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 Betreff des Beitrags: Vom Stubentiger zur Löwin
BeitragVerfasst: 22.10.10, 15:31 
Einsiedler
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„Höre mir gut zu... “, sprach der Geweihte zu ihr und setzte sich unter dem Knarren des Holzstuhles nieder, die Unterarme auf den Knien abgelegt. Das Mädchen saß vor ihm, die großen blauen Augen voller Ehrfurcht, Bewunderung und Liebe zu dem Mann aufgerichtet.
„Verachte niemals deine Angst und deine Furcht. Sie ist ein Teil von dir, der dich beschützen will... vielleicht ist sie ein Instinkt, den die Götter uns gaben. Sie lebt in uns. Sie gehört zu uns. Sie wird dich vor Dummen bewahren. Du aber wirst lernen müssen, mit ihr umzugehen und sie zu akzeptieren. So wie du Zorn und Wut lenken können musst. Schäme dich niemals für deine Angst, aber dafür, wenn du dich wegen ihr dümmer verhältst, als du es ohne sie getan hättest. Du musst tapfer sein, für dich und vor allem für andere. Denn das macht dich ehrenvoll.“
Dann richtete er seinen Oberkörper wieder auf und schenkte seiner Tochter ein warmes Lächeln.
Warm und traurig, denn er wusste, dass er sie bald wieder einen Götterlauf nicht aufwachsen sehen würde.
„Jetzt wische dir die Tränen fort und geh in den Keller. Die Ratten laufen eher vor dir weg, alsdass sie dir etwas tun. Deine Großmutter hat dich gebeten die Kartoffeln zu holen und du willst doch nicht, dass die arme alte Frau sich den Rücken bricht.“


~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~


„Los, geh nach vorne und nimm Tamelas Position ein!“, schallte die Stimme fordernd durch den engen, dunklen und klammen Gang. Viktoria blinzelte, war für ein paar Sekunden wie entrückt gewesen, und trat in die Reihe, das blutige Schwert trotz des schmerzenden Armes hebend, der schon zu lange nun die Klinge hatte führen müssen.
Von den Wänden hallte das Gekreische der Harpyien wider, wie sie geiferten und sich behackten, um den Kadaver ihrer toten Vorgängerin zu zerfleischen. Sie könnten die nächsten sein...
Aber mehr als ihre Position halten konnte die kleine Gruppe nicht, die von allen Seiten in der Höhle eingesperrt worden war. Sie konnte nur standhalten.


„Herr, lass mich nicht wanken..“, dachte das Mädchen und fürchtete sich vor den Ratten im Keller.


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 Betreff des Beitrags: Re: Vom Stubentiger zur Löwin
BeitragVerfasst: 23.10.10, 03:53 
Edelbürger
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Die schwere Ausrüstung, die von jedem Augenblick zum nächsten immer schwerer wurde lastete auf seinem Körper. Die Regentropfen donnerten auf die eiserne Rüstung, es kam ihm vor als ob es immer lauter wurde. Er war überzeugt davon, dass wenn er noch genug lange hier liegen würde, würde er im Schlamm versinken. Im nächsten Augenblick spritzte das dreckige Wasser in sein Gesicht. Vor sich in der Pfütze sah er die Stiefel des Hauptmannes. Wieder kam der Befehl zum aufstehen, mit großer Mühe richtete er sich auf. Nun lief er und andere, die sein Schicksal teilten, zu den nächsten Steinen um dahinter Deckung zu suchen. Wieder landete er im Schlamm. Durch die große Erschöpfung in so kurzer Zeit, war er kurz weggetreten. Für einpaar Augenblicke sah er nur dem Wasser, das über die Steine runterfloss zu. Die Geräusche und die Stimmen auf dem Übungsplatz waren nur dumpf zu hören. Er schüttelte sich kurz, dann wurde alles wieder klarer, sein Blick ging nach hinten. Einpaar Soldaten waren bereits im Schlamm liegen geblieben. Ihre letzte Kraft war aufgebracht, doch das kümmerte Niemanden. Die Schwachen waren unwichtig. Wie lange würde er noch durchhalten?

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Seine Blicke schweiften immer wieder zu der junge Löwin. Von dem ersten Augenblick an als er sie gesehen hatte, wuchs sie ihm ans Herz. Nun war er der jenige, der sie ausbilden musste und für sie verantwortlich war. Würde er es schaffen? Oder würde sie auch wie viele andere sterben oder gehen, weil ihr alles zu viel sein würde?

Zweifeln und Sorgen, die Worte waren ihm nicht fremd, schon gar nicht in letzter Zeit. Selbst im jetzigen Moment, umzingelt von Kreaturen, dachte er an nichts anderes. War er schon so erfahren oder gar so gewöhnt an all dies? Oder lasteten seine Zweifel und Sorgen schon so schwer auf ihm?

Das Kreischen der Harpyien hallte im engen Gang. Er stand ganz vorne, um seine Kameraden so gut wie möglich zu schützen. Er wusste er könnte sie lange aufhalten, doch wusste er auch was sie draußen erwarten würde. Wieder litt seine Konzentration kurz unter seinen Gedanken und eine Kralle glitt wie ein Messer über sein Kettenhemd. Der Wappenrock wurde aufgeschlitzt, man konnte hören wie einpaar Ringe der Rüstung rissen. Schnell fasste er sich wieder und versetzte der Harpyie den tödlichen Schlag.

Er atmete einmal tief ein und schaffte seine Gedanken weg. Er war bei ihr und solange das auch der Fall war, würde ihr nichts geschehen. Doch nicht immer würde er bei ihr sein können, das wusste er.

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William Glaron


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 Betreff des Beitrags: Re: Vom Stubentiger zur Löwin
BeitragVerfasst: 24.10.10, 17:21 
Einsiedler
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Dass sie in ihrer Entscheidung etwas stürmisch gewesen war, wusste sie selber. Sie hatte es bemerkt, als sie die erste Nacht alleine auf dem Schiff... oder eher gesagt allein in einem Raum mit vielen Fremden verbracht hatte. Sie war ein Familienmensch, hing an ihren lieben Großeltern, an ihrer Tante und deren Kindern. Am gesamten kleinen Dorf und den Kleinigkeiten dieses Lebens.
Ein überschauliches Leben. Ein Leben ohne Elfen, ohne Magie, ohne riesige Echsen, Harpyien, Sammler oder dunklen Magiern.
Sie hatten nur in den Geschichten gelebt, die ihr Vater zu erzählen vermochte. Dabei hatte er in den Erzählungen herzlichst ausgelassen, dass neben den edlen und heroischen Taten das ganze zu einem einzigen Gemetzel ausarten konnte.


~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Dafür waren nun Tyrus Helbas und William Glaron da. Vorallem ersterer hatte beinahe etwas Höhnisches für sie in der Stimme, als er sich mit dem zweiten Waffenmeister über die kindische Illusion mancher Krieger unterhielt, die glaubten dem zu begegnen, was die Geschichtsschreibung einem übrig ließ. Viktoria blickte nur betreten zu Boden. Sie redeten über sie.

Es war alles nicht sonderlich gut gelaufen. Die Euphorie sank langsam. Oder eher gesagt das Selbstvertrauen, dass sie in sich selbst gelegt hatte. Der Löwenorden hatte sie aufgenommen, sie ausgestattet, sie schützend in die eigenen Reihen gestellt. Aber nun schämte sie sich etwas.
In diesen dunklen Höhlen hatte sie das Schwert geführt, von dem sie nie gelernt hatte es zu führen. Sie hatte in der Reihe gestanden, sie musste nicht denken, denn es war ein Fluss. Sie wusste sich in Sicherheit, weil William immer in ihrer Nähe blieb. Sie wollte diejenigen hinter sich im Rücken in Sicherheit wissen und es war gelungen. Es brauchte kein Denken und keine Technik, es gab kein Zögern und keine Angst vor Blicken.

Aber bei dieser Waffenübung war es plötzlich eine reine zur Schaustellung. Nichts ging mehr. Sie war überwältigt von dem Wissen über ihr Unwissen, von den Blicken, die prüfend auf ihr lagen. Solana hätte sie mit einem Wimpernzucken niederreißen können und Viktoria sah in den Augen der Rothaarigen soetwas wie Genugtuung aufblitzen.


Zuletzt geändert von Viktoria: 3.11.10, 08:23, insgesamt 1-mal geändert.

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 Betreff des Beitrags: Re: Vom Stubentiger zur Löwin
BeitragVerfasst: 27.10.10, 14:39 
Edelbürger
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Der kleine Junge lief über den Hof der Kaserne, überall waren Übungspuppen und etliche andere ähnliche Werkzeuge. Immer wieder schlug er mit dem Holzschwert gegen die Puppen beim vorbeilaufen. Für ihn waren es keine Puppen, jeder Gegenstand im Hof entsprang den Geschichten, die ihm immer wieder erzählt wurden hier in der Kaserne. Der Hof war damals für ihn noch groß, jedes Eck war ein anderes Abenteuer. Natürlich war der kleine Junge der Held. Doch plötzlich spürte er auf seinem Holzschwert einen Schlag und sein Schwert fiel zu Boden. Überrascht und etwas verängstigt blieb er stehen, erst sah er runter zu seinem Schwert, dann hoch. "Willst du lernen wie man ein Schwert führt? Dann hör auf mit dem Spiel und beginne richtig zu üben, Bursche." erklang die harte Stimme des Unteroffiziers. Der kleine Junge blickte ihn einfach nur an, der Kopf nach hinten gelegt, er brachte kein Wort raus. "Na los! Nimm dein Schwert wieder in die Hand!" brüllte der Unteroffizier weiter. Der kleine Junge war für ihn nichts anderes als die Soldaten die er ausbilden musste. Der Junge kniete sich langsam hin und nahm das Schwert mit zitternden Händen wieder auf. Sein Traum war aus, die Geschichten zu Ende. Er musste das Schwert festhalten, doch jedes mal schlug der Unteroffizier fester drauf, so dass eine Welle von Schmerz an seinem Arm rauf lief und er jedes mal das Schwert fallen ließ. Ab und zu kriegte er auch einen erbarmungslosen Schlag gegen die Seite.

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Nun war es nicht sehr anders hier auf der Insel. Doch der Übungsplatz war viel größer geworden. Die Illusion der Geschichten seiner Kindheit war schon lange verschwunden. Sicherlich gab es Geschichten, und zwar viele, doch meist waren sie schmerzhaft und beängstigend.

Er hatte viele junge Soldaten erlebt. Selbst die härtesten Burschen ließen ihre Maske in der ersten Schlacht fallen, als sie mit der unvorstellbaren Wahrheit konfrontiert wurden. Wie viel mal musste er sie am Arm packen und dafür sorgen, dass sie auch aufrecht blieben? Wie viel mal musste er sein eigenes Schild vor sie halten, während sie einfach nur zuschauen konnten als der erste Schlag des Gegner auf sie zu raste? Für viele konnte er nicht einmal etwas tun. Erst nach der Schlacht erfuhr er, dass jene gefallen waren. Deswegen wollte er auch Alexander Falkenherz nicht als Schüler aufnehmen, obwohl er dazu imstande wäre. Sicherlich war es seine Pflicht für all seine Kameraden zu sorgen, für all die Männer und Frauen, die seine Befehle verfolgten. Doch wusste er gut genug, dass das in einer Schlacht nicht richtig möglich war. Und es war das letzte was er wollte, sich zwischen zwei Schülern zu entscheiden.

