Über Neid und Missgunst
Nach mehreren Götterläufen als Geselle durfte Amelia endlich ihre Meisterprüfung bei einem anderen Holzhandwerksmeister in Vandris ablegen. Die Vorgaben waren nicht einfach, und dass sie nur begrenzte Zeit hatte, erschwerte das Ganze noch mehr. Doch nach einer Woche hatte sie ihr Meisterstück gefertigt, es wurde von dem Meister, wie auch ihrem Vater abgesegnet, und sie wurde von einem Vitamageweihten ebenfalls mit einem Segen belegt, auf dass sie viele meisterhafte Stücke fortan fertigen solle.
Freuen konnte sie sich dennoch nicht. Seit einigen Wochen wurden immer mehr Meldungen laut, nachdem Fürst Raziel die umliegenden Kirchen und Tempel anzünden ließ, dass ein Krieg ausgebrochen war. In Vandris selbst war nur eine gewisse Unruhe zu spüren, doch die Städter waren bemüht darum ihrem Tagesgeschäft nachzugehen. Doch letztendlich waren sie alle nur damit beschäftigt, so zu tun, als würden nicht täglich beunruhigende Nachrichten, aus den umliegenden Siedlungen, Vandris erreichen. So versuchte auch Amelia all die Informationen die hinter vorgehaltener Hand gesprochen wurden, weitestgehend zu ignorieren. Denn wie ihre Mutter stets zu sagen pflegte: Alles, was nicht offen gesprochen wurde, sind nur Dinge die keine, oder nur wenig, Wahrheit im Kern mit sich tragen und nur dafür da sind andere zu schädigen, oder sich selbst besser dastehen zu lassen.
Nicht lange, nachdem sie ihre Prüfung gemeistert hatte, wollte sie auch ihren Laden eröffnen, den sie in den Monden zuvor schon eingerichtet hatte. Das einzige was noch fehlte, waren die neuen Fenster, die sie bereits bestellt hatte und auch zur Abholung bereit waren.
Sie kannte den Glaser schon seit sie ein kleines Kind war und er hatte auch ihren Vater schon immer sorgfältig und zuverlässig beliefert. Ein unauffälliger Mann, der keine Frau und keine Kinder hatte, aber sein ganzes Leben seiner Arbeit und seinem Geschäft widmete. Von ihm war man kein schlechtes Wort gewohnt, es hatte auch niemand ein schlechtes Wort für ihn übrig. Umso verwunderlicher war es für Amelia, als er sie alles andere als freudig empfing und ziemlich unzufrieden wirkte. Doch nie war sie jemand der neugierig war, also schloss sie den Handel ab, beauftragte ihren Bruder, der mit ihr gekommen war, die Glasplatten auf dem Pferdekarren zu befestigen und so ging sie ihrer Wege, eröffnete wenige Tage später ihr Geschäft und verlor keinen Gedanken an den Glaser. Bis wieder die Hände vor den Mundwinkel gelegt wurden und leises Tuscheln die Handwerker Vandris erreichte.
Der neue Feinwerker, der erst vor einigen Monden nach Vandris zog und seinen Laden eröffnete, hatte ungeahnten Erfolg. Er hatte ein Verfahren entwickelt, dass das Glas schöner und glatter machte, als ein jeder Glaser zuvor es bewerkstelligen konnte. Die Farben seiner gefärbten Gläser waren unübertroffen brillant und die Bürger Vandris, die sich von dem aufkeimenden Krieg ablenken wollten, ließen viele Dukaten bei dem begabten Handwerker, um sich mit bunten Glasfiguren und Glasfenstern etwas Farbe in ihr tristes Leben zu zaubern. Auch Amelia war bei ihm, um sich davon zu überzeugen und sie musste den Stimmen uneingeschränkt recht geben. Doch mit einem Mal, als der neue Handwerker seinen Erfolg auch nach außen trug, wurde ganz anderes über ihn gesprochen.
Ein Diener des Einen, gar ein Magier der dunklen Künste, soll er gewesen sein, der seine Magie nutzte um die Menschen zu täuschen. Sogar warf man ihm vor, dass seine Kunstwerke verwunschen waren und ein jeder, der sich diese kaufte, in seinen Bann gezogen wurden und er sie schließlich als schändliche Diener an seine Seite zog und sie ausnutzte um an ihr Hab und Gut zu kommen und um ihre Kinder und Frauen zu opfern.
