo und ER bei ihm das Schreinerhandwerk erlernten um später als Gesellen in der Werkstatt zu arbeiten. ER mochte die Holzarbeit, die feine Arbeit mit Beitel und Drechseldrehe genauso wie das Einschlagen und Herbeischaffen des Holzes, dass ihm auf Grund seiner ernormen Größe und Kraft als richtige Herausforderung erschien. Vier Jahre lernte er das Meiste, was es in einer Schreinerei zu lernen gibt. Im Jahre 5 nach Hilgorad meinte der alte Ruscoli, dass es nun Zeit sei die Lehrzeit zu beenden und bezahlte IHM das erste Mal seinen Lohn aus.
Etwas mehr als ein und ein halbes Jahre arbeitete er in der Werkstatt, bis ihm der alte Meister eines Tages empfahl, auf Wanderschaft zu gehen um bei anderen Meistern Kniffe abzuschauen und zu sehen, ob anderswo nicht ein neues Leben zu machen sei. Ausgestattet mit der besten Kleidung die er je besessen hatte, etwas von Ruscoli geschenktem Handgeld und seiner Last – innerlich wie äußerlich – machte ER sich auf den Weg. Die Wanderschaft sollte nichtmal ein Jahr dauern.
### Meister Ruscoli gibt mir wieder Arbeit, weil er viele Pfeile und Bolzen fertigen muss. Ich bin gut im Schäftedrehen, sagt er. Morgen reden wir über den Lohn. ###
Ewiges und unendliches Schweigen.
_________________ Himaelin Daedin (inaktiv) Gardistder Garde der Ritter der Sieben Winde
 Träger des Gardebandes
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