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 Betreff des Beitrags: Aus dem Leben eines Schmieds
BeitragVerfasst: 17.02.11, 16:37 
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Es war dunkel in seinem Zimmer. Der Mond der zuvor den Raum im Hospital in ein angenehm diffuses, fahles und silberglänzendes Licht getaucht hatte, war hinter einigen Wolken verschwunden. Zögernd hob er die Hand vor seine Augen, versuchte krampfhaft die Umrisse der einzelnen Fingerglieder in der Finsternis zu erkennen, doch bis auf die Tatsache das er spürte wie er sie langsam bewegte und zur Faust ballte, sah er nichts. Vollkommene Dunkelheit ... nein er war nicht gern allein und auch das leise Schnarchen des Fremden der zwei Betten neben ihm lag, konnte ihm keinen Trost spenden. Er hatte gute Miene zum bösen Spiel gemacht, das konnte er schon immer gut und auch wenn er es nie gerne tat, so machte es die Dinge doch einfacher. Ein paar aufmunternde Worte, ein schmales Lächeln das er sich hatte abringen können, den Schmerz und das Dröhnen im Kopf unterdrückend. Es war gut das sie früh gegangen war, lange hätte er die Fassade des eisernen Kriegers nicht mehr aufrechterhalten können, zuviel Kraft hatte ihm der letzte Tag im Tal der Dwarschim geraubt. Dabei machte er sich um sich selbst am wenigsten Sorgen, er war zäh. Bei ihr hingegen war er sich nicht mehr so sicher. Ein kurzes leidvolles Lächeln umspielte seine Lippen bei dem Gedanken daran, als er gesehen hatte wie sie sich verstohlen die Augen gerieben hatte ... typisch Mädchen, aber das Herz am richtigen Fleck.

Sein Leib begann sich zu krümmen und ein fröstelndes Zittern rüttelte an seinem mit Brandwunden übersähten Rumpf, als er sich über die Bettkante beugte, um sich in den blechernen kleinen Eimer zu übergeben. Angestrengt hob und senkte sich der Brustkorb des Jünglings, während eine Mischung aus kaltem Schweiß, Wasser und Wundflüssigkeit von seinen Armen auf das Laken tropfte. Ein dumpfes Klopfen drang an seine Ohren. Er blickte zur Türe, einige Augenblicke starrte er sie stillschweigend an ... sein Blick verlor sich in der endlosen Maserung des einfachen Holzbeschlages... doch da war niemand ... das Klopfen wurde langsam leiser ... sein Atem beruhigte sich. Kraftlos ließ er sich zurück auf sein Kissen fallen, die Augen starr nach oben gerichtet. Er wusste das ihm eine lange Nacht bevorstand - im Hospiz von Falkensee.

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 Betreff des Beitrags: Re: Das Leben des Schmied's
BeitragVerfasst: 10.03.11, 14:36 
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Menschen ... immer dasselbe. Hier ein charmantes Wort, dort ein turtelnder Blick, ein paar frivole Scherze um das Eis zu brechen. Den meisten hier schien es nur zu leicht zu fallen immer einen lockeren Spruch auf den Lippen zu haben, während sich das andere Geschlecht bereitwillig davon umgarnen ließ. Was war dieses Gefühl das sich in ihm ausbreitete? Eine Spur von Neid, wenn er beinahe zufällig die ganzen jungen Paare , Liebhaber und Liebhaberinnen auf den Straßen wahrnahm? Die tief ineinander verschlungenen Blicke, das kurze Gefühl von zwischenmenschlicher Nähe, von jemanden um eines selbst Willen gemocht zu werden? Irgendwie zog es ihn innerlich runter. Die Abenteurer, Soldaten, Magier. Unzählige Schlachten hatten sie bereits geschlagen, immer eine Geschichte zu erzählen, die einen in Erstaunen versetzte. Die zwiellichtigen Gestalten, deren dunkle Vergangenheit sie wie die Schwärze der Nacht umgab und sie deshalb nur umso interessanter machte. Die Gefahr die von ihnen auging, dieses Leben zog sie an. Es war riskant und aufregend. Seine Mutter war genauso gewesen, dachte er während seine Miene sich unmerklich verhärtete. Und er? Er der einfache Schmied, bei weitem nicht so beflissen wie die Dichter und Denker, die jede Fassade der hohen Fachwerkhäuser hier zu säumen schienen und ihre Existenz wie ein Schatten über seinen scheinbar so einfältigen Geist legten. Bei weitem nicht so gefährlich und undurchschaubar wie manch mysteriöser Wanderer der dieser Tage, seine Wege kreuzte. Und gefährlich? Das war er schonmal gar nicht. Sein Schicksal? Nicht mehr als ein Witz gegen die Dunkelheit, die hinter der Fassade so vieler hier durschimmerte. Wie sollte er da mithalten? Zweifel kamen in ihm auf. Warum wollte er das überhaupt? Er hatte gar kein Interesse an irgendeinem einfältigen, verliebten Ding und doch fand man die Zerstreuung, die man manchmal suchte nur in der sanften Umarmung einer Frau. Zumindest das hatte er bei den wenigen Gelegenheiten, die er auf dem Festland gehabt hatte gelernt. Er schüttelte den Kopf. Die ganze Situation gefiel ihm überhaupt nicht. Soviele Menschen denen er etwas schuldete. Die ihn - einen einfachen mittellosen Fremden, wie selbstverständlich aufgenommen hatten. Er fühlte sich nicht gut dabei soviel Unterstützung zu bekommen. Er war sich nicht sicher ob er sie überhaupt verdient hatte, was hatte er denn je dafür getan? Nichts. Nein er fühlte sich ganz und gar nicht wohl in seiner Haut, er schämte sich eher dafür das man ihm soviele Geschenke machte. Es galt soviele Erwartungen zu erfüllen, doch wohin sollte das alles überhaupt führen? Wozu ein Haus bauen, wenn es doch eines Tages wieder abgerissen würde? Wofür Kinder auf Tares Antlitz setzen, würden nicht auch sie eines Tages wieder sterben? Wo war denn da noch der Sinn? Wohin sollte das alles führen, wenn Gesichter die ihm einst vertraut gewesen waren, jetzt schon zu verblassen schienen, wenn Erinnerungen nicht mehr als ein flüchtiger Augenblick wert waren. Wie sollte es erst in ein paar Dekaden sein? Spielte es überhaupt eine Rolle was er tat oder war letztendlich doch alles vergebens? Und Jai ... wie hatte er ihn noch gleich genannt? Altklug ... einem alten Mann gleich? War er wirklich so? Wurde man so, wenn man versuchte es allen Recht zu machen? Oder war er nur vorsichtiger geworden? Wer war er überhaupt? Oder wer wollte er sein? Er wusste es nicht.

Von sich selbst überrascht, schaute er mit den verträumten Augen wieder vom dreckigen Untergrund der engen Gasse auf. Solche Gedanken kamen dem Jüngling nur selten.

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 Betreff des Beitrags: Re: Das Leben des Schmied's
BeitragVerfasst: 16.03.11, 21:55 
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Atemlos kauert er im dunklen Stollen des längst vergessenen Tunnelsystems, weit ab von dem Ort, an dem ihn sein Meister ausgesetzt hat.
Sein Blick ist starr in die stockdüstere Finsternis gerichtet, nichts ist darin auszumachen, nichtmal der Hauch einer Kontur oder der Ansatz
eines Schemen, lediglich absolute und vollkommene Dunkelheit. Es ist eine eingeschlossene Dunkelheit, der im Unterschied zur Dunkelheit der Nacht jegliche Tiefe und Weite fehlt. Nur sein Atem, der in den endlosen Wirrungen und Windungen der Gänge wie ein leises Flüstern wiederhallt, durchbricht die angsteinflößende Stille.
Seine Hand krallt sich mit aller Macht in den staubigen, trockenen Höhlenboden unter ihm. Er muss seine Gedanken auf etwas anderes richten, sonst wird er hier unten sterben, dass weiss er. Er schließt die Augen. Es macht keinen Unterschied. Bilderfetzen tauchen vor seinem inneren Auge auf, als er krampfhaft versucht seine Gedanken auf etwas anderes zu richten ... irgendetwas ... weit weg von diesem Ort.

Er muss an die letzten Tage denken, die wenigen Stunden in der kleinen Schneiderei, an Isabell.
Er konnte sie nicht einschätzen, wusste selber nicht genau wie er zu ihr stand.
Machte sie ihn nur zu einem Narren, im wahrsten Sinne des Wortes? Sie hatte es bestritten und schließlich auch auf ihre Art für sein Opfer erkenntlich gezeigt. War sie nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht? Vielleicht, vielleicht hatte er ihr aber auch keine wirkliche Wahl gelassen. Sie hatten durchaus einige angenehme Stunden zusammen verbracht, auch wenn er in den meisten Fällen als Verlierer das kleine Fachwerkhaus verlassen hatte, zumindest kam es ihm so vor. Was wollte sie überhaupt von ihm und noch viel wichtiger was wollte er selbst? Ihr Vertrauen hatte er nicht gewinnen können, warum sollte es auch anders sein, wenn man es im richtigen Blickwinkel betrachtete, kannten sie sich nur flüchtig. Auch bei den Konflikten mit den ungebetenen Gästen hatte er nicht helfen können. Er war wirklich nutzlos, vielleicht hatte sie das einfach erkannt und es nicht über das Herz gebracht es ihm ins Gesicht zu sagen. War das nur das freundschaftliche Verhältnis zwischen zwei Nachbarn? Vermutlich, denn warum sollte es auch anders sein, wer war er denn schon.

Und Viktoria? Sie war das genaue Gegenteil. Wie ein offenes Buch las er aus ihr Wort für Wort, Zeile um Zeile. Ein kurzer Felastrahl der sein Gemüt erhellte, wenn sie mal vor ihm stand. Sie hatte etwas unverbrauchtes und unberührtes an sich, dass ihn irgendwie ansprach. Sie versuchte nicht zu überspielen, was sie dachte oder zumindest war sie so unbeholfen darin, dass er sie auf Anhieb durchschauen konnte, was durchaus seine Vorteile mit sich brachte. Es hatte ihn einiges an Beherrschung gekostet beim Maßnehmen seine Fassade zu wahren, auch wenn er diese Gelegenheit auf die eine oder andere Weise durchaus genossen hätte, war er darauf bedacht das ganze so schnell und reibungslos wie möglich hinter sich zu bringen. Nicht für sich selbst, aber für sie, denn selbst ein Blinder hätte gesehen wie sie darunter litt - die vermeintliche Demütigung nach der ihr ganzes Gebaren förmlich schrie, strafte ihn mehr als alles andere und vertrieb Gedanken an hintergründigere Dinge, ehe sie sich auch nur ansatzweise manifestiert hatten, in die tiefsten Tiefen seines Geistes.

Wie sollte er damit umgehen? Er war es nicht gewohnt mehr als eine flüchtige Bekannschaft zu haben, mehr als einen netten Abend mit der Schankmaid aus der
nächsten Taverne oder mehr als die oberflächliche Freundschaft mit einem Reisenden, der zufällig denselben Pfad wie er eingeschlagen hatte. Die Vergangenheit hatte ihn gelehrt, dass es sowas wie die große, die "wahre" Liebe ohnehin nicht gab. Menschen waren aus vielen Gründen zusammen. Aus Gewohnheit, weil sie die Einsamkeit nicht ertragen konnten, weil sie sich dadurch Sicherheit versprachen ... es gab so viele Gründe. Aber bedingungslose Liebe? Das war ein Traum den Dichter und Liedersänger für Narren geschrieben hatten, sich in so einem Traum zu verlaufen ... wohin würde das führen - nein er würde nicht den ersten Schritt
in sein eigenes Verderben machen. Er musste sich konzentrieren, wenn er das hier überleben wollte, sich daran erinnern was Meister Stahlhand ihm auf den Weg mitgegeben hatte. Nicht für jemand anderen, sondern für sich selbst. Und das kleine Volk? Er würde hier in zwei Wochenzyklen vermutlich mehr lernen, als bei anderen Meisterschmieden in seinem ganzen Leben. Aber es war nicht so, dass er aus reinem Nutznießen diesen Weg gewählt hatte.
Die Dwarschim, sie waren ihm lieber als so mancher Mensch. Man wusste stets woran man bei ihnen war, während Menschen ihre Gewohnheiten und Ansichten änderten, wie der Wind die Richtung wechselte, so waren die Dwarschim fest und unabänderlich, wie das Gestein der Gebirge. Vielleicht wäre es besser gewesen als Dwarschim geboren worden zu sein, das hätte ihm so manches erspart.

