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 Betreff des Beitrags: Das Königsspiel
BeitragVerfasst: 6.08.12, 19:29 
Altratler
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Personen


Es folgt eine kleine Zusammenfassung der Personen der Geschichte, die nach und nach ergänzt wird.

Versteckter Inhalt bzw. Spoiler :
Das Haus Arbam
  • Anastasia Ahm Arbam: Tochter von Leonhart IV. und Schwester von Stephan II.
  • Leonhart IV. Ap Arbam: Großfürst von Heredon, Sohn Stephans I. und Onkel von Levara XII., verheiratet mit Gloria von Herder Ahm Galad
  • Levara XII. Ahm Arbam: Königin des Großreichs Galadon-Heredon von 91 bis 134 der Ära Arbam, Tochter Patricks VI.
  • Patrick VI. Ap Arbam: König des Großreichs Galadon-Heredon von 79 bis 90 der Ära Arbam, Sohn Stephans I. und Vater von Levara XII.
  • Stephan I. Ap Arbam: König des Großreichs Galadon-Heredon von 75 bis 78 der Ära Arbam
  • Stephan II. Ap Arbam: Sohn Leonharts IV. Ap Arbam und damit Großfürst Heredons in Spe

Das Haus Erson
  • Wulfhold II. von Ersont Ap Erson: Graf des Lehens Ersont

Das Haus Galad
  • Garan III. Ap Galad: Ältester Sohn von Harrod XV.
  • Gloria von Herder Ahm Galad: Tochter von Harrod XV., verheiratet mit Leonhart IV. Ap Arbam
  • Harrod XV. Ap Galad: Großfürst Galadons, Oberhaupt des Hauses Galad
  • Kasimir Ap Galad: Entfernter Cousin von Gloria
  • Loras Ap Galad: Jüngster Sohn von Harrod XV.

Das Haus Mer
  • Bran von Savaro Ap Mer: Sohn von Sorbo II.
  • Hilgorad Ap Mer: Sohn von Bran von Savaro Ap Mer und Anastasia Ahm Arbam
  • Sorbo II. von Savaro Ap Mer: Fürst von Savaro und Oberhaupt des Hauses Mer

Das Haus Raan
  • Jerek von Tiefenwald Ap Raan: Fürst von Tiefenwald

Die Kirche
  • Doreen: Geweihte Vitamas
  • Nesios: Diener Morsans, sesshaft in einem kleinen Kloster im Phoenix-Gebirge
  • Schenkerin der Freuden: Titel der obersten Dienerin Vitamas in Draconis
  • Schwert Bellums: Titel des obersten Diener Bellums in Draconis
  • Träger des Lichts: Titel des obersten Diener Astraels in Draconis
  • Traumdeuter: Titel des obersten Diener Morsans in Draconis

Sonstige
  • Darius von Tennensaum: Graf eines kleinen Gebiets in Taras, Cousin und designierter Nachfolger des Grafen von Taras
  • Die Spinne: Auch bekannt als Rodrigo Herat, Alexander Glaran oder Hugo Gutglück; Attentäter
  • Ferdinand Rabenglück: Erster Kammerdiener der Königin Levara XII.
  • Geralt von Morthum: Langjähriger Berater des Hauses Arbam, diente bereits unter König Stephan I.
  • Leandra Silbermond: Dienerin am Hof der Königin Levara XII.
  • Olfert von Wallenburg: Baron von Wallenburg, ursprünglich verbündet mit dem Haus Arbam





Prolog


Draconis. Größte aller großen Städte des goldenen Galadonischen Reichs. Stadt der Tausend Türme. Moloch, durch dessen Eingeweide die Verlorenen krochen wie die Maden durch die Überreste des Tierkadavers an der nächsten Straßenecke. In dieser dunklen Nacht im Jahr 94 nach Arbam schien es, als hätten die Götter beschlossen die Stadt den Drac hinab zu spühlen. Schon seit Tagen regnete es ununterbrochen. Straßen verwandelten sich in reißende Bäche. Die Lebensader der Stadt, der Drac, stand gefährlich hoch und drohte das Kaufmannsviertel mit all seinen Pfeffersäcken zu überschwämmen. Wer konnte blieb zu Hause und brachte sein Hab und Gut in den oberen Etagen in Sicherheit.

So bemerkte niemand den hetzenden Mann in den engen Gassen nahe des Tempelviertels. Er rannte nicht wegen des Regens. Sein edler Umhang war ohnehin schon längst durchnässt. Nein. Er rannte um sein Leben. Die Botschaft in seiner Manteltasche war gefährlich. Und so blickte er sich immer wieder gehetzt um. Ob sie ihm schon auf den Fersen waren? Sein Fuß glitt auf einem der schmierigen Steine aus. Mit Mühe konnte er das Gleichgewicht wahren. Als er wieder aufblickte, trat vor ihm ein mächtiger Schatten in die Gasse. Schlitternd versuchte er zum Stehen zu kommen, doch es war bereits zu spät. Er geriet in die Reichweite des Schattens und wurde von einer gepanzerten Faust am Kragen gepackt. Ein metallenes Schaben ertönte. Die Schneide eines Schwerts blitzte auf. Noch ehe er etwas sagen konnte, sprach der Schatten zu ihm.

„Möge Bellum deiner Seele gnädig sein.“

Ein stechender Schmerz durchzuckte seine Brust. Es folgte die erlösende Dunkelheit.

Am nächsten Morgen fand man den Leichnam Ferdinand Rabenglücks, erster Kammerdiener Königin Levaras XII. Ahm Arbam, Herrscherin über das Großreich Galadon-Heredon. Seine Taschen waren leer.

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Zuletzt geändert von Tim_Benion: 24.08.12, 08:21, insgesamt 15-mal geändert.

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 Betreff des Beitrags: Re: Das Königsspiel
BeitragVerfasst: 7.08.12, 13:23 
Altratler
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Das Spiel beginnt


Drei Jahre zuvor, im Vitama des Jahres 91 nach Arbam.

„Seht wie die Menschen feiern, Majestät. Das Volk liebt seine Königin.“
„Das Volk liebte meinen Vater, geschätzter Geralt. Mich kennt es noch gar nicht.“
„Ihr seid zu hart zu euch, Majestät. Euer Vater, möge seine Seele in Vidor aufgenommen werden, war ein großer Mann. Doch ihr werdet ihn noch übertreffen.“


Lächelnd wandte sich Geralt von Morthum der frisch gekrönten Königin zu. Er gestattete sich sie einen Augenblick zu beobachten, während sie ihren Blick weiter aus dem Fenster des Arbeitszimmers hinaus auf den Platz vor dem Palast gerichtet hatte. Wie auch ihr Vater Patrick VI. hatte sie die natürliche Ausstrahlung eines echten Herrschers. Mit achtzehn Jahren war sie noch sehr jung. Doch in ihren Adern floss das Blut des Hauses Arbam. In den knapp einhundert Jahren, seitdem diese Familie die Macht vom Haus Morn übernommen hatte, war das Reich vor etliche Herausforderungen innerhalb und außerhalb der Grenzen gestellt worden. Stets hatten die Arbams die Kontrolle gewahrt. Außerdem war die Jugend der Königin nicht nur ein Nachteil. Bisher hatte sie noch keinen Gemahl gewählt. Ihre Stellung im Reich und ihr von Vitama gesegneter Körper würden es ihr ermöglichen eine machtvolle Allianz zwischen den Häusern des Reichs zu schmieden. Es wurde höchste Zeit dieses Thema zur Sprache zu bringen.

„Majestät, jetzt da ihr die Krone des Reiches tragt, sollten wir vielleicht einige organisatorische Fragen klären…“

In diesem Augenblick klopfte es an die schwere Eichentür des Zimmers.

„Herein!“

Levara XII. Ahm Arbam wandte sich der Tür zu. Herein kam ein junger Diener mit einer Karaffe Wein und zwei Gläsern.

„Ah, der Wein. Danke.“

Der Diener stellte das Tablett mit dem Wein ab, füllte beide Gläser und reichte jeweils eines an die Königin und ihren Berater. Dann zog er sich in eine Ecke des Raums zurück, wo er auf weitere Anweisungen warten würde.
Die Königin kostete einen Schluck des Weins.

„Vitamalieb. Ein vorzüglicher Jahrgang. Bitte, Geralt, tragt dem Mundschenk auf, dass er diesen Wein heute Abend beim Bankett auftischt.“
„Sehr wohl, eure Majestät.“
„Was sind das für organisatorische Fragen, die ihr mit mir besprechen wollt?“
„Wir hatten schon vor einigen Tagen darüber gesprochen…“
„Nein! Ich sagte euch doch bereits wie ich zu diesem Thema stehe!“
„Aber Majestät! Darf ich euch daran erinnern, dass es eure oberste Pflicht ist, dem Reich einen Thronfolger zu schenken?“
„Meine oberste Pflicht ist es, dass Reich zu führen, damit das Volk in Frieden leben kann!“
„Majestät, darf ich euch erneut an das Abkommen erinnern, dass euer Großvater Stephan I. mit dem Haus Galad…“
„Ihr müsst mich nicht belehren, Geralt. Mir ist bewusst, dass ihr schon meinem Großvater gedient habt. Ich wurde in der Geschichte unseres Reiches unterrichtet. Natürlich weiß ich von dem Abkommen, dass zwischen uns und dem Haus Galad geschlossen wurde. Mein Großvater sah sich dazu gezwungen, weil er die militärische Unterstützung des Großfürsten von Galadon benötigte, um den Konflikt zwischen Malthust und Papin einzudämmen. Und wenn ich mich recht erinnere, war genau das der Grund warum mein Onkel Leonhart mit Gloria von Herder Ahm Galad verheiratet wurde: Damit die Häuser der Großfürsten von Galadon und Heredon wieder miteinander verbunden werden.“
„Das war der eine Teil des Abkommens, Majestät. Der andere Teil des Abkommens sieht vor, dass ihr…“
„Ich kenne den anderen Teil des Abkommens, Geralt. Und ihr kennt meine Meinung dazu: Ich bin die Königin von Galadon-Herodon. Ich alleine wähle meinen Gemahl aus.“
„Aber Majestät, es gibt Verträge!“
„Genug davon jetzt. Ich sitze noch nicht einmal zwei Tage auf dem Thron. Es gibt im Moment wichtigeres als die Thronfolge.“


Zerknirscht gab Geralt auf und deutete eine Verbeugung an.

„Wie es euch beliebt, Majestät. Darf ich trotzdem noch in einer weiteren Frage an euch heran treten?“
„Die wäre?“
„Als Königin solltet ihr eine erste Kammerdienerin ernennen. Ich habe mir erlaubt für euch bereits eine Vorauswahl zu treffen. Meiner Meinung nach ist Leandra Silbermond die geeignetste Kandidatin. Sie dient schon seit Jahren am Hof. Der Hofmeister versicherte mir, dass sie einen makellosen Ruf habe. Sie soll sehr fleißig und – das wichtigste – sehr verschwiegen sein. Wenn ihr mir die Erlaubnis gebt, werde ich sie noch heute über ihre Ernennung informieren.“


Einen Augenblick blickte Levara ihren Berater schweigend an, dann wandte sie trotzig ihren Kopf zum immer noch wartenden Diener.

„Ihr da, wie ist euer Name?“

Verdutzt hob der Diener den Blick, den er bis jetzt auf den Boden unmittelbar vor sich gerichtet hatte.

„Ferdinand Rabenglück, Majestät.“
„Ferdinand Rabenglück, wie lange dient ihr schon am Hof?“
„Seit etwa einem Götterlauf, Majestät.“
„Und gefällt euch die Arbeit hier?“
„Ja, eure Majestät.“


Geralt, der das Gespräch zwischen der Königin und ihrem Diener mit wachsender Unruhe verfolgt hatte, schaltete sich ein.

„Aber Majestät, ihr könnt doch nicht…“

Levara hob ihre Hand, um ihren Berater zum Schweigen zu bringen.

„Ferdinand Rabenglück, seid ihr bereit mir als erster Kammerdiener zu dienen?“

Ein glückliches Strahlen erschien auf dem Gesicht des jungen Mannes.

„Ich würde mich glücklich schätzen, eure Majestät!“
„Nun denn, dann lauft und setzt den Hofmeister über eure Ernennung in Kenntnis. Er soll euch ein geeignetes Zimmer zuweisen.“


Eilig entfernte sich der frisch gebackene erste Kammerdienerin der Königin.

„Majestät! Ich muss protestieren. Ein Kammerdiener? Seid ihr euch der Folgen bewusst?“
„Welche Folgen? Er scheint mir ein außerordentlich fleißiger junger Mann zu sein, der sich darüber freut seiner Königin dienen zu dürfen.“
„Es geziemt sich nicht, dass eine Königin einen Kammerdiener hat… das Gerede, Majestät!“
„Lasst die Hofschranzen ruhig reden, Geralt. So wird ihnen wenigstens nicht langweilig.“


In diesem Augenblick klopfte es erneut an die Türe. Noch bevor Geralt mit seinem Protest fortfahren konnte, wandte sich Levara wieder der Türe zu.

„Ja, bitte?“

Herein trat ein Herold in den Farben des Hauses Arbam.

„Eure Majestät, Stephan II. Ap Arbam, Sohn Leonharts IV. Ap Arbam, Großfürst Heredons, bittet darum eintreten zu dürfen.“
„Bittet meinen Cousin herein, Herold.“


Der Herold verschwand und kehrte gleich darauf mit einem stattlichen jungen Mann zurück. Dieser breitete die Arme aus und Schritt lächelnd auf die Königin zu.

„Ah, liebste Cousine. Endlich sehe ich dich. Ich bringe Grüße von meinem Vater.“

Damit schloss er sie herzlich in die Arme. Die Umarmung wurde nicht weniger herzlich von ihr erwidert.

„Es freut mich dich zu sehen, Stephan. Komm, nimm Platz und erzähl mir, wie es meinem Onkel geht. Das heißt, wenn mein Zeitplan das erlaubt?“

Mit einem spöttischen Seitenblick wandte sich Levara an ihren Berater. Geralt kräuselte die Lippen.

„Ich denke einige Augenblicke werdet ihr dafür Zeit haben, Majestät. Doch dann müsst ihr euch auf das Bankett vorbereiten.“
„Ich verstehe. Dann geht doch bitte schon einmal voraus und kümmert euch um die Vorbereitung, geschätzter Geralt.“


Der Berater verbeugte sich und entfernte sich mit einem gemurmelten „sehr wohl, Majestät“ aus dem Zimmer.

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 Betreff des Beitrags: Re: Das Königsspiel
BeitragVerfasst: 8.08.12, 09:20 
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Unter Wölfen


Das große Bankett am Abend war das am sehnlichsten erwartete gesellschaftliche Ereignis des Jahres. Und der Königshof tat alles, um den Erwartungen der Herzöge, Fürsten, Grafen, Barone und Edelleute gerecht zu werden. Die Ausgestaltung des Festes hatte man in die Hände der Dienerschaft Vitamas gegeben. So kam es, dass neben den Dienern und Küchenhilfen auch etliche Diener der Schönen Göttin durch den Saal wuselten. Besonders dem Hofmeister und dem Mundschenk war die Aufregung anzusehen. Dann war es geschafft. Das letzte Fass fand seinen Weg in den Keller, die Ochsen und Schweine drehten sich an den Spießen über den Feuern in der riesigen Palastküche und die ausgewählte Dienerschaft hatte am Rand des Saals gleich einer Armee Aufstellung bezogen.

Kurz darauf trafen die ersten Gäste ein. Und es schien als würde sich das ganze Reich an diesem Abend in diesem einem Raum versammeln. Nur wenige waren fern geblieben. Geralt von Morthum kontrollierte noch einmal seine Liste. Wenn diese stimmte, waren die prominentesten Abwesenden Graf Wulfhold II. von Ersont Ap Erson und der Großfürst von Heredon. Großfürst Leonhart hatte aber zumindest den Anstand besessen seinen Sohn zu entsenden. Außerdem war er gerade mit dem fünften Kronregiment damit beschäftigt endophalische Rebellen zu jagen. Bei dem Grafen sah es etwas anders aus. Im letzten Morsan hatte es einige Orküberfälle aus dem benachbarten Ravel gegeben. Daher wollte Graf Wulfhold sein Volk in dieser schweren Zeit nicht allein lassen. Doch ganz Galadon wusste, dass Orküberfälle im rauen Norden keine Seltenheit waren. Und so munkelte man hinter vorgehaltener Hand, dass das Haus Erson noch immer Zorn gegen das Haus Arbam hegte. Die Abneigung zwischen den Familien ging zurück auf die Geschehnisse während des zweiten Orken- und Nortravenkrieges zur Zeit der Herrschaft von Hilamos III. Ap Arbam und Levarum III. Ap Arbam. Beide Könige hatte sich dazu entschlossen das Schlachtfeld in die Grafschaft Ersont zu verlegen. Die Folgen waren katastrophal: Dörfer und Städte wurden niedergebrannt, Bauern verschleppt und ermordet. Das Land blutete aus. Vom Rest des Reichs wurden die Könige dafür gefeiert, dass sie die Angreifer zurück schlugen. Doch die Familie des Grafen musste mitansehen wie das stolze Ersonter Volk niedergemetzelt wurde. Bis heute hatte sich die Grafschaft noch nicht davon erholt.

Als alle Gäste eingetroffen waren, betrat die frisch gekrönte Königin den Saal. Sie hatte ihre Kleidung gegen ein langes purpurnes Kleid getauscht, das zwar nur wenig Haut zeigte doch ihre schlanke Figur umso mehr betonte. Dazu trug sie den mit Hermelinfell eingefassten Umhang ihres Vaters. Ihre langen dunkelbraunen Haare waren zu einer kunstvollen Frisur gesteckt. Die schwere Krone hatte sie hingegen in den Händen des Schatzmeisters gelassen und dafür ein kunstvolles Diadem aus Zwergenhand gewählt. Der Saal war erfüllt von Lauten der Bewunderung. Und manch einem der ungestümen jungen Adeligen konnte man nur allzu deutlich ansehen, dass sie sich fragten was ihre Majestät wohl unter dem Kleid trug.

Begleitet wurde Königin Levara von ihrem Cousin Stephan. Er reichte ihr seinen Ellenbogen, um sie zu ihrem Platz zu führen. So konnte er die Gelegenheit nutzen und einige leise Worte mit ihr wechseln.

„Siehst du wie sie gaffen, Cousine? Ich wette die Hälfte der Leute in diesem Saal wünscht sich in diesem Augenblick eine Nacht mit dir verbringen zu dürfen. Die andere Hälfte ist weiblich. Wobei… wenn ich den Blick der Ehrwürdigen Mutter Vitamas dort hinten so sehe, könnten es vielleicht auch mehr als die Hälfte sein.“

Levara musste sich ein Schmunzeln verkneifen.

„Nun hör schon auf, Stephan. Du hörst dich ja schon an wie der alte Geralt.“
„Liebste Cousine, du weißt genau so gut wie ich, dass diese Bankette der reinste Heiratsmarkt sind.“
„Ich habe aber nicht vor jetzt zu heiraten.“
„Hast du denn den Unterricht des alten Geralt vergessen? Ohne Familie…“
„…ist ein Herrscher nichts. Und je größer die Familie…“
„…desto größer ist seine Macht. Genau.“
„Lass uns ein andermal darüber reden. Ich weiß überhaupt nicht, wer all diese Leute sind.“
„Keine Sorge, notfalls souffliere ich dir.“


Damit hatten sie den Platz der Königin erreicht. Wie es sich gehörte half Stephan seiner Cousine Platz zu nehmen, ehe er sich selbst zu ihrer rechten niederließ. Ein kurzes Zeichen genügte und die anwesende Erzgeweihte Vitamas sprach den traditionellen Segen. Als nächstes folgte eine kurze Ansprache der Königin, die sie trotz ihrer Unerfahrenheit meisterte. Sie eröffnete das Bankett und kurz darauf war es im vollen Gange. Doch Levara kam kaum dazu, etwas von den vorzüglichen Speisen ihrer Köche zu genießen. Immer wieder prosteten die verschiedenen Adeligen ihr zu oder brachten Trinksprüche auf sie aus. Stephan tat sein möglichstes, ihr mit den Namen ihrer Gäste weiter zu helfen.

„Das dort hinten ist Kasimir Ap Galad, ein entfernter Cousin meiner Mutter. Er ist zusammen mit dem Großfürsten und meinem Onkel angereist. Ich bin ihnen vorhin übrigens über den Weg gelaufen. Sie baten mich, dich für Morgen um eine Audienz zu bitten.“

Stumm nickte Levara und sah weiter die Tafel entlang.

„Wer ist der Herr dort hinten in der roten Gewandung?“
„Das ist Fürst Sorbo II. von Savaro Ap Mer. Eine sehr interessante Familie, deren Entwicklung wir unbedingt im Auge behalten sollten. Erinnerst du dich noch an deinen Geschichtsunterricht?“
„Das Haus Ap Mer war vor viertausend Götterläufen bereits einmal an der Macht. Doch sie unterschätzten die Macht der Grau- und Weißmagier, was sie letztendlich zu Fall brachte. Danach verschwanden sie in der Bedeutungslosigkeit.“
„So ist es. Durch geschickte Heiratspolitik haben sie in den letzten Jahren die Grafenfamilie von Sae an sich gebunden. Außerdem ist es dem Fürst gelungen mit den Zwergen im Dabus und Phönix Gebirge einen Handel abzuschließen. Im Ausgleich für militärischen Schutz beim Transport von Gütern zwischen den beiden Gebirgen zahlen sie ihm einen nicht geringen Zoll. Wenn es ihm jetzt noch gelingen sollte, Taras und Wallenburg an sich zu binden, kontrolliert der Fürst einige der zentralen Lehen des Reiches. Es scheint als würde das Haus Mer zu altem Glanz zurück finden.“
„Das klingt als könnte er eine Gefahr werden?“
„Wohl eher nicht. Vater meint der Fürst sei zwar ehrgeizig, doch es mangelt dem Haus Mer an starken Verbündeten. Im Moment sind sie viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt.“
„Wie ich sehe ist das Haus Erson wie immer fern geblieben?“
„Sie lecken noch immer ihre Wunden. Damit sind sie das einzige große Haus, das keine Repräsentanten entsandt hat. Selbst der letzte verbliebene Baron des Hauses Morn ist hier. Und dabei besitzt er gerade einmal ein paar klägliche Dörfer irgendwo in Tiefenwald. Wirklich eine Schande.“


In diesem Augenblick trat einer der Diener an die Königin heran und reichte ihr einen kleinen zusammengefalteten Zettel. Mit einem Nicken entließ die Königin den Boten und faltete die Botschaft auseinander.