Er war zufrieden von Viktoria's Fortschritt. Doch hatte er hohe Erwartungen, von ihr und auch von sich selbst. Er war sich sicher, dass er sie in jeglichem unterstützen würde. Sie war sein Schützling und er würde sie beschützen, wie ein richtiger Löwe sein junges beschützt.

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William Glaron


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 Betreff des Beitrags: Re: Vom Stubentiger zur Löwin
BeitragVerfasst: 1.11.10, 12:33 
Einsiedler
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Sie hüpfte von einem Bein auf das andere, legte mal aufgeregt die Hände vor den Mund schaute gespannt durch das Gitter ins Grünland. Oh, wie tapfer! William ging raus, um dem armen Mann zu helfen, der von einer Meute Orken aufgehalten wurde! Sie hätte ja gedacht, diese grünen Missgestalten würden alle gleichzeitig auf den zweiten Waffenmeister losgehen, aber wie souverän er es löste... also sie, ja, SIE wäre wohl heillos überfordert gewesen. Der Ork hätte nur schnippsen müssen und sie wäre umgekippt, aber nun die Zweikämpfe, das war...

Sie wurde in ihren aufgeregten Gedankengängen unterbrochen, als Tamela sie mit einem einfachen Satz in die Welt zurückholte.

„Er bedeutet dir viel, oder?“
„Hä?“, erklang es von der kleinen Blonden, die wohl auch keinen Hehl um ihre einfache, manchmal doch auch kindlich anmutende Art machte. Sie schien nicht zu verstehen was die Bogenschützin meinte.
„Also? Ich sage es auch niemanden...“, wurde diplomatisch weitergedrängt, während William eine Orkin zu Boden beförderte.
Viktorias Blick schnellte wieder nach vorne und gab sich der Begeisterung für diesen Sieg hin.
„Er ist mein Lehrmeister!“, erklingt es kompromisslos stolz von ihr und so interessierte sie sich nicht mehr für etwaige Fragen, die sie ja eh nicht verstand.

„Das ist keine Antwort.“
Man könnte sich fragen, welche der beiden Frauen nicht recht verstand.


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 Betreff des Beitrags: Re: Vom Stubentiger zur Löwin
BeitragVerfasst: 2.11.10, 13:48 
Edelbürger
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Nach den Zweikämpfen wusste er ziemlich gut was ihn erwartete. Sehr üble Kopfschmerzen. Er war kein Mann der sich zurückhielt oder zimperlich wäre, doch hatte er dann manchmal auch diese Phasen eines Kindes, in denen er dann recht wehleidig sein konnte und herum meckerte. Irgendwie war er froh, dass Viktoria dort war. Denn er hatte eine etwas andere Nähe zu ihr. War der Grund dafür die Beziehung, die man zu einer Schülerin hat oder die vaterhaften Gefühle oder gar ganz was anderes? Das wusste er nicht. Es faszinierte ihn jedoch. Er hatte keine Hintergedanken, es war schön wie es war. Er genoss es, als ihre sanfte Hand über seinen Körper glitt. Er fühlte sich irgendwie geborgen. Etwas amüsiert und doch liebevoll sah er der Blonden zu, wie sie mit konzentriertem Blick und den leicht rötlichen Wangen, seine Wunden versorgte.

Für einen Moment lang wollte er alles ablegen, die Sorgen, die Verantwortung und sich selbst vollkommen in ihre Hände legen. Und auch wenn sie es nicht wusste, nahm sie ihm bereits einen Teil ab. Er war erleichtert, wusste, dass er jemanden hat. War er doch nicht so ein einsamer Soldat? Ohne die Frau würde der Mann roh, grob, einsam sein und die Anmut nicht kennen. Das war gewiss.

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William Glaron


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 Betreff des Beitrags: Re: Vom Stubentiger zur Löwin
BeitragVerfasst: 5.11.10, 21:20 
Einsiedler
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Der Junge vom Nachbarhof stand wie angewurzelt da. Über ihn zog sich der Schatten, welcher der Gerüstete über ihn warf, einem drohenden Unheil gleich.

Viki saß noch immer im Gras, von ihrer Unterlippe lief das Blut in einem schmalen Rinnsal das Kinn herab und mischte sich dort mit den unablässig fließenden Tränen, als sich der hinzugetretene Mann drohend aufgebaut hatte.
Sie weinte nicht, weil sie Angst hatte. Es war eine Mischung aus dem Schock der ungewohnten und plötzlich auftauchenden Schmerzen. Und Zorn.
Es war Zorn der aus dem Gefühl der Ungerechtigkeit erblüht war. Es war nicht gerecht gewesen, dass die Knaben mit ihrer Steinschleuder auf eine der Katzen gezielt hatten, die auf dem Hof von Viktorias Großeltern lebten und die Ställe und Kornspeicher von Nagetieren freihielten. Das Mädchen hatte geschrien und geschimpft und war einem der Burschen in den Arm gesprungen, bettelnd, sie sollten doch das Tier in Ruhe lassen. Die Folge war, dass es in einem ungleichen Gerangel endete und das Mädchen an diesem Abend zu der schmalen, heute nur noch kaum sichtbaren Narbe an ihrer Unterlippe gekommen war.

Die Tränen versiegten, als die Jungen davon liefen.
Diese hatten im Gegensatz zu Viktoria Angst gehabt. Angst vor dem besagten Erwachsenen, der sich in diesem idyllischen, ländlichen Ort, umgeben von Feldern, Bächen und Wäldern in voller Rüstung zeigte. Bellumsrot war der lange Wappenrock und der Umhang, der sich in der leichten Brise wog. Nicht ein Wort hatte er sagen müssen. Er allein in seiner Anwesenheit schien das Wort der Gerechtigkeit zu sein.

Als er sich zu dem fünf Jahre alten Mädchen umdrehte, sah Viktoria zum ersten mal ihren Vater.
Die Burschen der Nachbarhöfe traten ihr nie wieder zu nahe.



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William. Sie wollte doch nur, dass er stolz auf sie ist.

„Wenn du Sorgen hast, egal welche, ich bin für dich da.“
„Niemand wird dich jemals verletzen, wenn ich bei dir bin.“
Was er ihr sagte war: Du bist mir wichtig.

Das gab ihr ein Gefühl der Geborgenheit. Es war nicht wie bei ihrem Vater, aber er vermittelte ihr ein ähnliches Gefühl der Zugehörigkeit. Ein willkommender Teil von etwas zu sein. Gewünscht zu sein. Keine Last.

Aber der Preis war hoch. Sofort sollte sie die neue Rüstung bekommen, nur die beste, sogleich die Andeutung, dass Solana nun bei Benedict in der Ausbildung war, wie schnell William den Weg zum Streiter geschafft hatte und die Zuversicht seinerseits, die Aufforderung, Viktoria sollte noch schneller sein. Schneller als er, schneller als Solana und Benedict. Schneller als es vorgesehen ist für Viktoria. Sie wusste nicht, woher Williams Wunsch herrührte. Dafür hatte sie nicht genug Lebenserfahrung, um in solche Gedankengänge einzutauchen, nicht einmal für die Sicherheit die Worte richtig gedeutet zu haben.
Sie wusste nur, wie glücklich sie war und wie sehr sie sich für dieses Glück schämte, das sie aus Williams Wortschwall herauszog. Und das nur weil sie für das Auflegen einer kühlenden Salbe ins Lazarett konnte. Für ihre andere Aufgabe.

Fort von Bellum in ihren Armen und hin zu Vitama in ihren Händen.


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 Betreff des Beitrags: Re: Vom Stubentiger zur Löwin
BeitragVerfasst: 10.11.10, 12:58 
Edelbürger
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Was bedeutet es eigentlich ein Löwe zu sein? Ruhm und Ehre? In gewisser Hinsicht vielleicht, auch wenn viele die Taten eines Löwen kaum ermessen können. Es ist ein selbstloser Pfad, das ist sicher. Ohne eine Gegenleistung zu erwarten stets zwischen dem Feind und den jenigen zu stehen, für deren Schutz man einen Eid geschworen hat. Irgendwann fragt sich jeder Löwe, nachdem Sinn seiner Taten. Er wird sich wundern, warum es Leute gibt, deren Undankbarkeit fast schon greifbar ist. Er wird seine Ideale hinterfragen, doch wird er keine Antwort finden.

Aber liegt Heiligkeit nicht in der gerechten Handlung und dem Mut dies auch im Namen jener zutun, die sich nicht selbst verteidigen können?


~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Er erinnerte sich nur vage an die Tage, als er noch neu im Orden war. Es geschah einfach so viel, dass es unmöglich war sich an alles zu erinnern. Doch eines wusste er genau, er hatte vieles Benedict zu verdanken. Er war es, der ihn zu einem richtigen Löwen gemacht hatte, in jener Hinsicht. Sei es die Satzung, sei es der nie endende Kampf oder einfach die Etikette. Schnell konnte man realisieren, dass zwischen einem Löwen und einem einfachen Soldat viele Unterschiede gab.

„Denn nur im rauen Bette eines reißenden Flusses findet das Gold schließlich seine Heimstatt, die Farbe des Löwen.“

Wie oft hatte er diesen Teil der Satzung von Benedict gehört? Ausreichend viele mal, so dass sich die Worte in sein Gedächniss gebrannt hatten. Natürlich dauerte es eine Weile bis man auch verstand, wie passend auch diese Worte sind.

Ehrgeiz. Jahrelang hatte es ihn begleitet. Auch wenn es mit den Jahren weniger wurde, hatte er noch immer gewisse Vorstellungen. Denn auch wenn der ruhige Mann meist nicht viel sagte, hatte er über jeden seine Meinung. Wenig entging ihm. Er war keinesfalls blind gegenüber seiner Schülerin. Im Gegensatz hatte er sich bereits schon viele Gedanken gemacht. Er wusste wie anders Viktoria war. Doch konnte er ihr nicht die Zeit geben, die sie brauchte. Auch wenn er sie als Schülerin genießen, sie langsam besser kennenlernen wollte. Wie ein Vater seinem Kind, während seines Lernprozesses liebevoll zu schauen würde, wollte auch er ihr zusehen.

Ihre Ausbildung musste schnell gehen, das Dunkeltief war schon an der Tür. Und selbst wenn das nicht so wäre, wusste er welche Gefahren ein Löwe ausgesetzt war. Und je schneller und mehr er ihr beibringen konnte, desto größer würden ihre Überlebenschanchen sein.

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William Glaron


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 Betreff des Beitrags: Re: Vom Stubentiger zur Löwin
BeitragVerfasst: 16.11.10, 23:33 
Einsiedler
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"Willst du denn bald heiraten, Tamela?"
"Man weiß ja nie was kommt, wir könnten morgen alle tot sein. Und du?"


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Wenig später hatte sie wieder draußen im Torhaus gestanden und den weißen Schal um ihren Mund gewickelt.
Der Wind war kalt und stechend und sie glaubte hier am Wall war er noch kälter als im Grünland. Das Thema im Lazarett hatte sie höchst beschämt gemacht. Sie hatte etwas angesprochen, was auf sie nicht zutreffen würde. Sie hatte damit nichts zu schaffen und dennoch war die Hitze ihrer Wangen noch nicht abgeklommen, als sie Tamela nach William fragte. Sie war schon froh,
dass sie daraufhin keine Andeutung gemacht hatte.
Tatsächlich hatte Viktoria sich dabei erwischt, wie sie lediglich auf ihn noch gewartet hatte. Aber das galt natürlich nicht zu zeigen. Selbst als er sich zu den beiden Feldscherinnen gesellte gab sie keinen verräterischen Mucks von sich.

