[Nachdem der erste Brief verschickt war, begann Benedict die Arbeit an einem zweiten... Abermals kratzte die Feder über Hadern, jedoch gab er sich bei den Lettern nun ein wenig mehr Mühe.]
Falkenwall, Felatag, 8. Dular 23 n.H.
Aureole William,
es tat gut wieder etwas von einem alten Freund zu hören. Es wunderte mich ein wenig, dass Du dich noch an meinen Wunsch nach einer Höhlenwolfrüstung erinnert hast - Ich trage sie nun auf der Wacht und sie leistet mir gute Dienste. Das Fass Bier erfreute schon einen unserer Anwärter - Ein Dwarschim namens Keldorn. Auch wenn jener meinte es sei etwas dünn. Auch die zehntausend Dukaten die Du uns geschickt hast kamen zu einem günstigen Zeitpunkt - Das Torhaus des Walles wurde während der Besatzung durch die Sammler schwer beschädigt.
Aber ... Ich sollte vielleicht mit meiner Rückkehr zur Insel beginnen um dir vom Zustand des Ordens zu berichten.
Im Hafenviertel hörte ich von einigen Seeleuten, dass wohl erst vor einigen Tagen Seeberg erobert wurde. Auf meine Nachfrage hin, wie es Siebenwind zum Dunkeltief ergangen sei, hörte ich wenig erbauliches. Der Wall, Seeberg und Brandenstein seien von den Schergen des Einen erobert worden. Viel mehr wollte man mir nicht erzählen. Bald schon traf ich auf Dreiden, der den Umhang des Waffenmeisters trägt. Jener erzählte mir knapp, dass der Wall besetzt sei und dass der Orden Quartier in Falkensee bezogen habe. Ich bekam einen Schlüssel zu jenem Quartier und eine knappe Wegbeschreibung. Das Ordenshaus war schön eingerichtet, Viktoria war hierfür verantwortlich. (Der Konvent beförderte sie auf dem letzten Konvent zur Handwerksmeisterin) An Vorräten war jedoch kaum etwas da, Dukaten waren einige vorhanden, ebenso ein wenig Essen und Kleidung. Später traf ich auf Viktoria... Und jene erzählte mir in groben Zügen was sie von den Geschehnissen in den Monden, die ich auf dem Festland war, wusste.
Adalric war wohl ein recht unbeliebter Ordensmeister. Er traf einige Entscheidungen, die unüberlegt waren. Du hast dies wohl alles noch miterlebt und könntest mir genaueres schildern, führte es wohl zu deinem Austritt aus dem Orden. Jedenfalls forderte er den Skelettfürsten nach einer Schlacht zu einem Duell. Man hörte für einige Tage nichts mehr von ihm und die Ritterschaft brachte etwas Asche in das Grünland, von dem Fleck wo er gestorben sein sollte.
Ein Elfe namens "Eldariel" übernahm danach die Leitung des Ordens. Über jenen hörte ich wenig. Ich las nur von ihm am Marktbrett in Falkensee, dass er den Orden auflösen wollte, falls sich niemand fände der sein Amt übernimmt. Sire Adowen Teyurhai übernahm daraufhin die Bürde der Meisterschaft und trägt jene noch immer. Soweit ich dies beurteilen kann, füllt er das Amt gut aus. Er hat wenig Zeit, teilt diese jedoch zwischen den Ritterschaft und dem Orden auf. Mutig und manchmal etwas zu furchtlos führt er die Löwen in den Kampf. Bewunderswert ist jedoch sein Geschick im Bereich der Diplomatie.
Ich erfuhr davon, dass Brandenstein, wie Falkensee im Jahreslauf zuvor, von den Dienern des Einen besetzt wird. Sie nennen es eine "freie" Stadt. Skelette sind jedoch wieder auf den Burgmauern. Man hört nur von wenigen Händlern die sich dorthin wagen.
Der Wall wurde vor zwei Wochenläufen von den Löwen und einigen Verbündeten befreit. An sich eine Eroberung, die einem Gemetzel glich, allein ich erschlug an den zwei Tagen im Wall Dutzende, wenn nicht Hunderte Untote. Jedoch keinen einzelnen Sammler. Diese gaben den Wall einen Tag zuvor auf, vielleicht in Erwartung eines Grossangriffes, der jedoch nie zu Stande kam. Nach einer ersten Inspektion der Räumlichkeiten fand man wieder einen Tunnel vor, in dem ein Altar stand, der dem Einen geweiht war. Somit war es ersichtlich woher die Untoten stammten. Die Gitter und die Zugbrücke wurde zerstört - wie auch das nördliche Obergeschoss des Torhauses. Mit der Unterstützung unserer Verbündeten sind wir nun dabei den Wall wieder instand zu setzen. Du weisst was für eine zeitraubende Aufgabe dies ist - und wie viel Kraft sie kostet.
