Leises Wimmern und Weinen schleicht sich durch das ganze Haus. Geister? Hier in Vänskap? Oder doch der Wind? Nein, nur ein kleines Mädchen, welches sich unter der Decke versteckt hat, fest an den Hund gekuschelt, der lange schon aufgegeben hat entkommen zu wollen, sein Schicksal einfach stoisch erträgt.
Doch gehen wir ein wenig zurück, denn nur so kann man vielleicht verstehen worin der Grund für das große Jammern liegt. Da war dieser Tag, zwei Tage zu vor. Sie stand knapp vor dem Tor und betrachtet sich gerade den Wald, immerhin musste sie ja ganz Vänskap vor eventuellen Angreifern verteidigen, da kann man nicht einfach nur dumm rumsitzen, nein, da muss man handeln. Also war sie auf den kleinen Hügel, der die Felder begrenzt geklettert und hielt dort brav ihre Wacht. Wie hätte sie denn auch nur ahnen sollen, dass so etwas ihrem Vater derart missfallen könnte? Die Standpauke war groß, das Entsetzen umso größer als alle Erklärungen ihr nicht weiter halfen und sie wirsch zurück ins Dorf zitiert wurde. Und dann immer diese dummen Dinger die einem grad dann in die Augen flogen, wenn man sie am wenigsten gebrauchen konnte. Jetzt musste es auch noch so aussehen als würde sie weinen, auch wenn sie natürlich niemals weinen würde, nicht wegen so etwas! Aber was noch viel schlimmer war, war die Frage welche sich in ihren kleinen Kopf einschlich. Hatte ihr Papa sie vielleicht nicht mehr lieb, weil er so geschimpft hatte? Nun ja, kleine Mädchen, wie es so bei ihnen ist, nachdem der Trotzkopf erst einmal etwas abgekühlt war, kam sie freiwillig nach Hause zurück, auch wenn neues Geschimpfe drohte. Allerdings war sie ja schon groß und deshalb konnte sie sowieso unglaublich gut damit umgehen, der Hund den sie vor sich schob und das Kissen, welches sie in fester Umklammerung bei der Standpauke hielt, waren einfach dahin gehüpft ohne das sie das wollte, das war ja klar. Als ihr Papa ihr endlich alles gesagt und erklärt hatte, dass er nur so böse war, weil er sich eben um sie sorgte und weil er Angst hatte, es könne ihr da draußen etwas geschehen, da war alles wieder gut für den Augenblick. Gerade da fiel sie ihr auf. Sie stand am Eingang zu ihrem Zimmer. Wer war diese Frau eigentlich? Warum war sie hier bei ihr zu Hause?
Was machs du hier? Naja, ich... Das verwirrt dich jetzt vielleicht, aber ich wohne hier, weißt du. Hier? Aber das is doch mein Zimmer!
Die Erkärung die von ihr kam war jedoch weit unspektakulärer als die Kleine zu erst angenommen hatte. Sie mochte nicht mit den Jungs im selben Langhaus wohnen. Als Ronja einen Moment darüber nachgedacht hatte, war das Ganze für sie ziemlich logisch, wer wollte schon mit Jungs in einem Zimmer schlafen? Jungs waren immerhin blöd. Also war klar, dass diese Frau auf dem Sofa schlief, weshalb sie sie auch schlicht Sofaline taufte. Da nun alles wieder gut und vor allem auch zu ihrer Zufriedenheit geklärt worden war, konnte sie sich wieder ihren üblichen Aufgaben zuwenden.
Hoppl hatte immerhin schon die ganze Zeit dazwischen reden wollen, jetzt war die Kleine doch neugierig, was der Stoffhase von ihr wollte. Sein Anliegen ließ sie seufzen. Gerade zuvor hatte Sofaline noch gesagt, dass sie Kuchen unten hätte und ganz klar, Hoppl ließ Ronja keine Ruhe mehr. Kuchen, genau das wollte er und sie musste sich nach einigem hin und her seinem Wunsch fügen. Ansonsten hätte er wohl niemals mehr aufgehört zu reden. Als die beiden Spielgefährten schließlich ein Stück von dem Himbeerkuchen ergattert hatten, rannten sie auch schon wieder zurück in ihr Zimmer. Der Kuchen roch soooo gut und sah soooo lecker aus, als die Kleine ihn so betrachtete gab es kein halten mehr. Hoppl musste sich mit ein paar Krümeln vom Kuchen genügen, während Ronja, ganz entgegen ihrer zuvor Hoppl propagierten Kuchenenthaltsamkeit, den Rest des Kuchenstückes aß. Viel zu träge von dem ganzen Kuchen war weder Ronja noch Hoppl nach spielen, aber Langweilig war beiden dennoch. Also was war zu tun? Und da hatte Hoppl diese großartige Idee, er wollte sich auf die Treppe setzen, weil... weil... naja, es saß sich einfach gut auf einer Treppe und wenn man noch dazu leise war konnte man doch wunderbar hören was unten gesprochen wurde. Natürlich würde Ronja niemals lauschen, das gehörte sich ja nicht, aber wer schon einmal versucht hat einem Stoffhasen etwas zu verbieten, der wird wissen, wie dickköpfig diese kleinen Wesen sein können. Sie gab also schließlich nach und schlich sich auf den oberen Treppenabsatz, wo sowohl Hoppl als auch sie ganz still sitzen blieben. Keiner der Erwachsenen hatte sie gehört und so ging unten das Gespräch munter weiter.
