Namikleris' Stein Ursprung: Ashrun-Mahid in Endophal Elementarherr: Xan
Bei der Illustration handelt es sich dieses Mal um einen Kupferstich, gewissenhaft und präzise angefertigt aber bar jeder künstlerischen Verzierung. Abgebildet sind breite Stufen, die zu einem Tempel heraufführen. Die Treppe herauf hieven zwei kräftig aussehende Männer - die Muskeln an den Oberarmen wölben sich sichtlich unter den endophalischen Gewandungen - einen Stein von fast einem Schritt Durchmesser, dessen hervorstehendes Merkmal ein sauber gebohrtes Loch auf der Oberseite, etwa drei Fingerbreit weit, ist. Am Fuß der Treppe ist eine kleine Prozession aus vier alten Frauen zu sehen, die in fließende, weite Gewänder gehüllt sind und kleine Tonkrüge in den runzligen Händen halten. Stattzufinden scheint es in einer Wüste und zumindest Wüstennähe, denn auf jeder glatten Oberfläche sind kleinere Sandhaufen und -dünen angedeutet.
"Meine Kinder und Schwestern im Dienste an unserer gemeinsamen Herrin. An diesem Tage wollen wir Xan, Ath u Aih*, unsere Aufwartung machen. Pathu und Rah** sind in ihrer zwiespaltigen Schrecklichkeit über uns gekommen, seitdem ihre Macht sich zurückgezogen hat aus diesem unserem schönen Ashrun-Mahid. Lange schon kamen wir nicht mehr in den Genuß des Jhi'Benthu***, denn die Galadonier hier haben es nicht für nötig erachtet den Mächten die rechte Ehrerbietung entgegenzubringen! So lasst uns diese unsere Opfergaben darbieten und den Stein ihres Sohnes, Namikleris, bis zum Rande auffüllen mit dem letzten Wasser des Stadtbrunnes, auf dass sie gütig auf uns herabsehen möge. Vielfältig muss der Jhi'Benthu herabkommen, wenn die nächste Ernte gelingen soll. Dana be lahu'tha, mah tuyiem!****" - Aufruf der Äbtissin des örtlichen Xanordens an ihre Glaubensschwestern. So geschehen 43 vH. * Etwa: Wasser aus dem Strom. Ehrentitel der Xan ** Tod und Zerstörung *** Etwa: Süßer Wein. Regional vorkommendes Synonym für Regen. **** Grob zu übersetzten als: Ich danke dir, mein Brot. Traditionelle Doxologie.
Über den genauen Ablauf dieses Brauches ist nur wenig überliefert. Das wichtigste Element war zweifellos ein Ritualstein, der, wenn er nicht gebraucht wurde, wohl in dem Haus des örtlichen Xanordens aufbewahrt wurde. Der Umfang des kleinen Felsens, ein Schritt mal ein Schritt mal ein Schritt, mag beeindruckend gewirkt haben, doch ist er im Inneren ausgehöhlt. Durch die gebohrte Öffnung wurden vermutlich erst die Opfergaben hineingegeben. Je nach dem wirtschaftlichen Stand des Opfernden kamen allerlei Dinge in Betracht: Heilkräuter, leere Wasserschläuche, Wein (Weiß, denn der Rote wird tendenziell eher Ignis zugerechnet) oder gar die xangefälligen Bodenschätze: Die Aquamarinsteine und das Mondsilber. Nicht selten kam es vor, dass einer oder mehrere der Xandiener ihren Weihereif aus (teils) Silber für das Wohl der dürstenden Stadt hergaben. Aufgefüllt wird der restliche Raum im "Regenstein" mit dem letzten Brunnenwasser - folglich ist dieses Ritual nur durchführbar, wenn es keinen anderen Ausweg mehr gibt, keine Hoffnung, und das grausame Verdursten nach wochenlangem Rationieren unmittelbar bevorsteht. Übliche Gebete werden über den Stein gesprochen, im verzweifelten Wunsch nach etwas Regen. Offensichtlich ist es daher, dass dieser Brauch vorherrschend ist in den heißen und trockenen Regionen Falandriens - ganz besonders in Endophal. Ob der Vorgang ursprünglich einer der Mächte gewidmet war und lediglich von den einreisenden Dienern der Elemente übernommen und angepasst wurde lässt sich dabei jedoch nicht sagen. Im üblichen Fall aber hat die anhaltende Dürre die Gläubigen der Mächte und die Gläubigen der Xan genug zusammengeschweißt, dass sie die rituelle Handlung gemeinsam begehen.