„Scheint als wäre das Haus Galad nicht das einzige, dass an einer Audienz interessiert ist, liebster Cousin.“
„Glaub mir, Levara, das wird nicht die letzte Nachricht sein, die du heute erhältst. Sieh dich doch nur mal um. Du bist hier mitten unter Wölfen. Und du, liebe Cousine, bist ihre Beute.“



(Anmerkung: Solos hat mich völlig zurecht darauf hingewiesen, dass der Rang eines Herzogs Mitgliedern der Königsfamilie vorberhalten ist. Entsprechend habe ich zwei Anpassungen an den Rängen vorgenommen. Danke für den Hinweis!)

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 Betreff des Beitrags: Re: Das Königsspiel
BeitragVerfasst: 9.08.12, 10:52 
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Eine alte Schuld


Das Bankett war erst spät in der Nacht zu Ende gegangen. Viele der unerfahrenen Adeligen hatten dem Wein etwas zu sehr zugesagt. Für Großfürst Harrod XV. Ap Galad waren sie nicht besser als Schafe, die man zur Schlachtbank trieb. Sie würden es in einer Welt in der jedes Wort und jede Geste auf die Goldwaage gelegt wurde niemals schaffen. Bedauerlicherweise hatte sein Sohn Loras diese Lektion mit seinen einundzwanzig Jahren immer noch nicht gelernt. Harrod war nicht allzu sehr überrascht gewesen, als er am Morgen eine junge Novizin Vitamas aus dem Bett seines Sohnes werfen musste. Loras war kaum wach zu kriegen gewesen. Mit Müh und Not hatten ihn seine Bediensteten in einen einigermaßen vorzeigbaren Zustand bekommen. Jetzt mühte er sich ab den energischen Schritten seines Vaters hinterher zu kommen, der auf dem Weg zur Audienz mit der jungen Königin war.

„Nach deinen Eskapaden letzte Nacht wirst du mir das Sprechen überlassen, Loras.“
„Was hat diese Audienz überhaupt für einen Sinn, Vater? Hat unser Spitzel nicht gesagt…“


Loras wäre fast gegen seinen Vater geprallt, als dieser aprupt stehen blieb und sich seinem Sohn zuwandte.

„Wirst du wohl still sein, du Idiot“, zischte er. „Niemand darf erfahren, dass wir Ohren so nah an der Königin haben.“

Loras senkte ebenfalls seine Stimme.

„Aber Vater, ich dachte jedes Haus hat Spitzel am Hof der Königin?“
„Natürlich hat jedes Haus Spitzel am Königshof! Und alle anderen Häuser wissen das. Doch kein Haus würde das jemals zugeben. Die Bloßstellung käme einer gesellschaftlichen Ächtung gleich. Der politische Schaden wäre immens! Also denk das nächste Mal zweimal nach, bevor du den Mund öffnest, Schwachkopf.“


Loras, der wie ein begossener Pudel da stand, senkte beschämt seinen Blick.

„Ja, Vater. Ich bitte um Entschuldigung, Vater.“

Wieder etwas versöhnlicher fuhr der Großfürst fort.

„Um deine Frage zu beantworten: Unsere Ohren haben mir tatsächlich berichtet, dass die Königin der Erfüllung des Vertrags zwischen ihrer und unserer Familie zögernd gegenüber steht. Aber Levara ist nicht auf den Kopf gefallen. Sie weiß, dass nur eine Allianz mit einem der anderen großen Häuser ihre Macht wahren kann. Deswegen wird sie sich letztendlich fügen und einer Bundschließung mit dir zustimmen.“

Die Miene des jungen Mannes hellte sich ein ganzes Stück auf. Er bekam von seinem Vater jedoch gleich die nächste verbale Ohrfeige verpasst.

„Bis dahin würde ich es begrüßen, wenn du nicht wie ein Hurenbock jedem Weibsbild in Draconis nachstellen würdest. Von mir aus kannst du dir nach der Hochzeit so viele Konkubinen halten, wie es deine Manneskraft erlaubt. Doch bis dahin solltest du wenigstens den Schein des Anstands wahren.“

Schon zum zweiten Mal senkte Loras beschämt seinen Blick.

„Ich bitte abermals um Entschuldigung, Vater. Die Novizin und ich…“

Beschwörend hob Harrod seine mit Ringen reich verzierte Hand.

„Ich will deine Ausreden nicht hören. Und jetzt los. Wir dürfen die Königin nicht warten lassen.“

Kurz darauf erreichten die beiden Männer den Audienzsaal des Palasts. Nach der üblichen angebrachten Wartezeit wurden sie vorgelassen. Levara trug heute ein fließendes sonnengelbes Gewand. Wie es zu solchen Anlässen üblich war, saß auf ihrem Kopf die schwere Königskrone des Hauses Arbam. Sie war einst ein Geschenk des Barons von Wallenburg gewesen. An ihrer Stirnseite prangten drei der größten Smaragde, die jemals gefunden worden waren. Allein der Wert dieser drei Edelsteine hätte wohl genügt um eine kleine Grafschaft zu kaufen.

Den Großfürst ließ diese Zurschaustellung des Wohlstands kalt. Es war nur ein Teil des Theaterstücks, das nun aufgeführt werden würde. Wie es das Hofzeremoniell verlangte, verbeugte er sich vor der Königin und wartete darauf, dass sie das Wort ergreifen würde. Sie wartete dafür einen kleinen Augenblick länger als vorgesehen. Ein kleiner Akt des Trotzes, wie der Großfürst belustigt feststellte.

„Ich heiße euch Willkommen, Großfürst Harrod XV. Ap Galad und Loras Ap Galad, Sohn des Harrod.“
„Ich entbiete euch die Grüße des Hauses Galad und danke euch für die Audienz, Majestät.“


Damit war dem Protokoll genüge getan und Harrod richtete sich wieder auf.

„Mein geliebter Cousin Stephan, euer Enkel, trug mir eure Bitte um eine Audienz zu. Allerdings erwähnte er nicht den Anlass eures Wunsches. Was vermag also der Grund dafür sein, dass ihr heute hier vor dem Thron des Großreichs steht?“
„Zuallererst komme ich, um euch die Glückwünsche des Hauses Galads zu überbringen. Ich hoffe unser Geschenk anlässlich eurer Krönung hat eure Majestät bereits erreicht?“


Eigentlich wusste der Großfürst sehr genau, dass die Königin das Geschenk bereits erhalten hatte. Die Frage war vielmehr ein Test, um abschätzen zu können wie gut die junge Frau mit den Gepflogenheiten der innergaladonischen Politik vertraut war. Als Zeichen der Wertschätzung war es ihre Aufgabe, sich alle Geschenke und ihre Stifter einzuprägen und korrekt wiederzugeben. Kein König konnte es sich erlauben ein Geschenk zu vergessen oder gar falsch zuzuordnen. Aus diesem Grund hatte Geralt von Morthum, der Berater der Königin, der sich wie immer an ihrer Seite fand, mit Sicherheit eine Liste aller Geschenke bei sich. Würde Levara auf ihn zurückgreifen müssen, wäre es ein Zeichen der Schwäche, dass Harrod nur allzu gern ausnützen würde. Doch die Königin tat ihm nicht den Gefallen.

„Das hat es, Großfürst. Ich habe mich sehr über die sechs Hengste aus dem berühmten Shilorstolz Gestüt gefreut. Ich habe bereits von meinem Stallmeister einige hervorragende Stuten zum Decken auswählen lassen. Es werden sicher einige vorzügliche Renn- und Dressurpferde aus dieser fruchtbaren Verbindung hervor gehen.“

Der Großfürst deutete wieder eine leichte Verbeugung an, wie es das Protokoll anlässlich eines solchen Kompliments erforderte.

„Eine fruchtbare Verbindung, wie sie auch unsere beiden Häuser verbindet, Majestät.“
„In der Tat, Großfürst.“
„Das bringt mich zu meinem zweiten Anliegen, Majestät. Eure Krönung schien mir der gegebene Anlass zu sein, um die Verbindung zwischen unseren Häusern noch weiter zu festigen.“


Damit griff er in die Innentasche seines Rocks und zog eine zusammengerollte Abschrift des Vertrags zwischen Stephan I. und ihm hervor.

„Was schwebt euch vor, Großfürst?“

Amüsiert stellte Harrod fest, dass Levara sich leicht nach vorn gebeugt hatte. Ein deutliches Zeichen der Anspannung und ein Anfängerfehler.

„Ich trage hier bei mir eine Abschrift des Vertrags den euer Großvater Stephan I. Ap Arbam und ich einst schlossen, Majestät. Sicherlich findet sich auch in den königlichen Archiven eine Abschrift des Vertrags, doch ich will euch die Mühe ersparen sie hervorsuchen zu lassen. Darum lasst mich kurz zusammenfassen: Im Gegenzug für die Bereitstellung der Regimenter des Hauses Galad zur Eindämmung des Konflikts zwischen dem Fürsten von Malthust und dem Grafen von Papin erklärt sich das Haus Arbam bereit, die Bande zwischen den Häusern der Großfürsten von Heredon und Galadon durch zwei Hochzeiten zu stärken. Als erstes sei genannt die Hochzeit zwischen Leonhart IV. Ap Arbam und Gloria Ahm Galad, Tochter Harrods des XV. Als zweites die Hochzeit zwischen Levara XII. Ahm Arbam und Loras Ap Galad, Sohn Harrods des XV. Da sowohl Levara als auch Loras zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses im Kindesalter waren, wurde die Aufschiebung der Hochzeit vereinbart, bis beide das heiratsfähige Alter erreicht haben. Majestät.“

Es dauerte einige Augenblicke bis die Königin sich gefasst hatte und antworten konnte.

„Mir sind die Einzelheiten des Vertrages bekannt, Großfürst Harrod.“
„Daran hege ich keine Zweifel, Majestät. Wird das Volk Galadons sich also bald über ein weiteres großes Fest freuen dürfen?“


Wieder zögerte Levara. Harrod erlaubte sich ein zufriedenes Lächeln. Offenbar hatte er sie genau dort, wo er sie haben wollte. Der kurze Blick, den die junge Frau ihrem Berater zuwarf, ließ seine Zuversicht wachsen.

„Wie ich schon sagte, Großfürst, sind mir die Einzelheiten des Vertrags bekannt…“

Wieder ein kurzes Zögern. Das Lächeln des Großfürsten wurde noch ein Stück breiter. Nur um im nächsten Augenblick zu gefrieren.

„Wenn ich mich nicht täusche, ist zwar die Rede davon, dass der Bund zwischen eurem Sohn und mir geschlossen wird, wenn wir das heiratsfähige Alter erreichen. Allerdings wird nicht erwähnt, dass die Bundschließung unmittelbar zu erfolgen hat.“
„Ich verstehe nicht, Majestät?“
„Der Vertrag besagt, dass die Bundschließung zwischen unseren Häusern erfolgt. Er gibt auch ein Mindestalter vor, nicht aber eine Zeitspanne bis wann die Hochzeit zu erfolgen hat.“


Harrod brodelte innerlich vor Zorn. Es schien als hätte dieses kleine Biest ausgerechnet den einen Fehler im Vertrag gefunden, der ihm damals unterlaufen war. Er war allerdings erfahren genug, sich seine Gefühle nicht anmerken zu lassen.

„Wann gedenkt ihre Majestät dann den Vertrag zwischen unseren Häusern zu erfüllen?“
„Ihr werdet sicher Verständnis dafür haben, Großfürst, dass ich mich zunächst in mein Amt einleben muss. Mein Vater ist leider viel zu früh von uns gegangen. Mein treuer Berater Geralt von Morthum tut zwar was er kann, doch die eine oder andere Gepflogenheit geht mir noch schwer von der Hand. Daher werde ich mich zunächst auf die Regierungsarbeitung konzentrieren müssen.“
„Wenn das so ist, Majestät, so werde ich eure Nachricht erwarten. Doch wartet nicht zu lange. Geralt von Morthum – den ich überaus schätze – wird euch sicher über die Bedeutung von Allianzen zwischen den Häusern und der Einhaltung von Verträgen aufgeklärt haben.“


Auch das Gesicht von Levara zeigte jetzt einen deutlich unterkühlten Ausdruck.

„Seid euch gewiss, Großfürst, dass ich durchaus dazu in der Lage bin, meine eigenen Entscheidungen zu treffen.“
„Daran hege ich keine Zweifel, Majestät. Ich hörte bereits von eurer… unkonventionellen Wahl eines ersten Kammerdieners.“


Nimm das und ersticke daran, dachte sich Harrod. Der kleine Seitenhieb würde ihr hoffentlich zeigen, mit wem sie es hier zu tun hatte.

„Die Personalpolitik des Hofes muss euch nicht Sorgen, Großfürst.“

Kurz hielt sie inne um Luft zu holen, dann fuhr sie fort.

„Bedauerlicherweise muss ich die Audienz jetzt beenden. Vertreter der anderen Häuser warten bereits vor der Tür. Ihr werdet dafür sicher Verständnis haben, Großfürst.“
„Sehr wohl, eure Majestät.“


Ein letztes Mal verbeugte sich Harrod dem Protokoll folgend vor der Königin und wandte sich dann dem Ausgang zu. Sein vertrottelter Sohn dackelte ihm hinterher. Vermutlich hatte er nur die Hälfte dessen Verstanden, was gerade geschehen war. Wenigstens hatte er sich nicht mit irgendwelchen unüberlegten Äußerungen eingemischt und alles noch schlimmer gemacht.
Erst als sie ein gutes Stück vom Audienzsaal entfernt waren, traute sich Loras wieder das Wort an ihn zu richten.

„Was bedeutet das alles, Vater?“
„Es bedeutet, dass unsere junge Königin offenbar ihre Hausaufgaben gemacht hat. Und das unsere Ohren nicht ganz so zuverlässig sind, wie ich dachte.“
„Heißt das, sie wird mich nicht heiraten?“
„Sie wird dich noch nicht heiraten, Loras. Irgendwann muss sie dich aber heiraten. Sie kann es sich nicht leisten den Vertrag zu brechen. Vielleicht hat sie es noch nicht bemerkt, aber der Stern des Hauses Arbam ist im Sinken begriffen. Ihren vermaledeiten Großvater hat es gerade einmal drei Jahre auf dem Thron gehalten, bevor ihn ein verirrter Pfeil eines Malthuster Soldaten in Morsans Hallen schickte. Und ihr Vater, der immerhin noch elf Jahre auf dem Thron saß, wird von einer einfachen Grippe dahin gerafft. Er hinterlässt gerade einmal ein einziges Kind und das ist auch noch weiblich. Sie ist ein Geschenk an die anderen Häuser. Eine Einladung den Thron Galadons an sich zu reißen. Und die einzige Person, die dabei noch ein Wörtchen mitreden kann ist ihr Cousin Stephan, der – wie der Zufall es will – mein Enkel ist.“
„Und was werden wir jetzt tun?“
„WIR werden gar nichts tun. ICH habe schon einen Plan. Vertrau mir. Noch ehe das Jahr rum ist, bist du König des Großreiches. Und der Thronfolger wird ein Galad sein.“

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 Betreff des Beitrags: Re: Das Königsspiel
BeitragVerfasst: 10.08.12, 08:46 
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Gold und Diamanten


Die Feierlichkeiten anlässlich der Krönung Königin Levaras XII. gingen noch eine volle Woche weiter. Fürst Sorbo II von Savaro Ap Mer hielt sich indes von den Feierlichkeiten wo immer es ihm möglich war fern. Er hatte zurzeit andere Sorgen. Seit kurzem erst wusste er, dass sein Sohn Bran vorhatte in den Dienst Bellums zu treten. Zwar war es durchaus üblich eines seiner Kinder in den Dienst einer der Viere zu geben, zumeist wählte man dafür aber jene, die für die komplizierte Heiratspolitik des Reiches nicht geeignet waren. Mit Bran hatte der Fürst andere Pläne im Sinn. Schon vor einigen Monaten hatte man ihm zugetragen, dass Graf Darius von Tennensaum nach einer geeigneten Partie für seine Tochter suchte. Normalerweise wäre dies für eines der alten Häuser von geringem Interesse. Der Graf selbst besaß kaum nennenswerte Gebiete in Taras. Allerdings war er ein Cousin des Grafen von Taras, der bisher kinderlos geblieben war. Nicht einmal Bastarde des Grafen waren bekannt. Gerüchteweise lag das vor allem an seiner Vorliebe für das männliche Geschlecht. Sollte er bis zu seinem Tod ohne Kinder bleiben, wäre eben jener Graf Darius von Tennensaum der neue Graf von Taras. Sorbo hatte gehofft die anstehenden Feierlichkeiten zu nutzen, um mit Darius in Kontakt treten zu können. Dann jedoch hatte er von den Plänen seines Sohns erfahren. Es hatte einen heftigen Streit zwischen den beiden gegeben, woraufhin sein Sohn überstürzt abgereist war.

Mit etwas Glück würde sich das Blatt heute jedoch wenden. Fürst Jerek von Tiefenwald Ap Raan hatte ihn während des Banketts vor wenigen Tagen angesprochen und angedeutet, dass er ihn in einer bedeutenden Angelegenheit sprechen wolle. Etwas widerstrebend hatte Sorbo zugesagt, denn er befürchtete schon, dass Jerek ihm nur wieder neue Holzlieferungen aufdrängen wolle. Viel mehr gab das Fürstentum Tiefenwald auch nicht her. Gestern dann hatte ihm einer seiner Informanten mitgeteilt, dass es in letzter Zeit sehr intensive Gespräche zwischen Fürst Jerek und Baron Olfert von Wallenburg gab.

Wie vereinbart hatte sich Fürst Sorbo daraufhin an der Statue der Tanzenden Vitama im Palastgarten eingefunden. Er musste nur kurz warten, ehe die hünenhafte Gestalt Jereks erblickte, der mehr von einem Holzfäller als von einem Adeligen hatte. Fürst Sorbo versuchte sich die Abneigung für das schludrige Auftreten des anderen Fürsten nicht allzu deutlich anmerken zu lassen, als er ihn begrüßte.

„Ich grüße euch Fürst Jerek von Tiefenwald Ap Raan.“
„Sei auch du mir gegrüßt, Fürst Sorbo von den Mers.“


Eine kräftige Hand patschte dem Fürsten von Savaro auf die Schulter. Jerek war berühmt dafür, wenig auf Konventionen zu geben. Seufzend versuchte Sorbo seine Kleidung wieder zu richten. Angesäuert ergriff er das Wort.

„Ihr habt mich um dieses Gespräch gebeten und hier bin ich.“
„Und dafür vielen Dank, Sorbo. Du fragst dich sicher schon, warum ich dich sprechen möchte.“
„So ist es, Fürst.“
„Also wir haben da ein paar hervorragende Stämme auf Lager. Gerader Wuchs, bestens geeignet…“


Als Jerek das Gesicht Sorbos sah, brach er in schallendes Gelächter aus. Wieder landete die Pranke auf der Schulter des Mannes aus Savaro.

„Nur ein Scherz, mein Bester. Dieses Mal bin ich nur als Vermittler hier.“
„Als Vermittler?“


Der Zweifel in Sorbos Stimme war deutlich zu hören. Kritisch blickte sich Jerek nach allen Seiten um, doch sie waren ganz allein im Garten. Erst dann beugte er sich hinab, um auf Augenhöhe mit Sorbo zu gelangen, und fuhr leiser fort.

„Wie du sicher weißt, sind das Haus Raan und die Barone von Wallenburg seit jeher eng befreundet. Aus diesem Grund hat mich der alte Olfert gebeten mit dir zu sprechen.“
„Warum schickt er euch, Fürst? Ich wäre auch bereit gewesen mich mit dem Baron persönlich zu treffen.“
„Jaaaa“
, sagte Jerek ausgedehnt, „das ist nicht ganz so einfach. Siehst du, der Baron ist offiziell ein Unterstützer des Hauses Arbam. Jetzt jedoch, nachdem die junge Königin Levara auf dem Thron sitzt, sind ihm Zweifel gekommen. Er hat Gerüchte gehört, dass das Haus Galad reges Interesse an ihr zeigt.“

Sorbo nickte leicht. Auch er hatte diese Gerüchte gehört. Es war normal, dass sich die Familien der Großfürsten von Heredon und Galadon um den Thron stritten. Umso erstaunlicher war die Hochzeit von Leonhart IV. mit Gloria Ahm Galad gewesen.

„Mein guter Freund Olfert glaubt, dass das Haus Arbam vielleicht nicht mehr der zuverlässige Partner sein könnte, der es noch zu Zeiten König Levarums war.“
„Ich sehe die Lage des Barons. Wie aber kommt mein Haus ins Spiel?“
„Sieht so aus als hätte sich der Sohn des Alten in die Tochter deiner Schwester verschossen, Sorbo. Er hat ein so gutes Herz, dass er seinem Sohn gern diesen Wunsch erfüllen würde.“


Fürst Sorbo hob überrascht seine Brauen an. Mit einer solchen Gelegenheit hatte er wahrlich nicht gerechnet. Jetzt galt es erst einmal herauszufinden, wie viel dem Baron ein solcher Bund wert war.

„Der Baron sucht also einen neuen Verbündeten. Tatsächlich ist es so, dass meine Nichte noch niemandem versprochen ist. Mir stellt sich jedoch die Frage, warum ich diesem Bund zustimmen sollte. Was hat das Haus Mer davon?“
„Auch wenn mein Fürstentum fast ausschließlich aus Bäumen besteht, Sorbo, bekomme ich doch so das ein oder andere mit. Ich habe von deinem Erfolg bei den Zwergen gehört und auch, dass dein Einfluss auf Sae gewachsen ist. Wallenburg stellt eine weitere Perle an der Kette dar, die sich quer durch das Herz des Reiches zieht. Obwohl ich anderer Meinung war, ist Olfert bereit dir einen beachtlichen Brautpreis aus den Edelstein- und Goldminen seines Landes zu zahlen. So viel ist ihm das Glück seines Sohnes wert.“


Das war ein guter Anfang, dachte sich Sorbo. Doch der Fürst von Tiefenwald war als gewiefter Händler bekannt. Ein Grund mehr, warum ihn der Baron um Vermittlung gebeten hatte, wie der Mann aus Savaro vermutete. Mal sehen, was er noch zu geben bereit war.

„Ich will zusätzlich die Zölle auf die von meinen Wachen begleiteten Handelskarawanen der Zwerge.“

Wieder lachte der Hüne brüllend auf.