Er erinnert sich schlagartig wieder an das Geschehen, welches sich vor wenigen Zyklen abspielte. Tatenlos hatte er in dem oberen Minenschacht der Binge verharrt, nicht bemerkt wie die Grünlinge sich langsam ihren Weg zu ihm gebahnt hatten. Als er sich umgedrehte, war es bereits zu spät gewesen, er eilte durch den Tunnel, seine Fackel seinen Proviant, all das was sein Überleben sichern sollte zurücklassend, während die Orks ihm dicht auf den Fersen folgten. Eine Sackgasse. Mit weit aufgerissen Augen presste er sich an die Höhlenwand, spürte den kalten Stein auf seinen schwitznassen Händen, die sich langsam tastend in die Ecke vorarbeiteten aus der es kein Entrinnen gab. Zähflüssiger Speichel rann dem größten der drei lederhäutigen, stinkenden und abscheuchlich anzusehenden Orks aus den Mundwinkeln und tropfte auf die abgerissen Schrumpfköpfe, die wie eine Trophäenkette um seinen Hals hingen. Seine vorherigen Opfer, denen er bald folgen würde - der Atem stockte ihn bei diesem Gedanken, schnürte ihm die Luft ab. Ruckartig, wie wilde Tiere traten die drei nun auf ihn zu, sich an ihrer in die Enge getrieben Beute ergötzend, ein vollzügliches Festmal würde er abgeben - ja mit Sicherheit. Er erstarrte, presste sich noch enger an die Wand, fast verzweifelt um etwas Abstand zu den Bestien vor ihm zu gewinnen. Er spürte einen Ruck, sah in die nunmehr überraschten fast überfordert wirkenden Fratzen der Drei, nicht begreifend was mit ihm selbst gerade geschah, dann brach er durch die Wand und fiel. Die Dunkelheit fing ihn wie ein sanftes Kissen auf, als er alten Stufen herunterpolterte, weg von den Abscheulichkeiten. Schließlich kam er irgendwo weit unten zum liegen, das letzte Stück war er durch lehmigen, feuchten Erdboden gerutscht, der seinen Aufprall etwas gebremst hatte. Am oberen Ende der Treppe hörte er lautes Gebrüll. Im Lichtkreis der Fackel sah er die Gesichter der Orks wutenbrannt den Schacht hinunterstürmen. Er rannte los, eine Hand immer an der Mauer, so schnell es ihm die Finsternis erlaubte. Langsam verhallten die rauhen Stimmen der Grünhäute weit hinter ihm in dem unterirdischen Gewölbe. Er mäßigte seinen Schritt etwas, Schweiß lief ihm in Strömen über das klitschnasse Hemd. Hier unten war es unerwartet warm, wenn nicht sogar heiß. Doch setzte er seinen Weg unbeirrt fort, in Gedanken immer noch bei Gevatter Tod dem er gerade so nochmal von der Schippe gesprungen war. Der unterirdische Weg verlief fast gerade, nur einmal hatte er eine Biegung nach links und kurz darauf wieder nach rechts gemacht, bemerkte er während er sich weiter vorantastete. Noch einige Zyklen setzt er seinen Weg so fort, bevor ihn seine Erschöpfung endgültig einholt, der schlaffe, von den Strapazen gebeutelte Körper an der Höhlenwand herabgleitet und sich in Lifna' s Arme flüchtet.

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 Betreff des Beitrags: Re: Das Leben des Schmied's
BeitragVerfasst: 20.03.11, 02:58 
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Zitternd klammert sich der Jüngling an die steile Felsklippe, die aus dem Gewässer tief unter den Minen
der Dwarschim emporragt. Er kann das Wasser nicht sehen, aber er weiss das es da ist, kann es riechen, hören, sogar auf der Zunge schmecken. Die Luft ist heiß, feucht und stickig, bildet einen hauchdünnen Schweißfilm auf seiner Haut, macht es ihm schwer mit Händen und Füßen halt am glitschigen, moosbewachsenen Vulkangestein zu finden. Doch er wagt es nicht ins kalte Nass zu steigen, das die kleine steinerne Festung, die das Wasser hier einst aus dem Felsen gefressen hat, umgibt. Er weiss was dort unten lauert, in der Tiefe. Er krallt sich bei dem Gedanken daran noch etwas fester an den Steinvorsprung. Ein unbedachter Schritt und eine kleine Gerölllawine von mehreren Kieseln löst sich und schlägt aufs Wasser auf, schallt gellend durch den gigantischen Hohlraum. Er hält den Atem an, die Augen vor Schreck geweitet blickt er mit einer Mischung aus Fassungslosigkeit und starrer Angst in die Dunkelheit. Allmählich verhallt das Echo ... nichts geschieht. Erleichtert schluckt er den dicken Kloß in seinem Hals hinunter. Langsam beruhigen sich seine Sinne wieder, instinktiv nach einer Fluchtmöglichkeit suchend. In der Ferne kann er den Ansatz eines Lichtstrahls wahrnehmen, irgendwo hinter dem eng zulaufenden Höhlenschacht, der einige hundert Fuß von seinem Zufluchtsort entfernt, stecknadelgroß die permanente Dunkelheit durchbricht und die sanften Wellen des schwarzen See's in silbernes Licht taucht.
Das hohle Rauschen eines Wasserfalls kommt aus dieser Richtung, verleiht diesem scheinbar toten Ort etwas Leben und ihm einen Funken Hoffnung. Ein Ausweg? Erneut taxiert sein Blick mit unverhohlenem Schaudern das Wasser. Hat er denn eine Wahl? Er schließt die Augen, öffnet sie wieder und blickt auf den steilen Felsgrad zu seiner Linken, der nur wenige Schritt neben seiner Insel aus dem Wasser ragt. Noch immer ruht dort der zerschundene und zerfetzte Leichnam des Orks, aufgespießt wie ein Spielzeug. Ausschließlich einige Sehnen halten die muskelbepackten Glieder noch am Torso fest, die kraftlos über der Wasseroberfläche hin und herbaumeln. Das Gesicht ist selbst für einen Ork grauenhaft entstellt und an dem Platz wo einst das Herz war klafft ein großes schwarzes Loch, als wäre es mit roher Gewalt aus dem Körper herausgerissen worden.

Selbst diese Bestie hatte ... er verdrängt den Gedanken an das Geschehene ... nein er würde diese Episode seines Lebens für sich behalten, wenn er sie denn überleben sollte. Er kann es sich nicht länger leisten zu zögern, sich von der Angst beherrschen zu lassen . Ein tiefer Atemzug, dann rennt er los und springt.

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 Betreff des Beitrags: Re: Das Leben des Schmied's
BeitragVerfasst: 20.03.11, 22:56 
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Fluchend stapfte er den zugigen Bergpfad zur Mine wieder hinauf.

Als er in die Fluten getaucht war, hatte ihn ein starker Strom sogleich erfasst und wie ein Blatt im Winde mit sich gerissen. Endlose Sekunden vergingen bevor er wieder an die sprudelnde Wasseroberfläche schoss. Ein grelles Blicht brannte sich in seine Netzhaut und noch ehe er sich versah, wurde er durch die schäumende Gischt des tosenden Wasserfalls gezogen und stürzte atemlos im freien Fall über die steile Klippe, nur um erneut mit einem lauten Platscher in den aufbrausenden Wellen am Fuße des Berges einzutauchen. Es dauerte einige Augenblicke bis er sich orientiert hatte und mit einer Hand in der Lage war sich am Ufer hochzuziehen. Mit letzter Kraft zog er sich über die natürliche Brüstung des Vorsprungs und kam prustend wie ein Fisch im Trockenen auf dem sandigen Boden zum liegen. Er spuckte einen Schwall Wasser zu Boden, dann brach er erschöpft zusammen.

Einige Zyklen war das Ganze hergewesen, seine Kleidung war inzwischen wieder vom Wind getrocknet worden, nur die überstrapazierten Muskeln, die schmerzenden Sehnen und der abgekämpfte Gesamteindruck zeugten von Kraftanstrengung der letzten Tage und trotzdem fühlte er sich seltsam erfrischt, ausgeruht. Beiläufig fuhr seine Hand an den Felswänden entlang, rieb sich etwas von dem Staub und Ruß ins Gesicht, um den richtigen Eindruck zu erwecken. Gute Miene zum bösen Spiel machen, das konnte er wirklich am besten. Wenn Meister Stahlhand ihn hier wieder abholen würde, würde es so aussehen als wäre alles zu seiner Zufriedenheit verlaufen - ohne Zwischenfälle.

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 Betreff des Beitrags: Re: Das Leben des Schmied's
BeitragVerfasst: 27.03.11, 16:40 
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Unabhängigkeit. Ein bisher unausgesprochener Gedanke, anfänglich nur der Anflug eines Gefühls oder einer Emotion, hatte sich in seinem Kopf nun deutlich manifestiert. Ob er Isabell Kessler dafür danken oder sie dafür verfluchen sollte, hatte er noch nicht entschieden. Irgendwie hatte sie recht, er war abhängig vom Orden und mit jeder gutgemeinten Geste, mit jeder Last die ihm so bereitwillig von den Schultern genommen wurde, verstärkte sich dieser Eindruck. Es war wie eine Droge, die ihn langsam abhängig machte, bis er schlußendlich vollkommen unselbstständig dastehen würde. Dann würde er jede Aufmerksamkeit, jede Hilfe mit Freude annehmen, gar nicht mehr wissen wie es denn auch anders sein könnte. War es wirklich so? War das alles ein wohl bedachter Plan? Wollte man ihn nur an den Orden binden, bis er es anders nicht mehr kennen würde? War er wirklich so schwach? Wo war seine Freiheit geblieben? Hatte er das nichtmal am meisten geschätzt?
Und er selbst? War er wirklich besser als sie, wenn es denn so war? Warum war er eigentlich hier? War der ursprüngliche Grund seiner Anwesenheit hier nicht genau das gewesen? Oberflächlicher Egoismus? Und dann noch die Worte des Gardisten Zandor. Dieser alte Mann, er hatte etwas Ähnliches erwartet, doch als er die Worte ausgesprochen hatte, fand er keine passenden Argumente, die über seine Lippen kommen wollten, nur ein paar gehaltlose Floskeln ohne jeden Wert, vermochte ihm nichts entgegenzusetzen. Auch er hatte recht, der Wall, nunmehr ein Bollwerk des Bösen, in früherer Zeit jedoch wohl mal das genaue Gegenteil, stand noch immer in seinen Grundmauern, unberührt vor den Toren dieser Stadt und trotzte jedem Versuch der Streiter, zu fallen. Hatte der Ordensmeister wirklich unüberlegt gehandelt, wie der Gardist gesagt hatte? War er überhaupt der richtige für diesen Posten, wenn er nicht die nötige Weitsicht besaß, dass zu erkennen was ihm Gardist Zandor geschildert hatte? Dabei klang es so einleuchtend, er konnte sich gar keinen Grund vorstellen ... egal. Sie meinten es gut mit ihm, irgendwo wollte er nicht daran glauben, dass sie das alles nur für sich selbst taten und das er keinen Deut besser war als sie. Soviele Fragen ... doch keine Antworten.


Tief in ihm weiss Raphael, dass Tare ein schlechter Ort ist. Menschen haben Bedürfnisse, Wünsche, Träume. Sie zögern nicht andere dafür hinter sich zurückzulassen, sie zu übergehen oder dafür auszunutzen. Sie sind keine Wesen die nur gute Seiten haben, aus deren Herzen nichts als Tugendhaftigkeit entspringt, denn in jeder guten Tat steckt auch ein Funken Egoismus, die Wurzel, der Ursprung. Manchmal erkennt er das, doch die nunmehr gesäten Zweifel in ihm sind noch klein und unbedeutend. Nicht mehr als der Samen einer unreifen Frucht.