"Der hier wird dir besser stehen."
Unverhofft legte der zweite Waffenmeister ihr seinen löwenblauen Schal in die Finger. Es erschien ihr plötzlich wie selbstverständlich, ihm ihren Schal anzubieten. Und kaum ausgesprochen merkte sie, wie peinlich und albern das war, was sollte er mit "ihrem" alten, farblosen Schal wollen?
Aber er nahm ihn, lächelte und legte ihn sich um.

Sie verbarg nun ihren Mund und die Nasenspitze hinter dem neuen Schal. Und sie nahm etwas ganz Neues und Merkwürdiges wahr. Es war nichts Schlimmes oder Unangenehmes, das dem Tuch anhaftete.
Es war irgendwie der angenehme Geruch von Mann. Es roch, nein duftete, nach William.
Sowas hatte sie vorher noch nicht bemerkt.


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 Betreff des Beitrags: Re: Vom Stubentiger zur Löwin
BeitragVerfasst: 20.11.10, 06:37 
Einsiedler
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„Du hast etwas verloren, Viktoria.“ Solana schaut sie an, irgendwie zeichnete sich etwas Weiches und Freundliches in ihren Zügen ab.
Viktoria selber blickt nun erschrocken an sich herab und betasteteden Gürtel und ihre Taschen und fragt ganz panisch was sie denn irgendwo hätte liegen lassen.
„Einen Teil deiner Kindheit. Du wirkst nun eher so, als ob du die Klinge wirklich führen wollen würdest.“

Der erste Schritt schien getan. Ein Schritt auf dem Weg, ein Schritt um wirklich Anwärter zu sein. Ihre Beförderung zu jenem Titel kam schneller als sie vorangekommen war und so hatte sie einige Zeit gebraucht um nachzuziehen. Sie würde in vielen Dingen nachziehen müssen.

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„Du bist komisch. Aber ich weiß noch nicht, ob das gut oder schlecht ist.“

In dem Moment war für Viktoria eine kleine Welt zusammengebrochen. Warum war sie komisch? Was machte sie falsch? Ja, heute war sie etwas daneben... aber sie hatte ihm doch nicht sagen wollen, dass sie sich den Kopf so steht gestoßen hatte, dass ihr ständig schlecht und schwummrig war und sowieso nur ganz schlecht gerade stehen konnte.
Oder war es wegen dem was sie gesagt hatte? Manchmal gab er einem das Gefühl salopp werden zu dürfen und im nächsten Moment kommandiert er und dann ist die Witzelei unangemessen gewesen. Oder ist es ihr Schweigen? Ihre Zurückhaltung? Ist es, weil sie nicht so... frei war wie die anderen Mädchen und Frauen? Weil sie keinen Wein trank? War sie nicht gut genug, nicht lernfähig oder tapfer genug? Nein... vielleicht weil sie nicht so schlau war wie die Gelehrten... das musste es sein... sie hatte sein Gedicht nicht lesen können... wollen... oder doch können?

Jeden Tag übte sie mit Schwert und Schild, wenn keiner sie beobachtete und quälte sich mit der schweren Rüstung. Sie war so tapfer bemüht nicht an Zuhause zu denken und jeden Morgen mit den immer gleichen positiven Gedanken aufzuwachen und die Schmerzen zu ignorieren, die ihren Leib heimsuchten. Sie hatte Ziele.
Sie wollte William gefallen, als Schülerin.
Sie wollte später einmal Alkatar gefallen, als Tochter.


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 Betreff des Beitrags: Re: Vom Stubentiger zur Löwin
BeitragVerfasst: 4.12.10, 15:06 
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Sie hatte den Wall verlassen, obwohl noch andere Löwen dort Wache hielten. Es war nicht wie der Vortag, wo William sie weit über einen Dunkelzyklus warten ließ und einfach nicht wieder kam und sie dort in der Kälte einsam und wartend an den Toren gestanden hatte. Da hatte sie zum ersten Mal auf dieser Insel soetwas wie Ärger und Enttäuschung empfunden, mit dem Beigeschmack vom pubertären Gezicke, das Türen zum Knallen brachte... in der Phase vergaß sie soetwas wie Gerechtigkeit in ihrem Urteil.

Jetzt war es purer, dummer Starrsinn.

Der Wind war kalt und bissig und kein Ort wirkte einladend auf sie. Nach Brandenstein und ihn dort besuchen? Pah, ganz bestimmt nicht. Sie hätte sich dort auch gar nicht alleine hingetraut.
Ihr schien dieser schlichte Besuch in einem warmen Haus bei Williams neuer Familie angsteinflößender als das einsame Herumstreifen auf der Insel. Die Einsamkeit schickte einen nicht fort und sie schämte sich etwas für ihren Ärger auf ihn.
Und überhaupt... wenn er sie nicht unterrichtete, dann würde sie nunmal weiter üben, alleine... und ihn dann damit vielleicht überraschen?

In ihren Gedanken und Plänen versunken, wie sie ihrem Ziel näher kommen könnte, verlor sie den Weg aus den Augen. Aus dem Trampelpfad wurde schlammiger Boden, nasses, überwässertes Gras und letztendlich versumpften ihre Stiefel und die Hufen der ihr nachtrottenden Stute im Erdreich.
Als die Dämmerung einsetzte, hatte das junge Mädchen noch immer nicht den Weg zurückgefunden und sie trat enger und schutzsuchend neben ihrem von William geliehenen Reittier entlang.
Ihr Schrecken war groß, als sich auf einem kleinen Hügelchen eine bewegene Silhouette abzeichnete. Eine kräftige Statur menschlichen Körperbaus, angelehnt an einen Baumstamm.
Ein Mann war es, in dicke, löchrige Felle gekleidet, der seinen harten Blick auf die Löwin legte und sich gemächlich aufrichtete.
Den Bogen nahm er von seiner Schulter, das Mädchen ins Visier...
Ein kurzer Anflug von Hoffnung aus dem Sumpf zu kommen verflog sogleich.

"Hat dein Lehrmeister Dir nicht gesagt, dass man nicht allein die Sümpfe geht?"


Man hat Viktoria schon einige Tage nicht am Wall gesehen, weder bei der Wacht, noch in den Räumlichkeiten des Lazaretts.


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 Betreff des Beitrags: Re: Vom Stubentiger zur Löwin
BeitragVerfasst: 7.12.10, 22:30 
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Die Luft war warm und stickig, hing schwer und feucht in den unterirdischen Höhlen.
Das Flattern und Krabbeln auf dem Boden, das Knartzen in den Ästen und Wurzeln verrieten ihr nur den Anfang von dem Grauen, das sie noch erleben würde.
Für einen Moment wünschte sie sich einfach zurück zu Cardos zu laufen und ihm zu sagen, wie leid ihr das eigene Verhalten täte und dass er doch nicht mehr enttäuscht sein sollte!
Je tiefer sie in diese Grotte eindrangen, je mehr flatternde Tiere ihre Flügel verloren hatten und je häufiger Viktoria von den bleichen Ästen geprügelt und geschwunden worden war, desto mehr wünschte sie sich zu Tamela, die immer erkannt hatte, wieviel Fürsorge das Mädchen noch brauchte.
Aber nein. Sie gingen immer tiefer, zogen Dornen aus ihrem Fleisch und hakten sich den Weg durch das mannshohe Unterholz frei.
Der Jäger hatte kaum eingreifen müssen und stand oftmals ungeachtet hinter Viktorias Rücken, die blind auf die Geschosse vertraute, mit denen er sie aus der Not retten würde.
Wahrscheinlich nahm sie kaum wahr, wieviel sie geleistet hatte, war beflügelt von dem Gemisch aus Angst, Anstrengung und Adrenalin.
Das Blut rauschte wie ein stürzender Bach durch ihre Adern und sie fühlte sich von Bellum selbst beflügelt und über die erste Hürde der Angst getragen, als sie unter den schwingenden Ästen herkroch und über die gefallenen Bäume hinweg kletterte. Erst als ihr Begleiter aus den Sümpfen unter den Ästen eines geisterhaften Baumes begraben und von ihnen umklammert wurde, war sie für einen Moment wie gelähmt.
Sie konnte den raubeinigen Mann kaum erblicken, als sie ihm in diese Kuhle nachgeeilt war und doch hatte sie die weinerliche, zitternde Stimme erhoben, die nach soviel Tapferkeit rang.

„Baum! Lass ihn los!“

Und tatsächlich konnte der Schütze sich befreien, als die Äste sich nun lockerten, und während sie den Weg freihielt konnte er sich seinen zurück zum Ausgang erklimmen... kaum bei Sinnen genug auf das sofortige Nachfolgen des Mädchens zu achten.

Viktoria war einen Moment allein in dieser Nische zurückgeblieben. In diesem Moment erfasste etwas ihr Herz und alles um sie herum war dunkel und kalt, als wäre dieser Ort mit seiner Grausamkeit in sie eingedrungen.
Tränen liefen über ihre verschrammten Wangen und nun wusste sie, dass sie am liebsten wieder bei William wäre.
Er hätte niemals zugelassen, dass etwas so Dunkles ihr vitamisches Gemüt berührt.


Der Stubentiger war zu seinen ersten Streifzügen ausgezogen und pilgerte wieder zurück in den Korb.


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 Betreff des Beitrags: Re: Vom Stubentiger zur Löwin
BeitragVerfasst: 12.01.11, 20:33 
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Es hätte schlimmer sein können.
Wahrscheinlich lag es daran, dass sie immer im Schutz der Gruppe stand und die Eile und Hektik dieser Situationen richtige Angst nicht zuließen.
Es war für sie wie der Einblick in ein großes Abenteuer, ohne sich wirklich reinhängen zu müssen. Immerhin trug sie nicht die Verantwortung für Entscheidungen und so fühlte sie sich sicher an Williams Seite, dem sie kompromisslos alle Kompetenz zusprach. Oder sie folgte einem anderen Löwen. Wenn einer neben ihr die Waffe zog, wusste sie, dass es auch für sie an der Zeit war. Keine Frage, sie war einfach nicht gut genug ausgebildet für eine Schlacht. Zu jung, zu unerfahren, zu schlecht gerüstet. Und statt an den Gedanken daran in Panik zu verfallen und sich in Grund und Boden zu schämen, das kam immer erst danach, passte sie sich so gut wie möglich an.
Und bei Bellum und Vitama, ihren allerliebsten, sie hatte es gesund überstanden, bis auf diese scheußliche, genähte Wunde, die ihr wirklich weh tat... bestimmt wäre sie fast daran verblutet! (Sie fand das irgendwie faszinierend...wie die meisten Wunden.) Und sie hatte auch in ihrer unausgereiften Art so manchen Gegner mit zur Strecke bringen können, harr!