„Ich liebe einen guten Handel, Sorbo, aber du weißt, dass das zu viel ist. Die Zwerge schleppen ganze Berge von Gold und andere Edelmetalle auf diesen Straßen entlang. Ich bin befugt dir fünf Prozent der Zölle zu überlassen.“
„Achtzig.“
„Achtzig? Das treibt meinen Freund in den Ruin. Zehn, mehr auf keinen Fall.“
„Fünfzig.“
„Ihr Leute aus Savaro seid ganz schön hartnäckig. Fünfzehn, aber das ist mein letztes Wort.“
„Für zwanzig Prozent steht der Liebe der Beiden nichts mehr im Wege.“
Grinsend hob Jerek Sorbo seine riesige Hand hin. Der Fürst von Savaro schlug ein.
„Abgemacht, Sorbo. Ich werde meinem guten Freund ausrichten, dass sein Sohn sein Glück finden wird. Du wirst in wenigen Tagen von mir hören.“


Grüßend hob der hünenhafte Fürst seine Hand und stapfte davon. Sorbo blickte ihm lächelnd hinterher. Jetzt fehlte nur noch Taras.

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 Betreff des Beitrags: Re: Das Königsspiel
BeitragVerfasst: 11.08.12, 11:57 
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Der Wille der Königin


Wie jedes Jahr war das Lichthoch ein rauschendes Fest gewesen. Neben dem Götterfest im Tempel der Viereinigkeit gab es unzählige weitere Veranstaltungen und Feiern: Das große Bellumsturnier, bei dem die besten Krieger des Reiches stritten. Die Magierschulen zeigten beim Fest des Ewigen Lichts magische Kunststücke und Illusionen von unglaublicher Schönheit. Und die Kaufmannsgilde hatte ein riesiges Bankett ausgerichtet. Bei all diesen Feierlichkeiten wurde die Anwesenheit der Königin erwartet. Hinzu kamen die täglichen Geschäfte des Reichs: Gefolgsleute mussten gelobt oder getadelt werden, Ritter ernannt und Land verteilt. Als oberste Richterin hatte die Königin außerdem das Recht bestehende Urteile zu revidieren. Das brachte ihr eine unüberschaubare Flut von Bittgesuchen ein. Die einfachen Fälle, in denen sich zwei Bauern um den Verlauf ihrer Grundstücksgrenzen stritten, gelangten gar nicht erst zu ihr. Doch zu Lichthoch war es seit jeher Tradition, dass den Gesuchen Inhaftierter besonders Gehör geschenkt wurde. Als Zeichen der Gnade der Viere bekamen viele von ihnen, so ihre Verbrechen nicht allzu schwer waren, eine zweite Chance. So kam es, dass Levara seit einigen Tagen kaum Schlaf gefunden hatte.

Auch heute saß sie tief gebeugt über ihrem Schreibtisch und ging die Berichte durch, die von ihrem Berater Geralt zusammengestellt worden waren. Fela war kurz zuvor hinter dem Horizont verschwunden und so hatte sie etliche Kerzen entzünden lassen müssen, um überhaupt noch etwas zu sehen. Ihre Augen drohten ihr immer wieder zuzufallen. Die Worte vor ihr begannen zu verschwimmen und unsinnigen Blödsinn zu ergeben. Warum hatte man drei besoffene Goblins aus dem Audienzsaal entfernen müssen? Erst beim zweiten Lesen erkannte sie, dass drei Gobelins gemeint waren, die vom Zahn der Zeit betroffen – und nicht etwa besoffen – waren. Wie war ihr Vater nur mit all diesem Verwaltungskram zurechtgekommen? Seufzend und sich die Augen reibend lehnte sich Levara zurück. In diesem Augenblick klopfte es an die Türe.

„Herein.“

Hoffentlich nicht noch mehr Berichte, dachte sich Levara. Doch herein kam nur Ferdinand, ihr erster Kammerdiener. Was er mit sich brachte, hellte Levaras Stimmung gleich wieder auf. Auf einem Silbertablett trug er eine Teekanne und eine Tasse herein.

„Ferdinand… dich schicken die Götter!“
„Nein Majestät, es war der ehrenwerte Geralt von Morthum. Er sagte mir, dass ihr vielleicht eine Pause gebrauchen könntet. Schon meine Mutter sagte immer: Junge, mit einer Tasse Tee in der Hand sieht Tare gleich viel besser aus. Allerdings mussten wir uns mit Pfefferminzaufgüssen begnügen und konnten nicht auf endophalischen Gewürztee zurückgreifen. Ich hoffe, dass die Weisheiten meiner Mutter auch für ein so edles Getränk gelten, Majestät.“


Lächelnd erhob sich die Königin und ging hinüber zu dem Beistelltisch, auf dem Ferdinand das Tablett abgestellt hatte. Sie hatte die Weisheiten von Mutter Rabenglück in den letzten Monaten zu schätzen gelernt. Auch wenn sie ihr bisher nicht persönlich begegnet war, schien sie doch eine sehr patente Frau zu sein. Ferdinand goss Levara den Tee ein und reicht ihr die Tasse, sobald sie in ihrem gemütlichen Sessel Platz genommen hatte. Vorsichtig blies sie über den Tee und versuchte dann einen kleinen Schluck.

„Das schmeckt ganz vorzüglich, Ferdinand. Ich danke dir.“
„Wenn mir diese Frage gestattet ist, Majestät: Woran arbeitet ihr?“


Müde sah Levara hinüber zu ihrem Arbeitstisch, auf dem sich Berge von Papieren stapelten.

„Aufstellungen über die Ein- und Ausgaben des Hofes. Eine ziemlich ernüchternde Aufgabe.“
„Ich möchte nicht respektlos erscheinen, Majestät, doch euch sind die Strapazen der letzten Tage deutlich anzusehen.“


Die Königin schenkte ihrem Diener ein freundliches Lächeln.

„Schon gut, Ferdinand. Du hast Recht. Die letzten Tage waren sehr anstrengend.“
„Wie ich hörte, Majestät, habt ihr bei den Feierlichkeiten ein sehr gutes Bild abgegeben. Das Volk liebt seine wunderschöne Königin.“


Levara nickte schwach und trank noch einen Schluck von dem mit Gewürzen versetzten Tee. In ihrer Brust breitete sich eine angenehme Wärme aus.

„Wenn es nur die Feierlichkeiten und der Papierkram wären, Ferdinand. Doch heute Morgen kommt Geralt zu mir und erzählt mir, dass die Malthuster an der Grenze zu Papin Soldaten aufmarschieren lassen. Und das alles nur, weil irgendein Bauer es gewagt hat sein Vieh ein Stückchen zu weit nach Norden zu treiben.“
„Ich fürchte ich verstehe nicht viel von Politik, Majestät.“
„Wer versteht schon die Politik wirklich, Ferdinand? Es geht um Macht, Reichtum und Anerkennung. Die Meinung der Mächtigen dieses Reiches ändert sich schneller als das Wetter in den Klauenbergen. Und von mir wird erwartet, dass ich das Gleichgewicht zwischen ihnen wahre.“


In ihre Gedanken versunken starrte Levara einen Moment in die Tasse, ehe ihr Diener wieder das Wort ergriff.

„Majestät, vertraut ihr mir?“

Verwirrt blickte Levara ihn an.

„Natürlich vertraue ich dir, Ferdinand. Sonst wärst du kaum mein erster Kammerdiener.“
„Dann, Majestät, bitte folgt mir.“


Damit wendete sich Ferdinand zur Tür herum und Schritt voran. Schwer seufzend erhob sich Levara aus ihrem Sessel.

„Ich muss noch die Berichte fertig durchsehen…“
„Bitte, Majestät, ihr werdet es nicht bereuen.“


Lächelnd hielt Ferdinand ihr die Türe auf. Noch einmal warf sie ihrem Schreibtisch einen müden Blick zu, dann folgte sie ihrem Diener. Er führte sie kreuz und quer durch die Gänge des Palasts. Zu dieser Uhrzeit waren kaum noch Bedienstete unterwegs. Nur hier und da standen Männer der Palastwache, die ungerührt Wache hielten. Sie hatten gelernt, dass vieles was im Palast vorfiel nicht für die Außenwelt bestimmt war. Insbesondere wenn es die Königsfamilie betraf. So lange keine Gefahr für die Königin bestand, würden sie nicht eingreifen. Einmal hielt Ferdinand kurz inne, bat Levara darum zu warten und verschwand hinter einer Türe. Kurz darauf kehrte er mit zwei leichten Wolldecken zurück. Levara hob fragend ihre Brauen, ließ es aber dabei bewenden. Schließlich gelangten sie zu einem Treppenhaus, dass Levara noch nie zuvor betreten hatte – was angesichts der überwältigenden Größe des Palasts nicht allzu verwunderlich war. Zudem schien es sich hier um einen für das Gesinde bestimmten Weg zu handeln. Ferdinand führte sie eine schier endlose Zahl an Stufen hinauf, bis sie an eine weitere Tür gelangten. Noch einmal wandte er sich zu seiner Königin um.

„Seid ihr bereit, Majestät?“
„Ferdinand, ich verstehe nicht…“


Doch er war schon durch die Türe verschwunden. Als sie ihm folgte, erkannte sie wohin sie die Treppe geführt hatte. Sie stand auf dem Dach des Palasts, dass an dieser Stelle eben war. Die Sterne strahlten in dieser Nacht hell. So waren die Einzelheiten ihrer Umgebung gut zu erkennen. Offenbar wurde dieser Weg hauptsächlich von Schornsteinfegern genutzt, um die schier unüberschaubare Anzahl von Kaminen sauber zu halten.

„Ferdinand, was hat das zu bedeuten?“
„Heute ist Schwarzschimmer, eure Majestät.“
„Oh bei den Vieren! Ich habe doch nicht etwa einen Auftritt verpasst?“
„Nein, Majestät, nicht das ich wüsste.“


Er breitete die Wolldecken auf dem Boden aus.

„Es heißt, dass uns Morsan zu Schwarzschimmer Lösungen für schier unlösbare Probleme schenkt, Majestät. Aus diesem Grund verbringen viele Menschen die Nacht im Freien und betrachten die Sterne.“

Er legte sich auf eine der Decken, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und sah zu den Sternen hinauf. Zögernd stand Levara ein Stück entfernt und betrachtete ihn. Das alles war ziemlich verrückt. Sie, die Königin des Großreiches Galadon-Heredon, stand hier auf dem Dach ihres Palasts, um gemeinsam mit ihrem ersten Kammerdiener die Sterne anzuschauen. Sie war sich ziemlich sicher, dass sich das keinesfalls für eine Königin geziemte. Andererseits hörte sie ganz deutlich die Stimme des stets besorgten Geralt aus diesen Zweifeln sprechen. Und wer wusste, vielleicht half es ja wirklich? Schließlich gab sie sich einen Ruck und nahm den Platz auf ihrer Decke ein, die in züchtigem Abstand zu ihrem Diener lag.

Kaum hatte sie die Arme hinter dem Kopf verschränkt und ihren Blick in die Sterne gerichtet, begann sie sich in ihnen zu verlieren. Ihre Atmung beruhigte sich. Sie fühlte sich leicht und unbeschwert. Ihre Gedanken schweiften fort von all den alltäglichen Problemen einer Königin. Lächelnd erkannte sie, wie dankbar sie Ferdinand darüber war, dass er sie hier hinauf geführt hatte. Er war ihr in den letzten Monaten ein guter Freund geworden. Stets bemühte er sich, ihr das Leben einfacher zu machen. Wie ihr jetzt bewusst wurde, konnte sie sich kaum vorstellen ihn nicht den ganzen Tag um sich herum zu haben. Und noch etwas wurde ihr schlagartig klar: Es war nicht der Tee gewesen, der vorhin das angenehm warme Gefühl in ihrer Brust ausgelöst hatte. Ihr Blick löste sich von den Sternen und wanderte hinüber zu Ferdinand. Er lag mit geschlossenen Augen da, ein seliges Lächeln auf den Lippen. Sollte sie wirklich? Konnte sie, nein durfte sie überhaupt? In ihrem Herz stritt das Verantwortungsbewusstsein der Königin mit dem Trotz der jungen Frau, die sie war.

Ich bin die Königin, es ist mein Wille, dachte Levara. Sie erhob sich und rutscht hinüber zu Ferdinand. Als sie ihr Gesicht über seines beugte, öffnete er verwirrt die Augen.

„Majestät?“

Sein Protest verging tonlos, als sich ihre Lippen auf seine legten. Einen schrecklichen Augenblick lang war sich Levara sicher, dass Ferdinand ihre Gefühle nicht teilen würde. Dann spürte sie, wie er ihren Kuss erwiderte.

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 Betreff des Beitrags: Re: Das Königsspiel
BeitragVerfasst: 12.08.12, 10:57 
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So sprechen die Viere…


Das Lichthoch war eine anstrengende Zeit für alle Geweihte, auch für die Diener Morsans. Selbst dann, wenn sie abseits der großen Städte in stillen Klöstern lebten. Viele deren Wünsche bis jetzt unerfüllt geblieben waren, nutzten die Zeit um zu den heiligen Stätten der Viere zu pilgern. Und so wurde das kleine Morsankloster an den Hängen des Phoenix-Gebirges von einem Schwarm von Menschen heimgesucht.

Der Sage nach war ein einsamer Wanderer im vierten Jahrhundert nach den Amulettkriegen in den Bergen unterwegs. Das Wetter hatte umgeschlagen und er war gezwungen sich eine Zuflucht zu suchen. Die Götter wiesen ihm den Weg zu einer Höhle, in der er erschöpft zusammen brach und einschlief. In dieser Nacht aber erschien ihm Lifna in seinen Träumen. Sie gab ihm den Auftrag über der Höhle ein Kloster Morsans zu errichten. Der einsame Wanderer war davon so beeindruckt, dass er noch am nächsten Tag in die Täler am Rand des Gebirges zurückkehrte und sein Leben fortan Morsan und dem Bau des Klosters widmete. Er wurde zum ersten Abt des Klosters. Seit dieser Zeit galt die Höhle unter dem Kloster als heiliger Ort.

Bruder Nesios war froh, als die letzten Pilger das Kloster verließen. Er wusste, dass diese Gedanken eigentlich frevlerisch waren. Schließlich sollte er sich freuen, dass so viele Menschen den Weg zu seinem Herrn fanden und ihm Gaben darbrachten. Doch sie störten auch die kleine Gemeinschaft des Klosters, die sich hier her zurück gezogen hatte, um in der Stille die Wünsche ihres Herrn zu deuten. Glücklicherweise hatte der Abt schon vor Jahren bestimmt, dass das Kloster zu Schwarzschimmer allein den Mönchen vorbehalten war.

Am Abend versammelten sich alle Geschwister in der Höhle unter dem Kloster. Es war brauch, dass die Diener Morsans die Nacht in stiller Meditation verbrachten. Die Verbindung zum Reich des Verhüllten war so kurz nach dem Lichthoch sehr stark. Nicht selten kam es vor, dass die Sterblichen in dieser Zeit schwache Einblicke in die Zukunft oder Vergangenheit gewährt bekamen. Doch oft waren sie so verschleiert, dass ihre Bedeutung erst sehr viel später klar wurde. Die Diener Morsans hofften ihre Kräfte durch die gemeinsame Meditation zu bündeln, um dadurch den Willen Morsans zu erfahren.

Die Luft in der Höhle war erfüllt vom süßlichen Duft des Nachtschattens. Jeder der Mönche bekam einen Becher mit einer besonderen Mischung gereicht. Einer der Brüder war auserwählt worden, die Trommel zu schlagen. Ihr monotones Dröhnen in Verbindung mit dem Flackern der Fackeln an den Wänden und den Drogen würde schon bald alle Anwesenden in einen Rauschzustand versetzen, der ganz anders war als jener der Liebenden Göttin Vitama.

Nach kurzer Zeit spürte auch Nesios die Wirkung der Drogen in seinem Blut. Wie er es gelernt hatte, beruhigte er seine Atmung und richtete all seine Gedanken auf das monotone Wummern der Trommel aus. Wie jedes Mal hatte er das Gefühl zu fliegen. Jetzt war die Zeit des Wartens gekommen. Es überraschte Nesios immer wieder von Neuem, wie er kurz darauf die Körper und Gedanken der Brüder um sich herum wahrnahm. Nicht so dieses Mal. Wie lange er auch wartete, er blieb allein. Schon wollte Nesios die Augen öffnen, um sich zu vergewissern das sich die anderen nicht einen Scherz mit ihm erlaubt hatten. Da sah er vor sich einen hellen Stern. Er schien sich auf ihn zuzubewegen. War er eben noch so klein gewesen wie die Spitze einer Nadel, hatte er jetzt bereits die Größe eines Apfels. Im nächsten Augenblick war das Licht auf die Größe eines Kutschenrads angeschwollen, dann ging sein Geist ganz darin auf.

Als Nesios wieder erwachte, starrten ihn seine Geschwister ungläubig an. Hier und da war leises Flüstern zu hören. Immer noch etwas benommen stellte Nesios fest, dass man seinen Kopf auf ein Kissen gebettet hatte. Verständnislos blickte er in das Gesicht des Abtes, das sich in diesem Augenblick über ihn beugte.

„Was ist geschehen, Vater Abt?“

Der Abt, dem die Überraschung deutlich anzusehen war, zögerte einen Moment, ehe er antwortete.

„Du hast gesprochen…“

Darauf schickte der Abt alle Geschwister zurück in ihre Zellen. Allein der Ältestenrat des Klosters blieb bei Nesios in der Höhle. Ausgiebig wurde er zu seinem Erlebnis befragt, doch er wollte nicht recht schlau aus den Fragen werden. Er konnte sich zusammenreimen, dass er sich offenbar während seines Traums plötzlich aufgerichtet hatte, die Arme ausbreitete und in markerschütternder Lautstärke einige Wort sprach. Die Ältesten stritten sich einige Zeit darüber. Schließlich einigten sie sich darauf, dass aus seinem Mund vier Stimmen gesprochen hatten: Eine lieblich wie süßer Wein und eindeutig weiblich, eine wohlüberlegt und gebildet, eine entschlossen im Ton eines Kriegers und eine sanft und ruhig wie der Schlaf. Welche Worte genau er gesprochen hatte, erfuhr er nicht. Stattdessen wurde er – nachdem sichergestellt war, dass es ihm ansonsten gut ginge – ebenfalls in seine Zelle geschickt.

Am nächsten Morgen, noch vor dem ersten Gebet, wurden alle Geschwister wieder zusammen gerufen. Sie wurden Zeuge eines Rituals, dass nur äußerst selten praktiziert wurde: Die Verhängung eines Tabus. Niemand der von diesem Tabu betroffen war, konnte über die Angelegenheit sprechen oder schreiben, die das Tabu zum Inhalt hatte. Es war ein Schweigebann. Und so erfuhr niemand außerhalb des Klosters von den Vorkommnissen in jener Schwarzschimmernacht.

Noch vor dem Mittagessen machte sich der Abt auf den Weg nach Draconis. Bei sich trug er die einzige existierende Abschrift der Prophezeiung des Nesios.

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 Betreff des Beitrags: Re: Das Königsspiel
BeitragVerfasst: 13.08.12, 12:22 
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Die Ehre des Hauses Arbam


Levara wurde von einem Felastrahl geweckt. Er hatte eine Lücke zwischen den schweren Vorhängen an den Fenstern ihres Schlafgemachs gefunden. Es war Zeit aufzustehen. Stattdessen kuschelte sie sich wieder in den Arm Ferdinands und schloss noch einmal die Augen. Seit drei Monaten teilten sie nun schon das Bett. Eine Zeit die für Levara wie im Flug vergangen war. Ihre Arbeit war nicht weniger geworden. Doch die Liebe zu Ferdinand gab ihr halt und tröstete sie über die ermüdenden Stunden in Audienzen und Beratungen hinweg. Sie war sich sehr wohl bewusst, dass sie einen Fehler begang. Beide versuchten nach außen das Bild des Anstands zu wahren. Trotzdem war ihre Beziehung am Hof längst in aller Munde. Es war ihr egal. Als Königin sah sie sich als Stützpfeiler des Staates. Sie widmete ihre gesamte Zeit dem Wohl des Reichs und seines Volks. Da gönnte sie sich diesen einen Makel. Und was für ein süßer Makel es war.

Wohlig streckte sich Levara und hob ihren Kopf, um ihren Geliebten mit einem Kuss zu wecken.

„Guten Morgen, Liebster. Zeit aufzustehen.“

Träge blinzelnd öffnete er die Augen und schielte zu ihr hinüber.

„Guten Morgen, meine Königin.“

Levara knuffte ihn in die Seite.

„Du sollst mich im Bett nicht so nennen.“
„Entschuldige, Levara, Macht der Gewohnheit.“


Frech grinsend küsste er sie.

Plötzlich flog die Tür auf. Polternd schlug sie an die Wand. Erschrocken fuhr Levara in die Höhe. Die Decke hielt sie schützend vor ihren nackten Körper. Ferdinand saß ebenfalls im Bett und versuchte sich vor sie zu schieben. Zur Tür herein kam eine massige Gestalt, die geradewegs auf die Fenster zu schritt. Wuchtig zog sie die Vorhänge beiseite. Sowohl Levara als auch Ferdinand mussten geblendet ihre Augen bedecken. Nach dem ersten Schock über die plötzliche Störung dachte die Königin endlich daran die Wachen zu rufen. Noch ehe sie den Mund öffnen konnte, kamen bereits die ersten mit blank gezogenen Schwertern in den Raum gestürmt. Langsam gewöhnten sich Levaras Augen an die plötzliche Helligkeit. Die Gestalt an den Fenstern war keinesfalls so massig, wie sie zuerst angenommen hatte. Der schwere Pelzkragen am Umhang des Mannes hatte diesen Eindruck erweckt. Dann erkannte sie auch das Gesicht des Eindringlings. Das Auftauchen der Palastwachen schien ihn nicht zu beeindrucken.

„Haltet ein“, rief Levara ehe die ersten von ihnen auf die Idee kommen konnten, dass es besser war den Eindringling erst zu töten und dann zu befragen.

„Das ist mein Onkel Leonhart. Er stellt keine Gefahr dar.“

Die Wachen beäugten den Fremden misstrauisch. Schließlich zogen sie sich jedoch zurück. Die Türe fiel leise ins Schloss. Der eiserne Blick Leonharts fiel missbilligend auf den halb vor Levara knieenden Ferdinand.

„Zieh dir eine Hose an, Bursche, und dann sieh zu, dass du Land gewinnst!“

Unsicher blickte Ferdinand sich zu seiner Gefährtin um. Mit einem Nicken gab sie ihm zu verstehen, dass alles in Ordnung sei.

„Wird’s bald?!“

Eilig rutschte Ferdinand aus dem Bett, griff sich seine Hose und verschwand aus dem Zimmer. Leonhart blickte ihm böse hinterher. Dann wandte er seiner Aufmerksamkeit wieder der im Bett sitzenden Levara zu.

„Und du, junge Dame, bedecke dich und komm aus dem Bett. Ich habe mit dir zu sprechen.“

Der Auftritt ihres Onkels hatte die Königin so sehr überrascht, dass sie ihm ohne Widerspruch Folge leistete. Des Anstands halber wandte er ihr den Rücken zu. Sie schlüpfte in ihr Nachthemd und schlang den Morgenmantel um sich. Jetzt erst wurde sie sich der Absurdität der Situation bewusst.