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 Betreff des Beitrags: Re: Das Leben des Schmied's
BeitragVerfasst: 31.03.11, 16:00 
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Ein seltsamer Geruch lag in der Luft, der ihn entfernt an die glühenden Kohlen eines lodernden Feuers erinnerte, so vertraut ... und doch so anders. Der Rauch kratzte in der trockenen Kehle des Jünglings, der entkräftet und atemlos in dem niedergebrannten Feldlager stand. Schwarze brennende Palisaden säumten den Horizont und verdunkelten in einer diffusen Aschewolke den Himmel, während die geifernde Hitze ihm unerbittlich entgegenschlug. Die Luft um ihn herum begann zu flimmern, ließ die Realität verschwimmen und brachte merkwürdige Trugbilder zum Vorschein. Da sah er sie. Die dunkle Kreatur näherte sich ihm, der Körper abgenagt bis auf das Skelett an dem noch einige lose Hautfetzen hin und her baumelten. Mit langen klauenartigen Krallen, wo ein Normalsterblicher die Hände vermuten würde, striff sie eine noch stehende Zeltwand. Das Geräusch des reißenden Stoffes dröhnte ihm in den Ohren, ein langsamer unaufhaltbarer Ton, der sich in seinen Kopf bohrte. Machtlos sank er auf die Knie, mit beiden Händen umklammerte er verzweifelt den Schädel, wippte apathisch hin und her. Er hatte das Gefühl als würde sein Schädel zerplatzen. Dann Stille. Er spürte seine Gegenwart, den kalten Atem, den Schatten der Gestalt der nun auf ihm lag. Er wagte es ein Auge zu öffnen und blickte in das Gesicht des Ungeheuers. Es hatte den Kopf eines Löwen.

Ruckartig schnellte sein Körper von der improvisierten Schlafstätte im Feldlager des Ordens auf. Eine kalte Schweißperle rann über seine Nasenspitze, sammelte sich dort zu einem großen Tautropfen und plumpste verlegen auf sein weißes Nachthemd. Er konnte sein Herz immer noch Pochen hören. Sofort glitt sein Blick über die Löwen, an seiner Seite. Sie schliefen tief und fest. Geistesabwesend rutschte er von den Bettkante und schlüpfte in seine Stiefel. Nur das leere Buch welches Adalric ihm überreicht hatte und die Schreibfeder sollten diese Nacht seine Begleiter sein. Er konnte jetzt einfach nicht schlafen ... nicht nach den Offenbarungen, die dieser Tag mit sich gebracht hatte. Die Schlacht saß ihm noch in den Knochen als er sich auf einen Felsen nahe am Flußbett niederließ und mit einer ungleich nachdenklicheren Miene als sonst auf Papier zu schreiben begann, was er vor so langer Zeit einst gelernt hatte. Es war schon seltsam. Die Worte des einsamen Wanderers hatten sich in sein Gedächnis gebrannt, doch an das Gesicht des dunkelhäutigen Fremden konnte er sich schon lange nicht mehr erinnern.

Erst im Morgengrauen, als die ersten Felastrahlen bereits die Wolkendecke durchbrachen kehrte er wieder ins Schlafquartier der Löwen zurück. Die Blonde schlief friedlich vor sich hin. In ihrer Welt war noch alles in Ordnung. Einen Augenblick mit sich selbst hadernd, betrachtete er das Buch in seiner Hand, zögerte kurz und schob es dann doch vorsichtig unter ihr Kopfkissen. Einen Moment lang sah er sie schweigend an. Er schluckte deutlich und streckte die Hand nach dem blonden Schopf aus. Es dauerte einige Momente bis er sich dessen gewahr wurde und der geistesabwesende Ausdruck in seinen Augen dem wachsamen Blick des Jünglings wich. Er zog die Hand rasch wieder zurück, verließ das Zelt und verschwand in die Nacht.

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 Betreff des Beitrags: Re: Das Leben des Schmied's
BeitragVerfasst: 1.04.11, 18:16 
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Viel später am nächsten Tage stapft er durch das Unterholz des dichtbewachsenen Waldes nahe Südfalls. Äste brechen unter den Sohlen seiner Stiefel. Er schaut nicht zurück. Er weiss das man manche Dinge alleine tun muss. Er bereut seine Entscheidung keinen Augenblick. Er weiss das es die Richtige ist. Sein Gang spiegelt das wieder. Er ist leichtfüßig regelrecht gelassen. Nur für diesen kurzen Augenblick, bevor die Gedanken an eine ungewisse Zukunft ihn übermannen und sich ein unterdrücktes Zittern in seine Beine schleicht. Doch die Augen des Jünglings spiegeln weiter eine tiefe Entschlossenheit wieder. Es ist schließlich nicht nur sein Leben, das hier auf dem Spiel steht.

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 Betreff des Beitrags: Re: Das Leben des Schmied's
BeitragVerfasst: 1.04.11, 21:05 
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Als sie sich umdrehte, um nochmal ein wenig zu dösen, verzog sie ein wenig das schlaftrunkene Gesicht. Ein Auge wurde geöffnet, als sie plump die Linke unter das Kopfkissen schob und dort herum tastete. Da war etwas Hartes..
„Eh..?“
Das Mädchen richtete sich im Lager gebeugt auf, die langen hellen Wellen ihres Haars fluteten dabei ungekämmt über die Schultern und legten sich über den Deckel des Buches, das sie auf ihren Schoß gezogen hatte. Bücher?
Sie kniff nochmal die blauen Augen zusammen, blinzelte ein paar Mal... also ihres war das nicht.
Leise zog sie das Näschen ein wenig hoch, nur mehr ein leises Schnauben, als sie die erste Seite aufschlug, in der Erwartung vielleicht irgendwas zu finden, was vielleicht gar nicht da hingehörte.

„Für Viktoria“

Der Unterkiefer klappte ihr ein wenig runter. Für sie? Ein ganzes Buch.... für sie? Sie schnappte nach Luft und blickte sich mit geröteten Wangen um. Er war nicht mehr hier... und bestimmt war es von ihm. Ganz sicher. Das Herz schlug ihr etwas schneller in der Brust, es war ein merkwürdig flatterhaftes Gefühl. Die Vorstellung, dass er ja nachts an ihrem Lager gewesen sein muss... irgendwie hatte es nun was.. ja, was war es? Hoffentlich hatte sie gerade nicht blöd im Schlaf ausgesehen und irgendwas peinliches gemacht...
Sollte ihr doch egal sein... eigentlich! Ein Buch... ein richtiges Buch... Eine ganze Geschichte nur für sie. Von ihm.


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 Betreff des Beitrags: Re: Das Leben des Schmied's
BeitragVerfasst: 3.04.11, 15:15 
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"Vollidiot", sagte ihm eine innere Stimme immer wieder und wieder. Niedergeschlagen schlurfte er durch die Gassen Falkensees, bog in die Straße zu seinem ... nein ihrem Haus ein und verschwand in der Türe. Die Vene auf seiner Schläfe pochte wieder, ein leichter Schwindel überkam ihn und er musste sich auf den Tisch stützen um nicht umzukippen. Er rieb sich die Stelle an der die Naht bei jeder Bewegung seines Halses ziepte und sich wie ein Plagegeist bemerkbar machte. "Wenn sie reißt, seid ihr sofort tot", das waren die Worte der Heilerin aus dem Hospiz gewesen. Er sank kraftlos auf die Knie und schlang die Hände in einer Geste der Verzweiflung um den Nacken. Ihre Schreie gellten immer noch in seinen Ohren wieder, er hatte das schmerzverzerrte Gesicht noch immer vor Augen, wie es ihn japsend um Luft ringend und nach Hilfe suchend, furchtsam anstarrte. Und es war seine Schuld gewesen. Schuld die er sich nicht mit Wasser von den Händen waschen konnte. Selbst nachdem die Magierin sich ihrer angenommen hatte, war das Gesicht noch bleich und leblos gewesen. Wie das einer Porzellanpuppe, vollkommen unbewegt und emotionslos.

Und er? Er hatte nichts besser vorgehabt als wie ein Häufchen Elend auf der Wiese zu sitzen. Wie ein Narr der es nicht besser wusste, hatte er dort herumgekauert. Wie eine Bürde, die von anderen getragen werden musste, obwohl er gerade das am wenigsten wollte. Selbst Viki war stärker als er gewesen, hatte ihm Mut zusprechen müssen und die Sache mit einer Leichtigkeit hingenommen, die ihm vollkommen fremd war. So schwach vor ihr und dem Orden und all den anderen hatte er sich gezeigt. Bei dem Gedanken daran überlief ihn ein kalter Schauer, wie er nur einen jungen Mann überkommen konnte, der gerade seine Würde verloren hatte. "Schwächling", raunte er leise zu sich selbst, die Stimme war immer noch heiser und in ihrer Laustärke einem Flüstern gleich. Was tat er hier überhaupt? Er hatte sie fast umgebracht und nun haderte er mit sich selbst? Was war er doch nur für ein erbärmlicher Egoist. Ja erbärmlich, das war das passende Wort, dass die Situation perfekt beschrieb.

Seine Augen wurden wieder glasig und leer, für einen Moment kamen die Schuldgefühle mit unvermittelter Härte wieder zurück. Die Hand griff nach dem großen Fass Zwergenbockbier und schon bald fühlte er wie der süße Geschmack des Alkohols all die Bitterkeit hinfortwusch und sich wie ein nebulöser Schleier über seinen Geist legte. Am Ende war er doch keinen Deut besser als sein alter Herr. Vermutlich lag es in der Familie, dachte er noch bei sich, bevor der letzte Hauch seines Verstandes dahinglitt in die tiefe wonnige Umarmung des Nichts, wo es keine Gefühle gab, wo das Gewissen betäubt war und ihn nichts und niemand kümmerte.

Er torkelte und hielt vor dem kleinen Durchgangsfenster inne. Mit völlig nichtssagender Miene schaute er auf das Glas. Für einen Moment blitzte sein Spiegelbild in einer klaren Lichtreflexion der Fensterscheibe auf. Er war ihm wie aus dem Gesicht geschnitten. Sein Gesicht verzerrte sich zu einer hasserfüllten Fratze. Wutentbrannt holte er mit der Faust aus und durchschlug die Scheibe, die mit einem lauten Krachen zerbarst. Splitter fielen klirrend zu Boden und bohrten sich tief in die blutige Faust des Jünglings, sein Gesicht bebte, die Schläfe pochte, dann war es still im Haus mit der Nummer 36.

Reglos lag er auf dem Boden, in einer trüben, übelriechenden Pfütze aus Alkohol. An der Hand klebten noch die verkrusteten Glassplitter des zerschlagenen Fensters. Das Fass war leer und lag umgekippt in der Mitte des Raumes. Bis auf den letzten Rest Bier, der unablässig von dem Hahn auf die Holzdielen tropfe war es vollkommen still in dem Raum.


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 Betreff des Beitrags: Re: Das Leben des Schmied's
BeitragVerfasst: 10.04.11, 19:56 
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Wie ein silbriger Faden glänzte der einsame, ausgedünsteteTropfen, den ihm die Flammen ins Gesicht gezwungen hatten und hinterließ eine matt schimmernde Schneckenspur auf der leicht geröteten Haut, ehe er sich in den dunklen Brauen des Jünglings verlief. Mit der Linken zerrte er grimmig den Schal über die Nase. Er schnaubte und das tiefrote Stofftuch vibrierte ängstlich unter dem Luftstoß, als seine Nasenflügel erbebten.

Was war das nur für eine Stadt? Zwiellichtige Gestalten pflasterten die Straßen, wie .... ja wie Pflastersteine!
Keiner konnte der Lage Herr werden. Es war eher ein Wechselspiel, etwas geschah, man reagierte, man kam zu spät.
Der stetige Versuch einen Hoffnungsfunken in der Wache der Stadt zu finden, schlug fehl. Ein Ork in einer Garde? Ein Nortrave der eine wehrlose Mutter angriff? Waren sie so verzweifelt?


