Diesmal waren es nicht die Träume von nachtblauer Tiefe und erstickender Nässe, die den geruhsam plätschernden Fluß des Schlafes mit reissenden Stromschnellen versahen bis sie mit pochendem Herzen und einem erstickten Klagelaut auf den Lippen aus dem Schlummer fuhr.
Und doch wäre das Bild für einen von außen kommenden Betrachter nicht zu unterscheiden gewesen - nicht auf den ersten Blick zumindest. Mit ein wenig mehr Aufmerksamkeit konnte auffallen, dass die dem traumgeborenen Schrecken sonst folgende Erleichterung diesmal ausblieb: Hektische Beunruhigung zeichnete Furcht in das Antlitz der Blonden und weigerte sich zu weichen. Selbst ein Glas warmer Milch brachte nicht jene Entspannung, die der Müdigkeit genug Platz verlieh, um das ihr zustehende Recht einzufordern.
Stattdessen flogen die Gedanken zurück an die kaum zwei Zyklen zurückliegenden Ereignisse ...
... Dass es keine gute Idee gewesen war dem Drängen der Feuerdienerin nachzugeben wurde Ada spätestens in dem Moment bewußt, als sich die kantigen Formen des Schiffes mit dem hochragenden Masten und den gerefften Segeln unübersehbar in die Wahrnehmung schoben. Dieser Tage lag der Hafen beinahe verlassen da: Das schlechte Wetter zwang die Fischer entweder gleich daheim zu bleiben, sich der Pflege ihrer Netze zu widmen und andere Ausbesserungsarbeiten vorzunehmen oder Fangorte zu wählen, die weniger durch die kalten Stürme heimgesucht wurden.
Selbst jetzt wetterleuchtete der Himmel beständig in fernem Grollen, das umso erschreckender wirkte, da nicht ein Tropfen Regen zu Boden fiel: Die zuckenden Blitze mahnten an einen gigantischen Kampf, der doch nur ein kraftloses Rückzugsgefecht sein konnte. Gewöhnlich liebte Ada die Gewitterstürme, aber dieser Abglanz gab ihr nichts. Schon gar nicht hier, auf einem der in das Wasser hinausgebauten Stege.
Wenige Minuten zurück hatte der Vorschlag genug wie das geklungen, was die Blonde sich im Inneren selbst beständig sagte: Um eine Furcht zu überwinden, mußte sie bereit sein sich dieser Furcht zu stellen - aber jetzt schmolz die wenige Entschlossenheit mit jedem Herzschlag ein wenig mehr und wandelte sich in klammes, am Grunde des Herzens wucherndes Entsetzen: Hier war es unmöglich die Präsenz der nachtblauen Herrin zu übersehen, selbst wenn man die Augen schloss, blieb der durchdringende Geruch nach Salz und Algen, nach Fisch und Muscheln. Das allein reichte, um alle Bilder jener verhängnisvollen Reise zurück ins Bewußtsein zu rufen und vor der sich windenden Vorstellungskraft der Blonden wandelte sich das vertäut liegende Schiff in ein Abbild der am Grunde des Meeres ruhenden "Stolz von Kalamudus".
Kein Wunder also dass sie vor Schrecken wie gelähmt zurückblieb, als die mit mehr Mut gesegnete Feuerdienerin den Laufsteg erklomm und auf diese Weise an Bord gelangte. Allein. Das kurze blonde Schopfhaar verschwand hinter der Reling und machte Ada klar, dass sie nun allein war, allein auf diesem Steg, der bereits zum Reich der nachtblauen Herrin gehörte.
Und doch - etwas lauschte. Etwas spannte sich in matt entfachtem Misstrauen, witternd wie eine auf die von Mondlicht geflutete Lichtung heraustretende Hirschkuh, deren Instinkt von der Anwesenheit des Jägers flüstert.
'Etwas ist hier..''... hier.'Eine sachte Berührung, mehr Traum als wahrhaftig vorhanden.
Der Flügelschlag eines unsichtbaren Schmetterlings an der Wange, heiss und zugleich eiskalt.
Die feinen Härchen im Nacken der Blonden stellte sich auf, gaben die Warnung weiter an das Schopfhaar in dem blau glimmende Funken kalten Elmsfeuers nervös zu irrlichtern begannen.
'.... hier.'Die Wirklichkeit erzitterte, bebte unter unsagbarer Gewalt und schmolz dann zu Seiten der sich in sie hineinzwängenden Gestalt. Vage menschlich, von einer geradezu absurden Hagerkeit, die sich mehr als einen halben Schritt über die vor Entsetzen wie gelähmte Schankmaid streckte. Spitze Ohren an den Seiten eines haarlosen Schädels, gierige Augen in denen die Flamme einer namenlosen Gier flackerte. Hände, deren Finger wie Klauen wirkten, einem zum Leben erwachten Schattenriss gleich - aber als sie sich um den Hals Adas legten, waren Quecksilber und Schatten so wirklich wie Fleisch und Blut.
Ein Ruf flog an ihrem Bewußtsein vorbei, ein schriller Schrei, der unmöglich ihr eigener sein konnte, da die langen Finger das Leben aus ihr saugten wie ein gräßlicher Blutegel .. und dann, noch bevor das Herz in die ächzende Panik drängender Atemnot geraten konnte, wurde es dunkel. Der letzte Eindruck, den das versickernde Bewußtsein Adas mit sich nahm, war das sich in den gierigen Augen der Kreatur spiegelnde Bild kalter Funken Elmsfeuers im Haar und der Gestank von Ozon, der dann irgendwie in den Geruch verbrannten Holzes überging.
Ein unbeteiligter Beobachter hätte die Ereignisse durchaus in Zusammenhang zu setzen vermocht: Der Aufschrei stammte aus der Kehle der Ignisdienerin, die - von eigenem Schrecken gescheucht - eilends über die Reling hinwegsetzte, den Laufsteg mehr herunterstürzte als lief und schliesslich der gräßlichen Kreatur und des Opfers in deren Klauen gewahr wurde.
Das reichte um alles zu ändern: Wo jemand anderes nun Hals über Kopf geflohen wäre, erwachte die Flamme des Herren mit ganzer Kraft im pulsenden Herzen, sprang knisternd in die Fingerspitzen und toste von dort aus als brennender Sturm in Richtung der unnatürlichen Wesenheit. Dass diese ihr Heil in der Flucht suchte und zurück in die Falten zwischen der Wirklichkeit schlüpfte, konnte ihr wohl niemand verdenken - die ungezügelte Kraft des Feuers fraß sich hungrig in die von Salz getränkten Planken des Steges und erlosch erst, als die Sorge für die bewußtlose Schankmaid wieder an erste Stelle rückte.