„Onkel, was soll das alles? Du kannst hier nicht einfach herein stürmen und…“

Im selben Augenblick fing sie sich eine schallende Ohrfeige ein. Vor Schmerz aufschreiend griff sich die Königin an die Wange. Ihre Augen füllten sich mit Tränen.

„Dein Vater hat dich viel zu selten übers Knie gelegt, Mädchen. Ich spiele mit dem Gedanken das nachzuholen.“
„Was…?“
„Schweig! Du wirst mir jetzt zuhören. Ich kehre aus der sandigen Hölle von Endophal heim und was ist das erste, was mich erwartet? Der alte Hund Harrod Galad persönlich! Und was muss ich mir von ihm anhören? Die Königin soll den alten Vertrag zwischen unseren Häusern mit Füßen treten. Doch damit nicht genug, scheinbar hat sie auch nichts Besseres zu tun als stattdessen ihren Kammerdiener zu vögeln! Ich streite natürlich alles ab, schließlich kann eine Königin aus dem Hause Arbam nicht so dumm sein. Trotzallem ringt er mir das Versprechen ab, einmal nach dem Rechten zu sehen. Deswegen komme ich heute Morgen zum Palast. Aber statt vorgelassen zu werden, weißt man mich ab. Die Königin sei indisponiert, heißt es. Ich musste meinen ganzen Einfluss spielen lassen. Und dann finde ich dich im Bett mit einem Mann. Ich erwarte gefälligst eine Erklärung!“


Nur langsam gewann Levara die Fassung zurück.

„Ich liebe Ferdinand, Onkel. Und er liebt mich.“
„Oh, ihr liebt euch, na das ändert natürlich alles“
, ätzte Leonhart höhnisch. „Bist du denn von allen guten Geistern verlassen? Liebe ist ein Luxus, den sich eine Frau von deinem Stand nicht leisten kann!“
„Ich bin die Königin“, erwiderte Levara trotzig. Sie fühlte sich wie ein junges Mädchen.
„Du bist eine Arbam, junges Fräulein. Und ich bin das Oberhaupt des Hauses Arbam. Und als Oberhaupt verlange ich von dir, dass du dich gefälligst wie eine Arbam verhältst. Wir brechen keine Verträge!“
„Ich will Loras aber nicht heiraten.“
„Das ist nicht deine Entscheidung. Das Haus Arbam kann es sich gar nicht leisten, den Vertrag zu brechen. Weißt du überhaupt, was das bedeuten würde? Das Haus Arbam müsste dem Haus Galad alle durch den Krieg entstandenen Kosten ersetzen. Inklusive Zinsen. So viel Geld besitzt unsere Familie gar nicht.“


Irritiert sah Levara ihren Onkel an.

„Aber Onkel, ich bin die Königin. Ich wohne in einem riesigen Palast.“

Leonhart schnaubte verächtlich.

„Der ganze Prunk des Palasts nützt dir nichts. Wenn du die Gelder des Reiches verwendest, um eine Schuld des Hauses Arbam zu begleichen, werden die anderen Häuser rebellieren. Sie werden dich in Schimpf und Schande davon jagen.“

Das hatte Levara nicht bedacht. Fieberhaft dachte sie nach. Es musste noch eine andere Möglichkeit geben.

„Was ist mit der Krone? Sie gehört uns. Ich könnte die Smaragde heraus lösen und durch Repliken ersetzen lassen. Sie sollen ein Vermögen wert sein.“

Leonhart lachte rau und keinesfalls erfreut auf.

„Hast du dir die Steine mal genau angesehen, Levara? Schon dein Urgroßvater hat sie austauschen lassen. Er hätte sonst niemals den Krieg gegen die Nortraven bezahlen können.“

Die Königin wusste nicht was sie sagen sollte. Niemals hatte sie auch nur geahnt, dass es so schlecht um die Finanzen des Hauses Arbam stand.

„Ich erwarte, dass du den Vertrag erfüllst, Levara. Und zwar bald.“

Damit wandte Leonhart sich dem Ausgang zu. Ehe er den Raum verließ, drehte er sich noch einmal zu ihr um.

„Und noch etwas: Solltest du dir von diesem Schweinehirten einen Bastard machen lassen, werde ich erst den Vater und dann das Kind töten. Das schwöre ich dir bei unseren Ahnen.“

Mit einem lauten Schlag fiel die Tür hinter ihm ins Schloss. Die in Levara angestauten Gefühle brachen hervor. Hemmungslos weinend warf sie sich auf ihr Bett.

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 Betreff des Beitrags: Re: Das Königsspiel
BeitragVerfasst: 14.08.12, 11:15 
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Hoffnung


Stephan II. Ap Arbam eilte die Gänge des Palasts entlang. Er fürchtete das Schlimmste. Seine Mutter hatte ihm vom Gespräch zwischen seinem Vater und seinem Großvater erzählt. Stephan kannte seinen Vater. Er wusste wie er reagieren würde, wenn er die Anschuldigungen des Hauses Galad bestätigt sah. Leonhart war kein tyrannischer Mensch. Aber das Ansehen des Hauses Arbam ging ihm über alles. Er hatte das Familienmotto verinnerlicht. Ohne Familie ist ein Herrscher nichts. Und je größer die Familie, desto größer ist seine Macht. Doch das war nicht das einzige. Stephan wusste insgeheim, dass sein Vater sich über den Verlust des Throns grämte. Das Abkommen mit den Galads war kein Fehler gewesen. Es half dem Reich Stabilität zu bringen. Dann jedoch war die Mutter Levaras bei ihrer Geburt gestorben. Leonharts Bruder Patrick war darüber nie hinweg gekommen. Und so starb er ohne männlichen Nachkommen. Ein Glücksfall für das Haus Galad, denn nun würde die Königskrone mit dem Bund zwischen Levara und Loras in ihre Hände fallen. Das Haus Arbam hingegen ging leer aus. Noch dazu stand es nach den Kriegen der letzten neunzig Jahren nicht gerade gut um die Finanzen der Familie. Es war schon eine Ironie des Schicksals: Niemals hätte es ein König wagen dürfen, die Gelder des Reichs für seine Familie zu verwenden. Gleichzeitig erwartete man von den Herrscherhäusern in Notfällen mit dem privaten Vermögen einzustehen. Früher oder später zwang dies jedes der Häuser in die Knie. Stephans Lehrer Geralt von Morthum hatte es einmal als natürlichen Schutzmechanismus bezeichnet. Es sollte verhindern, dass eines der Häuser zu große Macht anhäufte.

Stephan kam vor der Tür des königlichen Schlafgemachs zum Stehen. Die in der Nähe stehende Palastwache warf ihm einen prüfenden Blick zu. Offenbar war dieser Besucher jedoch keine Bedrohung. Der Cousin der Königin nutzte den Moment der Musterung, um zu lauschen. Im Zimmer war es ruhig. Leise klopfte er an die Tür. Ein schwaches „Herein“ erlaubte es ihm einzutreten.

Er fand seine Cousine im Bett sitzend vor. Dicke Tränen flossen über ihr Gesicht. Ihre linke Wange war auffällig gerötet. Also war seine Befürchtung wahr geworden. In ihren Augen erkannte er die Enttäuschung, als sie ihn erblickte.

„Hast du Ferdinand gesehen?“

Die Erwähnung ihres Liebhabers versetzte Stephan einen Stich. Er schüttelte den Kopf.

„Mutter hat mir vom Gespräch zwischen Vater und Großvater erzählt.“

Stephan ging hinüber zum Bett. Kaum hatte er sich neben seine Cousine gesetzt, barg sie ihren Kopf an seiner Schulter.

„Oh Stephan, es war so schrecklich.“

Ihr Oberkörper begann in einem Heulkrampf unkontrolliert zu zucken. Vorsichtig schloss er sie in die Arme. Seine Hand streichelte ihren Kopf. Stephan schämte sich für seine Gefühle.

„Vater hat dir befohlen, den Vertrag zu erfüllen.“

Levaras Cousin glaubte ein schwaches Nicken zu spüren, ehe sie wieder von ihren Gefühlen überwältigt wurde.

„Dir hätte klar sein müssen, dass es so kommt.“

Levara stieß ihren Cousin ein Stück von sich. Ungläubig sah sie ihn an.

„Du bist seiner Meinung?“

Entschuldigend hob Stephan seine Hände.

„Nein, so war das nicht gemeint, Levara. Es ist nur… was dachtest du denn, wie er es aufnehmen würde? Glaubtest du er würde es einfach schulterzuckend hinnehmen? Du weißt doch, wie viel ihm unser Haus bedeutet.“

Einen entsetzlich langen Augenblick starrte Levara ihn an. Dann fuhr sie sich mit dem Ärmel über das Gesicht. Traurig senkte sie den Kopf.

„Ich hatte gehofft er würde es verstehen. Ich war mir sicher, dass auch er die Krone in unserer Familie halten will.“
„Würde es in seiner Macht stehen, würde er alles tun damit es so kommt, Levara. Aber ihm sind die Hände gebunden.“
„Also ist alle Hoffnung verloren…“


Stephan zögerte. Schon seit einiger Zeit keimte in ihm eine Idee. Sie würde alle zufrieden stellen. Doch jetzt, da sich ihm die Gelegenheit bot, plagten ihn Zweifel. War er wirklich schon so weit? Hatte er auch nichts übersehen? Dann fiel sein Blick auf das Häufchen Unglück vor ihm. Zum zweiten Mal an diesem Tage versetzte es ihm einen Stich ins Herz. Er musste ihr von seiner Idee erzählen.

„Vielleicht… gibt es einen Ausweg.“
„Ein Ausweg?“


Levara hob ihren Kopf. Aus ihren Augen sprach endlose Müdigkeit. Zumindest hatte sie aufgehört zu weinen.

„Ich sehe keinen, Stephan. Der Vertrag bindet mich an das Haus Galad. Ich habe Geralt jeden Satz und jedes Wort prüfen lassen. Früher oder später muss ich Loras heiraten.“
„Und wenn wir den Vertrag brechen?“


Die junge Frau schnaubte verächtlich.

„Darauf bin ich auch schon gekommen. Doch wie mir dein Vater unmissverständlich klar machte, steht diese Option nicht zur Wahl.“
„Du hast Recht. Zwei Gründe sprechen dagegen: Erstens der Verlust des Ansehens unserer Familie und zweitens – weitaus schwerer – die immens hohen Geldforderungen, die unser Haus niemals begleichen kann. Ich denke wir werden uns dem zweiten Problem zuerst widmen müssen.“
„Wie soll das gehen? Willst du die Zwerge in ihren goldenen Hallen überfallen?“


Stephan verzog die Lippen zu einem Schmunzeln.

„Ich hatte tatsächlich darüber nachgedacht“, sagte er scherzend. „Dann erkannte ich aber eine viel bessere – und legalere – Möglichkeit. Du erinnerst dich an unser Gespräch über das Haus Mer an dem Abend kurz nach deiner Krönung?“

Levara nickte schwach, schien aber nicht zu begreifen wie das mit ihren Problemen zu tun haben sollte.

„Fürst Sorbo war nicht untätig. Er hat es geschafft die Baronie Wallenburg an sich zu binden. Im Gegenzug für die Hand seiner Nichte soll er einen hohen Brautpreis gezahlt bekommen haben. Und auch so scheint es um die Kassen der Mers ziemlich gut bestellt zu sein. Schon jetzt kontrollieren sie große Teile der Handelsrouten von Endophal an die Linfahrtbucht. Mit anderen Worten: Der Fürst sitzt auf einem so großen Batzen Geld, dass er gar nicht mehr weiß wohin damit. Und das macht sie für uns interessant.“

Die Königin sah ihren Cousin jetzt aufmerksam an. Stephan fuhr fort.

„Schon bald wird der Fürst feststellen, dass er das Geld sinnvoll in die Macht seines Hauses investieren möchte. Wie es der Zufall will, konnte er seinen ältesten Sohn Bran bisher noch nicht unter die Haube bringen. Jener scheint eher Interesse an dem Dienst Bellums als an der Politik des Reichs zu haben. Tatsächlich wäre er aber der hervorragende Partner für meine Schwester Anastasia.“

Lächelnd dachte Stephan an seine Schwester. Sie war die Zierde seines Hauses. Mit gerade mal fünfzehn Jahren war sie noch zu jung um verheiratet zu werden. Aber das waren Levaras und Loras auch gewesen, als der schicksalshafte Vertrag geschlossen wurde.

„Ich bin mir sicher, dass Vater die Vorteile einer so gewinnbringenden Verbindung des Hauses Arbam und Mer erkennt. Und wenn ich Fürst Sorbo richtig einschätze, wird er keine Kosten und Mühen scheuen, um diese Gelegenheit beim Schopf zu packen. Beinahe über Nacht würde sein Haus wieder zu den großen des Reichs aufsteigen. Im Gegenzug wird das Haus Mer unsere Schulden beim Haus Galad bezahlen.“

Stephan sah neue Hoffnung in Levara aufkeimen. Gleich darauf verflog sie jedoch wieder.

„Das ist ja alles schön und gut, Stephan, aber dadurch wird das Gesicht unserer Familie bei dem Vertragsbruch nicht gerettet.“
„Was Vater noch mehr grämt als der Ehrverlust, Levara, ist der Verlust des Throns. Wenn wir den Thron behalten können, wird er den Ehrverlust in Kauf nehmen.“


Levara seufzte schwer.

„Wir drehen uns im Kreis, Stephan. Wen kann ich schon heiraten, ohne das die Krone auf eine andere Familie übergeht?“

Es kostete Stephan einige Überwindung fortzufahren.

„Mich.“
„Dich?“


Levara sah ihn ungläubig an.

„Das ist unmöglich! Du bist mein Cousin!“

Stephan hatte mit diesem Einwand gerechnet, auch wenn er sich von ihr eine andere Reaktion erhofft hatte.

„Das ist nicht so ungewöhnlich wie du denkst, Levara. In der Geschichte des Reichs kam es immer wieder vor, dass zur Bewahrung der Macht innerhalb einer Familie geheiratet wurde.“

Sie dachte einige Augenblicke nach, schien aber noch nicht vollends überzeugt zu sein.

„Aber ich liebe Ferdinand.“

Stephan verzog den Mund.

„Ich weiß, Levara. Doch er ist nur ein gewöhnlicher Bürgerlicher. Du wirst ihn niemals heiraten können. Darum biete ich dir folgendes an: Heirate mich zum Schein. Von mir aus kannst du das Bett weiter mit ihm teilen. Ich wäre sogar bereit ein mögliches Kind von ihm als mein eigenes anzuerkennen. Und die Königskrone würde in unserer Familie bleiben.“
„Das würdest du für mich tun?“


Staunend sah Levara ihren Cousin an.

„Ja, das würde ich.“

Freudig lachend fiel sie ihm um den Hals und drückte ihm einen dicken Kuss auf die Wange.

„Oh danke, danke vielmals! Das werde ich dir nie vergessen.“
„Also ist es abgemacht?“
„Ja, so wollen wir es machen!“


Noch immer lächelnd löste sie sich wieder von ihm. Sie war wie ausgewechselt. Ihr Anblick erwärmte Stephan das Herz. Langsam erhob er sich von ihrem Bett.

„Dann will ich gleich zu Vater gehen und ihm von unserem Plan berichten. Es wird mich ein wenig Überzeugungsarbeit kosten, aber ich bin mir sicher das er letztendlich zustimmt.“
„Danke, Stephan. Tausendmal danke.“


Stephan verabschiedete sich von Levara. Kaum hatte er den Raum verlassen strich er sich über die Stelle, auf die sie ihn geküsst hatte. Würde sie doch nur ahnen, wie sehr er sie liebte.

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 Betreff des Beitrags: Re: Das Königsspiel
BeitragVerfasst: 15.08.12, 10:47 
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Ein Höheres Ziel


Der Beginn des Jahres 92 nach Arbam verlief friedlich. Das Dunkeltief zog spurlos am Fürstentum Herder vorbei. In Yota gab es einige wenige Geistersichtungen. Sobald das erste Licht zurück kehrte wurden sie von Magiern und den Dienern Morsans gebannt. Durch die unmittelbare Nähe zu Endophal gab es nur vereinzelt Schneefall. Die meiste Zeit über regnete es. Das Volk hatte sich über die Jahrhunderte daran gewöhnt und nutzte die Gelegenheit, um seine Häuser auszubessern.

Die Residenz des Hauses Galad stand im Südteil Yotas. Auf einem Hügel gelegen bot sie einen atemberaubenden Blick auf die zweigeteilte Stadt. Harrod XV. Ap Galad hatte dafür keine Augen. Ruhelos tigerte er in seinem Arbeitszimmer auf und ab. Seine beiden Söhne Garan III. und Loras standen etwas Abseits und warteten auf die Reaktion ihres Vaters. Sie boten ein ungleiches Bild. Zwischen ihren lagen ganze zwanzig Jahre. Während Garan mit stoischer Ruhe abzuwarten wusste, beobachtete der jüngere Loras nervös seinen Vater. Er zuckte zusammen, als Harrod den bereitstehenden Weinkelch ergriff und ihn mit der ganzen Kraft seiner aufgestauten Wut gegen die Wand warf. Polternd fiel der schwere Eisenkelch zu Boden. Das dabei der zweihundert Jahre alte Teppich einige Spritzer des teuren Rotweins abbekam, schien Harrod nicht einmal zu bemerken.

„Verflucht!“

Loras wollte das Wort ergreifen, doch Garan legte ihm seine Hand auf den Arm und schüttelte leicht den Kopf.

„Wie können sie es wagen?! Bei den Eiern meiner Vorfahren, ich schwöre euch, dass wird sie teuer zu stehen kommen!“

Auf dem Schreibtisch des Großfürsten Galadons fanden sich gleich zwei Schreiben. Das erste berichtete von dem Vertragsschluss zwischen dem Haus Arbam und dem Haus Mer. Als Gegenleistung für die Hand seiner Tochter Anastasia bekam Leonhart IV. einen mehr als großzügigen Brautpreis bezahlt. Bis Anastasia das heiratsfähige Alter erreichen würde, war es Bran Ap Mer von seinem Vater gestattet worden die Ausbildung zum Laiendiener Bellums zu absolvieren.

Noch viel ärgerlicher war der Inhalt des zweiten Schreibens. Es verkündete die geplante Hochzeit zwischen Stephan II. Ap Arbam und Königin Levara XII. Ahm Arbam am Lichthoch dieses Jahres. Wie die Quelle berichtete war es eine Idee Stephans gewesen. Niemals hätte Harrod seinem Enkel einen so geschickten Schachzug zugetraut.

Die beiden Schreiben waren heute erst am Fürstenhof eingetroffen. Kaum hatte er ihre Bedeutung begriffen, hatte Harrod seine beiden Söhne zu sich gerufen. Es wurde Zeit ihnen eine Lektion in Politik zu erteilen.

Mit vor Zorn gerötetem Gesicht wandte sich Harrod seinem ältesten Sohn zu.

„Also Garan, was meinst du?“

Der Mann in den mittleren Jahren war sein ganzer Stolz. Er würde einst den Titel des Großfürsten erben. Und instinktiv wusste Harrod, dass sein Sohn bereit dafür war. Auch jetzt zeigte sich, dass sein Vater sich nicht zu viel von ihm erhoffte. Garan dachte einen Moment nach, ehe er wohlüberlegt antwortete.

„Der Bund zwischen dem Haus Arbam und Mer schwächt unsere politische Stellung im Reich, Vater. Der Prestigegewinn für das Haus Mer ist immens. Wie wir wissen ist Fürst Sorbo zudem kurz davor die Verhandlungen mit einem unbedeutenden Grafen in Taras abzuschließen. Erstaunlicherweise ist eben dieser unbedeutende Graf voraussichtlich der nächste Herrscher über Taras. Gelingt ihm der Vertragsschluss, kontrolliert das Haus Mer den Handel zwischen dem Reich und Endophal auf der Ostroute. Die Westroute bleibt zwar weiterhin fest in unserer Hand, dennoch müssen wir mit Einbußen bei den Zöllen rechnen. Ich empfehle daher unsere Beziehungen zum Haus Erson und dem Grafen von Papin zu stärken. Dadurch würden wir unseren Einfluss auf den Seehandel und die Einfahrt zur Linfahrt-Bucht ausbauen. Als Basis hierfür können wir das Geld verwenden, mit dem sich das Haus Arbam vermutlich aus dem Vertrag mit uns freikaufen wird. Mit etwas Glück schaffen wir so einen Gegenpol zu den Anstrengungen des Hauses Mer – und das mit ihrem eigenen Geld.“

Harrod nickte zufrieden. Dann wandte er seine Aufmerksamkeit seinem zweiten Sohn zu.

„Nun du, Loras. Was sagst du zu diesen Berichten?“

„Heißt das, Levara und ich werden nicht heiraten?“

Das Gesicht des alten Mannes färbte sich gefährlich rot. Ehe er seiner Wut über die Naivität seines Sohnes Ausdruck verleihen konnte, schaltete sich Garan ein.

„Vater, wenn ich das richtig sehe haben wir hier wenig Handlungsspielraum. Der unverhoffte Geldsegen ermöglicht die Aufhebung des Vertrags. Das Cousin und Cousine heiraten ist ungewöhnlich, aber kein Einzelfall. Wir könnten versuchen im Volk Stimmung gegen die Hochzeit zu machen. Besonders unter der konservativen ländlichen Bevölkerung des Reichs werden wir damit sicher Erfolg haben. Allerdings hat die Königin im vergangenen Jahr gezeigt, dass sie bereit ist ungewöhnliche und unbequeme Entscheidungen zu treffen. Sie wird sich von ein paar wütenden Bauern nicht aufhalten lassen. Und wenn wir nicht sehr vorsichtig agieren, drohen Bauernaufstände. In der darauffolgenden Destabilisierung des Reichs werden die Karten völlig neu gemischt. Es gibt keine Garantie dafür, dass unsere Familie danach besser dasteht als jetzt.“

„Bravo, Garan. Ich wünschte dein Bruder hätte bei seiner Zeugung nur einen Teil deines Verstands erhalten.“

Harrod warf seinem jüngsten Sohn einen vernichtenden Blick zu. Loras wich seinem Blick wie so oft aus und starrte stattdessen betroffen zu Boden.