Der Blasebalg fauchte und trieb Ventus Atem mit unerbittlicher Kälte über die glühenden Kohlen. Es knarzte und knatterte während der Bauch des mechanischen Drachens, sich unter den vor Anstrengung zitternden Muskelpartien, auf und abwölbte. Unbeirrt griff er mit der Linken in das üppige Rot der keifenden Flammen, deren Funkenreigen wie Sternraketen gen Decke stiegen, der Glut entgegen die kein Haar des Jünglings zu sengen sich erfrechte.
Der Balg keuchte aus hohler Flanke, während die Feuerzungen um ihn herum pfiffen und versuchende Worte ins Ohr flüsterten. Jeder der zu lange in die Flammen sah und ihrem Flüstern lauschte, würde sich irgendwann in ihnen verlieren - zuerst nur einen flüchtigen Gedanken, dann eine Erinnerung und schließlich sich selbst. Jeder Schmied hatte gelernt sich diesem Reiz zu stellen. Es flackerte und ein trüber, dunkler Aschestreifen bildete sich in einer Ohrmuschel, die kurz alarmiert zusammenzuckte.

Auch die Lage im Orden schien sich irgendwie zuzuspitzen. Vielleicht war das ihre Art mit der inneren Unruhe vor einer Schlacht fertig zu werden. Wie sie vor aller Welt Liebesgeschichten über ihre Verflossenen austauschten hatte zwar etwas Vertrautes, ließ in ihm aber auch ein unangenehmes Gefühl von peinlicher Berührtheit aufsteigen. Dabei war er es durchaus gewöhnt. Reisende erzählten sich am Lagerfeuer oft gegenseitig von ihren Eroberungen, versuchten sich sogar gegenseitig zu übertrumpfen und an Detailverliebtheit und Unanständigkeit was ihre Beschreibungen betraf zu übertreffen, auch wenn er sich an diesem Spiel nie beteiligt hatte. Es gab nur einen entscheidenden Unterschied. Sie waren Fremde, die schon an der nächsten Gablelung einen anderen Pfad einschlagen konnten. Waren sie hier auch nicht mehr als flüchtige Bekannte? Die Sache mit Sanjari ließ ihn das zumindest manchmal so erscheinen.

Die Kohle knallte und darüber dicht, beugte sich das grimmige Gesicht. Die alte Eisenzange fand ihren Weg in seine rauhen Hände, in ihren Fangzähnen wand sich der wehrlose Rohling einer Klinge. Wie eine arme Seele hielt er das Eisen in die Glut. Funkenblut spritzte. Eine blaue Schwele bahnte sich ihren Weg zum großen Schornstein und es schien als würde eine dunkle Nachtgestalt im hellen Licht des Astreyon aus dem Schlot steigen.

Und es war ja offensichtlich das es dann so kam, wie es kommen musste. Ein paar Worte und schon war das Fass voller Eifersucht am überlaufen. Offensichtlich hatte sich der Verflossene von Amelia etwas zu weit aus dem Fenster gelehnt, als er das eine oder andere Detail ausgeplaudert hatte. Das Eingreifen kam gerade noch rechtzeitig, vermutlich hätte es sonst in einem handfesten Ektlat geendet und das brauchten sie jetzt am wenigsten. Was Amelia wohl mal zu ihm gezogen hatte? Sie machte auf ihn nicht den Eindruck einer leidenschaftlichen Liebhaberin, vielleicht war hinter der aufgesetzten Fassade des leichtlebigen, charmanten Schurken, ja doch ein tiefsinnigeres Ich verborgen, dass sich bisher seinem Blick entzogen hatte. Oder Amelia wusste ihre Triebe gut zu verstecken, unter einer Maske aus Fleiß, Etikette und ein bisschen Schwermut. Vielleicht war das der Grund warum sie manchmal zugeschnürt wie ein Paket den Laden betrat und am darauffolgenden so offenherzig wie ein junges Mädchen durch die Räumlichkeiten ging oder unanständige Dinge eher hinter vorghaltener Hand zu ihrem Mann flüsterte. Tja er hatte es trotzdem gehört. Und das erinnerte ihn dann schmerzlich daran, wie lange er schon nicht mehr die Laken mit einer Frau geteilt hatte. Auf dem Festland hatte er in Gasthäusern die eine oder andere Gelegenheit dankend wahrgenommen, aber hier ... plagten ihn nun unanständige Gedankengänge und eine innere Unruhe, die ihn langsam ganz Kirre machte.

Er musste die Glut fleißig schüren, den schweren Schmiederhammer rasch, geschickt und kraftvoll führen. Schlag um Schlag donnerte es nun über den Steg und durch die Gassen. Gekrümmt in Zorn und Schmach ließ das glühende Eisen sein Weh erklingen. Glockenhell durchbrachen die gefühlskalten Hammerschläge die Stille der Nacht und hallten in einem beständigen Dröhnen in den Häuserschluchten des
Falkensee´r Viertels wieder. Das Zischen einer Schlange schreckte ein wachsames Kätzchen auf, als er die sengende Klinge in das kalte Wasser stieß und eine nebulöse Dampfwolke aus warmer, feuchter Luft gegen ihn prallte und das milde Gefühl eines abflauenden Tropensturms auf seiner Haut hinterließ.

Und dann noch diese Sache mit Somberlie. Er fühlte sich wirklich geschmeichelt, aber den Bund mit ihr eingehen? Er mochte sie, doch im Grunde genommen waren sie doch nicht mehr als Fremde. Was erwartete sie nur von ihm? Welche Sicherheiten glaubte sie, könnte er ihnen bieten? Und was war mit seiner Freiheit? Der Kleinen zu Liebe? Sie war schon ein verschlagenes Biest. Wie sollte er ihr denn diesen Wunsch abschlagen, während ihn das süße kleine Ding, mit ihrem aufgeweichten Zwieback zwischen den Bäckchen schmachtend anhimmelte. Und wie würde er das ihnen beibringen ... Viktoria hatte es nicht verstehen können. Aber Somberlie hatte Recht. Die Kleine brauchte einen Vater, niemand wusste das besser als er.

Das bereits aufgescheuchte Kätzchen, das gerade seinen täglichen Mitternachtsspaziergang über die Dachrinne des Nachbarhauses unternahm, sträubte das Fell und strauchelte, denn schon ertönte das herzzereissende Kreischen, dass so grässlich und schmerzhaft in den Ohren brannte, als wäre ein Glas in tausend kleine Scherben, klirrend zu Bruch gegangen und hätte sich in die Gehörgänge bis hin zum Trommelfell des geneigten Zuhörer's gebohrt.
Mit wahnwitziger Geschwindigkeit rotierte der Schleifstein in dem klappernden und kippelnden Holzgestell, wie der unbändige Wille eines wilden Tieres, das mit aller Kraft versuchte seinem Gefängnis zu entrinnen, indem es sich gegen die Gitterstäbe warf. Innig liebend küsste die Klinge ihren rauhbärtigen Verehrer, der sich schrillend in ihre Haut fraß und der abgestumpften Beziehung eine neue, tödliche Schärfe verlieh. Ein heller Lichtbogen aus gleißenden Funken und Metallsplittern, geboren aus der leidenschaftlichen Umarmung von Stahl und Fels, prasselte gegen seine dreckige, alte Lederschürze. Wild und ungebändigt wirbelten, die eben noch in einer konkav anmutenden Flugbahn, auf ihn zuschießenden, Lichtpartikel, in der von Hitze schwirrenden Luft herum. Doch so beständig die Verbindung von Stahl und Fels auch war, umso wechselhafter und kurzlebiger waren ihre Kinder.

Warum?


So erstarb der Funkenreigen in einer Wolke aus Asche und schwarzem Staub und gleichwohl mit ihm das Lied von Stahl und Fels, das noch heute manchmal tief unter den Bergen erklingen soll, wo die beiden einst aus dem Stein geschlagen wurden - bevor man sie trennte und auseinanderriss, und wo es in einem sanften und melodischen Klang ertönt, der jedem der es vernimmt eine tiefe innere Ruhe und Geborgenheit schenken soll.

Warum war alles so kompliziert? In diesem Wirrwarr, diesem Labyrinth aus Intrigen, Beziehungen, alten Fehden und schmeichelhaften Einflüsterungen konnte er seinen eigenen Weg nicht mehr erkennen. Und über all dem thronte der Pakt. Der Pakt mit einem Dämon.

Prüfend fuhr der Daumen über den drakonischen Kreuzschliff, der eine auffällige Maserung im blanken, blendenen Metall hinterließ und sich wie das unverwechselbare Abbild eines rauhen Gebirges bis kurz vor die länglich, in der Mitte des Werkstücks verlaufende Aussparung, erstreckte, die der Volksmund so passend als Blutrinne bezeichnete. Und wie als ob sie diesen einen stillen Gedankengang des Jünglings vernommen hätte, forderte die stählerne Klinge ihren Tribut, als ein Tropfen Blut von seinem Finger glitt und das glatte Ebenbild handwerklicher Perfektion, dass ihm bereits seit sieben Nächten den Schlaf raubte, benetzte.

Er wusste warum er nicht schlafen konnte. Nicht so kurz vor der Schlacht. Wer würde sterben? Wer leben?
Vielleicht er? So abwegig erschien ihm der Gedanke in diesem Augenblick gar nicht. Um ehrlich zu sein, wäre es eine Erleichterung.


Dies war eine bedeutsame Nacht, vielleicht seine letzte und vielleicht die letzte so vieler die er kannte. Und schon glühten neue Eisen in der Schmiede, diese Nacht würde das Licht in ihr nicht erlöschen.

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 Betreff des Beitrags: Re: Das Leben des Schmied's
BeitragVerfasst: 11.04.11, 15:51 
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Entkräftet von den Nachwehen der Schlacht stand er regungslos in der dunklen Schmiede. Seine Schultern, die der gewaltige Golem mit einem Schlag seiner Faust beinahe zetrümmert hatte, quälten ihn mit einem stechenden, bohrenden Schmerz. Der rotglimmende Lichtkegel der feurig glühenden Esse, verlieh seinem Gesicht einen gespenstischen Schatten. Eine unnachgiebige, entschlossene Härte ließ seine Züge wie versteinert wirken. Seine rechte Hand hatte den Griff des Schwertes, dass dem Träumer 7 Tage den Schlaf geraubt hatte, krampfhaft umgriffen.

Er war es gewesen, der ihm das erste Mal den Umgang mit der Klinge gelehrt hatte. Warum dieser Verrat? Hatte er die Absicht gehabt, ihn auf denselben Weg zu führen? Doch dazu hatte er keine Gelegenheit mehr gehabt. Tjure Odal war tot. Was blieb war ein Verräter. Hätte er es wirklich fertig gebracht ihm in diesem Augenblick das Leben zu nehmen?

Seine Hände begannen zu zittern. Die Spitze der Waffe tänzelte nervös hin und her. Die Knöchel der Hand traten weiß hervor, als er die Klinge noch energischer umpackte. Er ließ sie aus den Händen gleiten und mit einem frenetischen Blubbern, versank das Schwert in den Fluten der tosenden Lava.

Seine Kraft war erschöpft. Sein Vertrauen war erschöpft. Konnte er einem Mann folgen, der zu schwach war den letzten entscheidenden Schlag auszuführen? Es war diese eine Schwäche, die er nicht verzeihen konnte, eine Schwäche die alle im Orden, alle Menschen um ihn herum in Gefahr brachte. Wie wollte ein Mann führen, der nicht dazu in der Lage war das Übel an der Wurzel zu packen und auszumerzen, dass schon soviele Leben gekostet hatte und noch unzählige fordern würde? Nahm er es billigend in Kauf, dass in der nächsten Schlacht bereits ein Kamerad und Freund durch das Schwert des Feindes starb, dem er eben noch Angesicht zu Angesicht gegenüber gestanden hatte und .... ja ... ziehen ließ? Selbst wenn es ein Freund war, jemand dem man vertraut hatte. Er hätte die richtige Entscheidung treffen müssen, doch er traf die Falsche. Für wen? Um seiner selbst Willen. Hatte er es gar gewusst? Stillschweigend hinggenommen und akzeptiert? Wenn er es wusste, dann wusste es auch Amelia.

