Neue Kraft schöpfen
Einsam saß der Mann, gekleidet in eine zerlumpte Robe - nackt die Füße, dreckig, ungewaschen und etwas hager im Schrein Morsans des Tempels der Viere Falkensee. Es war der 28. Dular. Er musste schon einige Zeit dort verbracht haben und immer wieder gingen seine Gedanken an die Viere, seine stillen Worte. Zu Morsan hatte er sich gebettet um seine innere Ruhe zu erlangen, die er zuletzt so verloren hatte.
"Warum nur sind sie alle so Wagemutig? Warum riskieren sie ihr Leben für sinnloses? Warum? Habe ich sie dazu getrieben?"
Immer und immer wieder versuchte er sich zu fassen.
"Bitte Morsan, ich bitte dich gnädigst. Gib mir das was ich verloren habe, gib mir die Ruhe im Schlafe, gib mir die Ruhe am Tage. Lasse mich nicht voreilig handeln. Lasse mich abwägen. Ich bitte dich. Ich flehe dich an."
Doch das Leid, dass ihm in den letzten Wochen zuteil wurde war durch einfache tiefe Gebete nicht wieder gut zu machen. Was hatte er getan? War es, weil er seinen Kameraden Gorem nicht im Hospital besuchte, weil dieser sich wieder wagemutig in eine gefährliche Situation begeben hatte? War es weil er sich nicht erpressen lassen wollte von den Piraten und stattdessen die Schattenjäger entsendete um seine Kameraden von der Marine zu erretten? War es, weil er sich zu viel geleistet hatte? Weil er sich zu wichtig nahm? War es, weil er nicht der gegebenen Ordnung der Viere folgte in seiner Position und darauf bestand, dass man ihn angemessen behandelte? Oder war es gar, weil er die Götzen der Orken und der Nortraven achtete um den Frieden zu wahren? Was war es nur.
Die Viere konnten es ihm nicht sagen, sie zeigten ihm nur andere Wege auf. Immer und immer wieder. Jeden Tag ein anderer Schrein. Er aß und trank kaum. War es ein Geschenk der Viere oder war es der Mangel an Nahrung, der ihn dazu brachte zu oft einzuschlafen - zu oft zu träumen?
"Danke ihr Viere, dass ihr mir die Augen geöffnet habt! Ihr seid heilig im Geiste, stets will ich euch treu dienen. Euer Wort unter das Volk bringen. Ich will euch dienen auf einem Wege wie es keiner eurer Diener tut, die so zerstritten und so gespalten sind. Ich will euch dienen mit vollem Herzen, euch dieses öffnen und stets nur in eurem Ansinnen handeln. Eure Feinde will ich zerschmettern, die es wagen euer Werk zu bedrohen!"
So war seine Zeit gekommen den Tempel zu verlassen, seine Kameraden brauchten ihn. Sie waren es nicht gewohnt ohne ihn zu sein. Zu jung in seinem Range war der Gardewaibel. Zu unerfahren. Er musste zurückkehren, sich von den Vieren lösen. Wegtreten von dem Ort wo er ihnen so nahe war. Neue Kraft, neuen Willen, die alte Ruhe. Die Viere zeigten ihren Dank für eine Woche der Demut, für eine Woche des Gebetes, für eine Woche der Hingabe. Was konnten sie einem noch schenken?
_________________ Sic semper tyrannis Waldemar Delarie
|