„Ich werde das Haus Arbam aber nicht so einfach davon kommen lassen. Wenn die Königin dieses Spiel spielen will, dann nehme ich die Herausforderung freudig an. Mal sehen, wie sie auf meinen Zug reagiert.“

Der Blick Harrods richtete sich auf einen ganz bestimmten Gegenstand an der Wand seines Arbeitszimmers. Er befand sich in einer Glasvitrine. Dort harrte er seines vorbestimmten Schicksals. Einst war er ein Geschenk des Hauses Arbam gewesen. Ein Geschenk, das sie nun zurück erhalten würden. Als Garan den Blick seines Vaters bemerkte, zuckten seine Mundwinkel amüsiert nach oben. Auch Loras wusste von der Bedeutung des Gegenstands. Protestierend wandte er sich an seinen Vater.

„Vater, du kannst doch nicht…“
„Schweig! Erzähl mir nie wieder was ich kann und was ich nicht kann.“


Unter dem eisigen Blick seines Vaters sank Loras noch ein Stück in sich zusammen. Harrod kehrte zu seinem Schreibtisch zurück. Er griff sich ein sauberes Stück Pergament und benetzte die Feder mit Tinte. Bevor er zu Schreiben begann, zitierte er das Motto des Hauses Galad.

„Ein Galad lebt für die Familie, ein Galad stirbt für die Familie.“

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 Betreff des Beitrags: Re: Das Königsspiel
BeitragVerfasst: 16.08.12, 11:30 
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Der nächste Zug


Der Hofstaat glich einem Ameisenhaufen. In wenigen Wochen stand die Bundschließung des designierten Großfürsten von Heredon mit der Königin des Großreiches Heredon-Galadon bevor. Niemand konnte ruhig schlafen. An jedem Ende des Palasts wurde geschrubbt. Einladungen mussten versandt werden. Fuhrleute schafften Unmengen von Speisen und Getränken herbei. Wenn es nach Stephan ging, sollte die Hochzeit den Glanz der Krönung noch überstrahlen. Es sollte ein Zeichen an alle Häuser des Reichs werden: Der Thron gehört dem Haus Arbam. Schon zwei Mal hatten Levara und er sich ausgedehnten Proben unterziehen müssen. Die Gründlichkeit des Zeremonienmeisters glich der Arbeit eines Bildhauers, der gerade damit beschäftigt war die feinen Venen an den Händen einer Statue herauszuarbeiten. Gleichwohl hatte Stephan Levara lange nicht mehr so fröhlich erlebt. Auch er verspürte eine ungeahnte Leichtigkeit. Allein seine Beziehung zu Ferdinand gestaltete sich schwieriger als erwartet. Obwohl die Königin nie einen Zweifel daran gelassen hatte, dass sie nur ihren Kammerdiener liebte, begegnete Ferdinand dem Bräutigam mit argwöhnischer Distanz. Stephan konnte es ihm nicht übel nehmen. Er fürchtete, dass Ferdinand von seiner Liebe zu Levara ahnen könnte. Wenn dem so war, hatte Ferdinand ihr zumindest bisher nichts von seiner Ahnung erzählt.

Tief in seinem inneren hoffte Stephan, dass Levara erkenne würde wie viel er für sie getan hatte. Vielleicht hatte sie eines Tages genug von ihrem Kammerdiener. Jedes Paar durchlebte irgendwann eine schwere Zeit. Dann würde er da sein und Levara trösten. Bis dahin würde er sich mit der aktuellen Situation abfinden müssen. Dennoch versetzte es ihm jedes Mal einen Stich, wenn er die beiden zusammen sah.

Es war Stephans Aufgabe Hochzeitsringe für Levara und sich auszusuchen. Es sollten ganz besondere Ringe werden. Deswegen hatte er sich an diesem Morgen auf den Weg ins Zwergenviertel gemacht. Gleich vier Palastwachen bahnten dem zukünftigen König einen Weg durch das ansonsten undurchdringliche Gedränge der Straßen. Der Hauptmann der Wache hatte ihn beschworen, die Händler in den Palast kommen zu lassen. Stephan hatte abgelehnt. Er wollte der Hektik des Hofes entkommen. Der Hauptmann war mit dieser Entscheidung ganz und gar nicht einverstanden gewesen.

Wenige Schritte trennten Stephan vom Zwergenviertel, als er auf einen Tumult in der Straße zu seiner rechten aufmerksam wurde. Eine Menschentraube hatte sich gebildet. Wann immer irgendetwas in den Straßen der Stadt geschah, fanden sich kurz darauf ein Dutzend Gaffer ein. Aus ihrer Mitte war lautes Gezeter und Gackern zu hören. Stephan gab dem Anführer seiner Eskorte ein Zeichen.

„Ich will mir ansehen, was dort geschehen ist, Korporal.“

Der Korporal warf einen prüfenden Blick in Richtung der Menschenmasse.

„Das halte ich für keine gute Idee, mein Prinz.“
„In wenigen Wochen werde ich dieses Reich an der Seite meiner geliebten Cousine regieren, Korporal. Ich will wissen, was in den Straßen meines Reichs vorgeht.“
„Mein Prinz, der Hauptmann hat uns strikte Anweisungen gegeben euch direkt und ohne Umwege zu den Händlern zu bringen.“
„Euer Hauptmann, Korporal, dient in wenigen Wochen mir.“


Zähneknirschend deutete der Korporal eine Verbeugung an.

„Wie ihr wünscht, mein Prinz.“

Er gab den anderen Wachen der Eskorte ein Zeichen. Gemeinsam machten sie sich auf den Weg. Nach und nach verstanden sie einzelne Sätze.

„… bezahlst du mir!“
„Wenn überhaupt zahlst du mir…“
„… deine Schuld!“


Die Wächter schufen eine Lücke in der Menschentraube, durch die Stephan zum Kern vorstoßen konnte. Dort bot sich ihm ein chaotisches Bild: Ein Handkarren mit Melonen war umgestürzt. Etliche davon lagen zerbrochen auf der Straße. Dadurch blockierten sie den Weg eines Eselkarrens. Das aufgeregte Tier wurde mit Müh und Not von einem dicken Mann in Zaum gehalten. Das linke Rad des Wagens war gebrochen. Auf seiner Ladefläche standen etliche Hühnerkäfige, was zumindest das Gackern erklärte. Bei einem der Käfige hatte sich der Verschluss gelöst. Das entflohene Huhn irrte zwischen den zerbrochenen Melonenhälften umher. Der Dicke stritt sich aufgeregt mit einem bäuerlichen Kerl.

Stephan versuchte sich Aufmerksamkeit zu verschaffen. Es gelang ihm erst beim zweiten Versuch.

„Was ist hier los?“
„Der Fette hat meine Melonen zerstört!“


Aufgeregt zeigte der Bauer auf den Dicken, der noch immer mit dem Esel kämpfte. Trotzdem fand er die Gelegenheit für eine tiefe Verbeugung. Offenbar kannte er zumindest die Grundregeln im Umgang mit dem Adel. Mit Sicherheit ein Stadtmensch, dachte sich Stephan.

„Mein Herr, bitte verzeiht die ungehobelte Ignoranz dieses Trottels. Wenn ihr mir erlaubt, will ich euch erklären was geschehen ist.“

Mit einem Wink signalisierte Stephan ihm fortzufahren.

„Ich führe meinen Esel diese Straße entlang, als dieser Tölpel plötzlich die Kontrolle über seinen Karren verliert. Die Melonen poltern mir direkt vor die Füße. Ihr könnt euch sicher vorstellen wie mich das erschreckt hat, mein Herr. Obwohl mein Esel ansonsten die Ruhe selbst ist, macht er einen Satz nach vorn. Dadurch geht das Rad meines Wagens zu Bruch. Das Ergebnis seht ihr jetzt vor euch, mein Herr.“
„Du elendiger Lügner!“


Stephan wandte sich dem Bauern zu.

„Erzählt mir bitte eure Version der Geschichte.“
„Also ich zieh gerade so meinen schweren Karren die Straße entlang. Mein Herr. Ist ja nicht einfach das Leben als Bauer. Mein Herr. Da macht der Esel einen Satz nach vorn. Mein Herr. Ich erschrecke fürchterlich. Mein Herr. Mein Karren kippt um und meine Melonen zerbrechen auf dem Boden. Mein Herr.“
„Schon gut, es genügt wenn ihr einmal ‚mein Herr‘ sagt.“


Seufzend rieb Stephan über seinen Nasenrücken. Vielleicht hätte er doch lieber weiter gehen sollen. Er kam nicht dazu weiter darüber nachzudenken, denn in diesem Moment verlor der Dicke vollends die Kontrolle über seinen Esel. Das hysterische Tier preschte ungeachtet des zerbrochenen Rads nach vorn. Die Hühnerkäfige flogen in hohen Bogen von der Ladefläche. Etliche von ihnen zerbrachen. Verängstigte Hühner flatterten durch die Gegend. Die Menschen stoben panisch auseinander, um nicht unter die Räder des Wagens zu kommen. Etliche von ihnen stolperten über Melonen und Hühner. Stephan war auf einmal umringt von einer Masse schwitzender Körper. Er verlor seine Wache aus den Augen. Man schob und stieß, zerrte und riss an ihm. Schmerzensschreie erfüllten die Luft. Den Göttern sei Dank fand Stephan sich auf einmal an einer Häuserwand wieder. Dicht an sie gepresst konnte er den unkontrollierbaren Kräften der Massenpanik entgehen. Er spürte einen Stich an seinem linken Arm. Irgendetwas musste ihn gestreift haben. Sein Brokathemd am Oberarm hatte ein Loch. Darunter erkannte er einen blutigen Schnitt. Zum Glück war er nicht all zu tief. Trotzdem ärgerte sich Stephan. Das alles wäre nicht passiert, wenn er auf den Korporal gehört hätte. Er nahm sich vor sich bei ihm zu entschuldigen. Ein leichter Schwindel ergriff von Stephan Besitz. Die Menschenmasse vor ihm und die lauten Schreie der Verletzten verschwammen zu einem grauen Rauschen, das ihn nach unten zog. Er stürzte auf die Knie und musste sich mit den Händen aufstützen, um nicht vornüber zu kippen. Es fiel ihm immer schwerer einen klaren Gedanken zu fassen. Sein Blick fiel auf einen kunstvollen Dolch, der keine Handbreit von ihm entfernt im Matsch der Straße lag. Schließlich versagten ihm auch seine Arme den Dienst. Jetzt Begriff er, was vor sich ging. Sein letzter Gedanke galt dem bezaubernden Lächeln Levaras.

Ruhe war in die Straße eingekehrt. Überall lagen Verletzte. In dem Durcheinander fiel es dem Korporal schwer den Rest der Eskorte, geschweige denn den Sohn des Großfürsten, ausfindig zu machen. Eher durch Zufall stolperte er über einen seiner Kameraden. Er half ihm in die Höhe. Wie es aussah hatte er sich das Bein gebrochen. Als er ihm aus dem Gewirr der Leiber hinaus half, hörte er den Ruf eines anderen Wächters.

„Korporal! Hier her, ich habe den Prinzen gefunden!“

Es fiel dem Korporal schwer den Ursprung des Rufs festzustellen. Schließlich erblickte er einen mitgenommen aussehenden Mann der Palastwache. Er kniete neben einer Gestalt am Boden und winkte aufgeregt in die Richtung des Korporals. Kaum hatte der Korporal seinen verletzten Kameraden an eine Hauswand gelehnt, eilte er hinüber zu dem Knienden. Jetzt erkannte er, dass es sich bei der Gestalt am Boden um den auf dem Bauch liegenden Stephan handelte. Er blutete aus einem kleinen Schnitt am Arm. Ansonsten waren keine größeren Verletzungen zu erkennen. Der Korporal betete zu den Vieren, dass Stephan nur ohnmächtig war.

„Er atmet nicht mehr, Korporal!“
„Was?! Verflucht!“


Eilig ging der Korporal neben dem leblosen Körper in die Knie und tastete nach dem Puls. Nichts.

„Ein Heiler, verdammt! Schnell!“

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 Betreff des Beitrags: Re: Das Königsspiel
BeitragVerfasst: 17.08.12, 11:25 
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Späte Rache


„Levara komm‘ schnell, es ist etwas passiert!“

Irritiert sah die Königin auf. Sie war im Gespräch mit zwei ihrer Zofen vertieft, als Ferdinand zur Tür hereingeplatzt kam. Levara warf ihm einen warnenden Blick zu.

„Ich muss doch sehr bitten, Bursche!“

Ferdinand, der jetzt erst der beiden anderen Frauen im Raum bemerkte, deutete eine Verbeugung an.

„Ich bitte vielmals um Verzeihung, eure Majestät. Dennoch muss ich meine Bitte wiederholen mich schnellstmöglich zu begleiten.“
„Nun gut. So es etwas dermaßen Eiliges gibt, will ich dich nicht warten lassen, Ferdinand.“


An ihre beiden Zofen gewandt fuhr Levara fort.

„Ihr beide macht bitte weiter mit der Wahl der Blumengestecke für die Hochzeit. Ich werde mir eure Liste dann später ansehen.“
Ergeben nickten die beiden Zofen ihr zu. Levara erhob sich von ihrem Stuhl.
„Bitte, Mejestät, hier entlang.“


Wieder machte Ferdinand einen Diener. Er führte sie im Schnellschritt zu einem der vielen Salons des Palasts.

„Willst du mir vielleicht erklären, warum wir durch den Palast rennen, Ferdinand?“
„Stephan.“
„Was ist mit ihm?“
„Am besten du siehst es selbst.“


Levara wurde unruhig. Ein solches Verhalten kannte sie von Ferdinand gar nicht. Normalerweise achtete er peinlichst genau darauf, sie in Anwesenheit Dritter richtig anzusprechen. Und dann diese merkwürdigen Andeutungen.

Ferdinand erreichte vor ihr den Salon und stieß die Tür auf. Drinnen waren bereits einige Personen versammelt. Sie erkannte ihren Onkel Leonhart und Geralt von Morthum. Daneben stand eine Frau in einem enganliegenden grünen Kleid, offensichtlich eine Geweihte Vitamas. Außerdem erkannte sie einen mitgenommen aussehenden Palastwächter. Sie alle standen um ein Sofa herum. Darauf lag eine weitere Gestalt. Erst beim Näherkommen konnte Levara die Gestalt als Stephan identifizieren. Seine Hände ruhten gefaltet auf seiner Brust. Die Augen waren geschlossen. Einige Schrammen verunstalteten das ansonsten friedliche Gesicht. Als die Königin den Raum betrat, hob ihr Onkel den Blick. Er sah überaus ernst aus. In seinen Augen lag etwas, dass die Königin nicht zu deuten vermochte. Leonhart wandte sich an die Frau in Grün.

„Ich danke euch dafür, dass ihr es versucht habt, euer Gnaden. Der Korporal wird euch hinaus geleiten.“

Die Dienerin Vitamas neigte ihr Haupt. Als sie an der Königin vorbeikam schlug sie die Augen nieder.

„Mein aufrichtiges Beileid, Majestät.“

Levara sah ihr verständnislos hinterher.

„Beileid?“

Sie wandte sich zu ihrem Onkel um, der noch immer zusammen mit Geralt neben dem Sofa stand.

„Onkel, was soll das alles? Und warum weckt niemand Stephan auf?“
„Es gab einen Tumult, Levara. Stephan versuchte zu schlichten. Dann gerieten die Menschen in Panik. Stephans Eskorte verlor ihn aus den Augen. Als sich der Staub gelegt hatte, fand die Wache ihn am Boden liegend. Er ist tot, Levara.“


Die Königin geriet ins Taumeln. Tot? Nein, das konnte nicht sein. Das durfte nicht sein! Ihr war als würde die Zeit stehen bleiben. Alles was sie sah, roch, spürte und hörte fühlte sich an als wäre es in Watte gepackt. Wie im Traum bemerkte sie, dass Ferdinand neben sie getreten war und ihren Arm stützte. Sie riss sich von ihm los und schwankte zum Sofa hinüber.

„Nein, nein, nein! Ihr irrt euch. Ihr müsst euch einfach irren. Er schläft nur.“

Sie kniete sich neben ihren Cousin und griff nach seiner rechten Hand. Sie fühlte sich kalt an. Da erkannte sie, dass ihr Onkel die Wahrheit gesprochen hatte. Ihr schwanden die Sinne.

Als sie wieder erwachte, fand sie sich auf einem nahen Sessel wieder. Sie hatte keine Ahnung, wie sie dort hin gelang wart. Ferdinand reichte ihr ein Glas Wasser.

„Bitte Majestät, trinkt, dann wird es euch besser gehen.“

Besser? Wie sollte ihr es jemals wieder besser gehen? Ihr Cousin war tot! Sie hatte nicht nur einen geliebten Menschen verloren, sondern auch die Hoffnung die sein Plan mit sich gebracht hatte. Dennoch griff sie nach dem Glas. Sie trank einen kleinen Schluck. Prompt musste sie husten. Ferdinand legte ihr fürsorglich seine Hand auf die Schulter.

„Vorsichtig, nicht zu schnell.“

Leonhart starrte auf seinen toten Sohn hinab.

„Als der Korporal ihn fand, ließ er sogleich einen Heiler holen. Er konnte nicht viel ausrichten. Also schickte man nach einer Geweihten Vitamas. Vergeblich.“
„Wie konnte das nur passieren? Er sieht so friedlich aus. Ich meine, müsste er nicht mehr Verletzungen haben, wenn er…“


Levara konnte nicht weiter sprechen. Zu furchtbar war die Vorstellung von einer in Panik geratenen Menge zu Tode getrampelt zu werden.

„Es war kein Unfall. Es war Mord.“

Levara brauchte eine Weile, bis sie die Bedeutung der Worte begriff.

„Wer sollte Stephan ermorden wollen, Onkel?“
„Die fünffach verfluchten Galads.“
„Das Haus Galad? Woher weißt du das?“
„Weil sie uns eine Botschaft hinterlassen haben.“


Leonhart zog hinter seinem Gürtel einen eingewickelten Gegenstand hervor und warf ihn auf den Tisch. Dumpf scheppernd schlug er dort auf. Levara beugte sich vor und schlug das Tuch beiseite. Zum Vorschein kam ein kunstvoll verzierter Dolch.

„Pass auf, dass du nicht die Klinge berührst. Sie ist vergiftet.“
„Ich verstehe das alles nicht, Onkel.“


An dieser Stelle schaltete sich Geralt ein.

„Als ich dem Bericht der Palastwache lauschte, Majestät, erkannte ich die Tat schnell als die Kopie eines Vorfalls, der sich vor etwas mehr als einhundert Jahren zutrug. Damals stritten sich die Häuser Arbam und Galad um den Anspruch auf den Thron, den noch das Haus Morn innehatte. Euer Urururgroßvater Gernod I. Ap Arbam ließ ein Mitglied der Familie Galad durch einen vergifteten Dolch ermorden. Ich habe es zwar noch nicht überprüft, aber das geschätzte Alter des Dolches vor euch deutet darauf hin, dass es derselbe ist.“

Levara starrte den Dolch an. Wie konnte jemand so etwas tun? Wut flammte in ihr auf. Warum konnten die verfluchten Galads sie nicht einfach in Ruhe lassen?

„Wir müssen das den anderen Häusern erzählen, Onkel! Das ist ein Angriff auf das Königshaus. Es muss bestraft werden! Die anderen Häuser werden das genauso sehen.“

Leonhart schüttelte schwach den Kopf.

„Nein Levara, das können wir nicht. Wir haben keine Beweise.“
„Wir haben den Dolch!“
„Vergiss den Dolch, Levara. Er ist wertlos. Wenn wir ihn als Beweis heranziehen, gestehen wir gleichzeitig die Schuld an dem Mord vor hundert Jahren.“
„Aber das ist doch ewig her!“
„Levara, die Häuser des Reichs kämpfen hinter ihrer glänzenden Fassade ununterbrochen um Macht. Es gibt Spione und Gegenspione, Verrat, Lügen und Betrug. Und manchmal auch Mord. Bei alldem gibt es nur eine Regel: Lass dich niemals erwischen. Wenn das passiert, fallen alle anderen Familien einem Wolfsrudel gleich über dich her.“
„Also können wir gar nichts unternehmen?“


Fassungslos starrte die Königin ihren Onkel an.

„Nicht so lange wir keine Beweise haben, die nicht zugleich auch uns belasten.“

Verzweifelt sank Levara in ihren Sessel zurück. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Als Königin sollte sie für Recht und Ordnung sorgen. Doch immer wenn es darauf ankam, waren ihr die Hände gebunden.

„Am besten wird es sein, wenn Ferdinand dich zurück in deine Gemächer bringt. Geralt und ich werden uns um alles Weitere kümmern.“

Levara kam nicht umhin ihren Onkel zu bewundern. Er hatte gerade seinen Sohn verloren und stand doch wie ein Fels in der Brandung. Dann sah sie seine Augen. Sie waren voller Trauer, Wut und Müdigkeit. In all den Jahren als Großfürst hatte ihr Onkel gelernt den Schein zu wahren. Im Grunde war er aber genauso verzweifelt wie sie. Ohne Widerspruch ließ sie sich von Ferdinand aufhelfen. Er brachte sie zurück in ihr Schlafzimmer.

„Vielleicht solltest du dich ein wenig hinlegen, Levara. Ich werde all deine Termine für heute absagen.“

Er war schon halb zur Tür hinaus, als sie ihn zurückrief.

„Bitte bleib, Ferdinand. Verlass mich nicht. Ich brauche dich.“

Er nickte und ging mit ihr zum Bett. Dort legte er sich neben sie.

„Halte mich fest, bitte.“

Seine Arme schlossen sich um sie. Die Wärme seiner Nähe zu fühlen tat ihr gut.

„Ferdinand, ich will dass wir beide ein Kind bekommen. Am besten gleich Zwillinge.“

Ihr Geliebter versteifte sich.

„Ein Kind? Levara, das war ein anstrengender Tag, du stehst noch unter Schock…“
„Nein, das ist es nicht. Denk doch mal nach: Stephan hat uns angeboten deine Kinder als seine anzuerkennen. Wenn ich jetzt schwanger werde, können wir sagen sie wären von ihm.“
„Ich weiß nicht ob das so eine gute Idee ist, Levara.“
„Willst du etwa keine Kinder?“


Levara sah Ferdinand verzweifelt an. Wieder schossen ihr Tränen in die Augen.

„Doch, Levara. Ich will Kinder mit dir haben.“

Zärtlich küsste er sie auf die Stirn.

„Nur findest du es nicht etwas… pietätlos?“
„Es ist die einzige Möglichkeit die wir haben, Ferdinand! Wie sollte ich sonst jemals erklären, dass ich schwanger bin? Denk an die Worte meines Onkels.“


Ferdinand seufzte.

„Lass uns bitte morgen darüber reden, wenn es dir etwas besser geht.“
„Na gut. Aber wenn ich bei meiner Meinung bleibe, dann gehst du gleich morgen noch zu den Geweihten Vitamas und fragst sie nach Kräutern, die uns helfen.“
„Kräuter?“


Der Zweifel in Ferdinands Stimme war kaum zu überhören.