Seine Miene verfinsterte sich zusehens und er wandte sich ab, stieg die Treppe in das kalte Gewölbe hinab. Geistesabwesend wurden die Riemen der verbeulten Schulterpanzerung gelöst. Ein metallisches Klicken hallte in dem leeren Keller wieder und die Handschuhe lösten sich von seinen Fingern.

Menschen. So schwach. Es stand ihm nicht zu jemanden zu verurteilen, weil er sich nicht gegen einen Freund stellen konnte oder wollte. Gut und Böse griffen hier Hand in Hand, Grenzen begannen zu verschwimmen. Wer war ein Feind? Wer war ein Freund? Waren die Leute hier wirklich so dekadent und vermessen geworden, dass sie sich aus reiner Langeweile dem Ungenannten zuwandten?

Das Wasser schlug ruhige Wellen als er sanft und behutsam hineinglitt. Der Kopf tauchte unter die spiegelglatte, ungetrübte Wasseroberfläche.

Es war an der Zeit. Er wusste was er zu tun hatte. Er konnte die Menschen vielleicht nicht ändern, aber er konnte tun, wozu sie nicht in der Lage waren. Wenn sie nicht bereit wären ein Opfer zu bringen würde er es tun. Wenn sie nicht bereit wären Schuld auf sich zu laden würde er es tun. Die Menschen waren so schwach. Und vielleicht konnte unter den Starken nur ein Schwächling wie er so handeln, auch wenn es bedeutete dadurch etwas zu verlieren. Was war eine Seele schon wert, im Vergleich zu so vielen...

Wer hatte Recht ... und wer unrecht ... nur der Tod konnte diese Frage beantworten.

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 Betreff des Beitrags: Re: Das Leben des Schmied's
BeitragVerfasst: 14.04.11, 22:11 
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Ein einsames Licht brannte in dieser lauwarmen Astraelnacht am Rande des alten Birkenbaumwaldes. Zwischen den hohen Farngräsern, deren üppiges Grün im Licht des Mondes hell erstrahlte, und den vielblättrigen Rankengewächsen, die an Felsformationen und modrigen, hohlen Baumstümpfen gleichermaßen emporkletterten, schlängelte sich ein paradiesisches Bächlein, gut versteckt inmitten des saftigen Dickichts durch die Landschaft. Das beruhigende Plätschern des Bachlaufes erfüllte die Luft und wurde vom Wind wie ein leises Flüstern über die grasbewachsenen Hänge getragen, die sich so weit das Auge reichte, bis zum Horizont erstreckten, wo sie von, sich dicht aneinanderdrängenden Baumreihen, verschluckt wurden. Doch auch andere Besucher hatten sich seit kurzem im Geäst und Unterholz des Strauchwerks eingefunden, und wetteiferten nunmehr mit den ursprünglichen Bewohnern des Niederwaldes, um ihren Platz in der Nahrungskette. So hatte in einer kleinen Flussmulde nicht unweit der überwucherten Ruine eines alten Grenzturms ein großes Zikadenvolk Zuflucht gefunden. Das freundliche, wohlige Zirpen der unzähligen kleinen Insekten vermischte sich mit dem Rascheln der Blätter und Büsche. Lediglich der böse Blick einer kauzigen alten Eule, die ihr Nest auf einem der hölzernen Dachbalken aufgeschlagen hatte, trübte das idyllische Zusammenspiel, indem sich Bachlauf und Zikadenstamm gegenseitig zu übertreffen versuchten. Vom Fuße jener alten Ruine erstreckte sich ein schillernder Blumenteppich, geradewegs durch das spindeldürre Düstergras, überquerte eine moosbewachsene Lichtung und müdete schließlich vor der betagten Holztüre einer alten Jagdhütte. Hier brannte noch immer die einsame Kerze vor sich hin und ließ im warmen Lichtkegel der winzigen Flammen die Farbenpracht des Blumenmeeres zu ihren Füßen erahnen, dass schon so manch einsamen Wanderer mit seinem Blick verlockt und dazu bewogen hatte, inne zu halten.

Die Luft in dem kleinen Raum war heiß und stickig. Etwas regte sich unter den Laken des Bettes. Er spürte wie ihre Hand sich langsam an seinem Oberschenkel emportastete. Ihr Körper presste sich förmlich an ihn, das Gefühl ihrer weichen, seidigen Haut, wie sie forschend über die seine hinwegglitt, sträubte ihm die Nackenhäärchen auf. Ein betörender Duft stieg dem halbwachen, halbschlafenden Jüngling in die Nase und ließ seinen Atem stocken. Er spürte wie der warme Frauenkörper sich nun mit seinem ganzen Gewicht auf ihm räkelte. Wieder regten sich ihre Hände, geradezu gierig verstärkten sie ihren Druck und umschlangen seinen Oberkörper in einer innigen Umarmung. Er witterte ihren brennenden Atem, als sie ihr Kinn tief in seiner Schulter vergrub und ein wolllüstiges Stöhnen kaum hörbar an sein Ohr drang. Er öffnete verstohlen ein Auge und sein Blick folgte der Kurve ihres Halses in die Tiefen der weichen Hügel, verfing sich im Anblick der von Fela geküssten Haut und den sanft geschwungenen Lippen. Nun brannten auch seine Finger vor Sehnsucht und so wie man isst und trinkt und schläft, so regten sich seine Sinne – und nicht nur diese – als er ihr Antlitz sah . Erst jetzt erinnerte er sich daran diese sanftmütigen Züge irgendwo schonmal gesehen zu haben und erkannte wie das leicht errötete Gesicht seiner Ordensschwester unter den zerzausten, blonden Haaren aufblitzte. Sie beugte sich langsam über ihn, um mit ihren warmen, weichen Lippen die seinigen zu erkunden. Ein kalter schauer lief ihm über den Rücken, ein Hauch von Gefahr ließ sein Herz dabei wie im Rhytmus eines zackigen Trommelmarsches hämmern. Unfähig sich dem inneren Drang nach weiterer zärtlicher Misshandlung zu erwehren, öffnete er bereitwillig die Lippen. Er schwelgte in ihrer Weichheit und in ihrem süßen Geschmack. Seine Zungenspitze erweckte die ihre und erstaunt spürte er, wie bedingungslos sie in seinen Armen brannte und gleichzeitig auch schmolz. Brennender Honig war dieser Kuss, der ihn mit Zärtlichkeit und Verlangen speiste und vielleicht hätte er noch hundert weitere Götterläufe so liegen können, freiwilliger Gefangener süßer Küsse. Er spürte einen süßen Schmerz, als sie ihm auf die Lippe biss. Er schlug die Augen auf und mit einem Mal schien sich das Abbild des jungen Mädchens zu ändern, einer Metamorphose gleich, begann sie vor seinen Augen zu reifen wie ein Phoenix der zu Asche zerfiel und in ebenso schöner Gestalt, doch auch gänzlich anders wieder aus den Flammen emporstieg. Die sonnengebräunte Haut wurde langsam fahl und ging in einen vornehmen edelblassen Farbton über. Das eben noch lange, blonde Haare fiel auf Schulterlänge zusammen und wurde ebenso rabenschwarz wie das seinige. Die noch jugendlichen, runden Gesichtszüge verblichen und das ebenmäßige, vertraute Gesicht, einer weitaus reiferen Frau trat hervor. Ohne die Augen zu öffnen, drängte sie sich ihm entgegen und öffnete sehnsüchtig die zerbissenen Lippen. Er fühlte wie sich ihre Nägel in seinen Rücken krallten und blutige Striemen auf seiner Haut hinterließen. Blind vor Verlangen vergruben sich seine Hände nun in ihren Oberschenkeln, wanderten ungestüm über ihr Gesäß, bis zur Hüfte hinauf. Ein lustvolles Jauchzen ertönte und ihre Bewegungen wurden nun fordernder als sie sich mit ihrem katzenartigen Körper enger an ihn schmiegte. Sein Atem wurde schneller als er fühlte, wie ihre rauhe Zunge auf seinem Hals kitzelte. Ein Ruck ging durch seine Glieder und er warf sie herum, bereit seine Rolle in diesem Spiel aus Küssen und Liebkosungen zu spielen. Er zog das Laken über die sich vor Lust windenden Körper, als könnte er das frivole Treiben dieser Nacht vor dem Anblick der Götter verbergen. Sie schlang die Beine um seine Hüfte und er wusste das er ihrem Begehren im nächsten Atemzug bereits entsprechen würde. Ungezügelt näherten sich die beiden Liebenden dem vermeintlichen, wenn auch vermutlich nicht letzten Höhepunkt dieses Abends. Sie sprühte nun geradezu vor Leidenschaft und erneut zog sie in fordernd zu sich, drückte ihr Becken berauscht an seine Lenden und ...


Der Traum zerplatzte wie eine feuchte Seifenblase, als die Malthuster Soldaten laut scheppernd vor die Zelle traten, noch ehe er richtig begonnen hatte. Über seine eigenen unanständigen Gedanken erschrocken, berautete sich der junge Schmied mit einer Miene die im Moment des Augenblicks schuldbewusster nicht sein könnte. Dann zog ihn die Realität wieder in ihren Bann und sein Gesicht nahm wieder den nichtssagenden, maskenhaften Ausdruck an, den er sich zu Eigen gemacht hatte. Er ahnte, er würde diese Splitter des Augenblicks sorgfältig behüten, um Funken aus Träumen schlagen zu können, wann immer es Galtor's Gnade zulassen würde.

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 Betreff des Beitrags: Re: Das Leben des Schmied's
BeitragVerfasst: 20.04.11, 02:13 
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Totenstille erfüllte die große Halle Morsans. Alles hier war dunkel. Ebenholzschwarze Marmorbänke standen wie Soldaten in Reih und Glied vor dem finsteren Altar und huldigten in ergebener Bescheidenheit dem Glanz der viergöttlichen Einigkeit. Selbst das Schwarz seiner Haare erschien ihm in dieser alles einnehmenden, beengenden Finsternis, denn so empfand er sie, wie ein heller Felastrahl. Die Zeit an diesem Ort verging langsamer. Wie ein Fluss dessen Strömung allmählich schwächer wurde, bevor er in einem stillen See mündete, bahnte sie sich ihren Weg durch den Schleier. Dort war das Wasser tief und dunkel, selbst das Rauschen seines Zuflusses ging am eiskalten Grund, zwischen Felskaskaden und Wasserlianen unter. Der markante Duft der Nachtschattenranke umspielte seine Nasenflügel und seine Augenlider begannen zu flimmern. Es erinnerte ihn an den Moment bevor man ohnmächtig wurde. Wenn einem machtlos die Beine versagten und die Dunkelheit einen empfing, wenn nur noch das dumpfe Klopfen des eigenen Herzschlags an das innere Ohr drang. Das tiefe Rasseln des eigenen Atems, der zischend in die aufgewühlten Lungen gezogen wurde. Und dann wurde alles schwarz, das Nichts empfing einen und machte auf erschreckende Art und Weise deutlich, dass da am Ende vielleicht doch gar nichts auf ihn wartete?

Er dachte an seine Ordensbrüder und Schwestern zurück. Ihm war selbst aufgefallen, dass er sich verändert hatte. Doch selbst zwischen Freunden und Kameraden konnte er die Schatten nicht aus seinen Gedanken vertreiben. Er wusste, dass sie seine Ablehnung nicht verdient hatten, dass sein Zorn und seine Enttäuschung anderen galt. Er war einfach so müde. Zu müde um sich darum zu bemühen freundlich zu bleiben, die Maske von Anstand und Etikette zu wahren. Es gingen ihm soviele Dinge durch den Kopf, dass er gar nicht mehr wusste wo er ihm stand. Das unerwartete Liebesgeständnis seiner Ordensschwester hatte ihn überrascht und tat ihm zugleich im Herzen weh, denn er konnte sie nur zurückweisen. Dinge dieser Art hämmerten ihm im Schädel und zehrten an seinen Kräften. Es war an der Zeit sich von diesem ewigen Hin und Her zu lösen, auch wenn er damit jemandem weh tun musste.

