Auf nackten Sohlen wanderte sie bereits eine Zeit, die keine Einheiten kannte. Der Gang könnte ein paar Zyklen gedauert haben oder ward erst begonnen worden.
Es war einerlei und nichts trübte sie mehr, nichts weniger. Denn weiches, grünes Gras ergoss sich einem Teppich gleich unter ihren Füßen. Weich, geschmeidig, leicht kühl.
Wenn einem Fela den Leib wohlig wärmt, dann mag selbst kaltes Bodengewächs dem nur Vollkommenheit bringen.
Sie war wieder acht Götterläufe alt. Stand in ihrem weißen Leinenkleid auf einer Wiese, die keine Grenzen kannte. Keine Bergketten oder Waldgürtel, die den Horizont bezeichneten.
Unter der weiten Krempe des Hutes wellte sich das rostbraune Haar, das mit jedem Lebensjahr mehr und mehr den roten Schimmer verlor, der dem Kind zur Geburt in die Wurzeln gelegt worden war.
Lachend hielt das Mädchen ihren Hut fest und begann zu rennen. Sie rannte und rannte, die dünnen Kinderbeinen flogen nur so durch die Luft.
Sie lief und lief und spürte, dass sie langsamer wurde. Schließlich stellte das Kind fest, dass es sich eine Schräge hinaufbewegte. Der einzigen auf dieser weiten Ebene. Der Horizont wurde rund. Und erst mit jedem neuen Schritt konnte es erkennen, was es erwarten würde.
Ein Mann. Mit nichts weiter bekleidet, als einem langem, schlichten Hemd, das jedem Luxus entsagte. Sein Haar war lang und dunkel und sein Gesicht kantig, obgleich es Wohlgefallen ausdrückte. Die Augen des Fremden strichen über die Landschaft, suchten nach etwas.
Das Kind störte sich daran, dass jemand hier war. Aber gleichermaßen war es verwirrt.
Bei Morsan, war es nicht ihr Traum? War es also doch kein Traum, wenn jemand hier war? Oder war es gerade deshalb einer?
Sie sprach ihn an.
Aber er reagierte nicht.
Sie stellte sich zu ihm.
Aber er schaute sie nicht an.
Also ließ sie es. Ihr Blick folge seinem über die Ebene, dann hinauf zum Himmel.
Und auch das letzte Lächeln verließ nun des Mädchens Antlitz.
"Die Ersonter Herren sind ein überheblicher Menschenschlag, Sie sind falsch und knechten ihr Volk, lassen es an den Grenzen Khalandras ausbluten."Schade.
Sie hatte gehofft es wäre ein schöner Traum. Ein nüchterner Gedanke in Anblick dessen, was sich droben abspielte. Als ob jemand die Zeit schneller laufen ließe, tobten graue Wolkenfetzen wie an Bändern gezogen über das Azur der Decke Tares.
"Die Malthuster, sie sind falsch, diese Hunde haben uns, als wir für das Reich bluteten hintergangen und unseren Handel abgegraben, nur um sich selbst zu bereichern."Die Wärme Felas wich, denn wie die Wolken tanzten die Schatten gespenstisch über die Wiese, deren Halme sich im bittren Windzug wiegten. Und dieser stahl dem Mädchen den Hut vom Kopf.
Die Krempe stieß gegen die athletischen Beine des Mannes, ehe der Hügel hinab verschwand.
Der Fremde reagierte nicht, als ob ihn niemals etwas berührt hätte.
Also reagierte das Kind auch nicht auf den Mann.
Er war nicht echt.
Die Stimmen waren auch nicht echt.
"Stahl auf Stahl, Blut für Blut, Leben für Leben, Hass auf Hass." Dann folgte nur noch Kampfgebrüll.
Awa erwachte. Sie war nicht mehr im Körper eines Kindes, sondern im Leibe einer Frau, deren Nachtbekleidung ihr wie eine zweite Haut an den Gliedern klebte. Schwer hob sich die Brust unter hektischen Atemzügen. Ihr Blick huschte über die Silhouetten, die sich im Dunkeln des Zimmers auftaten und dennoch dauerte es, bis sie sich orientiert hatte.
Sie war in ihrem Zimmer. Sie war auf Siebenwind.
Sie hatte zu viel gearbeitet.
Sie hatte zu viel den Menschen und ihren Unheilsbotschaften gelauscht.
Es war nur ein Traum gewesen.
Es war einfach nur ein merkwürdig klarer Traum gewesen.
„...Lass uns ein Spiel spielen...“