Es dauerte einige Wochen bis diese Gerüchte auch an die Inquisition gelangen. Zu jener Zeit wurde jedem noch so kleinen Fall nachgegangen und richtig gestellt oder der vermeintliche Ketzer seiner gerechten Strafe unterzogen. Die Menschen waren ängstlich geworden und klammerten sich an jede Bestätigung, die sie von der Obrigkeit erhalten konnten, auch wenn der Fürst sich für die meisten als Enttäuschung herausstellte.
Als die Inquisition über Wochen den Handwerker besuchten, bemerkte Amelia eines sehr deutlich: Der alte Glaser wurde von Tag zu Tag zufriedener, der andere, jedoch, sah von Tag zu Tag kränker aus. Sein Blick paranoid, er ging nur in den Dunkelzyklen hinaus und jeder begann ihn zu meiden. Das ging schließlich soweit, dass er seinen Laden schließen musste, da er keine Kunden mehr hatte und all jene wieder zum anderen Glaser gingen, der seine gewohnte Stellung in Vandris wieder einnehmen konnte und vor Glück nun regelrecht zu platzen schien.
Redegar legte ihr nahe, sich nicht mit dem anderen Feinwerker einzulassen, damit auch sie nicht in Verruf geraten würde, doch Amelia war die ganze Situation zu suspekt um es dabei zu belassen und so traf sie sich mit dem Handwerker, Vengod sein Name, um ihn selbst zu befragen.
Er war schon fast verzweifelt gastfreundlich, bot ihr Berge zu essen und zu trinken an, wollte ihr alles recht machen und hielt immer einen übertrieben großen Abstand zu ihr, als wagte er es nicht ihr zu nahe zu kommen. Paranoid und ängstlich wirkte er, wie er immer hastig zu den Fenstern oder zur Türe blickte, als das Licht einer Fackel sich näherte. Nach ein paar Gläsern Wein schien er aber wesentlich ruhiger und erzählte von sich.
Eine Frau und drei Kinder hatte er, die in einer kleinen Siedlung, zwei Tagesreisen entfernt von Vandris, lebten. Sie wollten in die Stadt nachkommen, wenn er mit seinen Geschäften genügend Dukaten verdient hatte um ein angemessen großes Haus zu kaufen. Er sprach davon, wie die Inquisition den Verdacht, der gegen ihn aufkam, bestätigte und dass er seit einer Woche ständig beobachtet wird und er nur noch auf den Tag wartete, an dem er den Flammen übergeben werden sollte. Vengod antwortete nicht, als Amelia fragte ob die Vorwürfe denn der Wahrheit entsprächen, er beteuerte nur, dass er seine Familie liebte und er niemandem etwas antun könnte, der ihm nichts böses will.
Wenige Wochen später wurde er auf dem Marktplatz verbrannt. Der Erste von vielen die ihm folgen mussten. Amelia veranlasste, dass ein Beileidsschreiben an seine Familie geschickt werden würde, sowie einen Teil ihres eigenen Vermögens, da das Vermögen von Vengod konfisziert wurde, um den Krieg zu finanzieren.
Amelia hatte keinerlei Mitleid für Vengod übrig, schließlich hatte er sich zu seiner Ketzerei bekannt, doch für seine verbliebene Familie umso mehr. Als sie das selbstgefällige, hochmütige Gesicht vom Glaser, die Tage danach, sah, wusste sie, dass sie Menschen nicht mehr über ihre Vorstellungen vom Leben verurteilen würde, sondern nur noch für ihre Taten. Und in diesem Fall war der Widersacher und das Opfer klar.
Neid hatte einen schwarzen Fleck, der all die Tugenden der Viere überdeckte, in ein Herz gefressen und schließlich den Tod eines unschuldigen Menschen verursachte. Angamon hatte ein Opfer, in Form eines Dieners, gebracht um weitere Menschen zu verderben. Einen Glaser, eine Frau und drei Kinder.
Und all das nur, weil jemand mehr Erfolg hatte und beliebter war, als der andere.