Was sie nun, wo alles soweit abgeklungen war, wirklich schrecklich fand, waren ihre Mitlöwen.
Meine Güte, sie hat ja bei allem wacker stand gehalten, aber als William vor ihr hockte und ihre Hände wusch ("Wo du endlich mal wieder da bist kann ich dich auch mal verwöhnen.") hätten nicht die Schmerzen der Wunde sie fast in die Ohnmacht getrieben, sondern das!
Und Tjure setzte direkt noch eines drauf, als wäre sie in der Hinsicht nicht schon gebeutelt genug.
Wie er sie schlichtweg einfach so fragte, ob sie schonmal bei einem Mann gelegen hätte, spuckte sie den gesamten Saft wieder aus, den sie noch im Mund hatte. Hochrot wie eine Tomate waren Kopf und Ohren. Was das denn mit ihrem Löwensein zu tun hätte... aber sie verstand die Antwort nicht ganz. Irgendwas davon man müsste alle grausamen Katastrophen mal erlebt haben um standhaft zu sein oder so... also mal ehrlich... da fragt man sich bei solchen Erläuterungen von Liebe, warum Viktoria sich davon lieber weit, weit fern hält?


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 Betreff des Beitrags: Re: Vom Stubentiger zur Löwin
BeitragVerfasst: 15.01.11, 16:15 
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Vermutlich tat ihr das festsitzen nicht gut oder besser gesagt: dem Rest des Ordens. Sie brauchten dringend irgendwas Konstruktives zu tun, sonst würde Viktoria noch wahnsinnig werden.
Sie hatte die Mitglieder gern und lieb und sie waren wie eine Familie, wo man es sich halt nicht aussuchen konnte wer dazu gehört. Man kann jemanden furchtbar finden, aber trotzdem alles für ihn tun, weil es halt einfach so ist.
Anscheinend sah Marion das anders, die "Frau" mit den Augen im Hinterkopf. Nun, die paar Mal wo Viktoria sie mal giftig angesehen hat... darüber sollte man doch hinwegsehen können, wenn sie ansonsten immer höflich und nett war, sogar noch ganz besonders, als Marion den Wappenrock des Ordens ablegen musste? Sie hatte es bisweilen ehrlich mit ihr gemeint und dann zog Marion sie in den Keller um ihr offensive Feindschaft vorzuwerfen. Und wirklich, das musste sie sich von einer Gleichaltrigen nicht gefallen lassen. Sie konnte ihr ja schlecht ins Gesicht sagen, dass sie Marions Lebenswandel akzeptieren würde, sie letztendlich aber für ein mehr als nur leichtes Mädchen hielt. Sie ging stark davon aus, dass Marion sich schon mit dreizehn freigiebig hingab, Männern jeder Altersklasse und das recht schamlos. Und die Sache mit William... dafür sollte er sich gleichermaßen schämen! Wirklich... das rechnete sie ihm nicht sehr hoch an.

Allgemein war es furchtbar, wie die übrig gebliebenen Mitglieder sich benahmen. Das einzigste was sie interessierte war der Beischlaf mit anderen, die Jüngste hinweg bis zum Ältesten, als kannten sie überhaupt keinen anderen Lebensinhalt, außer Wache am Wall stehen und sich die nächste Wärmflasche fürs Bett zu suchen. Wenn sie das wenigstens in Vertrautheit tun würden... aber sie stellten sich wie eine lüsterne Gruppe direkt vor das Osttor und ließen jeden Passanten teilhaben (und der Ordensmeister sagt nicht mal ein einhaltendes Wort!).
Vitamas Güte und Liebe war ein kostbares Geschenk, es war ehrliche Hingabe und ein Band inniger Liebe. Wenn sie daran dachte, dass ihre Eltern nur einmal geliebt haben und dies bis zum Ende ihres Lebens (und sie das Resultat war dieser einzigen gemeinsamen Nacht)... es war verstörend zu sehen, wie die Welt wohl außerhalb ihrer eigenen aussah... dass man sie offensichtlich dafür belächelte und ausgrenzte, weil sie sich für einen anderen Weg entschieden hatte.
Es mag eine naive Einstellung sein, Schönes zu hüten... Aber war es nicht ähnlich wie an die Werte ehrenvollen Kampfes zu glauben und ihnen nachzueifern, auch wenn die Welt einem oft niedere Methoden abfordern will?

Sie hätte nicht gedacht, dass sie sich mal mit soetwas auseinander setzen würde, aber es gehörte wohl zum Weg dazu, um vom Kätzchen zur großen Katze zu werden.
Die Welt verstehen... (und wenn es sich dabei einfach nur um den Zickenkrieg zweier Mädchen handelte...)


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 Betreff des Beitrags: Re: Vom Stubentiger zur Löwin
BeitragVerfasst: 6.03.11, 11:47 
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William hatte es ihr nun langsam erklärt. Ihre Welt war wirklich einfach zu hell, bunt und von Träumereien durchzogen, als dass sie das Gebahren der anderen wirklich hätte verstehen können. Aber der Ordensmeister war ein guter Lehrmeister, wenn es darum ging, einem Mädchen das Leben eines Soldaten zu erklären, ohne dass sie sich allzu dumm dabei vorkam.
Sie hatte das alles nicht verstehen können, weil sie diese Form er Einsamkeit und den Wunsch nach Zweisamkeit einfach nicht kannte oder auch nur irgendwie kennen lernen wollte.

In ihren Fähigkeiten war sie besser geworden. Hatte die Gelegenheit gehabt, schwere Wunden zu versorgen (und es war noch niemand dabei gestorben! Nicht mal die Freifrau, oh... eine Adelige, sie war ja so stolz...) und mit ihren Schwestern und Brüdern beim ersten Versuch der Wallrückeroberung zu helfen. Tatsächlich hatte die angehende Feldscherin ein paar der Gegner mitnehmen können, ehe ein Pfeil sie niederstreckte. (Sie war sehr fasziniert von ihren eigenen Wunden, auch wenn es wehtat und sie vor Schmerz aufheulen könnte - aber das nannte man wohl empirische Studien.)

Ihr eigentlicher Mittelpunkt war etwas und jemand ganz anderes geworden und dieser jemand war ihr aller liebster Ordensbruder. Als Bruder wollte sie ihn lieber sehen, war er ihr doch in manchen ähnlich, doch in vielem auch so anders.
Beinahe so alt wie sie, vielleicht weltbewanderter, war Raphael jemand, mit dem sie gut ihre Zeit verbringen konnte. Sie kam niemals in die Verlegenheit sich an seinen Fähigkeiten vor anderen messen zu müssen, obgleich er wusste, wie man ihr einen Dämpfer verpassen konnte. Aber es war schon gar nicht so schlecht, mal von einem anderen Menschen Aufmerksamkeit zu bekommen, sodass sie sich jemanden auch mal wirklich vorstellen konnte, von sich erzählen durfte und dafür halt mal Neckereien hinnehmen musste.

Manchmal sagte er Sachen, die ein komisches Gefühl in ihrem Bauch ausbreiteten. Aber damit konnte sie nicht viel anfangen. Erst sieht sie in ihrer Rüstung schick aus, im nächsten Satz war das Ding "alt und hässlich". Dann sehe sie mit Blättern im Haar elfischer aus, weil ...ihr ansonsten tatsächlich alle Anmut fehle. Recht hatte er ja, aber warum wollte sie das eigentlich von ihm gar nicht hören? (Sollte sie das William vielleicht auch mal fragen? Das wäre aber wirklich peinlich...)

Und auch wenn sie ja gar nicht mehr so jung war und sie hoffte es würde nicht jeder sehen, nahm sie den Stoffhasen, den Raphael ihr gestern schenkte, mit ins Schlaflager.


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 Betreff des Beitrags: Re: Vom Stubentiger zur Löwin
BeitragVerfasst: 9.04.11, 20:46 
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Viktoria versuchte bemüht Raphaels Buch zu lesen. Aber es war unüblich verfasst, ein wirrer Dialog mit anscheinend schwer erschließbarer, aber hoher Philosophie als Inhalt. Alles samt war doch nicht recht ihres. Diese Insel mochte voller hochgebildeter Menschen sein, aber für sie, die vom Land kam, war Lesen nicht an der Tagesordnung gewesen.

Und zudem wollte sie ein wenig von den anderen weg. Kein Zweifel, sie würde Raphael immer zur Seite stehen ("Ein ganz süßes Kind. Aber sie muss noch die Größe wissen") - sie sprang ein, damit es belangloser wurde, damit sich dieses Fixieren von Amelia auf Raphael etwas auflockerte, wenn Viktoria so tat, als betreffe es lediglich das Kind einer gemeinsamen Bekannten. Sie wusste aber, wieviel schwerer diese Sache wog und Raphael kannte ihre Meinung darüber. Sie wollte nicht in die Verlegenheit geraten, mehr darüber zu hören und sich dabei doch selbst den Mund verbieten zu müssen.

Sie musste die Seite neu beginnen, als hätte sie zwar gelesen, aber die Gedanken über den Tag hätten erst gar nicht zugelassen, dass sie auch nur ein Wort des Gelesenen behielte. Sie gingen unweigerlich zurück zu Raphael.
Es hatte nur eine kleine Erwähnung gebraucht, dass dieser Jai sie angesprochen habe - und schon war der Löwenanwärter festen Schrittes ins Zelt marschiert und schien sich diesen anderen einmal vorgeknöpft zu haben. Was meinte er noch? Er habe Sorge, Viktoria würde sich von so einem Mann herumkriegen lassen. Warum wurmte ihn das so, dass er sie direkt beiseite nehmen musste? "Du bist kein kleines Mädchen mehr, werde dich dessen mal langsam bewusst."
Es schmeichelte sie ein wenig, dass Jairan sie bemerkt hatte, aber auch, wie Raphael darauf als guter Freund reagierte - wohl als ihr bester.

Jetzt war sie nicht nur ein Mitglied des Löwenordens, das mit seinem Fähigkeiten in der Wundbehandlung gefordert war, eines, das mit Rüstung, Schild und Schwert die Reihen der Streiter verstärkte.. nein, so langsam konfrontierte man sie auch mit den Schwierigkeiten des Erwachsen- und Frau Werdens. Neue Fragen taten sich auf.

Der Vorhang zum Zelt öffnete sich, die Silhouette eines hochgewachsenen, ausgeprägten Männerkörpers erschien im Eingang.

"Die anderen meinten, ich sollte mal nach dir schauen, ob alles in Ordnung ist."
"Ja, es is' alles in Ordnung."


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 Betreff des Beitrags: Re: Vom Stubentiger zur Löwin
BeitragVerfasst: 18.04.11, 17:50 
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„Geht es dir gut?“

„Ist alles in Ordnung?“
„Kommst du zurecht?“

„Komm immer zu uns, wenn du etwas hast.“



Sie fühlte sich aufgenommen, sich fühlte sich sicher – ihr Selbstbewusstsein ließ es zu, dass man ihr diese Fragen stellen durfte. Sie lebte nicht im Glauben, dass es sie schwächte, dass deshalb ihre Fähigkeiten in Frage gestellt werden würden.
Sie konnte akzeptieren, dass man sich um sie sorgte. Denn sie konnte auch sehen, dass man sie einband, dass man ihr Verantwortung gab, dass man ihr vertraute, dass man sie nicht zu sehr beschützen wollte – Sie wuchs mit der Gruppe.
Worunter sie aber litt, war das Gehen ihrer Brüder und Schwester. Sie hasste Abschiede, sie hasste sie seit ihrem fünften Lebensjahr, seit ihr Vater sie jedes Jahr wieder im Dorf zurückgelassen hatte.