Die Reihen der Löwen haben sich in meiner Abwesenheit gelichtet. Wenige kamen hinzu, viele Brüder und Schwestern kehrten dem Orden den Rücken zu. Vor nicht mal einer Woche las ich einen Brief von Solana an Adalric, in welchem sie ihm den Tod wünschte. Doch Hoffnung gibt es. Ein Gitter funktioniert wieder, zwei Dwarschim bauten eine behelfsmässige Brücke vor den Wall. Und auf der Wallwacht fanden sich immer mehr Löwen ein. Mittlerweile haben wir auch drei Aspiranten, zwei davon vielversprechend. Es geht langsam aber stetig bergauf mit dem Orden... Kräftezehrend, ein jeder will mit mir sprechen. Dazu übersehe ich noch die Reparaturen. Ich lebe wieder am Wall, meine Wohnung in Seeberg wird nur noch zum Umziehen gebraucht, wie früher. Und dass drei Fraktionen am Wall Wache tun, macht meine Aufgaben nicht einfacher.
Die Thar'Sala wird bald den Südturm beziehen, der Konvent gewährte dem Ordo Belli die Nutzung des Kellers unter dem Torhaus. Die Heerführerschaft und der Konvent sind der Auffassung, dass zu wenig Löwen auf Siebenwind verweilen um den Wall allein bemannen zu können. Auf der Insel werden schon Stimmen laut, man sollte den Wall ganz abreissen. Ein Vorschlag des "Nordpaktes" (Malthust, Ersont, Nortraven) sah vor, dass die Löwen nur noch in einem Torhaus im Gebirge Dienst tun sollen. Der Wall sollte durch magisch erschaffene Berge ersetzt werden. Ein anderer Vorschlag der mir zu Ohren kam, war jener den Wall abzureissen und durch kleinere Mauer zu ersetzen, ohne Wehrgang, mit Aussichtsposten alle Fünfzig Schritt, allein um die Ödlandkreaturen vom Grünland fern zu halten. Dreiden wiederrum plant drei oder vier zusätzliche Eingänge vom Grünland aus, um den Wall einfacher einnehmen zu können, nach einem Verlust dessen. Und ich rede und argumentiere um den Befürwortern solcher Ideen den Irrsinn klar zu machen... Denn was nützt ein Gebirge, wenn Sammler graben? Wer tut Dienst an einem steinernen Gartenzaun? Und sollte der Wall nun von jeder Grünlandfraktion im Handumdrehen eingenommen werden können?
Und all dies, während die Diener des Einen ihre Ränke schmieden, die Sammler erstarken und der Skelettfürst... Die Macht ist über die wir noch am Wenigsten wissen, die ich jedoch als bedrohlichste betrachte.
Immerhin stossen meine Bedenken nicht nur auf taube Ohren. Adowen erfuhr als Knappe wohl genug von den Sorgen des Ordens. Zudem ist jener, wie ich schon schrieb, ein guter Diplomat. Er taktiert, sucht Allianzen und wartet den rechten Moment ab. Auch in den internen Ordensfragen hat er eine ähnliche, recht konservative Haltung wie ich. Viktoria zeigte ihr Können nicht nur im Lazarett, seitdem ich wieder auf der Insel bin. Sie sorgte sich um die Finanzen des Ordens, richtete das Ordenhaus mit Achtsamkeit für Details, allein ein, und scheute auch nicht in die erste Reihe zu treten bei den Kämpfen in dem Wall. (Sie schlug zudem die Befestigungen an dem Aufgang des Nordturmes ein - Nicht nur deshalb heisst jener nun "Viktoriaturm" im Orden. Auf Alt-Linfan bedeutet dies "Siegesturm".) somit stehe ich nicht alleine dar. Eine andere Löwen scheinen mir vielversprechend. Doch erst der Verlauf der Zeit, lehrt uns Freunde zu kennen.
Verzeih, ich schrieb nur vom Orden, in welchem ich nun wieder aufgehe. Manchmal denke ich schon, ich wäre nicht mehr als nur der Orden... Von mir selbst gibt es wenig zu berichten. Wie ergeht es Dir und was verschlug dich nach Herder? Wie geht es Amelia? Wie hast Du von meiner Rückkehr erfahren? Wird auf dem Festland etwa schon von einem Verrückten am Wall geredet?
Es würde mich freuen bald wieder von Dir zu lesen.
Doch falls Du dich nach dem Wall sehnst und jenem einen Besuch abstatten willst, sei versichert: Es wartet ein Glas guter Wein auf dich und nicht nur das "wässerige" Bier was du uns geschickt hast.
Aureole!
Benedict Rabenfels
[Jener Brief wird wieder mit dem blauen Wachs in welches ein Löwe eingepresst wurde, versiegelt.
wird darauf geschrieben, in geschwungenen Lettern. Dann macht sich Benedict abermals auf in den Hafen von Falkensee, wo er wohl nach einigen Fragen auch den Matrosen findet, der ihm zuvor die Nachricht von William überbrachte.
Der Matrose wurde nach einigem Rufen auf ihn aufmerksam, war er doch beschäftigt damit, dass Schiff klar zum ablegen zu machen. Ein kurzer Blick des Kapitän gen der Uniform des Löwen... Ein Nicken gen des Matrosen. Und jener erhielt eine gut gefüllte Börse mit Dukaten, den versiegelten Brief und den Auftrag ihn persönlich bei William abzuliefern.
Selbst nachdem das Schiff ablegte, stand Benedict noch einige Zeit dar und sah jenem zu wie es am Horizont verschwand. Er war wohl in Gedanken versunken und alten Erinnerungen, so starrte er vor sich hin. Ehe er sich aufraffte, den Wappenrock glattzog und gen Nordtor schweigend ging.]