Das Opfer der Drei Ursprung: Mittenwald am Wendskip, Norland Elementarherren: Xan und Rien
Mit Kohle scheint man diese Illustration von einem gravierten Stein abgepaust zu haben. Vereinzelte Regentropfen verwischten damals die noch frische Kohle hier und dort und machen das Ganze eher schwer erkenntlich. Es scheint sich um drei stilisierte Menschen zu handeln, gehüllt in die Fellkluften Halbwilder. Die am dünnsten und daher wohl am schwächsten dargestellte Figur führt einen kleinen Hund oder eine Katze neben sich her. Der Mittlere, ein Mann von scheinbar durchschnittlicher Statur, hat einen Lappen fettigen Fleisches in einer Hand und lockt damit einen recht zahm aussehenden Wolf neben sich her. Der Dritte schließlich, ein Bär von einem Mann, hat beide, tellergroße Pranken fest um den Hals eines sich windenden und schnappenden Weißwolfes von bedrohlichem Ausmaße geschlossen und hält ihn so mit sichtlicher Anstrengung fest, nur einen Schritt entfernt von einem ausgewachsenen Ringkampf. Links und rechts neben den drei Männern angedeutet sind mehrere Reihen von Kriegern in Reih und Glied, die die Köpfe gesenkt und die Augen geschlossen haben.
"Hört her, ihr verskeppten Fiskköppe! Ist mir gleich, ob ihr Waschlappen etwas gegen Rien und Xan havt! Ihr havt mich im letzten Kampf enttäuscht. Seid davongerannt wie diese Karnickel von Jalas, nur weil wir in der Unterzahl waren. Und ihr Haufen von stoppelbärtigen Jala-Hundesöhnen wünscht sich, eines Tages enmal in die Runde der Berserker des Hetmanns aufgenommen zu werden? Dass ich nicht lache! Aber weil ich mit dem erbärmlichen Material arbeiten muss, dass ich hier vor mir have, hav ich euch etwas ganz Feines mitgebracht. Ulf, Retalf und Gerhardt hier haven uns drei Tiere hergeholt - die werden bluten, damit ihr es nicht tut im Gefecht, das wir vor uns haben! Morgen werden eure Äxte und Schwerter im Kampf singen, aber wenn ihr einmal was richtig tut und den Göttern vertraut, dann wird das Blut dieser Tiere hier euch beschützen. Haven wir uns verstanden!?" - Schlachtrede eines (halbgaladonischen) Führers einer kleinen Schar Nortraven vor einem Gefecht gegen die Ravelorken.
Ein faszinierendes Ritual, entspringt es doch einer Region die sonst wenig von sich hören lässt, was den Glauben an die En'Hor angeht. Zufall wird es wohl nicht sein, dass sich das oben Beschriebene recht nahe an der Grenze zu Galadon zutrug. Doch wie so oft kann man es wohl auch dem gewaltigen kulturellen Einfluss unserer Zivilisation zurechnen, die die versprengten und wilden Kulte Endophals und Norlands teils abänderte und mehr den En'Hor-Orden Galadons anglich. Noch aber sind es nur sehr, sehr wenige Nortraven, die den Glauben an die Elementarherren dem Glauben an Thjarek, Wolthar, Gea oder Eydis vorziehen. Dieser Brauch aber hat sich verbreitet und gewissen Fuß gefasst in kriegerischen Kreisen wie etwa den Heerlagern der Schlachten von Khalandra und, wesentlich früher, der Eroberung Endophals. Möglicherweise kann es als wild und unzivilisiert angesehen werden, Lebendopfer darzubringen, doch ist die Symbolik so überwältigend, dass sie zumindest eine Erwähnung in diesem Werk verdienten. Zum Gleichgewicht einer Schlacht gehört, dass Blut fließt oder 'geflossen wird' - aber wessen sollte keine Rolle spielen. So nehmen drei Tiere die Stelle der möglicherweise bald schon toten oder verletzten Soldaten ein. Dreimal werden sie von den Dienern Riens (für die Tiere der Wildnis) und Xans (Blut) um den Heerverband geführt, unter beständigen Litaneien und Lobgesängen, die einerseits die Armee schützen, die Feinde aber auch verfluchen sollten. Eines der Tiere ist von domestizierter Art, an die Menschen gewöhnt und handzahm. Es steht für die Soldaten, die sich an diesem Tag eingefunden haben. Eines muss in der Wildnis geboren sein, aber an den Menschen herangeführt sein bis es sich Befehlen und Anweisungen unterwirft. Ob seiner ungepflegten und rauen Art und Weise ist es das sogenannte "Tier des Feindes", das besonders aufwendig geopfert und ausgeweidet werden wird. Das Dritte aber ist die Personifikation der Wildheit der Schlacht: Ein wildes Tier, das gezwungen wird der Prozession zu folgen. Oft mit Hilfe von Schlingen, Stöcken oder kräftigen und mutigen Gläubigen. So werden die Gräuel der Schlacht gewissermaßen unterworfen.
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"Nenne mir, Muse, den Mann, den Vielgewanderten..." Ἄνδρα μοι ἔννεπε, Μοῦσα, πολύτροπον
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