Deshalb war es die bessere Lösung, dass Marion sie mit auf die Mauer genommen hatte, um ihr von William zu erzählen. Ein paar Tränen, eine Umarmung – dann hatte sie einen Zyklus Zeit für sich, um mit diesem Gefühl umzugehen. Dabei dachte sie an den Orden, sie dachte an Amelia, sie dachte auch ganz egoistisch an sich – für sie war William aller Anfang hier gewesen, das Sinnbild eines Ordensleiters, Vorbild, Lehrmeister, ein wenig Schwarm, ein wenig Vaterfigur.

Sie erging sich in Gebeten an Mutter Vitama und an den Schweigenden und schöpfte Kraft und Mut, sich wieder der Gruppe im Torhaus anzuschließen.

Raphael, der sich mit dem Rücken zum Ödland stellte und daher in eine unfreundliche Diskussion mit den Löwinnen geriet, sorgte für nächsten Kummer und gab ihr stark zu denken – selbst wenn sie nicht so aussah, als würde sie viel nachdenken. Abweisend, hart und zumeist auch kühl und pubertär arrogant trat er seinen Mitlöwen gegenüber. In den ersten Momenten fühlte sie sich mitbetroffen, aber doch gab er ihr immer herzliche Anzeichen, dass sie seine Abweisung nur kurz zu ertragen hatte, ehe er sich ihr dann wieder freundschaftlicher und vertrauter zeigte.

Sie wusste langsam, wie sie ihn locken konnte. Zum einen ertrug er es nicht allzu lange, wenn sie ihn ignorierte und wie ein Schluck Wasser durch die Gegend blickte, zum anderen suchte er immer den Wettstreit gegen sie, das sich Beweisen, ein wenig angeben und imponieren und dies auf eine reizend überschauliche Weise... Und um ihn die schlechte Laune zu nehmen und sich selbst abzulenken, entschied sie sich heute für den Wettstreit... hinter soetwas konnte sie ihre fürsorgliche Absicht gut verbergen. Denn er konnte damit nicht umgehen.


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 Betreff des Beitrags: Re: Vom Stubentiger zur Löwin
BeitragVerfasst: 26.04.11, 22:35 
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Sie spürte seine Wärme, wie sie seinen Körper wie eine sanfte Aura umgab - so wie der Duft, der in seiner Kleidung hing und ihr die Nackenhärchen aufstellte. Scheinbar hatte jedes Haus und jeder Mensch seinen eigenen Geruch... und seinen hatte sie schon eine ganze Nacht in der Nase gehabt und die Erinnerungen an diesen friedlichen Schlaf kehrten schamvoll zurück, als er ihr wieder so nahe kam - doch diesmal auf eine ganz andere Art und Weise.
Aufdringlich, einnehmend ging er auf sie zu, sperrte sie zwischen sich und der Wand ein, nahm einen gegen die Wand gestämmten Arm um die Jüngere und gut ein Stückchen Kleinere festzuhalten.
Die andere Hand legte sich an ihren Arm - seine Stimme war nahe an ihrem Ohr, heißer Atem, der ihre Haut streichelte, über die Ohrmuschel und den Hals glitt. Die Schlagader pulsierte, der Mund wurde ihr Trocken, das Herz trommelte gegen ihre Rippen, die Lippen glühten als bereite der Körper sich auf etwas vor, was ihrem Geist noch verborgen lag.
Unreal.
So unwahrscheinlich, dass sie wie von Sinnen war und diese Situation gar nicht einzuorden wusste. Was machte er? Sie wollte es nicht wissen und doch gleichzeitig so begehrlich erfahren, dass es sie noch mehr stocken ließ.
Einfach abwarten...? Sie ließ ihn gewähren, dann würde sie ja sehen was kommt, ob er sie wirklich küssen würde oder sie diese Annährung nur als solche vermutete. Sie überlegte, wie es sich wohl anfühlen würde...

Die Situation löste sich auf. Unsicherheit auf beiden Seiten. Und Zweifel über ihren kommenden Lebensweg gab er ihr mit, als sie seinen Laden verließ.


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 Betreff des Beitrags: Re: Vom Stubentiger zur Löwin
BeitragVerfasst: 30.04.11, 15:45 
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Sie schlief. Doch der Gedanke an das Vergangene hielt ihn fest an ihren Anblick gekettet. Sie hatte sich im Schlaf herumgewälzt, sich von der linken auf die rechte Seite gedreht und dann wieder auf die Linke zurück. Ihr Haar hatte sich dabei wie ein langer, in seinen Augen, seidener Schleier in den Kissenbezügen verfangen und hinterließ ein nicht wirklich anmutiges aber irgendwie bezauberndes Chaos auf ihrem Kopf. Einzelne Strähnen fielen ihr über die Stirn ins Gesicht und wippten jedes mal spielerisch mit, wenn ein kurzer Atemstoß ihren Lippen entwich. Entlang der Wangen hatte sich der Rest ihres Schopfes verselbstständigt, sank in wilden, ungebändigten Bahnen herunter - den Hals entlang, über das Schlüsselbein, bis zum Dekoltee und versperrte dort die Aussicht auf angenehmere Dinge, die sich unter der geschnürten Weste deutlich abzeichneten. Er nahm ein leises Rascheln wahr, als ihre Lippen klanglose Worte im Schlaf formten und eine Hand tastend die Umgebung zu erkunden begann.

Langsam und unaufhaltsam näherte sich das feingliedrige, fünffach besohlte Monstrum seiner Aussichtsplattform auf einem der großen Kaschmirkissen. Für einen kurzen Moment spürte er, wie ihre Fingerkuppen seinen Handrücken streiften und eine kühle Gänsehaut hinterließen, als sie den Unterarm weiter hinaufkrabbelten, dann jedoch wieder hinunterglitten und ihre Wanderschaft in die weicheren Regionen der Kissenburg fortsetzten. Dort fanden sie ihr Ziel in Form von einem hermelinblauen Daunenkissen, das ihm bereits vorher aufgefallen war, weil es ihn an die Farbe ihrer Augen erinnert hatte. Die kleinen Finger verkrallten sich verzweifelt in den samtweichen Stoff - zurrten und ziepten kraftlos, konnten dem Gegner jedoch nicht mal ein müdes Wackeln entlocken. Ihn rührte das halbe Verzagen auf ihrem schlafenden Gesicht tief in seinem Herzen, wie sie sich wacker und verbissen auf die Unterlippe bis, als würde sie im Tiefschlaf gegen einen unbezwingbaren gar übermächtigen Feind ankämpfen, der in Wirklichkeit doch soviel sanfter und weicher war. Lautlos - leiser als jeder Schatten beugte er sich etwas nach vorne, hob den Arm, der wehrlos der Kurve ihrer Hüfte folgte, fürsorglich an und legte ihn um das Objekt ihrer Begierde. Sofort drückte sie das Kissen mit beiden Armen fest an sich und ein Ausdruck tiefer Zufriedenheit umspielte ihre Lippen. Der Träger ihres Oberteils war im Zuge der leidenschaftlichen Umklammerung den Arm heruntergerutscht und entblößte den Anblick auf eine nackte Schulter. Das schwummrige Licht der kleinen Kerze auf dem Nachttisch, tauchte ihre Haut in ein warmes, verführerisches Licht, griff mit aller Begierde nach dem rosigen Fleisch und er ertappte sich dabei, wie er den Blick für eine ganze Weile von dieser eigentlich doch so unverfänglichen Stelle an ihrem Körper nicht abwenden konnte. Er hatte sie zu nah an sich herangelassen, dabei vergessen, wer er war oder besser gesagt - wer er einmal gewesen war.

Er war in das Königreich der Blumen gekommen, um eine Blume zu rauben und zu plündern, so wie es im Wesen aller Männer lag und so auch in dem Seinen. Bereits bei der ersten unfreiwilligen Berührung, dem ersten Hauch von Rot der in ihre Wangen gestiegen war hatte er geahnt, dass auch diese Blüte sich den Gesetzen der Natur unterwerfen würde wie Regen und Sonne, Wind und Feuersturm es taten.
Er hatte sich in Sicherheit gewiegt, waren ihm doch genug schlafende Mädchen untergekommen in seinen Jahren auf dem Festland. Sich stolz und wild und frei gefühlt, denn er wusste, nicht viele konnten diese Grenzen überschreiten und den tiefen Grund des Meeres, der sich hinter ihren Augen verbarg erkunden. Und während er sich noch als Raubtier fühlte, unbezwingbar und mit übermütigen Gedanken beschäftigt, hatte er einen fast unmerklichen Schritt zu viel getan und war verzaubert worden. Zu nah war er an ihr Bett getreten, umnebelt von einem unerahnten Duft. Zu viel hatte er in einem einzigen belauschten Atemzug gesehen und gespürt. War in Gedanken mit den Fingern unter ihr Hemd geglitten, dem Verlauf der zarten Kontur ihrer Haut hinunter bis zu ihren Schenkeln gefolgt, bevor er sich wieder daran erinnern wollte, wie rücksichtsvoll und gut erzogen er doch eigentlich war ... und dass ein Teil von ihm sie bereits liebte und bis in alle Ewigkeit behüten wollte.

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i hate for the glory


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 Betreff des Beitrags: Re: Vom Stubentiger zur Löwin
BeitragVerfasst: 4.05.11, 22:18 
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Irgendwie war ihr ganz Elend. Als sie auf Williams Bett sah, wollte sie eigentlich nicht glauben, dass er das ist. Es war wie mit flauschigen Hunden – scherte man ihnen das Fell und begoss sie mit Wasser erkannte man die kleine Kreatur darunter gar nicht wieder. Ein merkwürdiger Vergleich, dachte sie sich, aber im Kern passte es. Die Haare kurz, das Gesicht glatt, blass und leicht eingefallen – der vor Kraft und Energie protzende Körper lag regungslos da und die Muskeln und die Fettreserven waren einfach weg geschrumpft. Wie ein Siechender. Die Idee von dem was William vorher an Präsenz und Sicherheit ausmachte. Und sie zweifelte, ob er alsbald wieder wie der alte William sein würde.
Tränen stiegen dem Mädchen in die Augen, als Amelia sie allein mit ihm im Schlafzimmer ließ.
Er lag doch nicht mehr im Sterben, sagte sie sich immer wieder, und doch hatte dies etwas so absurdes, als ob ein Kind zum ersten Mal zu einem Verstorbenen geführt wird.
Sie hatte wirklich noch nie einen solch verbrannten Körper gesehen und ihr wurde regelrecht schlecht wenn sie an die dauerhaften Schmerzen dachte, die der Löwe wohl haben musste. Es schüttelte sie und sie strich sich über den Handrücken, als graute sie die Vorstellung, ihre Haut könnte so offen sein.

Es brauchte zunächst etwas Überwindung, aber das Vertrauen kehrte doch zurück. Sie kniete sich neben seinem Bett nieder, rutscht aufrecht näher an jenes heran und hatte den Duft der vielen heilenden Essenzen förmlichst in der Nase, der sich mit dem letzten Hauch von Williams Eigengeruch vermischte. Ihre Lippen begannen sich zu bewegen – für Amelia im Nebenraum nicht mehr als das Gefühl gesprochener Worte.