In seinen eigenen Gedankengängen gefangen, hatte ihn dann aber zumindest Viktoria noch irgendwie erreichen können. Vermutlich mit viel Geduld, denn so genau erinnerte er sich schon gar nicht mehr daran, als hätte sie ihm die Worte im Halbschlaf nur zugemurmelt. Bei ihr konnte er für ein paar Zyklen die Maske fallen lassen, und die Gedanken schleifen lassen, vergessen was ihn beschäftigte, bevor sie wieder zu ihren Ordensbrüdern und Schwestern zurückkehren mussten. Doch so sehr er das kurze Vergnügen in den heißen Quellen auch genossen hatte, wusste er umso schmerzlicher, dass auch sie eines Tages aus ihrer kitschigen Weltvorstellung herausgerissen werden würde. Für sie und alle anderen war der Ordensmeister immer noch der heldenhafte Veteran, ein Vorbild und Amelia seine treue Gefährtin, die ihm nie von der Seite weichen würde. Er konnte es einfach nicht über sein Herz bringen sie damit auch noch zu belasten, fühlte das sie noch nicht dafür bereit war sich dies aufzubürden, jetzt wo William, ihr Lehrmeister in vermutlich so vielen Dingen, im Sterben lag. Eines Tages würde er ihr vielleicht Rede und Antwort stehen - früher oder später - und Raphael wusste das sie ihrem Lehrer dann vergeben könnte, weil er persönlich zu ihr gekommen war, mit ihr unter vier Augen gesprochen hatte, ihr zeigte das ihm ihre Meinung wichtig war. Vielleicht war das ja auch seine Prüfung, seine Aufgabe - ihre romantische Weltanschauung zu bewahren, das innere Kind in ihr zu beschützen, dass noch immer auf einem idyllischen Bauernhof in einem kleinen Dorf, umgeben von tiefgrünen Wäldern und goldenen Weizenfeldern, lebte. Er würde es tun, solange er konnte, auch wenn es bedeutete etwas von ihm selbst dafür aufzugeben. Denn war es letzten Endes nicht das wofür er sie ...

Ein Sandkorn fiel wie in Trance durch die gläserne, in Vulkangestein eingefasste Sanduhr, die auf dem massiven Altar stand und riss ihn mit der Gewalt einer herannahenden Lawine aus den Gedanken. Noch immer saß er auf den kalten Bodenfliesen, hatte den rautenförmigen Anhänger in seinen Händen fest umklammert. Doch nun löste sich der erbitterte Griff.

Er fühlte wie mit brennender Gewalt der Zorn wieder Besitz von ihm erfasste und seine Finger zu beben begannen. Blut tropfte von dem eisernen Talisman in seiner Hand, der sich wie die scharfe Klinge eines Rasiermessers, in seine Finger geschnitten hatte und den Boden dieses heiligen Ortes besudelte. Doch es kümmerte ihn nicht. Enttäuscht löste er die Hand von dem Relikt und ließ es zu Boden fallen.

Die Menschen hier waren so bemitleidenswert. Indem sie die Diener des Einen mit offenen Armen in ihren Häusern empfingen und auf der anderen Seite die Viere preisten, hatten sie sein Vertrauen verloren. Keiner stand offen zu dem was er war. Wenn sie die Wahrheit sprachen, verschwiegen sie etwas. Wenn sie mit der rechten Hand einem Geweihten die Hand gaben, öffneten sie dem Ketzer mit der linken die Türe zu ihrem Heim. Sie waren solche Heuchler und merkten es nicht einmal. Sie wollten sich weder zur einen Seite, noch zur anderen bekennen, im trüben grau schwimmen. Was erhofften sie sich davon?
Selbst die Diener des Übels selbst, waren ihm auf eine Art und Weise lieber, als diese Sorte Mensch. Er wusste was er von ihnen zu erwarten hatte, sie machten keine leeren Versprechungen. Vielleicht war es in dieser Welt hässlicher als in seiner jetzigen, doch wenigstens wäre es eine Welt ohne nagenden Zweifel, die unverblümt das zeigte was sie war.
Wie hatte sie es genannt? „...doch er selbst macht klare Ansagen...“
Gewissheit. Etwas das ihm seit geraumer Zeit fehlte, in so vieler Hinsicht...

Er begriff nun was Amelia versucht hatte ihm zu sagen, als sie davon sprach das die Menschen von den Idealen der vier Götter geblendet wurden. Das sie versuchten ihre schlechten Seiten hinter den Guten zu verstecken, genauso wie ihre Geweihten und das auch ihre Gläubigen keinen Deut besser waren.

Die Farbe des Morsanschreins erschien ihm in diesem Augenblick gar nicht mehr so dunkel wie zuvor. Unter den schwarzen Falten der Sitzkissen und auf der blankpolierten Oberfläche des finsteren Pokals, schillerten die Facetten nun, nur so vor sich her. Von grellen Lichtspiegelungen die sich im dunklen Metall zeigten, bis hin zu unerschöpflichen Spektren von Grautönen, die sich im Stoff der Kissenbezüge offenbarten. Eine tonlose Mischung aus satten Kontrasten, die vielfältiger nicht hätte sein können.

Er drückte sich vom Boden hoch und ließ das kleine Medallion achtlos liegen. Er hatte eine Weile seinen Pfad aus den Augen verloren, doch nun wusste er wieder, was er zu tun hatte. Vielleicht war es nicht das richtige, nicht der Pfad der Tugend und auch nicht der Pfad den die Viere ihren Gläubigen zeigten. Aber es war sein Weg und seine Entscheidung. Und die war - endgültig.

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 Betreff des Beitrags: Re: Aus dem Leben eines Schmieds
BeitragVerfasst: 24.04.11, 19:51 
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Die eine suchend, wanderte der Blick über eine Vielzahl von Frauen ...aber keine erregte das ernsthafte Interesse des Jünglings ...also hatte er sich lieber einem Buch zugewendet in dem sie erzählt wird, die Geschichte der einen Besonderen ...ein seltsamer, abgerissener Kerl kam zu ihm, erzählte ihm er wird sie so nicht finden, er sollte sich lieber die Frauen nochmals anschauen, drängte immer weiter, bis er seiner überdrüssig ihn die Klippe ins tosende Meer hinunterwarf und sich wieder der Erzählung zuwandte...

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 Betreff des Beitrags: Re: Aus dem Leben eines Schmieds
BeitragVerfasst: 24.05.11, 21:47 
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Spindeldürr ragten die knorrigen Ausläufer des Baumes zum nachtschwarzen Himmel empor. Wie ein Monument kalter Lethargie, streckten sich die dunklen Äste auf unsteten Bahnen, wurden vom peitschenden Wind rastlos getrieben, der versuchte dem starren, bereits vor langer Zeit verstorbenen, Konstrukt in einem letzten Akt der Verzweiflung neues Leben einzuhauchen. Im freudlosen, gespenstischen Schein des einen Mondes, knarzte der Geschundene, Äste brachen mit dem Geräusch zerberstender Knochen, splitterten unter den immer heftiger werdenden Wogen des Sturmes der sich nun mit einem kreischenden Heulen gegen das schwarze Bollwerk aufbäumte. Doch das Leben kehrte nicht in ihn zurück. Ein Grollen ertönte und ließ das starre Geäst erzittern. Das kahle Strauchwerk zu Füßen der gewaltigen Wurzeln des Uralten, beugte sich in stiller Demut, als hätte es den mahnenden Ruf der Götter selbst vernommen, als ein weiterer scharfer Orkan mit voller Wucht, hoffnungslos und doch entschlossen, wie die Augen eines Kriegers, der wusste das er das letzte Mal in eine bereits verlorene Schlacht zog, gegen den mächtigen Stamm prallte, der sich nur unbedeutend unter der Wut der Elemente bog. Dann begann sie sich zu erheben, sie... in einem dunklen Nimbus aus zuckenden, grellen Gewitterblitzen und purpurfarbenem Nebeldunst, spieh sie der missgebildeten Kreatur aus gehärtetem Kohlenstoff, die erbärmlich anzusehen zu ihren Füßen lag ihre saure Galle entgegen. Einem gleißenden Flammenherd aus Hass und Missgunst gleich, schlugen die Speere unter den dröhnenden Fanfaren des Himmels, markerschütternd über die kargen Ebenen, in das tote Holz und spalteten es in blinder Wut entzwei. Die Schöpfung selbst hatte entschieden, jenes renitente, bemitleidenswerte Subjekt, dass es nicht länger Wert war auf Tare zu verweilen von seinem Antlitz zu tilgen und in die tiefsten Tiefen der Welt zwischen dem Nichts und dem Sein zu verbannen. Dieses Wesen das dem Leben entsagt hatte und sich doch erdreistete mit seinem Anblick Angst und Furcht zu schüren.

Doch der widerspenstige Seelenreißer war ein steinaltes Geschöpf, dass schon zu Zeiten vergangener Könige und vergessener Reiche dagewesen war und dessen Wurzeln sich wie ein Parasit tief ins Fleisch seines Wirtes gegraben hatten, der nunmehr versuchte den gottlosen Schädling mitsamt seiner eigenen Muskeln und Venen aus dem Körper zu reißen. Erbarmungslos hatte der Symbiont sich seiner bemächtigt und noch ehe Erde, Wind und Wasser sich dessen gewahr geworden waren, war er zu einem Teil von ihnen geworden. War mit ihnen verschmolzen und nun unabänderlich und auf alle Zeit mit ihnen verwoben, Schatten ihrer eigenen Sünden und stiller Botschafter des Leidens in einer grotesken Wüste, die sich subtil wie der Korpus einer Natter ins Weltengefüge geschlichen, Wälder und Gebirgszüge verdrängt, Menschen und Tiere ausgedörrt, Hoffnung und Leben euthanasiert - alle irdischen Regungen in einer perversen Mischung aus arithmetischem Kalkül und herzloser Faktur ersetzt und durch den kalten, sandigen Grund eines ozeanischen Grabens substituiert hatte.

Abermals grollte es am wolkenbehangenen Himmelsdom und die bedrohlich aufeinander einschlagenden Wasserdampfgebilde ließen es sich nicht nehmen im dumpfen Takt um ihre Nebenbuhler herumzutänzeln, der absurden Symphonie aus Donnerschlägen und hell aufflackernden Blitzen in einem bizarren Wettstreit hinterhereifernd. Das monotone Hintergrundrauschen der anderen Ballgäste, die sich wie eine Sturmflut, senkrecht dem Erdboden entgegenwarfen, untermalte das schaurige Spektakel und ließ die Landschaft in der silbrigen Transzendenz des Regens noch unwirklicher erscheinen. Die knarzenden, alten Arme des Baumes begannen nun selbst wie neunschwänzige Peitschen umherzuschlagen, rissen Busch und Gras unter der Geißel ihrer gnadenlosen Folter in Stücke, so heftig, dass sie selbst dabei begannen zu brechen und klebriges, faulendes Harz, wie goldenes Blut aus der brüchigen Fassade des Stammes und seiner Glieder sprudelte, sich in dunklen, widerwärtigen Bachläufen zum Fuße des kranken, abtrünnigen Organismus vereinigte und wie eine einzige Masse aus zähem Schleim jegliche andersartige Vegetation unter sich verschluckte.

Genährt vom Unsäglichen, der Wurzel aller Dinge labte sich der Seelenreißer am Leid, nahm alles und jeden in sich auf, wie ein Schwamm der das klare, reine Kristallwasser eines idyllischen Gebirgsbaches in sich aufsaugte und ein Konglomerat aus Gedärm und dunkler Materie in zuckenden Blutfontänen wieder ausstieß. Würmer wanden sich in seiner brodelnden Exkretion - weiße dicke Maden mit wulstigen Körpern, deren glänzender, milchig weißer Rumpf an einen mit Schmalz eingeriebenen Speckbauch eines bereits seit Wochen verwesenden Trolles erinnerte.
Das Blut jener die dieser Fluß unter sich begrub, blubberte nun in kleinen Geysiren unter der Oberfläche der massigen Flut hervor, tauchte das Ambiente der spärlich bewucherten Einöde in ein tiefes, sich alles unterjochendes Rot, dass selbst das nächtliche, schwarzblaue Himmelszelt nicht verschonte und nur vom düsteren Antlitz des einen Mondes überschattet wurde, der wie ein wachsamer Beobachter über der Szenerie schwebte.