Es dauerte eine kleine Ewigkeit, ehe Ronja wieder zurück in ihr Zimmer schlich. Das Gehörte hatte Hoppl und auch sie ganz schön verwirrt. Konnte es wirklich sein, dass Mama, ihre Mama sie nicht lieb hatte? Nein! Natürlich nicht! Das kam davon, wenn man so weit weg saß, da hörte man bestimmt schon einmal etwas was gar nie nicht gesagt worden war. So musste es einfach sein! Dennoch ging der Kleinen das Gespräch nicht mehr aus dem Kopf. Sie grübelte und grübelte, drehte die Worte von vorn nach hinten und von hinten nach vorn, auch als sie schließlich ihr Pferd fütterte war sie nicht wirklich bei der Sache. Das kindliche Lachen war wie weggewischt von ihren Zügen und hatte dieser Nachdenklichkeit platz gemacht, welche auch noch anhielt als sie schließlich in den Schlaf sank.
Wobei die geplante Flucht vor den Gedanken völlig schief lief. Die Träume die ihr in den Schlaf folgten waren alles andere als angenehm, denn da stand sie allein, mitten im Dorf. Niemand war da, nicht einmal mehr die Tiere waren zu finden. Alle waren fort und hatten sie zurück gelassen.
Träume sind vergänglich, das hört man überall und auch in diesem Fall bewahrheitete es sich wieder. Als Ronja die Augen aufschlug, hatte sie den Traum schon wieder vergessen. Der Tag war neu und ein neuer Tag war immer gut. Man konnte wieder Dummheiten machen, denn die von gestern waren natürlich schon vergessen. Ein Plan musste also her. Als die Kleine das Haus verlassen vorfand, wanderte sie zu den Schafen. Die Wache am Tor wurde um den Finger gewickelt, weil Schafe durfte sie ja gucken gehen, auch wenn ihr Gehege außerhalb des Dorfes lag. So schlich sie um den Zaun herum, bis sie eine Ecke gefunden hatte, welche vom Tor aus nicht mehr so einfach einzusehen war, genau das war die Gelegenheit und die Gelegenheit wurde genutzt. So fitschte das Mädchen schnell hinter den kleinen Hügel und von dort immer im Schatten der Bäume bis in den Wald. Es war immer wieder erstaunlich was man alles so sehen konnte auf der Insel. Dieses Gebäude hoch oben auf dem Berg, hatte sie bisher nie wirklich bemerkt, heute aber schon. Es sah aus als würde es einem Märchen entstammen, alles war zugewachsen mit Ranken und Blumen und als sie die Türen öffnete, taten sich ihr weitere Wunder auf. Da gab es Steine aus denen Luft und Wasser drangen und sie kam einfach nicht dahinter wie die Steine das machten. Nirgendwo konnte sie erkennen wie das möglich war, egal wie sehr sie sich auch reckte und streckte. Als das Mysterium nicht gewillt war sich ihr zu offenbaren, beschloss sie schließlich, dass es an der Zeit war sich zurück zum Dorf zu schleichen.
Es war wirklich erstaunlich, dass sie niemand entdeckt hatte bei ihrem kleinen Ausflug. Sie kam sogar noch ungesehen, natürlich von der Wache am Eingang abgesehen, wieder zurück ins Haus, wo sie sich der Kunst widmete. Sie malte das schönste Bild, was man sich nur vorstellen konnte. Da blitzte eine Fela im obersten Eck des Papieres auf, darunter waren ihr Papa, ihre Mama, ein Pferd und sie selbst gemalt, alle mit einem Lächeln. Als sie fertig war, war sie sehr zufrieden mit sich selbst. Es war ein Meisterwerk geworden, was auch bewundert werden musste. Sie schlich sich in das Schlafzimmer ihrer Eltern und positionierte das Bild direkt vor dem Bett, damit man es auch bloß nicht übersehen konnte.
Alles war perfekt als sie wieder zurück in ihr Zimmer hüpfte und einen Blick auf den Stoffhasen warf, der auf ihrem Bett trohnte und Hofhaltung hielt. Es dauerte auch nicht lang und die Beiden kamen stillschweigend überein, dass es an der Zeit war wieder einmal anständig zu trommeln um damit das gesamte Dorf zu unterhalten. Ronja schnappte sich also ihre Trommel und flitzte samt des Stoffhasen die Stufen hinab. Sie rannte direkt zur Tür voran, wobei der Blick mitten in der Bewegung zur Seite ging, wo Sofaline auf Papas Schoß saß. Die Gedanken des kleinen Mädchens wurden durcheinander gewürfelt als wären sie ein riesen großes, unzusammen gesetztes Puzzel. Das nächste was sie wieder wahrnahm war der Zusammenprall mit der Eingangstür, die just in diesem Moment ihr einfach in den Weg gesprungen war. Eigentlich hätte sie zumindest vor Schreck, wenn schon nicht vor Schmerz aufschreien sollen, aber die Gedanken waren völlig gefangen von dem Bild was sich da vor ihr aufgetan hatte. Sofaline und Papa beisammen. Das stimmte doch soetwas von überhaupt gar nicht. Was dazu führte, dass sie ihren Vater nur noch anstarren konnte, auch als er zu ihr kam und ihr über den Kopf strich.