„Mutter, Liebende, Oh du Nachsichtige, jeden Tag empfangen
wir deine Geschenke, empfang'n wir deine Gab'n. Wir leb'n,
in dem wir dich leb'n. Wir lieb'n, in dem wir dich lieb'n, denn du
bist die Liebe und die Kraft. Du bist das Leben und so bitte ich, kehre
liebe-, lebend und kraftspendend in diesen Körper, der den Vieren
seinen Dienst getan - um deine Kinder zu schütz'n.
Gütige, mit dir in meinem Herz'n, erbitte ich deine Güte, die
ich als deine Dienern deinem Kind versprech'n will...“

Leise und lieblich, doch auch ein wenig ängstlich spricht sie diese Worte und tief im Herzen ist sie voller Vertrauen, als sie das Rosenblatt zwischen ihren Fingern zerreibt und den Daumen auf Williams Stirn setzt. Während des Gebetes zeichnet sie eine Raute über seinen Körper.


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 Betreff des Beitrags: Re: Vom Stubentiger zur Löwin
BeitragVerfasst: 19.05.11, 14:51 
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Es war so unglaublich finster um sie herum. Und sie lief und lief und spürte, wie die klebrigen Fädchen ihre schweißnasse Wange streiften und in ihrem Haar verhedderten. Ihre Rüstung krachte bei den holprigen Schritten so laut, dass sie die tippelnden Schritte ihrer Verfolger und das Krachen der sich immer wieder geifernd schließenden und öffnenden Kiefer übertönte. Rot glühende Augen verfolgten das Mädchen, welches so unglaublich schwer nach Atem rang und sich mit dem Schild und dem Schwert einen Weg durch die dichten, tödlichen Netze der Riesenspinnen bahnte.
Das schwache Licht der von ihr aufgestellten Fackel tönte die ersten sichtbaren Felswände in ein Hauch von Rot, reflektierte sich auf den Gitterstäben der Absperrung. Sie würde bald den Ausgang der Mine erreicht haben. Vor Anstrengung war ihr beinahe schon zum Kotzen übel, schwindelnd schaffte sie es das Tor hinter sich zuzuschlagen und noch die letzten drei Schritte zurückzustolpern, bevor die große, schwarzgrüne Spinne sie noch mit ihrer giftigen Substanz erreichen konnte.
Der Rums hallte bedrohlich im gesamten unterirdischen Tunneltrakt wieder, als das gigantische Spinnentier mit voller Wucht gegen das geschlossene Gitter gesprungen war.

Viktoria schleppte sich hinaus in den Wald und ließ sich ins Moos und Blätterwerk fallen. Achtlos landeten Schwert, Schild und Helm irgendwo zwischen den Wurzeln eines Baumes. Liegen... atmen... oh, wie süß war dieser Duft von nassem Lauf, Gras, Holz und all diese feinen vertrauten Nuancen. Sie konnte sogar das Wasser riechen. Und wie sie es hören konnte! Je mehr das penetrante, schmerzende Rasen des Herzens nachließ, desto weniger pumpte das Blut durch ihre Ohren. Das Blattwerk über ihr raschelte unter dem Regenerguss der hellgrauen Wolken und schützte die Liegende davor, hilflos jenem ausgesetzt zu sein. Und das Tröpfeln erst, als der Schauer die Oberfläche der kleinen Teiche aufraute... Viktoria konnte nicht anders als über das ganze Gesicht zufrieden zu lächeln.

Alles schmerzte ihr gerade, besonders die Stelle, aus der sie das Spinnengift aus ihrem Arm hatte ziehen müssen. Und doch stellte sie das auch zufrieden. Niemals zuvor in ihrem Leben hatte sie ihren Körper so bewusst wahrgenommen, wie sie es nun beim Löwenorden gelernt hatte. Sie erkannte Grenzen, neue Kräfte – Muskeln, von denen sie nicht wusste, dass sie existierten, Überanstrengung, Herzrasen, Ängste und... das was Raphael mit ihr gemacht hatte, was seine Berührungen auslösten.

So viel tat sich. Soviel bewegte sich. Lazarettleiterin sollte sie werden und war sie wirklich nun Streiterin, nach über einem halben Jahr Dienst am Wall? Sie konnte das noch gar nicht glauben, denn es erreichte sie nur als beiläufige Aussage, sie wusste nicht einmal mehr wer ihr das mitteilte. Vielleicht fiel ihr das Glauben noch so schwer, weil sie keine Uniform erhalten hatte oder man sie genauer darüber aufklärte.
Alles spielte sich erstmal nur um den Wallaufbau ab, den Amelia so tatkräftig angeleitet hatte. Sie hielt alle immer an, sich um das Inventar zu kümmern und hatte die Finanzen im Auge. So introvertiert und doch so bestimmend war sie – aber niemals in einem Maße, dass sie William dabei überbieten würde. Sie war keine zierende Frau, genauso wenig wie Viktoria jemals eine sein würde, und das beruhigte sie. Nicht, dass Amelia ihr wirklich ein gänzliches Vorbild wäre, aber sie zeigte eine Möglichkeit auf, wie es mit Viki weitergehen könnte.

Seit vorgestern wusste sie, dass ihr eigentlicher Traum der Zukunft keine Zukunft mehr hatte...
seit sie den müden, etwas abgekämpften dunkelhaarigen Schmied in der matten Dunkelheit der Walltaverne beobachtete. Er legte die stählerne Rüstung ab, wärmte die kühlen Knochen vor dem kleinen Kaminfeuer und Viktoria war wie erstarrt, als sie das Abbild des kräftigen jungen Mannes in der flammenden Umrandung des Kaminfeuers erblickte. Jeder seiner Gesichtszüge wurde von dem dünnen roten Strich umrandet. Die Nase, die Lippen, das Kinn... Zum ersten Mal hatte sie einen Mann bewusst als schön empfunden. Und damit hatte sie eigentlich schon verloren, denn bloße Verliebtheit wandelte sich in etwas anderes... Und wenn das bedeutete, nicht mehr dem Orden ihres Vater beizutreten zu können, dann war es wohl so.


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 Betreff des Beitrags: Re: Vom Stubentiger zur Löwin
BeitragVerfasst: 12.06.11, 14:04 
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Zweifel


Janari war eine gute treue Stute. Sie kannte den Weg und sie kannte den Rhythmus ihrer Reiterin, welche die Stille genoss um ihre blauen Augen zu schließen und diesen winzigen Moment zu genießen, als die Wolkendecke aufbrach.
Warm war es zwar – doch immerzu war die Wärme ohne Felastrahlen und nur mit Wind begleitet gewesen. Nun aber war der Wind sanft und das Licht strahlend und umschmeichelnd.
Das Gras auf dem Weg zum Wall war hoch, Insekten summten und die verschiedenen Vögel in den Bäumen machten auf sich aufmerksam. Es stieg ein kurzes Gefühl von Heimat und der Sehnsucht dorthin in ihr auf. Die Stadt machte sie nicht so glücklich, wie Waldwege es könnten. Wenn sie nun die Augen öffnete, würde sie die Apfelbäume sehen, den Stall und die goldenen Felder dahinter? Würden die Katzen des Hofes durchs Unterholz huschen und die Hühner vor Viktorias kleinen lachenden und stolpernden Basen wegflattern?

Doch als die Wolken sich wieder über ihren Haupt schlossen, erfasste sie Kälte und der Wind kehrte zurück. Die schwarzen Ruinen passierte sie langsam, vor ihr ragte statt des Bauernhauses der steinerne Wall auf. Tot und verlassen. Alles Glück schwand, auch viel Stolz war nicht mehr übrig.
Sie hatte die letzten Tage für sich gebraucht und fragte sich, ob sie überhaupt hier her gehörte. Sie hatte immer das Gute und das Glorreiche gesucht, sie wollte die Helden sehen, die Ehrenmänner, die Märchen. Viktoria hatte mit ihrer Art keinen Anschluss gefunden, der sie mit in diese Verschwörung eingeweiht hätte. Sie war mit dabei, aber sie war nicht drin. Und es zog ihr den Brustkorb zu wenn sie an Raphaels Worte dachte. Wie sollte sie Ehre erlernen, wenn William und Amelia Dinge im Hintergrund liefen lassen, die fern ab dessen zu sein schienen? Wie sollte sie Gemeinschaft erlernen, wenn die Löwen sich untereinander körperlich verletzten (er hätte seinen Arm verlieren können...), wie die Liebe und Treue zu einem Ziel, wenn es doch immer nur auf die bessere Machtposition auslief? Demut kannten die Löwen nicht – nicht wie ihr Vater sie gelebt hatte und wie sie es leben wollte. Sie wollte im Dienst der Götter und ihren Kindern stehen.

Raphael wollte Viktoria nicht mit sich nehmen, an sich war es ihm wohl gleich gewesen, wie es überhaupt mit ihnen weitergegangen wäre. Sie wäre überall mit ihm hingegangen, wenn er gesagt hätte sie bei sich haben zu wollen. Aber das hat er nicht.

Und so stand Viktoria nun allein im verlassenen Wall, nachdenkend was sie mit ihrem Leben anfangen wollte, kümmerte sich um die Inventur des Lazarettlagers und sah viel zu spät die Nachricht, was sich gerade in den Gemäuern herumtrieb.


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 Betreff des Beitrags: Re: Vom Stubentiger zur Löwin
BeitragVerfasst: 3.07.11, 21:32 
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Als Tamela hinter den hölzernen Schutzwänden voranpreschte folgte sie ihr. Noch immer war die dunkelhaarige Frau für Viktoria Vorbild und Lehrmeisterin, auch wenn sie den Löwenorden verlassen hatte.
Tamela stieg in der Dunkelheit, zwischen dem tosenden Kampfeslärm und dem Stöhnen der Verletzten, die rechte Leiter den Wall hinauf.
Viktoria musste die schwere Rüstung ablegen, um auf der linken folgen zu können. Man dachte nur noch an die elementarsten Dinge - die Welt wurde kleiner, wenn man in der Schlacht war. Alles unnötige drumherum verschwand.
Das Mädchen rollte sich über die Zinnen, ohne Schild, ohne Helm, ohne Handschuhe. Sie musste sich bewegen können, bekam aber vor Anstrengung und Herzrasen kaum mehr Luft. Das Bild war erschreckend.
Direkt vor ihr erstreckten sich die Leiber dreier elfischer Männer, blutüberströmt und mit so vielen Bolzen im Leib, dass sie jene im Gefechte nicht zu zählen vermochte. Letzte stehende Streiter, sie könnte nicht einmal sagen wer oder wieviele, versuchten die Saranen von der anderen Seite abzuhalten. Und doch aller Gegenwehr konnte der Feind im Ödland wieder die Armbrüste auf sie richten.
Die Blonde war nicht mehr bei klarem koordinierten Verstand als die Warnrufe begannen. Sie warf sich schützend über den zu ihren Füßen liegenden blonden Elfen, der sich aufzurappeln versucht hatte. Ein Bolzen streifte die Rüstung an der Schulter und entrang ihr einen leisen Schmerzensschrei. Auf zu engen Raum tummelten sich zu viele Recken, als dass der Elf, den sie später als Leiter dieses Angriffes erkennen sollte, überhaupt etwas von den dunklen stählernen Schatten über ihn hätte wahrnehmen können.

Ein Verletzer nach dem anderen, Männer von gut über zwei Schritt Größe, mussten samt Rüste mehrere Schritthohe Leitern heruntergeschafft werden. Nicht denken... nicht fürchten... handeln - und doch fühlte sie sich einfach nur verloren in diesem Gewirr. Sie wusste nicht, wo der nächste Angriff stattfand, ob einer folgen würde, ob sie den Kampf am Lilienwall gewonnen haben. Die Welt des jungen Mädchens spielte sich in einem begrenzten Rahmen ab. Schützen, bergen und behandeln. Wären sie nicht zu dritt am Lager gewesen - bei den Göttern, es wäre nicht möglich gewesen. Die Verletzten lagen aufgereiht und teils bewusstlos am Felsen, Knochen gebrochen, Fleisch gerissen und Lungen durchbohrt. Und sie lernte nun ihre Grenzen kennen.