Der Traum war vorbei.

Der alte Baum stand seit jeher nicht unweit der hohen Festungsmauern von Meerfest. In den weiten, unfruchtbaren Graslandschaften Ravels, die vom beständigen Regen gepeinigt und unter den Stiefeln von Menschen und Orks zu aufgeriebenen Lehmböden oder oder matschigen Sumpflandschaften verkommen waren, war er der Einzige seiner Art. Kaum jemand erinnerte sich noch an seine Geschichte, an die Zeit bevor die ersten Herrscher von Ravel begonnen hatten die zum Tode Verurteilten an ihm aufzuknüpfen. Alle hingen sie hier in Reih und Glied. Siechten im brennenden Angesicht Felas vor sich dahin, bis nur noch Knochen von dem zeugten was einst ein Mensch gewesen war. Doch zwischen Mördern, Vergewaltigern, Ketzern und Hexen fiel der Einzelne nicht mehr auf. Sie alle hatten nur eins gemeinsam. Sie alle hatten jemanden zurückgelassen.

Eine bewaffnete Hunderschaft, ein Verband aus kriegshungrigen Söldnern und berittenen Kriegern, näherte sich dem Totenbaum. Aus der Ferne hörten sie einen Schrei, der selbst den erfahrensten Veteranen in diesen Landstrichen, hätte aufschrecken lassen. Es war der Schrei des Säuglings der zum Fuße des knorrigen Ziehvaters im dreckigen Morast strampelte.


Schweißgebadet schlug er die Augen auf und wälzte sich im nassen Moos des Waldes, bevor die vor Schreck geweiteten Augen erkannten wo sie waren. Die Träume kehrten wieder zurück. Seit jeher waren sie seine stillen Begleiter gewesen, wiederkehrende Schatten, die ihn auf seinen Reisen begleiteten. Argwöhnisch schüttelte er den Kopf, so wie er es immer tat und verzog ob der viel zu hektischen Bewegung sofort das Gesicht. Der behilfsmäßige Verband um seinen Unterarm schmerzte. Ein hellroter Ausfluss hatte sich durch die weiße Bandage gequält und wenn ihn nicht alles täuschte, eiterte die Wunde bereits unter dem Stoff. Der elende Gestank der sich ihm eröffnete, wenn er den Verband wechselte und ihn glauben ließ er hätte diese Nacht in seiner eigenen Pisse geschlafen, sagte ihm das zumindest. Seine Erinnerung streifte die Vorfälle der vergangenen Tage.
Eine Weile blickte er schweigend in den grünen Wald. Es dauerte eine ganze Weile bis sich ein einzelner, einsamer Gedanke in seinem Kopf manifestierte und er die kleine Lichtung wieder verließ.

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 Betreff des Beitrags: Re: Aus dem Leben eines Schmieds
BeitragVerfasst: 25.05.11, 21:42 
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Er war müde.

Man hatte ihn in eine Uniform gezwängt die nicht die seine war.
Ursprünglich war sein eigener Plan ein gänzlich anderer gewesen.
Er hatte nicht vorgehabt dieser Erhebung zuzustimmen. Doch
letztendlich war es ohne Bedeutung, zumindest schien man es nicht
für nötig gehalten zu haben irgendjemanden nach seiner eigenen
Meinung diesbezüglich zu fragen. Vermutlich ging man davon aus,
dass jeder vorbehaltlos dieser zweifelhaften Ehre zustimmen würde.
Dabei waren es doch nur belanglose Zugeständnisse die in der
Art und Weise wie sie erbracht wurden letztendlich nur davon zeugten
wie geringfügig sie wertgeschätzt wurden. Ihm passte das gerade
recht, hatten Ränge und Titel doch noch nie einen Reiz auf ihn ausgeübt,
vermutlich weil er hier auf Siebenwind das erste Mal damit konfrontiert
wurde. Es hatte ihm zumindest Erklärungen erspart - und eine weitere
Konfrontation mit der Meisterschaft und den anderen Löwen.

Die Aussprache mit William hatte ihm indessen nichts Neues offenbart, dass
er nicht bereits gewusst hatte. Etwas anderes hatte er aber auch nicht
erwartet. Er hatte seinen Standpunkt den er tolerieren konnte, wenngleich
er ihn nicht gänzlich teilte. Die Zeit würde zeigen ob diese Diskrepanz
zweier Meinungen nebeneinander bestehen konnte, doch die daraufgefolgten
Tage ließen ihn stark daran zweifeln. Irgendwo zwischen dämonischen
Botschaftern, Getreuen und Meistern, die ihm ihre kalten Klingen bereits
an die Halsschlagader hielten war nur noch wenig Platz für Gefühle
wie Kameradschaft, Verbundenheit oder gar Vertrauen. Es wunderte ihn,
dass William noch an ihm festhielt, selbst er musste erkennen das hier
Differenzen größeren Ausmaßes vorlagen und sich seine Art früher oder
später in - welcher Weise auch immer - negativ auf den Rest des Ordens auswirken
würde. Aber war es wirklich der Meister ... oder nicht viel mehr die
ruhige, besonnene Hand von Amelia, die hier die Fäden im Hintergrund
zog, wie eine Puppenspielerin, die den jüngsten Nebendarsteller auf der Bühne des
Zwiellichts noch nicht aufzugeben bereit war? In gewisser Weise waren sie in
seinen Augen beide Heuchler, die immer
nur den Teil der Wahrheit preisgaben, der ihnen gerade einen Nutzen versprach.
Vertrauen wurde immer nur soweit entgegengebracht, wie es den eigenen
Zwecken diente, aber vermutlich waren sie ihm da gar nicht so unähnlich.
Es war wie der äußerste Ring eines steinernen Verteidigungswalls, der den Kern
, ihr Innerstes vor den äußeren Gefahren Tares schützte. Doch er war kein
Krieger in diesem Sinne, er war kein Eroberer - es galt nicht ihm diese Mauer
zu durchbrechen und er wollte es auch gar nicht. Er war einfach nur müde.
Er erinnerte sich daran wie er alleine die einsamen Straßen Falandriens
bereist hatte. Er war alleine aufgewacht, hatte alleine seinen Unterschlupf für
die Nacht aufgesucht. Hatte alleine um seine nächste Mahlzeit gefeilscht. Hatte
gestohlen und andere Dinge getan auf die er nicht stolz war, die er so tief in seinem
Herzen verschlossen hatte, dass die Erinnerung daran bereits verblasste. Menschen die in sein Leben traten,
kamen und gingen, kaum ein Gesicht war es wert gewesen, es sich
einzuprägen.
Er war frei gewesen, die Entscheidungen die er zu treffen hatte, waren beschaulich
gewesen und wäre eine dieser Entscheidungen falsch gewesen, hätte er
alleine die Konsequenzen tragen müssen. Es war ein einfaches Leben gewesen
- nicht einfach in dem Sinne, dass ihm alles zugefallen wäre. Er kannte das Gefühl
tagelang nicht gegessen zu haben, oder den Nervenkitzel wenn er am Horizont
einer Wegegabelung die kapuzenverhangenen Gesichter zweier Fremder sah. Er kannte
das Gefühl verprügelt zu werden und wie ein Straßenköter in einer Seitengasse
zum Sterben zurückgelassen zu werden. Das Gefühl einsam zu sein und trotzdem
immer weiterzugehen, als würde ein innerer Instinkt ihm untersagen an dieser
Stelle aufzugeben, einfach liegen zu bleiben und sich seinem Schicksal zu ergeben.
"Lass die Götter noch ein wenig länger ihr Possenspiel genießen", dachte er bei sich
oder hatte er es gar laut gesagt? Der Gedanke ging in einem matten Lächeln unter.

Wenn sie versuchen wollten ihn zu ändern, würden sie scheitern. Er würde ihnen nicht
nach dem Mund reden nur weil sie ihn in neue Gewänder gekleidet hatten. Er
würde seine Schuld bei ihnen begleichen, so wie er es immer getan hatte, früher
oder später. Doch er würde sich für niemanden ändern solange dieses Bestreben
nicht von ihm alleine ausging, das tun was er als nötig erachtete, nicht mehr und nicht weniger.

Vor allem aber in ihrer Gegenwart musste er aufpassen. Er bemerkte, dass er begann ihr nach
dem Mund zu reden, nur um ihr zu gefallen. Doch keine Art von Liebe war es wert sich
selbst dafür zu verraten. Wenn er es nüchtern betrachtete was verband sie denn schon miteinander?
Wenn er die Erde war, dann war sie der Himmel. Er konnte zu ihr hinaufsehen und sie
würde seinen Blick erwiedern, doch würden sie sich niemals berühren. Zu groß war der Abstand
des einem zum anderen, als das sie jemals ein klares Wort miteinander verbinden könnte. Waren sie dazu bestimmt sich auf ewig Aug
in Aug anzustarren ohne einander näher zu kommen?

Vorsicht war geboten, er konnte es sich nicht leisten die Kontrolle zu verlieren.
Vielleicht wäre es klug seine Gedanken auf etwas anderes zu lenken, Versuchungen gab es
zu genüge ... wäre da nicht dieses Gefühl das Falsche zu tun, wenn er daran dachte den Blick abzuwenden
und seine Aufmerksamkeit anderen vitamagefälligeren Aufgaben zukommen zu lassen.

Am Ende war es auch nur... er war so müde...

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Zuletzt geändert von Zaibach: 27.05.11, 20:33, insgesamt 1-mal geändert.

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 Betreff des Beitrags: Re: Aus dem Leben eines Schmieds
BeitragVerfasst: 27.05.11, 20:30 
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Ein dünner Wind pfiff durch die kahlen Äste. Ihre kalten, toten Augen starrten ihn an.
War da ein Vorwurf in ihnen zu lesen? Die Galgenstricke knarzten leise, als der Wind
etwas an Intensität zunahm und die weitläufigen Fetzenroben, welche das Ausmaß der
hier verübten Grausamkeit zu verschleiern ersuchten, ergriff und zaghaft, beinahe
liebevoll hin und herschaukeln ließ, so wie eine Mutter, die ihr totes Kind in der
Krippe zu wiegen gedachte. Rote, riemenartige Abschürfungen auf den halbskelettierten
Hautfetzen der Dahinsiechenden, stachen ihm wie eine scharfe, glühende Klinge ins Auge.
Doch er wandte den Blick nicht ab. Starrte weiter wie gebannt, denn er hatte diesen
Traum schon tausend Nächte geträumt. Er wusste wohin ihn der nächste Schritt durch
Lifnas Reich tragen würde, ohne sich dessen erwehren zu können. Man hatte ihm die
Rolle des Beobachters zugesprochen, also würde er sie erfüllen, zusehen und sich dessen
erinnern, so dies der Wille der Götter war. Doch was ihn mehr beunruhigte als die
Schatten dunkler Träume, die Dämonen und Teufel für ihn erdacht hatten, war etwas
anderes ... es war die Tatsache, dass er sehen konnte ohne die Augen zu verschließen.
Sehen ohne einen Moment zu zögern. Sehen ohne dabei aus seiner gleichmütigen
Traumwelt zu erwachen, ohne die Fassung zu verlieren. Er warf einen Blick auf die
junge Mutter, die wie eine Statue aus schwarzem Marmor, unfähig in ihrem Wahnsinn
den Blick von ihrem Fohlen abzuwenden, den Kopf gesenkt hatte.
Lächelte sie?


Ein Strudel erfasste ihn. Ein gewaltiger Sog, der den Raum in dem er sich eben
noch befand teilte, zu krümmen begann und alles um ihn herum in Schwärze tauchte.
Ein Strom der so unermesslich groß war, dass er die Grundfesten des Traumreiches
erzittern ließ, wie Felsen die von riesigen Mühlrädern zermahlen und als feiner Sand
wiedergeboren wurden, ehe sie vom Fahrwasser der Zeit beflügelt fortgeschwemmt
gewesen und fiktive Trugbilder im Halbdunkel der dämmernden Irrealität um sie herum zu
Staub zerfallen waren. Ehe ihn eine Gewalt von hundert Sonnen in den Abgrund riss.