Alles in Ordnung? Ich.. wollt Zora füttern. Hab ich heut noch nich jemacht
Wie sie darauf gekommen war, wusste sie gar nicht, aber es war ein Weg über das gesehene Nachzudenken ohne, dass jemand sie bei diesen schweren Gedankengängen stören konnte. Als sie vor ihrem Pferd stand, da flackerte eine Erinnerung auf, die Erinnerung an ihren Traum, die Erinnerungen an das was sie gehört hatte über ihre Mutter und auch die Erinnerung an das Bild von vorhin, Sofaline auf dem Schoß ihres Vaters. Noch ehe sie es wirklich gemerkt hatte, hatte sie ihre Trommel auf dem Boden abgestellt und sich in den Sattel aufgezogen. Sie hatte viel geübt und es war jetzt gar nicht mehr schwer das aufsitzen, geschweige denn das Reiten und als hätte Zora ihre Unruhe gespürt, setzt das Tier auch schon voran und preschte über den Platz und durch das Tor, vorbei an den verdutzt aussehenden Wachen, die keine Möglichkeit mehr hatten sie aufzuhalten. Wohin war egal, Hauptsache etwas Zeit. Wo sie überall gewesen war, daran konnte sie sich später nicht mehr wirklich erinnern, nur stand sie plötzlich wieder vor diesem seltsam, märchenhaften Haus. Kaum war sie aus dem Sattel gerutscht liefen ihre Füße wie von ganz allein den Weg wieder hinauf bis sie vor diesen seltsamen Steinen stehen blieb. Da war immer noch keine Erklärung wie der Luftzug über den Stein entstand, geschweige denn wie das Wasser raus dem anderen rinnen konnte. Gerade als ihr das klar wurde begann die Kleine zu weinen. Sie sankt auf dem Boden und rollte sich ganz klein zusammen. Genau da kam der gefürchtete Moment in dem sie die Puzzelteile zusammen setzen konnte. Die kleine Welt von Ronja brach entzwei und zurück blieb nur ein riesiger Scherbenhaufen in dem sie früher oder später allein sein würde. Zumindest glaubte sie dies. Was um sie herum geschah bekam sie nicht mehr wirklich mit, zu sehr verstrickte sie sich in ihre Ängste. Würde ihr Papa sie jetzt auch weg schicken? Würde sie ihre Mama je wieder sehen? War sie an alle dem Schuld? Waren ihre Eltern deshalb so, weil sie nicht brav genug gewesen war? Sie hatte doch nie in böser Absicht gehandelt und doch musste sie wohl schuld an allem sein, warum sonst passierte alles so wie es nun passierte? Sie schreckte erst aus ihren Gedanken auf, als ihr Vater sie versuchte vom Boden zu heben. In der aller ersten Sekunde wollte sie sich an ihn kuscheln, doch dann war da wieder diese irrationale Angst, er würde sie nur holen um sie vielleicht irgendwo abzugeben und los zuwerden.
Das kleine Mädchen war zu verwirrt um auch nur einen einzigen klaren Gedanken zu fassen und suchte ihr Heil in der Flucht, wenn er sie nicht in die Finger bekam, konnte er sie auch nicht abgeben, dann war es ihre Entscheidung und das war besser als die Gewissheit nicht mehr geliebt zu werden! Was sich dann zutrug... Im Endeffekt wusste sie es nicht mehr wirklich, sie hatte sich hinter irgendso einem Galadonier versteckt und dann.. dann hatte ihr Vater sie unter dem Arm und schleppte sie unter Gekreische und Gezappel nach Hause. Die Züge ihres Vaters waren verhärtet als er zu ihr auf das Bett hinab sah, jetzt war es soweit, er würde ihr sagen sie muss die Sachen packen. Ronja drückte ihr Kissen an sich und versteckte sich dahinter, keiner sollte sehen, wie sehr ihr das alles Angst machte und vor allem wollte sie nicht mehr sehen und schon gar nicht mehr hören. Als alles vorbei war und sie nicht ein Wort verstanden hatte, was er ihr gesagt hatte baute sie sich aus Fellen und Kissen eine kleine Burg, darin nur sie und ihr Hund. Und mit diesem Bild sind wir wieder am Anfang unserer Geschichte.
Armes kleines, verängstigtes Ding, schlaf nur und vergiss deine Sorgen. Du wirst noch viel lernen müssen, dass nicht alles so ist wie man es zu Anfang befürchtet und auch, dass nicht alles deine Schuld ist, auch wenn du sie bei dir suchst.
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