"An der Lunge kannst du nichts machen." Gleichsam bedeuteten Tamelas Worte: Lass ihn liegen, wenn es der Götter Wille ist stirbt oder lebt er.
Und sie ließ ihn liegen, rief nach den Magiern.

Der letzte Verwundete, der ihr unter ihre Finger geraten sollte, war ein weiterer Elf mit merkwürdig geflochtenem Haar. Aus irgendeinem Grund brachte er ihr ihre Ruhe zurück... und als er wieder zur Besinnung kam, wurde er dafür mit einem liebevollen 'Guten Morgen' begrüßt.


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 Betreff des Beitrags: Re: Vom Stubentiger zur Löwin
BeitragVerfasst: 9.01.12, 02:45 
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Es hatte sich viel verändert. Dieses Jahr stand sie alleine in der Reihe und selbst wenn ihre wenigen Brüder und Schwestern sich unter die kämpfende Masse gemischt hatten, so konnte Viktoria sie nicht sehen oder fühlte sich ihnen schlicht nicht mehr so verbunden wie letztes Jahr, als ihre Reihe noch lang war – als William noch dort war und all ihre anderen Freunde. Einzig allein Eldariels Worte, als sie sich in Falkensee die neue Unterkunft für den Orden ansahen, sorgten dafür, dass sie beschloss dieses Dunkeltief noch einmal den blauen Umhang zu tragen.

„Wir mussten unser Lager zurück lassen. Aber was den Löwenorden ausmacht sind seine Tugenden und die haben wir mitgebracht.“

Ihr war ihre Aufgabe bewusster denn je gewesen, denn sie kristallisierte sich mit jedem Krieg gegen den Feind mehr und mehr heraus. Sie hatte zu kämpfen, mit allem Mut, den sie aufbringen konnte und sie hatte zu beschützen, mit aller vieregläubigen aufbringbaren Nächstenliebe. Solange sie die Zeit fand zog sie mit den Reihen gegen die Bestien aus Feuer und jenen aus steinharten Schuppen. Sie stellte sich Kreaturen gegenüber, die drei Mal so groß waren wie das kräftige Mädchen selbst.

Wenn die Zeit gekommen war brachte sie mit dem Schutz ihres Schildes und ihrer Rüstung die Verwundeten in den Tempel und versorgte die Wellen der Hereinströmenden. Sie ließ sich einfach keine Zeit diese unglaubliche Angst zu empfinden, die sie sonst übermannt hätte, und dies mochte vielleicht auch neben dem gewachsenen Selbstvertrauen der Anlass gewesen sein, warum sie schlichtweg das Kommando im Schrein an sich genommen hatte. Kaum betrat wieder ein Verletzter den Raum oder wurde hinein getragen – und sie war anwesend – wurde dirigiert und übernommen. Schließlich gab sie fremden Leuten Anweisungen dies oder jenes zu tun, während sie von einem zum nächsten ging, noch immer in der Hälfte ihrer Kampfrüste steckend, falls es wieder hinaus in die Schlacht ging. Bald suchte man schon speziell nach ihr und fragte sich nach ihr durch, Gardisten baten, dass sie nach ihren Kameraden schaute, von denen sie glaubten, dass die vorige Behandlung durch andere helfende Hände im Schrein nicht ausreichend genug war. Aber letztendlich.. nur eine von wenigen, die zum Großen beitrugen - und zum Großen zu gehören machte sie stolz.

Die Stadt hatte gehalten. Von hier aus würde man die Insel zurückholen. Mit dieser Gewissheit und dem stillen Dank zu den Göttern setzte sie sich hinaus auf das Tempelgelände und ließ die Verwundeten für einen Moment mit sich alleine – schlafend in einem Raum der nach verbranntem Fleisch und eng liegenden, verschwitzten Körpern roch, wenn man nicht immer mal durchlüftete.

Sie legte sich ihre Kräuter zurecht, mischte sich Nachtschatten hinein und starrte zum Himmel hinauf, durch den Rauch ihres glühenden Röllchens den Schmerz ihrer Wunden betäubend. Sie wünschte William oder ihr Vater wäre hier.


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 Betreff des Beitrags: Re: Vom Stubentiger zur Löwin
BeitragVerfasst: 13.04.12, 16:54 
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Zitternd setzte sie sich auf die einzelne Holzbank. Das zusätzliche Gewicht ihres Kettenhemdes zog sie mit herab, der Stein im Rücken war ihr eine Stütze. Viktoria hätte vorsichtiger sein müssen, das bisher reparierte Tor schließen, sich in eine der Räumlichkeiten barrikadieren. Aber sie saß nur da, blass, zitternd, und starrte auf die Leiche des Mannes, die dort im Torhaus lag. Es hätten noch mehr von ihnen kommen können.

Sie war doch lediglich auf dem Weg zum Wall gewesen, als sie aus den Schatten kamen. Selbst so dunkel, wie das Grau, welches der Wall auf den Boden warf. Lange Roben, tiefe Kapuzen, leise Ledersohlen und blank gezogene Schwerter. Männer wohl, so las sie es der Größe ab.
Das Mädchen wurde vom Pferd fortgerissen, landete auf dem staubigen Boden. Es rollte sich zur Seite weg, zog ihr ossianisches Breitschwert.

Sie hatte so viele Schlachten hinter sich, gegen Monster, Kreaturen, Dämonen und Ungeheuer. Doch niemals… niemals war sie gezwungen gewesen ihre Klinge gegen Menschen zu ziehen. Freunde waren es keinesfalls. Jeder Angriff zielte es darauf ab, sie tödlich zu verletzen. Die Schwerter schlugen gegeneinander, kreischten, wenn sie aneinander abrutschten. Sie hatte nur noch im Sinn sich und ihr Leben zu verteidigen. Und doch die Angst zu versagen, nicht gut genug zu sein, sie musste sich...

„Danke Malin…“, dachte sie bei sich, wo sie noch in der Lage war, klare Gedanken zu fassen – und sich an die Lehrstunden beim Knappen zu erinnern. Ihre Klinge durchbohrte den Oberkörper des Mannes, ein ätzendes Geräusch und ein noch widerlicheres Gefühl, als ihre Klinge den Magen durchbohrte, Fleisch, Muskeln und die Wirbelsäule anbrach. Der Gegner keuchte, röchelte und viel zu Boden in den Dreck.

Ein zweiter Angriff folgte auf die Feldscherin, doch war kein anderer Löwe in Sicht. Sie wollte weinen, schreien, toben oder betteln, gar beten, dass dies nicht das Ende sei und dass es doch enden möge.

Letztendlich hatte sie zwei Männer getötet. Viktoria glaubte es nicht, blieb auf der Bank sitzen, die Leiche zu ihren Füßen. Vielleicht würde sie sich ja auflösen… vielleicht… in schwarzen Nebel. Oder vielleicht käme gleich Benedict oder Adowen und würden ihr sagen, es wären doch nur beschworene Kreaturen gewesen. Die blutige Klinge lag auf ihrem Schoß. Und sie schaute voran.. Übelkeit wallte in ihr auf.


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 Betreff des Beitrags: Re: Vom Stubentiger zur Löwin
BeitragVerfasst: 10.06.12, 00:04 
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„CALVIN, LAUF!“, donnerte ihre Stimme kraftvoll durch die dunkle Höhle. Aus dem Boden gruben sie sich heraus und sie ließen sich von der Decke fallen, krabbelten über ihre toten Genossen und geiferten nach den beiden Löwen, die sich in die Höhle hineinwagt hatten.
Am Anfang lief alles nach Plan. Viktoria wies ihren Ordensbruder ein, wie man sich in dieser Höhle im Süden des Ersonter Lehens zu verhalten hatte. Immer nur eine Spinne, sie immer durch die Tore locken. Er solle nach hinten treten, sie würde in den Nahkampf gehen. Und so arbeiteten sie sich nach vorne. Wird jemand gebissen, so erklärte sie ihm, wie die beiden dabei vorgehen sollten und welche Wirkung das Gift auf kurze oder lange Dauer habe. Alles war gut vorbereitet.
Bis plötzlich dieses unvorhersehbare Unglück geschah.

Sie schrie er solle laufen und stürzte sich mit ihrem Schild schlagend nach vorne, versuche selbst nach hinten zu weichen, doch mehr und mehr Spinnen drängten sich mit ihren fluoreszierenden Augen um sie und schubsten sie in das Gespinst hinein, schlugen und bissen sie, trampelten über sie hinweg und zerschlitzen ihr das Gesicht. Alles um sie herum wurde dunkel und die Höhle war erfüllt von dem Echo des Scharbens und Schnappens von Kiefern und Panzern.

Es muss der Segen der Götter gewesen sein, dass sie Viktoria in ihrer stählernen Rüstung in der Dunkelheit liegen ließen. Der Schmerz pulsierte betäubend im Leib des Mädchens, als sie mit ihrer Kettenhose über die Steine kroch und sich durch die Dunkelheit zum Ausgang kämpfte, der bei ihrem Sturz nur wenige Schritte entfernt gewesen war. An einigen Wurzeln, die in die Höhle hineingewachsen waren, zog sie sich hinauf, rutschte weg und stürzte auf den Bauch, um den Stiefel doch wieder in die Erde zu stemmen und die Steile zu überwinden.

Fela schien ihr erbarmungslos in die Dunkelheit gewöhnten Augen, so heftig, dass ihr Tränen in die Augenwinkel stiegen und ihr die Sicht trübte, als sie taumelnd vor Schmerz und blutend durch den Fluss stolperte. Ihr Bruder saß am anderen Ufer, der Schrecken zeichnete sich in seinem Gesicht ab, die Finger umgriffen übel zitternd den Bogen. Er verlor kein Wort über die Spinnen, die ihm gefolgt waren, als sie neben ihn auf den Boden fiel, um sich erst mal um seine Wunden zu kümmern.


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Als er zurückkam fand er sie weiter östlich unter einigen Bäumen. Die Löwin lag halb begraben unter einer riesigen Spinne. Die langen, stacheligen Beine zogen sich bereits langsam zusammen und knackten dabei gespenstisch. Grüner giftiger Speichel sickerte ihr zwischen den Zangen hervor und ergoss sich auf das Kettenhemd der Liegenden. Die vielen Augen starrten blind voran, tote, schwarze Perlen, umgeben von einem grünen, beharrten Panzer.

Ein Schwert steckte bis zum Schaft im Bauch der Spinne und durchbrach den Panzer am Rücken. Aus der obrigen Wunde kam weißer Schaum und aus der unteren triefte die grüne Lebensflüssigkeit. Viktoria hatte sich mit halber Rüstung und halb von der Bewusstlosigkeit befangen auf das Tier gestürzt und mit ihr gerungen, damit die junge Katze mit der Beinwunde Schutz suchen konnte.
Sie war nun der Löwe, der auf die Katzen zu achten hatte.

Calvin zog die Spinne außer Atem von seiner Ordensschwester herunter und fand sie dort reglos liegend vor. Ihm war plötzlich alles entfallen, was sie ihm zuvor gesagt hatte.


Zuletzt geändert von Viktoria: 28.08.12, 18:34, insgesamt 1-mal geändert.