„Versprich es mir!“
„Ja, Levara, ich verspreche es dir. Und jetzt versuch ein wenig zu schlafen.“


Kaum hatte er die Worte gesprochen, fühlte Levara wie sich bleierne Müdigkeit über sie legte. Sie fiel in einen traumlosen Schlaf.

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 Betreff des Beitrags: Re: Das Königsspiel
BeitragVerfasst: 18.08.12, 10:46 
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Sünder


Rodrigo Herat alias Alexander Glaran alias Hugo Gutglück rekelte sich genüsslich in der großen Wanne. Das waren nur drei seiner am meisten gebrauchten Namen. Er wechselte sie wie andere Leute ihre Unterwäsche – nun, jedenfalls im bürgerlichen Teil der Bevölkerung. Sich selbst nannte er am liebsten ‚die Spinne‘. Kein Opfer, das in sein Netz geriet, konnte ihm entkommen. Er dachte lächelnd an seinen letzten Auftrag zurück. Das er gleich von zwei nackten Schönheiten verwöhnt werden würde, hatte er ihm zu verdanken. Die Bezahlung war fürstlich ausgefallen. Dabei war es so einfach gewesen: Ein Pfeil um den Esel des dummen Viehhändlers zu erschrecken, abgeschossen aus einem Blasrohr. Ein weiterer Pfeil um ihn vollends in Panik zu versetzen. Die Menschenmassen trennten sein Ziel von der Eskorte. Anschleichen, ein kurzer Stich mit dem vergifteten Messer und verschwinden. Dass er die Mordwaffe am Tatort zurücklassen musste störte die Spinne. Sein Auftraggeber hatte darauf bestanden. Wenigstens hatte er einen kleinen Bonus für die Sonderleistung heraus handeln können.

Seit der Tat waren zwei Monate vergangen. Die Spinne hatte sich nach Vandrien abgesetzt. Hier ließ es sich mit dem vielen Geld gut leben. Er konnte sich sogar einige der Edelhuren leisten, die sonst den Reichen vorbehalten waren. Das ausschweifende Leben zerrte an seinen Reserven. Tatsächlich war der Besuch im ‚Badehaus‘ heute der letzte dieser Art. Glücklicherweise hatte er bereits einen weiteren Auftraggeber aufgetrieben. Ein zwielichtiger Geselle. Die Spinne hatte nur so lange überlebt, weil sie über die Jahre gelernt hatte andere Menschen einzuschätzen. Sein neuer Auftraggeber diente Angamon, darauf verwettete er seinen Arsch. Es war ihm egal. Sollten die Leute doch glauben woran sie wollten. Er hatte mit den Göttern einen einfachen Handel abgeschlossen: Ihr sorgt euch nicht um mich und ich sorge mich nicht um euch. Bisher war er damit gut gefahren. Wenn es überhaupt einen Gott gab, den er anziehend fand, war das Ignis. Er liebte das Feuer. Feuer war Macht. Wer es beherrschte konnte damit erschaffen oder zerstören. Sein erster Mord hatte mit Feuer zu tun gehabt: Für einen eifersüchtigen Bauern hatte er die Scheune eines anderen angezündet. Dumm, dass der Besitzer gerade mit einer Magd im Heuboden zugange war. Als sein Auftraggeber davon erfahren hatte, war er schockiert. Der Bauer hatte ihm seine Bezahlung verweigert. Das war sein zweiter Mord. Seitdem zog er eine blutige Spur quer durch Galadon, immer dem Geld hinterher.

Wo blieben nur diese verfluchten Mädchen, fragte sich die Spinne. Er war inzwischen ziemlich geil. Schuld war die perverse Freude, die ihn mit seiner Arbeit verband. Eine Zeitlang hatte er einen Geschäftspartner gehabt. Er hatte ihn in einer Hafenspelunke in Venturia aufgegabelt. Sie machten zwei oder drei Aufträge zusammen. Dann zeigte sich, dass sein Geschäftspartner nicht mit dem Engagement zurechtkam, mit dem die Spinne an ihre Arbeit ging. Ihre Wege trennten sich wieder. Zum Abschied hatte ihn sein Partner gewarnt, dass er es eines Tages übertreiben würde. Bisher war dieser Tag nicht gekommen.

Endlich tat sich etwas hinter der Tür. Es rumpelte laut, gefolgt von einem herzhaften Scheppern. Die Spinne fluchte leise. Wenn eines der Mädchen so blöd gewesen war, das teure Massageöl runter zu schmeißen, würde er dafür ganz sicher nicht aufkommen. Die Tür öffnete sich. Herein kamen nicht wie erwartet zwei nackte Schönheiten, sondern ein gutes Dutzend gut gerüsteter Soldaten. Sie trugen die weiße Uniform der heiligen Inquisition. Die Spinne sah sich einem Wald von Speerspitzen gegenüber, die alle auf sein Gesicht gerichtet waren. Ein Ruck ging durch die Soldaten. Sie machten einem stattlichen Mann mit glänzendem Brustpanzer halt. Die gepanzerte Faust des Mannes ruhte auf dem Knauf seines Schwerts. Von dem Austausch von Höflichkeiten schien er nicht sehr viel zu halten, denn er kam gleich zur Sache.

„Rodrigo Herat, ich verhafte euch wegen der Kooperation mit den Dienern des Ungenannten.“

Die Spinne warf ein Blick hinüber zu seinen Sachen. Sollte er es wagen sich den Weg freizukämpfen? Er hörte das Knirschen des Metalls, als der Plattenträger seine Hand fester um den Griff des Schwerts schloss.

„Versucht es nur, Rodrigo. Das erspart mir einen Haufen Arbeit.“

Ausgerechnet jetzt musste die Spinne an einen weiteren Rat seines einstigen Geschäftspartners denken: ‚Egal was du tust, halte dich von der Kirche fern‘. Er hätte den Auftrag den Geweihten zu ermorden besser nicht annehmen sollen.

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 Betreff des Beitrags: Re: Das Königsspiel
BeitragVerfasst: 19.08.12, 10:07 
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Im Dunkeln


Draconis war das Zentrum des Reichs. Hier wurde die Politik gemacht. Kaum eine Gemeinschaft konnte es sich erlauben nicht zumindest eine Niederlassung oder einen Abgesandten vor Ort zu haben. Auch nicht die Kirche der Viere. So galt Draconis schon seit langer Zeit nicht nur als politisches sondern auch als religiöses Zentrum. Nirgendwo sonst drängten sich Tempel, Kapellen und Schreine so dicht aneinander. Der größte von allen, der Tempel der Viereinigkeit, bildete ihre Mitte. Er war das Herz des Glaubens. Gleich daneben stand das Palais: ein prunkvoller Prachtbau, Sitz der Orden und Schaltzentrale der Kirche. Nur wenige Menschen außerhalb der Kirche wussten von den Gängen unterhalb des Palais. Ein Labyrinth aus Stein beheimatete beeindruckende Kunstwerke, Reliquien von unschätzbarem Wert und das Archiv. Noch weniger Menschen innerhalb der Kirche hatten je die Räume unter den Räumen gesehen. Hier lagerte das Allerheiligste. Und es war der Treffpunkt des Kirchenrats falls besonders heikle Themen anstanden. Geschützt durch meterdicken Fels war der Raum absolut abhörsicher, selbst für Magier.

Der Kirchenrat bestand aus vier gleichberechtigten Mitgliedern. Jedes von ihnen hatte die höchste Würde innerhalb seiner Gemeinschaft inne: die Schenkerin der Freuden vertrat die Diener Vitamas, der Träger des Lichts die Diener Astraels. Die Diener Bellums wurden vom Schwert Bellums vertreten und die Diener Morsans entsandten den Traumdeuter. Sie alle hatten sich heute in dem kleinen Raum tief unterhalb des Palais eingefunden.

Der Traumdeuter eröffnete die Runde. Er war nicht gerade für seine Gesprächigkeit bekannt.

„Willkommen, Geschwister. Deswegen rief ich euch.“

Er verteilte drei identische Schriften. Die vierte blieb vor ihm liegen. Interessiert studierten die Ratsmitglieder den Text. Der Träger des Lichts war wie immer als erster fertig. Fragend blickte er zum Schwarzberobten.

„Wann hat dich diese Prophezeiung erreicht?“
„Vor einer Woche.“
„Und sie stammt tatsächlich aus einem verschlafenen Kloster im Phönix Gebirge?“
Wandte die Schenkerin der Freuden ein.

Der Traumdeuter sah stumm zu ihr hinüber. Sein Gesicht blieb regungslos. Es war Antwort genug.

„Ich finde die Prophezeiung ist schwer zu deuten“, mischte sich das Schwert Bellums ein.
„Am meisten Sorgen bereitet mir der erste Teil“, sagte der Träger des Lichts. „Er ist unmissverständlich: Die Zeit des Einen naht.“
„Die Anomalie?“


Fragend sah das Schwert Bellums hinüber zu seinem Kollegen in der blauen Robe.

„Was für eine Anomalie?“

Die Schenkerin der Freuden sah zwischen dem Diener Bellums und Astraels hin und her. Wenn der Traumdeuter ebenso überrascht war wie sie, so ließ er es sich nicht anmerken. Der Träger des Lichts zögerte einen Augenblick, eher er zu erzählen begann.

„Ihr erinnert euch sicher alle noch an das Dunkeltief vor zehn Jahren. Geister und Untote brachen überall hervor. In Vandrien hatten wir es sogar mit einem Dämon zu tun. Es war schlimm. Fast zwei Monate haben wir gebraucht, bis wir die Lage im Griff hatten. Der Bruder und ich“, der Träger des Lichts nickte hinüber zum gerüsteten Schwert Bellums, „stellten daraufhin einige Nachforschungen an. Wir stießen auf einige interessante Schriften. Am verblüffendsten aber war die Erkenntnis, dass das Dunkeltief noch vor fünfhundert Jahren nicht viel mehr war als eine lange dunkle Zeit. Auch damals schon verbargen sich die Menschen in ihren Häusern, doch es geschah mehr aus Aberglaube heraus als aufgrund einer konkreten Bedrohung. Dann änderte sich die Lage. Wir fanden eine Schrift, die von ungewöhnlichen Geistererscheinungen zum Dunkeltief sprach. Sie traten nur vereinzelt auf, weswegen die damaligen Geweihten es für eine einmalige Sache hielten. Tatsächlich herrschte fast eine Generation lang Ruhe. Dann wurde wieder von ungewöhnlichen Ereignissen zum Dunkeltief berichtet. Die Auswirkungen waren stärker als beim ersten Mal, aber nichts im Vergleich zu dem Ausbruch vor zehn Jahren. Wir verfolgten die Spur weiter. Es schien als würde die Zahl und Intensität der Vorfälle am Dunkeltief über die Jahrhunderte stetig zunehmen. Dazwischen gab es immer wieder Zeiten des Friedens, die aber von Mal zu Mal kürzer ausfielen.“

An dieser Stelle übernahm der Geweihte Bellums.

„Es ist ein Signal. Das glauben wir jedenfalls. Ich kenne eine ganz ähnliche Taktik von Belagerungen, die dazu dient den Zeitpunkt des Angriffs im Heer abzustimmen und gleichzeitig die Belagerten in Angst versetzen soll. Rund um den belagerten Ort werden große Trommeln aufgebaut. Sie werden im Gleichklang geschlagen. Erst langsam, dann immer schneller. Schließlich erzeugen sie ein ohrenbetäubendes, nicht endendes Dröhnen. Dann verstummen die Trommeln. Die Stille leitete den Angriff ein.“

Der Träger des Lichts nickte zu diesen Worten.

„Als mir der Bruder von dieser Taktik erzählte, fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Die Vorfälle während des Dunkeltiefs sind nichts anderes als ein Signal an all die verderbten Diener des Einen. Noch sind sie in der Vorbereitung. Wenn es so weitergeht, rechne ich damit, dass in etwa fünfzig Jahren ein schweres Dunkeltief das nächste jagen wird. Und dann… wer weiß.“
„Warum erzählt ihr uns jetzt erst davon?“


Ärgerlich sah die Schenkerin der Freuden zu ihren beiden Kollegen.

„Wir waren uns noch nicht sicher“, gab der Blauberobte zu. „Doch die Prophezeiung hat meine letzten Zweifel beiseite gefegt. Irgendetwas kommt auf uns zu. Wir müssen alles in unserer Macht stehende tun, um uns vorzubereiten.“
„Ich finde euer Handeln unverantwortlich. Alle Ratsmitglieder haben das Recht darauf von einem solchen Verdacht zu erfahren, selbst wenn es noch Zweifel gibt!“


Beschwichtigend hob der Traumdeuter die Hände.

„Bitte, Geschwister. Konzentration auf das Wesentliche.“

Die Schenkerin der Freuden warf dem Blauberobten noch einen ärgerlichen Blick zu. Schließlich gab sie klein bei und lehnte sich zurück.

„Der Bruder hat Recht. Konzentrieren wir uns lieber auf den schwer zu deutenden Teil der Prophezeiung. Phönix? Asche? Was soll das alles?“

Das Schwert Bellums rieb sich über seine Glatze.

„Ich verstehe es auch noch nicht. Es muss irgendetwas mit dem Königsthron zu tun haben.“

Der Träger des Lichts deutete auf ein Wort in der Prophezeiung. Stille kehrte in dem kleinen Raum ein. Alle grübelten über die Bedeutung der Worte. Nach einiger Zeit ergriff die Schenkerin der Freuden das Wort.

„Ich weiß nicht ob es von Bedeutung ist. Vor zwei oder drei Monaten kam der erste Kammerdiener der Königin zu uns. Er bat um Kräuter, die eine Empfängnis sicherstellen können. Die angesprochene Geweihte wusste nicht weiter. Es gibt eigentlich keine Kräuter die so etwas garantieren. Sie gab ihm dennoch einige Kräuter mit. Seitdem kehrt er regelmäßig zu ihr zurück und bittet sie um mehr. Angesichts der Tatsache, dass die Beziehung des Kammerdieners zur Königin in aller Munde ist, kann ich daraus nur schließen, dass unsere geliebte Königin schwanger werden möchte.“

Der Träger des Lichts kräuselte die Lippen.

„Ich erhielt erst gestern einen Bericht von der Inquisition in Vandrien. Im Zuge der Ermittlungen gegen einen Diener des Einen ging ihnen eine zwielichtige Gestalt Namens ‚die Spinne‘ ins Netz. Bei der ‚Befragung‘ gab er zu mehrere Morde begangen zu haben. Darunter auch den Mord an Prinz Stephan II. Ap Arbam. Nach ein wenig weiterer Ermunterung stellte sich heraus, dass das Haus Galad hinter diesem Anschlag steckt. Der zuständige Geweihte erkannte glücklicherweise die Bedeutung dieser Information. Es ist der einzige Grund, warum dieses Individuum jetzt in einem feuchten Kerkerloch sitzt statt den reinigenden Flammen übergeben zu werden.“

Der gerüstete Diener Bellums fuhr in seinem Stuhl auf.

„Das müssen wir der Königin mitteilen!“

Der Träger des Lichts lehnte sich zurück.

„Müssen wir? Ich meine, bedenkt einmal die Folgen. Wenn bekannt wird, dass das Haus Galad den zukünftigen Gemahl der Königin ermordet hat, dann kommt es zu Unruhen unter den Häusern. Es könnte in einem Bürgerkrieg enden. Wollen wir das?“
„Der Bruder hat recht“
, sagte der Traumdeuter.
„Was schlägst du also vor?“ Wandte sich die Schenkerin der Freuden an den Blauberobten.
„Ich sehe dreierlei: erstens der Wunsch der Königin nach einem Kind, zweitens die Beweise für den Mord an Stephan II., drittens die Prophezeiung, deren Deutung uns im Moment noch nicht möglich ist. Unter den gegebenen Umständen scheint es mir am klügsten, wenn wir den Status Quo aufrecht erhalten bis wir die Prophezeiung zu deuten wissen.“

Dann erläuterter er seinen Plan. Es bedurfte einiger Überzeugungsarbeit. Am Ende aber erkannten alle Ratsmitglieder die Vorteile des Plans. Die Abstimmung fiel einstimmig aus. Die Umsetzung des Plans begann sofort.

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 Betreff des Beitrags: Re: Das Königsspiel
BeitragVerfasst: 20.08.12, 10:52 
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Tanz der Schwerter


Levara gab sich alle Mühe interessiert zu wirken. Es war nicht einfach. Vor ihr stand ein Abgesandter der Zwerge und erzählte ihr begeistert von der richtigen Methode nach Gold zu suchen. Er verwendete dabei Begriffe wie Ausbiss, Zeigerpflanze oder Magmatit. Den Zusammenhang begriff Levara nicht. Sie schenkte dem Zwerg ein unverbindliches Lächeln. Wann immer sie es für angebracht hielt, nickte sie. Der Zwerg schien sich damit zufrieden zu geben. Levaras Gedanken schweiften ab. Ein Jahr war es her, seitdem Stephan ermordet worden war. Unmittelbar danach hatte sie ihren Berater Geralt beauftragt nach Beweisen für die Einmischung der Galads zu suchen. Als seine Recherchen nach einem halben Jahr noch kein Ergebnis brachten, gab sie auf. Doch vergessen würde sie es nicht.

Ihre Beziehung zu Ferdinand hatte sich gewandelt. Er hatte ihr liebevoll über die schwere Zeit hinweg geholfen. Das Feuer der frischen Liebe war längst verflogen. An seine Stelle trat eine tiefe Vertrautheit. Ganz instinktiv wussten sie, was der andere gerade dachte. Auf Fremde wirkte es manchmal etwas befremdlich, wenn ihr Diener ohne Aufforderung genau im richtigen Augenblick Wein oder wichtige Unterlagen brachte. Sie störte sich nicht daran. Immer noch hatte sie den Wunsch von Ferdinand ein Kind zu bekommen, auch als längst klar war, dass ihnen niemand mehr die Ausrede mit Stephans Vaterschaft glauben würde. Ferdinand und Levara gaben sich reichlich Mühe, aber sie wurde einfach nicht schwanger. Selbst die neuen Kräuter, die sie seit einem dreiviertel Jahr von den Geweihten Vitamas erhielt, halfen nicht. Zumindest schien es, als hätte ihr Onkel seinen Frieden mit Ferdinand gemacht. Sie wünschte beinahe, dass es nicht so wäre. Ihr Onkel hatte nach dem Tod seines Sohns stark abgebaut. In letzter Zeit fand sie ihn immer öfter betrunken an. Früher hatte er stets pingelig auf den Sitz seiner Kleidung geachtet. Heute merkte er manchmal nicht einmal mehr, dass sein Hemd aus der Hose heraus hing. Versuche mit ihm darüber zu sprechen blieben erfolglos. Stets blockte er ab.

Levara löste den Blick vom Zwerg und sah sich im Saal um, der für den Empfang hergerichtet worden war. Sie fand ihren Onkel etwas abseits stehend. Auch das sah ihm gar nicht ähnlich. Früher hätte er keine Gelegenheit ausgelassen mit den anderen Edelleuten im Saal Neuigkeiten auszutauschen. Offensichtlich hatte er heute einen seiner schlechten Tage.

Das schwere Tocken eines Stabs verkündete die Ankunft eines neuen Gasts. Der Diener am Eingang kündigte die Ankunft von Harrod XV. Ap Galad, Großfürst von Galadon, an. Natürlich ließ sich der Großfürst eine solche Gelegenheit nicht entgehen. Trotzdem hatte Levara gehofft er würde fernbleiben. Zielstrebig bewegte Harrod sich auf ihren Onkel zu. Levara überkam ein ungutes Gefühl. Sie bat den dozierenden Zwergen um Entschuldigung und versuchte sich einen Weg durch die Menge zu bahnen. Als Königin glich es einem Spießrutenlauf. Immer wieder sprachen sie Botschafter und Adelige an. Die Höflichkeit gebot es, dass sie sich nicht einfach vorbei drängelte, sondern sich zumindest nach dem Wohlbefinden erkundigte. Schließlich erreichte sie die andere Seite des Raums. Leonhart und Harrod sprachen bereits miteinander.

„Im Übrigen möchte ich euch im Namen des ganzen Hauses Galad noch einmal unser tiefstes Beileid zum Tod eures Sohns zum Ausdruck bringen. Welch tragisches Schicksal, vom in Panik geratenen Pöbel zu Tode getrampelt zu werden.“

Levara schnappte nach Luft. Für diese Bosheit hätte sie den Großfürsten am liebsten geohrfeigt. Sie konnte nur ahnen, wie es in ihrem Onkel aussah. Harrod bemerkte in diesem Augenblick die Anwesenheit der Königin und deutete mit süffisantem Lächeln eine leichte Verbeugung an. Dass er dabei vom Blick Leonharts durchbohrt wurde, schien ihn nicht zu stören.

„Meine allerbesten Grüße, Majestät. Eure Schönheit überstrahlt den Glanz dieses Empfangs bei weitem.“

Die Königin zählte stumm bis drei. Dann schenkte sie dem Fürsten ein künstliches Lächeln.

„Auch ich grüße euch, Großfürst. Es ist mir eine Freude, dass ihr diesen Empfang mit eurer Anwesenheit beehrt. Darf ich euch zum Buffet geleiten? Meine Köche haben wirklich ganz vorzügliche Arbeit geleistet.“
„Ich danke euch, Majestät. Ich bin gerade in ein so angeregtes Gespräch mit eurem Onkel vertieft. Aber da ihr jetzt zu uns gestoßen seid, wäre es vielleicht an der Zeit das Thema zu wechseln.“


Das ungute Gefühl in Levara wurde stärker. Sie fragte sich, was dieser verlogene Hund diesmal plante. Ging es ihm nur darum ihren Onkel zu demütigen oder hatte er noch mehr im Sinn?

„Was schwebt euch vor, Großfürst?“
„Ich will nicht lange drum herum reden. Da euer Cousin und Bräutigam auf so tragische Weise verstorben ist, hoffte ich ihr würdet vielleicht noch einmal die Möglichkeit einer Verbindung unserer Häuser in Betracht ziehen.“


Levaras Lächeln entglitt. Sie kam nicht zum Antworten. Ihr Onkel war aus seiner Starre erwacht und schlug Harrod kräftig mit dem Handrücken ins Gesicht. Der Galad schien mit einer solchen Reaktion nicht gerechnet zu haben. Er taumelte einen Schritt zurück und hielt sich die Wange. Augenblick verstummten die Gespräche in der Nähe.

„Ihr wagt es uns so ein Angebot zu unterbreiten, nach allem was ihr unserem Haus angetan habt?“

Das Gesicht Leonharts war rot vor Wut. Wären seine Augen Waffen, so läge Harrod längst tot am Boden. Stattdessen schenkte er seinem Kontrahenten ein gerissenes Lächeln.

