Wie lange war er nun schon hier? Vier Tage, etwa? Vielleicht mehr.
Natürlich war es bedauerlich gewesen, dass es ihm trotz des Einsatzes rhetorischer Stilmittel (Tee und Saft als Demonstration der theoretischen Möglichkeit, dass es ja ungleich gefährlichere Substanzen hätten sein können) nicht gelungen war noch eine passende, letzte Rede zu halten um ein paar Dinge aufzuklären bevor er sich schließlich wohl überlegt in die Ersonterhaft begabt - nicht ganz nach Plan, zugegeben. Ventus möge es Serafina, dem Bellumsdiener und der Vitamadienerin vergelten, die sich um ihn gekümmert hatten. Nun hatte er in aller Ruhe Zeit seine Verteidigungsrede mental vorzubereiten (Schreibmaterial war ihm 'abhanden gekommen') und sich auf den Prozess zu.. freuen.
Ist es in solchen Situationen nicht angebracht, ein Lied als Zeichen des Trotzes und der Unbeugsamkeit im Angesicht der Unterdrückung durch.. Strohköpfe zu demonstrieren? - Gut. Die Kehle würde mit einem Räuspern gereinigt. Es würde auch ohne Instrumente gehen, denn schließlich gab die Zelle an sich eher wenig her. Genaugenommen seit Tagen schon nicht mehr Essen, wenn man von der brockigen Fischsuppe absah, die noch dazu außerhalb seiner kettenbeschränkten Reichweite lag. Es wurde sich also eines Liedes entsonnen - des Einzigen, das er noch auswendig konnte.
Die Hymne der Akademie der Winde zu Ventria.
Adeste, quotquot estis,
Alumni ventorum;
Adeste, quidquid usquam est
Ventronensium:
Vos hodie vos aula
Festiva convocat,
Et vobis en! aestivis
Sertis se decorat.
Adeste quotquot estis,
Neu votum sileat,
'O floreat Ventria,
Ventria floreat!'
Kommt, wo auch immer ihr seid,
Kinder des Windes;
Kommt, was auch immer sonst sein mag,
Ventrier:
Denn heute ruft sie zusammen im Hofe
zu einer Festlichkeit,
Und seht nur! In herbstliche
Blumenpracht hat sie sich gehüllt.
Kommt, wo auch immer ihr seid,
Damit der Schwur nicht verklingen mag,
"O Ventria, erblühe,
Erblühen möge Ventria!"
Stat nostra stetque sedes
Silvis circumdata,
Et stantis instar vigilis
Tuetur omnia;
Qua collibus se collis
Jungit purpureus,
Qua turgidus in rivum
Se fundit rivulus;
Stat nostra stetque sedes
Aquis imposita,
Rivorum, ruris, montium,
Silvarum domina.
Da sind wir und es steht ihr Sitz
In den umliegenden Wäldern,
Und dort steht sie wie eine Wächterin
Alle bewachend;
Wo Berg und Berg
Sich purpurn vereinigen,
Wo plätschernd sich das Bächlein
in den Bach ergießt;
Da sind wir und es steht ihr Sitz
Über den Wässern.
Der Bäche, Länder, Berger
Und der Wälder Herrin.
Stat gaudiorum fautrix,
Stat fautrix studii,
Bonarum mater artium,
Civisque liberi:
Favet, favebit eadem
Nativo robori,
Ventus amori, patriae,
Datoris et Venti:-
Quo semper orbis vocem
Hanc totus audiat,
O floreat Ventria,
Ventria floreat.
Sie ist die Herrin unserer Freuden,
Die Herrin unseres Bemühens,
Die gute Mutter aller Künste,
Und freier Menschen:
Sie bevorzugt, und bevorzugt seit jeher
Ihre angestammte Linie,
Die Liebe des Windes, des Vaterlands,
Und des schenkenden Ventus:-
So soll ganz Tare auf immer diese
Stimme hören:
"O Ventria, erblühe,
Erblühen möge Ventria!"
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"Nenne mir, Muse, den Mann, den Vielgewanderten..."
Ἄνδρα μοι ἔννεπε, Μοῦσα, πολύτροπον