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 Betreff des Beitrags: Re: Vom Stubentiger zur Löwin
BeitragVerfasst: 10.06.12, 12:49 
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Als die Geräusche hinter ihm verklungen waren, wurde sein Lauf langsamer. Er hatte sich wild durch das Gestrüpp und die Büsche geschlagen. Erst jetzt bemerkte er auch den brennenden Schmerz in seinem Bein erneut. Schnell ging sein Atem und er stützte sich auf die Knie auf während seine Gedanken langsam klarer wurden. Sein Blick ging zurück zum Wald, doch weder hörte er etwas, noch konnte er jemanden entdecken.

"Viki..." ertönte es kaum hörbar, zwischen zwei Atemzügen. Sorgenvoll, beinahe panisch. Er hatte getan was sie gesagt hatte. Als die Spinnen aus den Wäldern heraus brachen rief sie ihm zu, er solle laufen. So nahm er die Beine in die Hand und rannte, doch dabei merkte er nicht, dass sie zurückblieb, sich dem Weg der Spinne entgegenstellte, die ihm hinterher krabbelte... Sein Bein brannte unaufhörlich doch der Blick ging nach wie vor in den dichten Wald. Noch immer kein Geräusch, niemand, der nachfolgen würde.

Nach und nach überstieg die Sorge seine Angst und langsame Schritte führten ihn zurück in den Wald. Schleichend, wie er es sonst gewohnt war. Seinen Atem versuchte er zu kontrollieren, sein Blick ging stetig umher auf der Suche nach der jungen Löwin. Endlich erblickte er den Ort des Geschehens. Die riesige Spinne lag dort, und unter ihr konnte er Viki erkennen, ihr Schwert durch den Spinnenpanzer gebohrt. Ein erleichtertes Lächeln legte sich auf seine Züge und mit etwas schnelleren Schritten näherte er sich den beiden Kontrahenten die nun reglos auf dem Boden lagen. "Viki .. du hast es geschafft!" sprach er voller Erleichterung, doch seine Schritte wurden langsamer als er sich der jungen Frau näherte und sah, dass ihre Augen geschlossen waren.

Calvin zog den schweren Spinnenkörper zur Seite und wälzte ihn neben die Frau ins Gras. Erst jetzt sah er, dass sie ebenso Blutüberströmt war. Für einen Moment erstarrte er beinahe zu Stein. Auch sie war verletzt gewesen als sie ihre Flucht antraten... er hatte sie allein gelassen und sie hatte sich bereitwillig um seinetwillen vor ihn gestellt. Erst nach einigen Atemzügen wurde er sich der Situation wieder bewusst. "Viki .." erklang es nun beinahe verzweifelt, leise. "Viki wach auf .. es ist vorbei, du hast gewonnen..." - Doch die Angesprochene reagierte nicht.

Sie hatte ihm genau gesagt, was er zu tun hatte doch er wusste es nicht mehr. So sehr er auch versuchte sich daran zu erinnern, er wusste es nicht mehr. Was hatte sie gesagt? Abbinden? Säubern ... In seiner Verzweiflung zog er ihren Körper näher an das Ufer des kleinen Flusses der ganz in der Nähe lag. Vorsichtig tauchte er ihren blutüberströmten Arm in das kalte Nass und reinigte ihn so gut er konnte von Blut, Dreck und jener grünen Flüssigkeit die über der Wunde lag. Das Stirnband wurde abgezogen und der Arm damit am Ellebogen abgebunden ehe er panisch am Gürtel der jungen Frau nach jenen Fläschchen und Döschen suchte die sie sonst zum Versorgen der Wunden nutzte. Irgendetwas musste doch dabei sein...

Wahllos griff er eine der Dosen, trug die darin enthaltene Salbe auf ihren Arm auf und zupfte sich Verbandsmaterial von ihrem Gürtel. Der Arm wurde in einen dicken Verband eingepackt und sicherlich viel zu fest geschnürt. Wieder schaute er sie an, hoffnungsvoll, als würde das nun alles besser machen. Doch eine Reaktion blieb aus. Leise sprach er: "Viki sag mir ... was soll ich tun .. ich weiß doch nicht ... Viki ... wach auf und sag mir was ich tun soll ...".

Er tauchte einige Verbände in das kalte Wasser, begann damit ihre Stirn abzutupfen und ihr Gesicht von Blut und Dreck zu reinigen. Dann schließlich, ihre leisen Worte - "Mir ist warm ..." - kaum vernehmbar doch hörte er es nur zu gut. Er stockte in seinem Tun und blickte atemlos zu ihr hin als sie die Augen halb öffnete. "Viki!" brach es voller Freude aus ihm heraus, und vergessen waren erst einmal die Bemühungen. Er ließ den Verband fallen und legte die Arme um den Körper der jungen Frau, sie an sich drückend. "Viki ich dachte ..." - "Uff..." ertönte die Antwort der Löwin als sie sich der ungeplanten Umarmung nicht erwehren konnte. Erst wenige Augenblicke später wurde Calvin bewusst, dass er ihr vielleicht nur noch mehr weh tat. So ließ er sie langsam wieder ins Gras hinab sinken und sah sie wieder an, die Augen deutlich glitzernd, obgleich er es zu verstecken versuchte. "Was soll ich tun, Viki?" sprach er nun ruhiger und sie antwortete leise, erschöpft: "Die Armschoner .. sie müssen ab .." - Calvin nickte und machte sich daran die ledernen Riemen zu lösen...

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Als er spät in der Nacht auf den Fellen lag, ging sein Blick durch eines der großen Fenster, vorbei an den Vorhängen hinaus in die Dunkelheit. Er war stets alles andere als mutig gewesen. Tatsächlich war er aus Tiefenwald geflohen eben aus diesem Grund. Als er auf Siebenwind ankam, da wollte er schlicht ein ruhiges Leben, fernab von allen Kriegen die auf dem Festland geschlagen wurden. Schnell musste er erkennen, dass Siebenwind seine ganz eigenen Schlachten hatte. Viki war es, die ihm vieles über die Insel erzählt hatte, ihm einiges beibrachte, die ihn letztlich zum Löwenorden brachte. Mit der Zeit, wurde sie ihm immer wichtiger, wie eine kleine Schwester die, obgleich sie jünger war als er, doch so oft auf ihn Acht gab.

An diesem Tag hatte sie es wieder getan. Mehr als das. Sie hatte völlig bereitwillig in Kauf genommen, an diesem Tag zu sterben. Er war fortgelaufen. Vielleicht hieß Mut gar nicht, sich todesverachtend in Schlachten um Ruhm und Ehre zu stürzen. Vielleicht war Mut das, was er von Viktoria gelernt hatte. Trotz der Angst und der Gefahr .. für das was einem wichtig ist, einzustehen. Trotz der Angst, das was einem viel bedeutet, zu beschützen.

Er wollte nicht mehr weglaufen. Er würde nicht mehr weglaufen...

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 Betreff des Beitrags: Re: Vom Stubentiger zur Löwin
BeitragVerfasst: 28.08.12, 14:23 
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Es war eine aufreibende Zeit gewesen. Wie wenig Löwen waren vom Wall zurück nach Falkensee gekehrt, wie viele waren dabei gewesen, als Sire Adowen Teyurhai aus Respekt der Geschichte des Ordens wegen den Meisterposten annahm? Nicht mehr viele. Aber Viktoria glaubte noch immer an die hehren Ziele des Ordens. Im Dienst eines hohen, selbstlosen und göttergerechten Ziels zu stehen, verschaffte ihr eine innere Zufriedenheit und eine Liebe zu einem Dasein ohne Heim, Hab und Gut und Dukaten. Was sie brauchte, bekam sie vom Orden. Was der Orden brauchte, beschaffte sie.

Sie hatte nach dem Dunkeltief ein Ordenshaus aus Dukaten errichtet, die sie durch Holzfällen verdiente und welche Falkenseer Händler ihnen großzügig zukommen ließen. Sie erfuhr viel Freundlichkeit, viel Respekt und Hilfe von außen.

Einige Wochen später eroberten sie in einer kleinen Gruppe den Wall zurück, indem Viktoria, im Rücken geschützt von ihren wenigen Brüdern, den Nordturm aufbrach. Sie nutzten auf einem Spähgang die Gelegenheit und nahmen mit blutigen Kämpfen den Nordturm wieder ein. Sie holten Hilfe aus Falkensee, da in Seeberg weder Garde noch Ritter anzutreffen waren und Brandenstein zu weit fort lag und von den Dienern des Einen besetzt war. Ein Ersonter, Elfen, einige freie Krieger und vor allem die Diener Bellums folgten sogleich dem Hilferuf und stürmten mit ihnen zusammen den Rest des Nordturmes und versuchten auf die Wehrgänge zu kommen. Ein oder zwei Nächte waren sie eingesperrt gewesen, umzingelt von riesigen Scharen von abscheulichen Kreaturen. Erschöpft, gar erschlagen von den Kämpfen und ihrem Einsatz beim Aufbruch des Turmes, kümmerte sie sich um die Verletzungen der Gruppe.

Sie gewannen. Sie bauten mit Hilfe der Dwarschim den Wall wieder auf. Viktoria wurde für ihre Leistungen zur Getreuen ernannt und erhielt den Titel der Handwerksmeisterin. Zudem wurde der Nordturm in Viktoria-Turm umbenannt, ein Zeichen für den aufgebrachten Mut und für die Bedeutung ihres Namens: Sieg.

Benedict half ihr das Lager zu sortieren und kümmerte sich, wofür sie sehr dankbar war, um die leidige Geschichte mit den Schlössern. So konnte sie die Einkäufe tätigen, das Lager füllen und sich um die Trophäenkiste kümmern. Sie sah einen Lichtblick. Bis William zurückkam.
William tauchte auf, mit dem Schwerte Bellums, das dem Orden geschenkt worden war, und weigerte sich, es Dreiden auszuhändigen. Hochmut? Recht? Viktoria zweifelte daran, dass hohe Werte, einem Löwen gebührend, von beiden eingehalten wurden. Denn Dreiden schlug zu, eröffnete einen Kampf gegen einen Ordensbruder und eine beistehende Elfe. Ungebändigter Jähzorn.
Es folgte ein großer Streit auf dem Konvent, William, Benedict und Dreiden verließen daraufhin den Orden.

Danach wurde es wieder düster im Orden. Viktoria kämpfte, versuchte weitere Aufbauten zu organisieren, aber kaum jemand kam und später niemand mehr. Sie hatten keinen Waffenmeister, also rief sie die Waffenübungen aus. Die Kommenden wurden immer weniger.

Bis sie allein war. Der letzte Löwe auf den Zinnen, verlassen von den Brüdern, denen die Ehre im Orden nicht mehr viel bedeutete. War es, weil es hier keine großen Aufgaben mehr gab, weil sie sich alle Frauen suchten, weil sie nicht genug Macht und Respekt bekamen? War die Zeit des Löwenordens, den Wächtern des Walls, vorbei? Die Satzung, die Gelobnisse, der Kampf gegen den Einen, den Schutz der Unschuldigen? Elfen und Bellumsorden hatten versprochen, zum Wall zu kommen, doch sie alle kamen nicht.

Allein war man kein Orden mehr. Allein, war man keine Gemeinschaft mehr. Allein in einer Mauer aus Stein eingesperrt, mit dem Blick auf das tote Land gerichtet… konnte man kein glücklicher Mensch sein.

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