„Ich habe keine Ahnung wovon ihr sprecht, Großfürst Leonhart.“
„Du hast meinen Sohn umgebracht, du Schwein!“


Entsetzt hob Harrod seine Hände. Aus seinem Gesicht sprach die Unschuld selbst.

„Ich? Ihr müsst euch irren, Großfürst! Ich war am anderen Ende Galadons als es geschah. Wie sollte ich da Hand an euren Sohn anlegen?“
„Durch einen Gefolgsmann natürlich!“
„Das klingt mir nach einer spannenden Geschichte, die ihr euch da zusammengereimt habt, Leonhart. Ist sie euch im Rausch eingefallen? Wie ich hörte, sollt ihr in letzter Zeit dem Wein ordentlich zusagen.“
„Genug!“


Leonharts Stimme überschlug sich fast. Mit einem Ruck zog er das Schwert aus der Scheide an seinem Gürtel hervor. Levara machte einen Schritt auf ihn zu.

„Onkel, nein!“
„Halt dich da raus, Levara.“
„Als deine Königin verbiete ich es dir!“
„Das hier ist eine Sache zwischen dem Haus Arbam und dem Haus Galad. Das geht die Königin nichts an.“


An Harrod gewandt fuhr Leonhart fort.

„Großfürst Harrod XV. Ap Galad, ich fordere dich zu einem Duell aufs dritte Blut.“

Levara konnte ihren Ohren kaum trauen. Ein Duell aufs dritte Blut endete zwangsläufig mit dem Tod einer der Kontrahenten. Ihr Onkel musste von allen guten Geistern verlassen sein. Hilfesuchend blickte sie sich um. Sie überlegte die Palastwache eingreifen zu lassen. Doch die Duellaufforderung war bereits ausgesprochen. Sie hatte nicht das Recht, dass Duell zu beenden. Würde sie es dennoch tun, verloren ihr Onkel und sie das Gesicht. Jetzt bestand ihre einzige Hoffnung darin, dass sich der über fünfundzwanzig Jahre ältere Harrod nicht auf das Duell einlassen würde. Mit seinen fast fünfundsechzig Jahren war er dem siebenunddreißigjährigen Leonhart normalerweise deutlich unterlegen. Leider war es für Leonhart keine normale Zeit.

„Mit Freuden nehme ich an, Großfürst. Wäre doch gelacht, wenn ich nicht mit einem Säufer fertig werden würde. Es ist wirklich Schade, dass das Haus Arbam nach dem Sohn nun auch noch den Vater verlieren wird.“

Damit zog auch Harrod seine Waffe. Er führte ein kunstvolles Schwert mit gebogenem Griff. Eine solche Waffe war für den Krieg ungeeignet. Für Duelle eignete sie sich hingegen bestens. Verzweifelt suchte Levara nach einem Ausweg. In diesem Augenblick wurde sie am Arm gepackt und ein Stück zurück gezogen. An ihrem Ohr hörte sie die Stimme Geralts.

„Majestät ihr habt keine Möglichkeit mehr das Duell aufzuhalten. Bringt wenigstens euch in Sicherheit. Und betet für euren Onkel.“

Die Männer bezogen Aufstellung. Um sie herum bildete sich ein Kreis. Aus der Menge war die hysterische Stimme einer Frau zu hören. Levara verstand nicht was sie sagte. Wie hypnotisiert starrte sie auf die beiden Duellanten.

Ihr Onkel trug das Schwert eines Kriegers. Es war wesentlich robuster als die filigrane Waffe seines Gegenübers. Aber sie war auch schwerer. Ausgelegt darauf zu töten und sich nicht erst mit langen Schlagabtauschen abzugeben, wie sie bei einem Duell üblich waren. Beide Männer hoben die Klingen zum Gruß. Leonhart machte den ersten Ausfall, der geschickt von Harrod pariert wurde. Offensichtlich hatte Levaras Onkel verstanden, dass er diesen Kampf schnell beenden musste. Mit einer Reihe wuchtiger Schläge trieb er Harrod vor sich her. Laut klirrend prallte Metall gegen Metall. Die Königin begann neue Hoffnung zu schöpfen, als ihr Onkel seinen Kontrahenten in die Ecke getrieben hatte. Doch es gelang dem Galad sich mit einer geschickten Drehung zu befreien.

„Sollte ich vielleicht erwähnen, dass ich wöchentlich mit einem Schwerttänzer des schönen Volks der Elfen übe?“ Meinte der alte Mann spottend nach seinem Kunststück.

Leonhart ließ sich davon nicht beirren. Der Arbam setzte seinem Gegner nach. Es war offensichtlich, dass seine Angriffe bereits an Kraft verloren. Das schwerere Schwert – und wohl auch der Alkohol, wie Levara befürchtete – forderte bereits seinen Tribut. Harrod ging in die Offensive. Die Menge stöhnte auf, als Leonhart erst im letzten Moment einem Angriff auswich. So ging es hin und her. Leonharts Arme wurden schwer. Seinen Angriffen mangelte es an Präzision und Kraft. Immer häufiger taten sich Lücken in seiner Verteidigung auf. Beide Männer bluteten bereits aus einer Anzahl kleinerer Schnittwunden. Schließlich unterlief Leonhart der eine fatale Fehler, der dem Duell ein Ende bereitete. Er setzte seinen Angriff ein wenig zu hoch an, Harrod unterlief ihn und stach ihm direkt in die Eingeweide. Röchelnd sank Levaras Onkel auf die Knie. Die Königin schrie entsetzt auf. Überheblich lächelnd beugte sich das Oberhaupt des Hauses Galad zum Geschlagenen hinab.

„Ihr seid tot, Großfürst.“

All die Verzweiflung und Wut des letzten Jahres brachen aus Leonhart hervor. In einem letzten Aufbäumen packte er sein Schwert mit beiden Händen und stieß es tief in den Körper des Galads. Fassungslos blickte dieser auf das Schwert hinab, dass ihm bis zum Heft im Bauch steckte.

„Du… aber auch.“

Es waren die letzten Worte Leonharts. Erst fiel er, dann Harrod zu Boden. Ein zufällig anwesender Weißmagier stieß Levara zur Seite. Noch im Laufen bereitete er einen Zauberspruch hervor. Aber weder Harrod noch Levaras Onkel waren noch zu retten. So endeten die Leben der Großfürsten von Galadon und Heredon.

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 Betreff des Beitrags: Re: Das Königsspiel
BeitragVerfasst: 21.08.12, 11:38 
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Ferdinand verfluchte das Wetter. Schon seit Tagen goss es wie aus Kübeln. So viel Regen war für den Vitama völlig untypisch. Es schien als hätten die Götter beschlossen die Stadt den Drac hinab zu spülen. Vielleicht war es auch eine Nachwirkung des Dunkeltiefs, überlegte sich Ferdinand. Schaudernd dachte er an die Begegnung mit dem Nachtalp zurück. Glücklicherweise verfügte der Palast über einige äußerst mächtige Schutzzauber. Leider war keiner dabei, der den Regen von seiner Kleidung abhielt. Sein edler Umhang war längst durchnässt. Er fragte sich, warum er sich von Levara hatte dazu überreden lassen mitten in der Nacht zum Tempel Vitamas zu stapfen. Er kannte die Antwort: Weil er sie immer noch liebte. Dabei machte sie es ihm seit dem Tod ihres Onkels letztes Jahr alles andere als leicht. Der Wunsch ein Kind zu bekommen hatte sich zur Manie gesteigert. Ferdinand fürchtete, dass sie ihm die Schuld am ausbleibenden Erfolg gab. Levara stopfte die Kräuter der Diener Vitamas Bündelweise in sich hinein. Er hielt nicht viel davon. Seine Mutter hatte immer gesagt, dass man das Glück nicht erzwingen konnte. Wenn er mit Levara darüber sprach, endete es meist in einem Streit. Sie stritten sich oft in letzter Zeit. Und dann gab es wieder Phasen, in denen sie sich hemmungslos weinend an ihn warf und ihn bat sie niemals zu verlassen. Ferdinand wusste nicht wie er damit umgehen sollte.

Endlich erreichte er den Tempel. Statt den Haupteingang zu nehmen, bog er in eine kleine Seitengasse ab. Sie führte ihn zu einer unscheinbaren Hintertür. Nach zweimaligem Klopfen wurde die Tür geöffnet. Ferdinand gegenüber stand die junge Geweihte, die er nun schon seit fast zwei Jahren regelmäßig aufsuchte, um neue Kräuter für seine Geliebte zu holen.

„Der Göttlichen Mutter zum Gruße, Herr Rabenglück. Bitte tretet doch ein. Ich habe schon mit euch gerechnet.“
„Vitama zur Ehr, Gnaden Doreen. Ja, es ist mal wieder soweit.“


Die Geweihte machte ihm Platz. Ferdinand betrat das inzwischen so vertraute Hinterzimmer des Tempels. Es war eigentlich nicht für die Öffentlichkeit bestimmt, sondern eher eine Art Lagerraum. Obwohl es Schränke und Regale gab, lagen die meisten Sachen mehr oder weniger sortiert im Raum herum. Viele Diener Vitamas taten sich mit Ordnung schwer. Im Schein der Lampen erkannte Ferdinand, dass Doreens Augen gerötet waren. Es sah aus als hätte sie geweint. Die ansonsten perfekt sitzende Schminke war an einigen Stellen verwischt.

„Alles in Ordnung, euer Gnaden?“
„Was? Oh…“
, die Geweihte fuhr sich mit dem Ärmel ihres Kleids über die Wange. „Ja, alles in Ordnung.“

Ihr Blick wanderte an Ferdinand vorbei ins Leere. Sie zögerte einige Augenblicke.

„Wir alle haben jemanden, dem wir Treue schuldig sind.“

Sie sah wieder zu Ferdinand.

„Wem seid ihr Treue schuldig, Herr Rabenglück?“
„Nun, der Königin natürlich.“


Doreen lächelte schwach.

„Natürlich. Wie dumm von mir.“

Ferdinand beobachtete stirnrunzelnd wie die Geweihte zu einem kleinen Tisch hinüber ging. Normalerweise war sie die Fröhlichkeit in Person. Auf dem Tisch lag ein dickes Buch. Die Dienerin Vitamas legte ihre Hand darauf.

„Ihr solltet einen Blick hier hinein werfen. Vielleicht ist ja etwas Hilfreiches für euch und eure Partnerin dabei. Ich werde inzwischen die Kräuter holen.“

Die Geweihte warf Ferdinand einen vielsagenden Blick zu und verschwand durch eine zweite Tür aus dem Raum. Neugierig geworden trat Ferdinand an den Tisch heran. Der dicke Band war kunstvoll mit stilisierten Weinranken verziert. Sein Titel lautete ‚Das Vitamitra‘. Er konnte wenig damit anfangen. Also schlug er das Buch wahllos an irgendeiner Stelle auf. Was er sah, trieb ihm die Schamesröte ins Gesicht. In einer überaus detaillierten Abbildung waren ein nackter Mann und eine nackte Frau beim Liebesspiel zu sehen. Daneben fand er einen erläuternden Text. Überschrieben war das Ganze als ‚Die Verbeugung vor der Herrin‘. Hastig blätterte er weiter. Auf jeder Seite gab es andere Darstellungen von Menschen in verschiedensten Positionen. Und nicht immer waren es Mann und Frau. Auch Frau und Frau oder Mann und Mann waren von Zeit zu Zeit abgebildet. Bei einer besonders abstrusen Abbildung blieb Ferdinand hängen. Das Buch bezeichnete sie als ‚Lafay’s Stab‘. Ferdinand konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, wie sich zwei Menschen dermaßen verrenken sollten. Auf den nächsten Seiten gab es noch mehr solcher Bilder. Ein oder zwei fand Ferdinand durchaus interessant. Er versuchte sie sich einzuprägen. Vielleicht konnte er Levara damit überraschen.

Schließlich endeten die Bilder. Ferdinand fand sich in einem Kapitel über Kräuter und sogenannte ‚Vitamica‘ wieder. Jetzt erst bemerkte er das Blatt, das als Lesezeichen zwischen die Seiten geschoben war. Als er das Buch an der entsprechenden Stelle aufschlug, erkannte Ferdinand das Lesezeichen-Blatt als das Kraut, das Levara die ganze Zeit über zu sich nahm. Auf der aufgeschlagenen Seite fand sich eine Abbildung des gleichen Blatts. Allein die Beschreibung dazu schien fehlerhaft zu sein. Ihr folgend handelte es sich bei dem Blatt um ein Kraut zur Verhütung. Es verhinderte zuverlässig die Schwangerschaft. Für Ferdinand ergab das keinen Sinn. Noch einmal verglich er das Blatt mit der Abbildung. Es handelte sich ohne jeden Zweifel um das gleiche Blatt. Er fragte sich, ob er sich vielleicht irrte und Levara ein anderes Kraut bekam. Doch er hatte dieses Kraut in den letzten zwei Jahren so oft in der Hand gehabt, dass ihm ein Irrtum unwahrscheinlich erschien. Wenn er sich also nicht irrte und wenn die Beschreibung im Buch die Wahrheit sagte, dann konnte das nur bedeuten, dass… Ferdinand erinnerte sich an das merkwürdige Verhalten der Geweihten und an ihre Worte über die Treue. Plötzlich fügte sich alles zu einem Bild zusammen. Weder Levara noch er waren an der ausbleibenden Schwangerschaft schuld. Jetzt erinnerte er sich auch, dass Levara das Verhütungsmittel nicht von Anfang an erhalten hatte. Es war ihr erst nach einigen Monaten angeboten worden, weil es angeblich besser wirken sollte. Ferdinand wurde die ganze Tragweite dieser Entdeckung bewusst. Hastig riss er die Seite aus dem Buch heraus und stopfte sie in seine Tasche. Das Buch schloss er in dem Augenblick, als Doreen zurückkehrte. Sie sah zuerst auf den Band und dann zu ihm.

„Ich hoffe ihr habt die Antwort auf eure Fragen gefunden, Herr Rabenglück.“
„Das habe ich. Ich danke euch.“


Traurig lächelnd reichte die Geweihte ihm das Säckchen mit den Kräutern.

„Vielleicht wird sie die hier ja schon bald nicht mehr benötigen.“
„Das hoffe ich.“


Sie geleitete ihn zur Türe. Bevor er hinaus in den Regen verschwand, wandte er sich noch einmal zu ihr um.

„Ich danke euch vielmals. Wirklich. Ohne euch wären wir niemals hinter die wahre Wirkung der Kräuter gekommen.“

Hastig presste Doreen ihm einen Finger auf die Lippen. Ängstlich spähte sie die Gasse entlang.

„Die Wände haben Augen und Ohren“, flüsterte sie ihm zu. „Sie beobachten euch. Geht auf direktem Weg nach Hause. Und meidet die Schatten. Lauft!“

Die Furcht in ihrer Stimme war so groß, dass Ferdinand es nicht wagte zu widersprechen. Er sprang in den Regen und nahm seine Beine in die Hand.

Am nächsten Morgen fand man ihn tot in einer Seitengasse liegend. Seine Taschen waren leer.

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 Betreff des Beitrags: Re: Das Königsspiel
BeitragVerfasst: 22.08.12, 10:37 
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Was übrig bleibt


Tief und grau hingen die Wolken über dem Palastgarten. Das Wetter passte zu dem Gemüt der Königin. Sie konnte sich an die ersten Wochen nach Ferdinands Tod kaum noch erinnern. Ein dichter Nebel lag auf ihren Erinnerungen. Sie wusste, dass sie Stunden lang am Fenster gesessen und ihr Haar gekämmte hatte. Im einen Augenblick war ihr zum Heulen zumute, im nächsten erfasste sie ein unbändiger Zorn, der sich gegen alles und jeden richtete. Und schon kurz darauf schien ihr alles egal zu sein. Ihr Heiler sprach von einem Schock und verordnete Ruhe. Irgendwann wurde es besser. Dafür kamen die Albträume. In einem besonders schrecklichen stand sie mit Ferdinand an einer Klippe. Er gestand ihr seine Liebe. Sie wollte ihn in die Arme schließen, doch genau in diesem Moment verlor er das Gleichgewicht und stürzte die Klippe hinab.

Mit der Zeit wurden auch diese Albträume seltener. Inzwischen hatte sie gute und schlechte Tage. An schlechten saß sie lethargisch in ihrem Bett und konnte sich nicht dazu bewegen aufzustehen. Sie ließ dann alle Termine absagen. Außerdem hatte sie den Palast und den angeschlossenen Garten seit Ferdinands Tod nicht mehr verlassen. Sie mied öffentliche Auftritte wo immer es ihr möglich war. Ohne festes Ziel vor Augen lebte sie ihr Leben in den Tag hinein. Ein Jahr ging das schon so. Der Jahrestag von Ferdinands Tod war besonders schlimm gewesen.

Man hatte ihr erzählt, dass er Opfer eines Raubüberfalls gewesen worden war. Das Schwert hatte direkt sein Herz getroffen. Zum Glück – wie sie es nannten – hatte er nicht leiden müssen. Für Levara war es völlig unverständlich, wie sie von Glück reden konnten. Ferdinand war Tod. Und sie gab sich die Schuld daran. Hätte sie nicht darauf bestanden, dass er an diesem Abend noch einmal zum Tempel lief, wäre er noch am Leben. Sie glaubte auch nicht an einen Raubüberfall. Ihr erster Verdacht fiel auf das Haus Galad. Jene Familie, die ihr so viel Leid beschert hatte. Aber wie es schien waren sie dieses eine Mal tatsächlich unschuldig. So blieb der Mörder im Dunkeln.

Heute war einer ihrer schlechteren Tage. Die hektische Betriebsamkeit am Hof war ihr auf die Nerven gegangen. Deswegen hatte sie sich in den Palastgarten zurückgezogen. Das Wetter war kalt und unfreundlich. Fest in den Umhang Ferdinands eingewickelt saß sie auf einer Bank. Wenn sie die Augen schloss und ihre Nase tief in den Stoff grub, glaubte sie einen Hauch seines Dufts zu riechen. Es war nicht viel, aber es beruhigte sie. Und es machte sie traurig. Sie vermisste ihn wirklich sehr.

Ein leises Räuspern schreckte sie auf. Eine ihrer Wachen war an sie heran getreten. Sie erkannte ihn als den Korporal wieder, der die Eskorte Stephans angeführt hatte. Seit damals gehörte er zu ihren treusten Wachen. Er Begriff es als Wiedergutmachung für sein Versagen, wie er ihr eines Tages anvertraut hatte. Es erinnerte sie an eines der wenigen Male, das sie mit ihrem Vater verbracht hatte. Er hatte ihr beigebracht, stets Milde mit jenen zu sein, die ihr etwas schuldeten. Sie würden es ihr tausend Mal vergüten, hatte ihr Vater gesagt. Warum nur ließen sie alle Männer in ihrem Leben allein?

Noch einmal räusperte sich der Korporal. Ein zweites Mal schreckte Levara aus ihren Gedanken auf. Sie schalt sich dafür, dass sie heute nicht einmal einen Moment lang die Konzentration wahren konnte. Bevor ihre Gedanken ein weiteres Mal abschweifen konnten, erkundigte sie sich bei der Wache nach dem Grund der Störung.

„Was ist los, Korporal?“
„Majestät, Großfürst Garan III. Ap Galad ist hier. Er bittet um ein Gespräch.“


Levara sah an dem Gerüsteten vorbei zu einer weiteren Wache, die aufmerksam das neue Oberhaupt der Familie Galad im Auge behielt. Als der Großfürst ihren Blick bemerkte, deutete er eine Verbeugung an. Levara sah wieder zu dem Korporal hinauf.

„Was möchte er?“
„Das sagte er nicht, Majestät.“


Wieder sah sie zu dem Galad hinüber. Ein Wink signalisierte ihm, dass er näher treten durfte. Als er noch einige Schritt von ihr entfernt war, gab sie ihm zu verstehen, dass es nah genug sei.

„Warum sollte ich euch sprechen wollen, Großfürst Garan III. Ap Galad?“

Die letzten Worte spie sie beinahe hinaus als wäre es Gift.

„Ich bin nicht mein Vater, Majestät.“
„Das spricht zweifellos für euch, Großfürst. Dennoch sehe ich nicht, was wir zu besprechen hätten.“
„Es geht um die Vorfälle im Norden des Reichs, Majestät.“


Widerwillig ließ sie ihn fortfahren. Er trat einen Schritt näher, woraufhin er sich sofort einen missbilligenden Blick von ihr einfing.

„Ihr seid sicher bereits über die Vorfälle im Bilde, Majestät. Ich meine die Überfälle der Nortraven und Orken auf Bauernhöfe entlang der Grenze.“
„Ich bin darüber im Bilde.“


Das war sie tatsächlich. Boten hatten ihr von den Überfällen berichtet. Es schien als hätten beide Völker Raubtieren gleich das Blut der verwundeten Königin gerochen. Sie nutzten die Schwäche der Königin für Raubzüge entlang der Grenze. Und sie wurden dabei immer frecher. Vor kurzem erst war eines der nortravischen Drachenschiffe unweit von Vandris gesichtet worden. Gleichzeitig erhoben sich einmal mehr die Endophalis im Süden. Levara war keine Heerführerin. Sie hatte stets gehofft, dass ihr Onkel oder Stephan sich um dererlei Angelegenheiten kümmern würden. Fürst Sorbo aus dem Haus Mer hatte sich bereiterklärt die Aufstände im Süden niederzuschlagen, schon aus eigenem Interesse heraus. Im Norden gestaltete sich die Lage schwieriger. Der Ersonter Graf weigerte sich mit ihr zu kooperieren. Zu tief waren die Gräben zwischen seiner und ihrer Familie. Eigentlich hätte sie damit rechnen müssen, dass das Haus Galad diese Situation ausnützen würde.

„Dann…“, fuhr Garan fort.
Levara hob die Hand.

„Bitte, Großfürst. Ihr mögt nicht euer Vater sein, scheinbar habt ihr jedoch einige seiner weniger erfreulichen Angewohnheiten übernommen. Ich bin heute nicht in der Stimmung für Spielchen. Kommt zur Sache, sonst ist dieses Gespräch beendet. Was wollt ihr?“

Der Großfürst deutete eine Verbeugung an.