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Die Stille hier unten war erdrückend. Als würde jemand eine Hand auf seine
Schulter legen, ihm von hinten auf den Rücken starren, geradewegs hindurch
zu seinem Herz. Er verhärtete sich innerlich als der erste gellende Schrei eine
Gänsehaut auf seine Haut trieb. Ein Feuersturm explodierte mit einer heißen
Durckwelle in seinem Rücken, das Geräusch sich kreuzender Klingen, hinterließ
ein metallisches Dröhnen in seinem Schädel. Rippen brachen, Husten ertönte, das
leise Gurgeln dutzender von Blut gefüllter Lungen begleitete das Orchester aus
Trommelschlägen und wilden Kampfschreien. Posaunen, die den ungestümen
Atem einer Schar aus schwarzen Hengsten imitierten, verliehen diesem Augenblick
eine düstere Gewissheit. Pfeile rasten schneidend durch den Odem der
nächtlichen Feuersbrunst, Bogensehen vibrierten in dumpfer Resonanz, gespielt von
Streichern, Virtuosen des Krieges, die ihr Instrument in vollendeter Perfektion beherrschten,
begierig nach jeder neuen Intonation lechzten und dem eingespielten Ensemble
den entscheidenen Akzent verliehen - untermalt von dem Geräusch berstenden
Leders, als sich Speere und Äxte in die Körper der Verteidiger schlugen.

Die zarte Stimme einer jungen Frau erhob sich und sang das
traurige Lied des Schmerzes in einer Vollkommenheit, die er bis dahin nicht
gekannt hatte. Vielleicht war es dieser Moment in dem etwas in ihm
zerbrach, als er das Gesicht der geifernden Verzweiflung so deutlich
vor sich sah, als würde er ihr direkt in die Augen sehen.
Etwas hatte sich, begleitet von Schreien und dem stummen
Echo der Gefallenen, in seine Augen gestohlen. Etwas das man nicht mehr mit
Worten beschreiben konnte. Etwas das die Zeit überdauern würde, ein
schwarzes Feuer, das auf den richtigen Augenblick warten würde, versteckt
vor anderen und sich Selbst, bis der Tag seiner Rückkehr gekommen wäre,
um von Neuem geschürt zu werden, sich an ihm zu nähren und zu brennen...
zu brennen... und alles zu verschlingen.


Er Stand am Ufer des blauen Gewässers, in dessen Mitte ein Fels dem Himmel
entgegenstrebte. Ein flacher Schieferstein flog über die ebenmäßige
Wasseroberfläche, titschte einmal in einem flachen Bogen auf, prallte gegen die
steinere Kuppel und versank.

Das Gespräch mit Amelia hatte zu keinem Resultat geführt. Verhärtete Fronten
auf beiden Seiten. Keiner wollte der Sichtweise des anderen Zugeständnisse
machen. Anschuldigungen wurden erhoben, wieder fallen gelassen - man
drehte sich im Kreis, aber vielleicht wollte auch keiner von Beiden wahrhaben,
dass es bereits zu spät war. Irgendwo war da noch die Hoffnung in ihm gewesen
sich zu arrangieren. Die Fehler die jeder mit sich trug anzunehmen und trotzdem
einem gemeinsamen Ziel zu folgen. Doch seinem Urteilsvermögen traute man
nicht. Zu jung war er. Zu unerfahren. Er war es, der für den Orden zu einer Belastung
geworden war. Er zog es vor im Stillen zu gehen, alles was zu sagen war, war gesagt
worden. Am Ende war er ihnen nur einen Schritt zuvor gekommen. Hatte die
Entscheidung getroffen, die niemand treffen wollte. Hatte das getan was alle bereits
gedacht und erwartet hatten, jedoch niemand mit klaren Worten
aussprechen wollte. Aber da war kein Hass in ihm, nicht einmal eine Abneigung.
Es fühlte sich eher nach Enttäuschung an. Auch ihre Gesichter würden in
ein paar Götterlaufen verblassen. Am Ende waren sie wohl nie mehr als Fremde
gewesen, die sich dieselbe Uniform übergestreift hatten und so taten als würde
sie ein tieferer Sinn miteinander verbinden. Wieviele Mitglieder des Ordens hatte
er in den letzten Monden kommen und gehen sehen? Wenn man zurückblickte,
wieviele Männer und Frauen des Ordens aus alten Tagen waren dann noch geblieben?
Er selber kannte die Antwort auf diese Frage nicht und doch ...
zwischenmenschliche Beziehungen. Sie waren nicht für die Ewigkeit bestimmt.
Auf ihre Art und Weise würden sie weiter ihr Ziel verfolgen, seine Zweifel waren
dabei nie von Belang gewesen. Am Ende oblag es aber auch nicht ihm. Für ihn
war hier kein Platz mehr. Sie hatten sich in zwei verschiedene Richtungen
entwickelt, vielleicht war sein Weg nicht der Richtige, aber war es nicht seine
eigene Entscheidung, seine Freiheit dies zu entscheiden? Doch statt dies zu
akzeptieren, machte man ihm Vorwürfe. Warum? Weil er anders dachte? Weil
er nicht jedes Wort von ihren Lippen mit voller Zustimmung erwiederte? Weil
er nicht jeden seiner Beweggründe erklärte oder weil ihnen seine Erklärung
nicht gut genug war? Letztendlich war es egal... dieses Kapitel seines Lebens
würde hier enden und es war für alle das Beste so.

Schwermütig fand ein weiterer Schieferstein den Weg in seine Hand. Er
ballte die Finger zu einer Faust, bis die Knöchel in bleichem Weiß
hervortraten und das Kinn auf die Brust sank. Zumindest von ihr wollte er
sich noch verabschieden. Sie nicht in stillem Zorn zurücklassen, ihr helfen
sich damit abzufinden, früher oder später. Sie war nicht so einfältig wie
sie alle Welt manchmal glauben machte... sie würde ihn finden.


Ende

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 Betreff des Beitrags: Re: Aus dem Leben eines Schmieds
BeitragVerfasst: 17.06.11, 09:50 
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Epilog

Ruhig saß er im flackernden Angesicht des Kaminfeuers vor sich. Ruhig... nein regunglos, doch gleichsam durchzuckten seine Augäpfel hektische Bewegungen, rastlos, ruhelos wanderten sie durch den Raum, verliehen der kühlen Fassade seiner selbst einen bitteren Beigeschmack, der auf etwas anderes schließen lassen konnte, was tief in seinen Gedanken verborgen vorging.

Er hatte kaum gegessen, wenig getrunken und er sah immer noch gesund aus, doch die Arme hatten deutlich an Umfang abgenommen, der Brustkorb war etwas in sich zusammengesunken und seine gebeugte Sitzhaltung verstärkte diesen Eindruck nur noch mehr. Aber natürlich war da niemand der dies hätte bemerken können, zumindest im Moment nicht. Die Zuflucht von Brandenstein war ein ruhespendender Ort, doch in einer Art und Weise die seine eigene Unruhe nur noch mehr anfachte, indem die leeren Korridore, die unbenutzten Stühle und auch die akkurat angeordneten Kissen einfach über diese hinwegsahen, als würde sie es gar nicht geben.

Er hatte das was er sich wünschte, kein vertrautes Gesicht war ihm hier erschienen, um ihn zu behelligen. Keine Menschen aus vergangenen Tagen an ihn herangetreten und doch .... stellte er diesen Wunsch nun in Frage? Hier? Obwohl er hier war? Und sie? Wo war sie? Er trat an das kleine Buntglasfenster, spähte in die Ferne, über Hügelgruppen und Waldabschnitte hinweg, dorthin, ja dorthin wo der Wall liegen musste, dieses erdrückende Bollwerk. Dort musste sie sein. Ob sie wusste das er hier stand? Hier am Fenster? Das er gerade in diesem Augenblick zu ihr hinüberschaute? Das er an sie dachte? Er lachte leise und bitter bei diesem Gedankengang auf. Nein, woher sollte sie es auch wissen. Und damit zwang er sich seine Gedanken wieder auf etwas anderes zu lenken, richtete den Blick, nur um sich zumindest etwas abzulenken, weiter über die Bergkette am Tal der Dwarschim hinweg, nach Süden. Vänskap.

Dort war er Isabell noch einmal begegnet, sie hatte zumindest verdient das man sich von ihr verabschiedete, sonst käme sie wohl wieder auf Gedanken die sie nur in Schwierigkeiten bringen würden. Er konnte die Enttäuschung in ihrem Blick förmlich spüren, als sie keine Antworten auf ihre Fragen erhielt und so endete die Konversation, wie so oft, in einer Anhäufung von Belanglosigkeiten, die sie vermutlich nicht im Geringsten interessierten. So eine Behandlung hatte sie nicht verdient, doch bei sich dachte er, dass es so besser war. Sie war an diesem Ort ruhiger geworden, vielleicht hatten ihr die Weisheiten des alten Freundes von dem sie sprach, einen tieferen Einblick in sich selbst gewährt. Vielleicht war dieser Ort, in dem er nur ein Exil sah, für sie so etwas wie der rettende Anker, der sichere Hafen in den sie einkehren konnte, zu dem sie immer zurückkehren konnte. Er hoffte das ihr hier die Enttäuschungen eines Menschenlebens erspart bleiben würden, wusste aber auch das dieser Wunsch genauso naiv und träumerisch war, wie er es ihr einst vorgeworfen hatte.

Er ließ die Schultern etwas hängen und fuhr herum, lenkte seine sterbliche Hülle mit leisen Schritten zurück ans warme Feuer und ließ sich auf einem der Sitzkissen dieser Lagerstätte nieder.
Und noch im selben Moment wie er sich setzte, kehrte dieses Gefühl zurück, dieses Gefühl der Tatenlosigkeit, der Nutzlosigkeit. Ein Gefühl das er nur zu gut kannte und das sich wie das glühende Eisen eines Schürhakens in seiner Brust brannte. Diese Insel raubte ihm den letzten Funken ... ja was eigentlich? Er schüttelte benommen den Kopf. Er hatte ihr gesagt dieser Ort wäre so gut wie jeder andere. Doch das war nicht wahr und er wusste es. Es ging ihm schlecht hier. Dieser Ort wühlte ihn innerlich auf. Er musste gehen, es ging nicht anders.

Und sie? Er war nie ein Egoist gewesen, aber wäre es in diesem Fall nicht erlaubt egoistisch zu sein? Einfach zu sagen "Komm mit mir". Doch sie hatte gewiss ihre eigenen Wünsche. Eigene Träume und wer war er schon diese einfach über den Haufen zu werfen, als wären es seine eigenen. Aber sie am Wall zurücklassen? In diesem verfluchten Landstrich? Noch weiter weg als er es ohnehin schon war? Er wollte sie beschützen, obgleich er wusste, dass im Umgang mit der Klinge vermutlich versierter als er selbst war und dieser Umstand schien seinen wachsenden Unmut nur noch weiter zu verstärken. Er konnte sie doch gar nicht beschützen, er hatte es nie gekonnt. Er war in ihr Leben getreten und war wie ein Bauer über das Blumenbeet in ihrem Vorgarten getrampelt, hatte die Türe mit einem Stiefel aus den Angeln getreten, sie über die Schulter geworfen und war wieder auf die Straße spaziert, als wäre nichts gewesen. Und dennoch wollte er sie nicht zurücklassen, sein geraubtes Kleinod nicht den Klauen eines Fremden überlassen. Er wollte es ihr ersparen, dass jemand ihr Herz stahl und damit verschwand und doch war er selbst gerade im Begriff genau das zu tun. Wieder schüttelte er den Kopf. Diese Entscheidung musste sie selbst treffen. Er konnte sie ihr nicht abnehmen und er wollte es auch nicht. Sie sollte entscheiden...

Ein letztes Mal wurden Zeilen zu Papier gebracht und noch während der Sturm tobte, der wie aus dem Nichts in der Nacht aufgezogen war, ritt ein Bote gen Wall und einige Tage waren seitdem ins Land gezogen.

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