„Das, was meine Familie immer schon wollte, Majestät: Was uns im Vertrag zwischen unseren Häusern zugesagt wurde.“
„Der Vertrag ist Geschichte. Ihr wurdet ausgezahlt. Und das mehr als reichlich.“
„Gewiss, Majestät. Gewiss. Wir haben dieses Geld gut investiert. Bestimmt habt ihr schon von der neuen Allianz zwischen dem Haus Galad, dem Haus Erson und dem Grafen von Papin gehört, Majestät.“
„Mein Berater hat mir davon berichtet.“
„Zudem hat gerade eben erst der vandrische Fürst ein Schutzabkommen unterzeichnet, das uns im Gegenzug für den Schutz Vandriens Zollfreiheit und freien Handel gewährt. Mit anderen Worten, Majestät: Wir kontrollieren jetzt den Norden und Westen des Reichs.“
„Worauf wollt ihr hinaus?“
„Wir wissen, dass das Haus Mer die Verteidigung des Südens übernommen hat. Wir bieten euch das gleiche für den Norden des Reichs an, Majestät. Denn obgleich wir in der Vergangenheit unsere Streitigkeiten hatten, ist auch meinem Haus an der Stabilität des Reichs gelegen. Schließlich geht es darum, dass Volk zu schützen.“


Levaras Blick wanderte fort vom Fürsten hinüber zu dem kleinen Springbrunnen. Sie konnte es drehen und wenden wie sie wollte, der Großfürst hatte nicht ganz unrecht. Und auch wenn sie sich dafür hasste, musste sie sich dennoch eingestehen, dass sie allein nicht dazu in der Lage war das Reich im Norden zu bewahren. Nicht nachdem sich das Haus Erson so widerspenstig gab. Der Schutz des Volks und die Stabilität des Staats waren die ureigensten Aufgaben des Throns. Es war alles, was ihr noch geblieben war. Alles in ihr sträubte sich dagegen, einen Bund mit den verfluchten Galads einzugehen. Doch ein wachsender Teil ihrer selbst sagte ihr, dass ihr gar nichts anderes übrig bleiben würde. Weitaus verlockender war noch etwas ganz anderes: Hatte das Haus Galad nach all der Zeit sein Ziel erreicht, würden sie hoffentlich Ruhe geben. Und sie würde frei sein. Endlich.

Die Königin sah wieder zu Garan hinüber.

„Ich werde über euren Vorschlag nachdenken, Großfürst. Ihr bekommt Nachricht von mir, sobald ich mich entschieden habe.“

Der Großfürst verbeugte sich ein weiteres Mal und verabschiedete sich. Levara sah ihm hinterher, als er seinen Weg durch den Garten suchte. Eigentlich, erkannte sie, war ihre Entscheidung längst gefallen. Sie betete zu den Vieren, dass Ferdinand und ihr Onkel ihr verzeihen würden.

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 Betreff des Beitrags: Re: Das Königsspiel
BeitragVerfasst: 23.08.12, 12:12 
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Das Schicksal des Hauses Arbam


Es wurde eine Doppelhochzeit. Kurz vor dem Lichthoch des Jahrs 95 nach Arbam gaben sich sowohl ihre Majestät Levara XII. Ahm Arbam und Loras Ap Galad als auch Großfürstin Anastasia Ahm Arbam und Bran von Savaro Ap Mer das Ja-Wort. Die Feier war riesig. Keine Adelsfamilie des Reichs konnte es sich erlauben zu fehlen, nicht einmal das Haus Erson. Die Menschen drängten in Massen zu der Bundschließung im großen Tempel der Viereinigkeit. Die Tempeldiener mussten die Tore des Tempels geöffnet lassen, denn einem solchen Andrang war selbst er nicht gewachsen. So konnten auch die Bürger auf den Straßen Zeugnis des Ereignisses werden.

Am Abend folgte ein nicht minder gewaltiges Bankett mit geladenen Gästen. Auch wenn es ungewöhnlich war, hatte Levara darauf bestanden, dass ihre Cousine Anastasia und ihr Ehemann Bran die Hauptplätze einnahmen. Loras und sich hatte sie etwas abseits platziert. Es war ein Zeichen an das Haus der Galads, dass sie sich nur widerstrebend auf diesen Bund eingelassen hatte. Schon während der Messe hatte sie für einen kleinen Eklat gesorgt, als der traditionelle Kuss nach dem Anstecken der Ringe kaum einen Wimpernschlag lang gedauert hatte. Und selbst dieser kurze Kuss hatte sie große Überwindung gekostet.

Nun saß Levara auf ihrem Platz beim Bankett und beobachtete teilnahmslos die Menge. Hin und wieder zeigte sie ein künstliches Lächeln oder neigte dankend ihr Haupt, wenn sie Glückwünsche entgegen nehmen musste, doch nie mehr als unbedingt notwendig. Ganz anders ihr Ehemann Loras. Er lachte und grüßte überschwänglich. Das seiner Frau nicht nach Feiern zu Mute war, hatte er entweder nicht bemerkt oder ignorierte es absichtlich.

Als es etwas ruhiger wurde, schob er ihr in ungebührlicher Weise seine Hand auf den Oberschenkel. Leise flüsterte er ihr ins Ohr.

„Vielleicht sollten wir uns langsam zurückziehen, Liebling?“

Levara versteifte sich. Den ganzen Tag schon hatte sie sich vor diesem Augenblick gefürchtet. Ihr Blick glitt hinüber zu Anastasia und Bran. Obwohl sich beide zuvor nur ein paar Mal gesehen hatten, waren sie ein Herz und eine Seele. Levara konnte es Anastasia nicht verübeln, denn Bran war wirklich ein stattlicher Kerl. Seine Lehrjahre als Laiendiener Bellums hatten aus ihm einen kräftigen selbstbewussten jungen Mann gemacht. Ehre und Gerechtigkeit standen für ihn über allem anderen. Er wusste sich in der Gegenwart einer Frau zu benehmen. Und Anastasia himmelte ihn an. Wann immer sie zu ihm hinüber blickte, strahlten ihre Augen vor Glück. Bran erwiderte ihren Blick nicht minder glücklich. Als Levara die beiden so beobachtete, begann sie etwas zu verstehen. Vier Jahre war es her, seitdem sie die Krone ihres verstorbenen Vaters übernommen hatte. Es waren vier Jahre voller Leid gewesen. Die schlimmsten in ihrem Leben. Sie hatte drei geliebte Menschen verloren. Mit der Doppelhochzeit am heutigen Tag würde das Haus Arbam in der Bedeutungslosigkeit verschwinden. Der nächste Großfürst Heredons würde ein Mer sein. Und so wie es aussah, wäre der nächste König ein Galad – auch wenn sich Levara fragte, wie sie sich je dazu überwinden sollte mit Loras das Bett zu teilen. Das Schicksal ihrer Familie würde sich erfüllen. Man hatte ihr beigebracht, dass die Familie über alles zählte. Jeder musste sich ihrem Wohl unterordnen, egal ob es ein junger Adeliger, ein Großfürst oder gar die Königin selbst war.

Die letzten vier Jahre waren aber auch die glücklichsten ihres Lebens. Sie hatte Ferdinand kennen gelernt, den sie auf eine Art liebte, die sie nie für möglich gehalten hatte. Er hatte ihr noch etwas anderes beigebracht. Doch erst jetzt, da sie Anastasia und Bran sah, erkannte sie es: Es war das Streben nach Glück und Vervollkommnung, dass einen Menschen am Leben hielt. Niemand konnte ohne wenigstens die Hoffnung auf Glück überleben. Seit dem Tod Ferdinands war ihr diese Hoffnung verloren gegangen. Sie hatte sich ihrer Trauer hingegeben. Das vergangene Jahr war kaum noch als Leben zu bezeichnen. Und dann kamen Anastasia und Bran. Sie hatten ihren Weg noch vor sich. Wer konnte schon wissen, wohin er sie führen würde. Die Liebe der beiden zu sehen, gab Levara Kraft. Ihnen durfte nicht dasselbe wiederfahren wie ihr. Dafür würde sie Sorge tragen. Sie fasste einen Entschluss. Das Haus Arbam mochte verloren sein, aber den Galads würde sie den Thron nicht überlassen.

Ihre Hand packte die von Loras, die noch immer auf ihrem Oberschenkel ruhte.

„Was soll das? Du tust mir weh“, protestierte er.

Loras versuchte sich ihrem eisernen Griff zu entwinden, scheiterte aber kläglich. Ganz langsam und noch immer lächelnd beugte sie sich zu seinem Ohr.

„Hör mir gut zu, Loras Ap Galad. Ich werde dir das nicht zwei Mal sagen. Ich bin nicht dein Liebling, Schatz oder sonst etwas. Deine Familie hat mich zu dieser Hochzeit gezwungen. Das heißt noch nicht, dass wir ein Ehepaar sind. Du wirst niemals auch nur in die Nähe meines Schoßes kommen. Und sollte ich jemals davon erfahren, dass du deinen Schwanz irgendwo anders reingesteckt hast – und sei es nur ein Astloch – schneide ich ihn dir ab und verfüttere ihn an die Schweine. Ist das klar?“

Loras wurde bleich. Levara verstärkte ihren Griff.

„Ist das klar, frage ich.“

Der Galad nickte hastig. Daraufhin gab sie seine Hand frei. Hastig zog er sie an sich. Sein Handgelenk reibend sah er Levara ungläubig an. Die Königin lehnte sich zurück.

„Vergiss nicht unsere Gäste, ‚Schatz‘. Fürst Jerek von Tiefenwald hat dich gerade gegrüßt.“

Levara schloss die Augen. Das zuvor künstliche Lächeln wich einem echten, aus tiefstem Herzen kommenden. Alle Sorgen fielen von ihr ab. Frei. Endlich frei.

Am nächsten Morgen – die Nacht hatten Loras und sie in getrennten Betten in verschiedenen Schlafzimmern verbracht – unterbreitete sie ihrer Cousine und ihrem Schwager den Vorschlag erst einmal im Palast einzuziehen. Beide freuten sich sehr darüber. Anastasia vermisste noch immer ihren Vater und Bruder. Und Bran freute sich, dass er so nah beim Bellumstempel leben durfte. Von jetzt an würden die beiden unter Levaras Schutz leben.

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 Betreff des Beitrags: Re: Das Königsspiel
BeitragVerfasst: 24.08.12, 08:20 
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„Herzlich willkommen zu Hause, Bruder!“

Großfürst Garan III. schloss seinen jüngeren Bruder in die Arme. König Loras war gerade eben erst in der Residenz der Galads in Yota angekommen.

„Ich hoffe du bringst neue Kunde vom Hof. Seitdem der alte Geralt gestorben ist, erhalte ich keine Informationen mehr aus dem Umfeld der Königin.“

Loras erwiderte zögerlich die Umarmung.

„Du weißt doch, Bruder, dass mich meine Frau nie in ihre Pläne einweiht.“

Garan löste die Umarmung und packte seinen Bruder stattdessen an den Schultern.

„Du bist jetzt zweiundzwanzig Jahre mit ihr verheiratet!“
„Sie zeigt mir immer noch die kalte Schulter…“


Seufzend löste Garan seinen Griff und ging hinüber zu dem Arbeitstisch, der einst seinem Vater gehört hatte. Dabei machte er einen Bogen um den Weinfleck im Teppich. Garan hatte beschlossen den Teppich samt Fleck zu behalten. Er erinnerte ihn daran, dass von Zeit zu Zeit schwierige Entscheidungen getroffen werden mussten. Einladend deutete der Großfürst auf den Gästestuhl, ehe er es sich in seinem gemütlich machte. Loras kam der Einladung nach und nahm ebenfalls Platz.

„Zum Glück für dich habe ich bereits einen Plan, wie wir den Thron trotz der Enthaltsamkeit deiner Frau dauerhaft an uns bringen können.“

Loras presste seine Lippen zusammen. Garan sah ihn ärgerlich an.

„Ich hätte etwas mehr Begeisterung erwartet.“
„Entschuldige, Bruder. Wie sieht dieser Plan aus?“
„Kernstück des Plans ist die Familie des Großfürsten Heredons.“


Garan dachte an Großfürstin Anastasia und Großfürst Bran. Beide hatten nach ihrer Hochzeit eine stürmische Zeit durchlebt und einige Abenteuer hinter sich bringen müssen. So kam es, dass sie erst vor kurzem die Geburt ihres Erstgeborenen feiern konnten. Der Name des zukünftigen Großfürsten lautete Hilgorad.

„Stell dir vor, die kleine Familie hätte einen Unfall. Dann wäre der Titel des Großfürsten Heredons vakant. Das Haus Mer würde den Titel sicher für sich beanspruchen, schon weil die Arbams dazu gar nicht mehr in der Lage sind. Aber auch die Ersons haben ein Interesse an ihm. Es kann Jahre dauern bis die Lage geklärt ist. Der Adelsrat wird außer sich sein und nach Stabilität schreien. Und da kommen wir ins Spiel. Es wird ein leichtes sein, den Adelsrat davon zu überzeugen, die Thronfolge unserem Haus zuzusprechen. Zumal sie uns ohnehin schon zusteht. Allein der Unwille der Königin hält uns davon ab.“

Garan war so in die Erläuterung seines – wie er meinte genialen – Plans vertieft gewesen, dass er gar nicht bemerkt hatte wie Loras immer stiller wurde. Als er jetzt zu ihm hinübersah, blickte er in das bleiche Gesicht seines Bruders.

„Was ist los mit dir, Loras? Du siehst aus als hättest du ein Gespenst gesehen.“
„Levara sagte, dass du so etwas planen würdest.“


Garan runzelte die Stirn.

„Das ist unmöglich. Wie soll sie davon erfahren haben? Du bist der erste, dem ich von diesem Plan erzähle.“
„Sie sagte es. Und sie gab mir eine Botschaft für dich mit.“
„Eine Botschaft? Du schaffst es nicht es ihr zu besorgen. Lässt du dich jetzt auch noch zu ihrem Laufburschen machen?“


Loras ging auf die Stichelei nicht ein.

„Sie lässt dir folgendes ausrichten: Sollte Anastasia, Bran oder Hilgorad irgendetwas zustoßen, wird sie die anderen Häuser über die wahren Hintergründe von Stephans Tod informieren.“

Garan lachte böse auf.

„Sie hat keine Beweise. Und ohne Beweise werden ihr die anderen Häuser nicht glauben.“
„Sie hat den Dolch, Garan.“
„Das ist kein Beweis. Sie kann ihn nicht verwenden, weil sie dann seine Herkunft erklären müsste. Das würde auch ihr Haus in Bedrängnis bringen.“


Der jüngere Galad nickte leicht.

„Sie sagte mir, dass du das sagen würdest. Für diesen Fall habe ich eine weitere Botschaft für dich: Levara ist das Schicksal des Hauses Arbam egal. Anastasia ist mit Bran verheiratet und damit in Sicherheit. Sie selbst hat nichts mehr zu verlieren. Sie wird den Dolch als Beweis verwenden.“

Das Oberhaupt des Hauses Galad lief vor Zorn rot an.

„Verfluchte Arbams!“

Ein Weinkelch flog gegen die Wand und verteilte seinen Inhalt unweit der alten Flecken auf dem Teppich. Loras rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her.

„Levara sagte noch etwas.“
„Noch etwas?!“
„Schachmatt.“

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 Betreff des Beitrags: Re: Das Königsspiel
BeitragVerfasst: 25.08.12, 10:39 
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Epilog, Teil 1


Der als Träger des Lichts bekannte Diener Astraels sortierte seine Unterlagen. Er sah hinüber zu den drei anderen Ratsmitgliedern. Wieder einmal hatten sie sich in dem geheimen Raum tief unter dem Palais der Kirche versammelt.

„Ich heiße euch alle herzlich Willkommen, Geschwister. Ich habe euch aus einem sehr erfreulichen Anlass hier zusammen gerufen. Der Adelsrat ist dem Vorschlag ihrer Majestät gefolgt und hat Hilgorad Ap Mer zum rechtmäßigen Thronfolger ernannt.“

Erleichterung war in den Gesichtern der Anwesenden zu sehen. Der Traumdeuter beugte sich ein wenig nach vorn.

„Die Häuser Galad und Erson?“
„Das Haus Galad hat keine Probleme gemacht“
, fuhr der Träger des Lichts lächelnd fort. „Wie erwartet war der Großfürst überrascht als ich ihm die Beweise für den Mord an Stephan II. vorlegte, die wir in den letzten Jahren gesammelt haben. Letztendlich musste er einsehen, dass es das Beste sei dem Wunsch der Kirche Folge zu leisten. Ich konnte ihn außerdem dazu bewegen, seinen Einfluss auf das Haus Erson spielen zu lassen.“
„Was ist mit der Königin? Wie hast du sie dazu gebracht, Hilgorad als Thronfolger vorzuschlagen, Bruder?“


Fragend sah das Schwert Bellums den Blauberobten an.

„Dafür war keine Überzeugungsarbeit notwendig. Sie hatte es selbst schon geplant, zögerte allerdings noch, weil ihr nicht klar war wie sie eine Mehrheit im Adelsrat sicherstellen konnte. Als ich ihr versicherte, dass sich die Kirche dieses Problems annehmen würde, war sie äußerst erfreut.“
„Die Königin hat einen Narren an ihrem Neffen gefressen, wie man hört“
, mischte sich die Schenkerin der Freuden ein.

Der Träger des Lichts nickte.

„Das habe ich auch gehört. Sie soll sehr viel Zeit mit ihm verbringen.“

Wieder blickte er auf seine Unterlagen hinab.

„Lasst uns noch einmal über die Prophezeiung des Nesios sprechen. Ich bin der Meinung, dass wir alles getan haben, um sie zu erfüllen. Wir sollten sie trotzdem noch einmal Stück für Stück durchgehen, auch wenn wir das schon so oft getan haben. Der Preis des Irrtums ist zu hoch.“

Von den anderen kam zustimmendes Gemurmel. Der Diener Astraels zog aus seinen Unterlagen ein Blatt hervor und begann vorzulesen.

„Der Anfang ist recht offensichtlich: Höret die Stimme der Sahor: Die Zeit des Verderbers ist nah! Verzagt nicht, noch besteht Hoffnung.“
„Das fällt mit unseren Beobachtungen der Anomalie zusammen. In den letzten zwanzig Jahren hat sich das Dunkeltief wie vorhergesagt entwickelt“
, sagte das Schwert Bellums.
„Weiter: Der Phönix-Sohn wird aus der Asche des Drachenthrons geboren.“
„Phönix-Sohn bezieht sich vermutlich auf Hilgorad“
, überlegte die Schenkerin der Freuden. „Es ist ein Hinweis auf das Geschlecht der Mer, die im Schatten des Phönix-Gebirges ihre Herkunft haben.“
„Nicht nur“
, sagte der Träger des Lichts. „Der Phönix ist ein Symbol der Wiedergeburt. Das trifft hier gleich in dreierlei Hinsicht zu: Erstens hat das Haus der Mer eine Art Wiedergeburt erlebt, als es über die letzten Jahre zur neuer Stärke fand. Zweitens lautete der Name des Königs, der das Großreich gründete, Hilgorad XIII. Ap Iames. Und drittens könnte es sich auf die Prophezeiung des Auserwählten beziehen.“
„Die Prophezeiung wonach das Kind, das einst den Ungenannten zu Fall brachte, wiedergeboren wird?“
„Diese meine ich. Wir haben also gleich vier Bedeutungen von Phönix-Sohn, wovon drei unmittelbar auf das Haus Mer oder Hilgorad hindeuten.“
„Vier ist eine gute Zahl“
, sagte der Traumdeuter.
„Was ist mit der Asche des Drachenthrons?“ Fragte das Schwert Bellums.
„Drachenthron ist die alte Bezeichnung für den Königsthron. Er hat seinen Namen von der Stadt Draconis, die am Fluss Drac liegt, der wiederum am Rand des Drakenwalds entspringt. Asche ist etwas schwieriger zu deuten, schließlich gibt es das Königreich noch. Ich vermute daher, dass es sich nicht auf den Thron bezieht, sondern viel mehr auf die darauf sitzende Person.“

Die Schenkerin der Freuden nickte.

„Königin Levara und der Untergang des Hauses Arbam. Das ergibt Sinn. Die Prophezeiung will uns also sagen, dass der Auserwählte aus den Überresten des Hauses Arbam und Mer geboren wird?“
„So würde ich es verstehen“
, sagte der Diener Astraels. „Das bringt uns zum letzten Teil: Als neuer Drache wird er unsere Kinder in das Land des Schicksals führen.“
„Der Drache sitzt auf dem Drachenthron. Damit ist also der König gemeint“
, sagte das Schwert Bellums. „Aber was hat es mit diesem Land des Schicksals auf sich?“

Der Träger des Lichts schüttelte den Kopf.

„Darüber habe ich auch schon nachgegrübelt. Ohne Erfolg. Es scheint, als müsste sich dieser Teil der Prophezeiung erst noch erfüllen. Ich kann nur Vermutungen anstellen: Vielleicht gibt es in diesem Land eine Waffe oder etwas anderes, dass uns im Kampf gegen den Ungenannten hilft.“

Nachdenklich sah die Schenkerin der Freuden vor sich her.

„Fragt ihr euch nicht auch manchmal, ob es nicht ein Fehler war, dass der Geliebte der Königin durch einen ‚Unfall‘“, sie blickte dabei ärgerlich zum Schwert Bellums hinüber, „ums Leben kam? Vielleicht interpretieren wir die Prophezeiung ja falsch.“

Das Schwert Bellums zuckte mit den Schultern.

„Es war notwendig. Die Königin hätte unsere Beweggründe nicht verstanden. Dadurch wäre es uns unmöglich geworden die Voraussetzungen für die Erfüllung der Prophezeiung zu schaffen.“
„Ich stimme dem Schwert Bellums zu“
, sagte der Diener Astraels. „Das Beste wird sein, wir verschließen die Prophezeiung im Geheimarchiv. Unsere Arbeit ist erledigt. Jetzt müssen wir abwarten und beobachten.“

Aus der Ecke des Traumdeuters war ein leises Hüsteln zu hören.

„Ich habe heute Morgen eine weitere Prophezeiung erhalten…“



Epilog, Teil 2


Königin Levara XII. Ahm Arbam saß auf dem Balkon des Palasts und beobachtete lächelnd ihren Neffen beim Spielen mit den Holzklötzen, die sie ihm vor einigen Tagen geschenkt hatte. Als der Versuch die Holzklötze aufeinander zu stapeln immer wieder fehlschlug, rutschte sie zu ihm auf den Boden hinab.

„Ich helfe dir, Spatz.“

Gemeinsam bauten sie einen Turm nach dem anderen. Ihr fröhliches Lachen war im ganzen Palastgarten zu hören.
Levara hatte ihr Glück gefunden.



Abspann


Versteckter Inhalt bzw. Spoiler :
Herzlichen Dank an all meine Leser. Ich hoffe euch hat die Geschichte gefallen. Ich würde mich über Rückmeldung sehr freuen.

Wer zum Abschluss noch eine kleine emotionale Untermalung möchte: http://www.youtube.com/watch?v=YKAyqdyfx0I
Das Stück wurde zwar für eine ganz andere Geschichte geschrieben, aber sie passt wie ich finde auch sehr gut zu dieser. George Lucas und John Williams mögen mir verzeihen. ;-)

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